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Rede des Außenministers Frank-Walter Steinmeier „Klimawandel: eine globale Herausforderung“
--es gilt das gesprochene Wort--
Sehr geehrter Herr Dr. Pachauri,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Salomon,
sehr geehrter Herr Staatsminister, lieber Gernot Erler,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Lassen Sie mich zunächst einmal der Stadt Freiburg und unseren andern Partnern meinen ganz herzlichen Dank sagen, dass wir die heutige Konferenz gemeinsam planen und durchführen können.
Ich glaube, Zeitpunkt und Ort könnten nicht besser gewählt sein als hier in der Solarcity Freiburg über 1000 Teilnehmern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus allen Erdteilen zusammen zu rufen. Und so bedanke ich mich sehr herzlich für die Einladung, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Wir wollen wir die internationale Aufmerksamkeit gewinnen für eine fortschrittliche Klimapolitik. Und das heißt ganz sicher nicht zuletzt für eine vorausschauende Außenpolitik, die alle Dimensionen des Klimawandels im Auge hat: die ökologischen ebenso wie die technologischen, die sicherheitspolitischen ebenso wie die Fragen der horizontalen internationalen Kooperation zwischen den Staaten wie der vertikalen internationalen Kooperation mit den Städten und Regionen als neuen außenpolitischen Playern.
Das ist notwendig. Denn von der Neuordnung des internationalen Finanzwesens über eine Sicherheitsarchitektur des 21. Jahrhunderts bis hin zum Klimawandel wissen wir doch: es gibt keine nationalen Antworten mehr, die alleine tragfähig wären.
Sondern wir müssen auf die internationale Zusammenarbeit setzen.
Dazu gibt uns die heutige Konferenz reichlich Gelegenheit und dafür meinen herzlichen Dank!
Der Ort Freiburg selbst bürgt dabei für den Erfolg des heutigen Treffens: Die Stadt Freiburg und die Region im Dreiländereck ist ja in Deutschland schon fast ein Synonym für ökologischen Fortschritt, technologische Innovation, politische Durchsetzungskraft und ganz gewiss nicht zuletzt: bürgerschaftliches Engagement für die großen Zukunftsaufgaben.
Keinen besseren Zeitpunkt hätten wir uns aussuchen können für die Konferenz als heute: Amerika hat gewählt. Den Wechsel und Neubeginn gewählt, und diese Wahl selbst war ein Neuanfang für vieles, ja fast alles: Der erste farbige Präsident der USA wurde mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 100 Jahren gewählt. Er wurde gewählt, weil er für den Neuanfang steht. Er will eine neue Außenpolitik, die verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbaut, die nicht mehr Gegner sucht, sondern Partner sucht für die gemeinsamen Ziele.
Ich bin sicher: Dieser Neuanfang gilt nicht nur in der Außenpolitik: ein gerechteres Steuersystem, mehr Investitionen in Bildung, eine Reform des Gesundheitswesens – das sind die weiteren großen Aufgaben, die er sich gestellt hat und fast möchte man ihn bemitleiden, angesichts der immensen Erwartungen außen- wie innenpolitisch auf ihm lasten. Und wir sollten bei all dem nicht vergessen, dass Amerika erwartet, dass Obama in erster Linie Amerikaner ist und amerikanische Interessen vertritt. Das sollten wir mit Blick auf unser Thema des Klimaschutzes und des Klimawandels nicht vergessen!
Denn Amerika ist in Gänze sicher noch nicht ausreichend vorbereitet auf einen eigenen Beitrag, behandelt Energiefragen zum Beispiel in der Bündnispolitik zumeist unter dem dominierenden Gesichtspunkt der Energiesicherheit und der Unabhängigkeit von politisch unsicheren Regionen und unzuverlässigen Partnern wie Venezuela und andere. Das müssen wir realistisch sehen. Und dennoch gibt es Anlass für Zuversicht aus zwei Gründen:
Der erste liegt in der Person Obamas selbst und in seinem Programm. Der zweite in der ökologischen Bewegung in Städten und Regionen, die oft schon weit fortgeschrittener ist als die nationale Politik.
Aus meinen Gesprächen mit Obama weiß ich: Er meint es ernst mit seinem Neubeginn, er meint es ernst, wenn wir über die Bedrohung der Menschheit durch den Klimawandel reden. Überschwemmungen, Dürre und Wüstenbildung in Afrika sind keine Themen, von denen wir ihn erst überzeugen müssten. Sondern er weiß um unsere gemeinsame globale Verantwortung.
Der Klimawandel gehört für uns zu den Themen, die wir nur gemeinsam lösen können oder an denen wir gemeinsam scheitern.
Er ist sich bewusst, dass die globale Verantwortung eine starke Rolle des Westens braucht. Aber noch mehr ist er sich bewusst, dass wir scheitern werden, wenn es uns nicht gelingt, andere zu überzeugen, dass sie sich als Teil der weltweiten Verantwortungsgemeinschaft begreifen. Und er weiß dabei um die Notwendigkeit des amerikanischen Beitrages.
In der Tat: Die Welt braucht einen „A Green New Deal“, wie das der Generalsekretär der Vereinten Nationen bezeichnet hat. Sie muss sich umstellen auf eine klimaverträgliche Weise des Wirtschaftens, des Wohlstandes und des Umganges mit ihren Ressourcen.
Dazu werden wir Mut brauchen, und Mut macht uns ihre Anwesenheit, lieber Herr Dr. Pachauri! Wohl keine andere Institution hat in den letzten Jahren so nachhaltig und erfolgreich für ein gemeinsames Bewusstsein für die Gefahren des Klimawandels geworben, hat so energisch vor Gefahren gewarnt und an Lösungsmöglichkeiten mitgewirkt.
Ohne den Weltklimarat wären wir von der notwendigen internationalen Verantwortungsgemeinschaft noch weit entfernt. Es ist mir eine besondere Ehre, diese Konferenz des Auswärtigen Amtes gemeinsam Ihnen, gemeinsam mit dem Träger des Friedensnobelpreises eröffnen zu dürfen. Seien Sie herzlich willkommen!
In knapp einem Monat beginnen in Posen die Verhandlungsdelegationen zur nächsten globalen Klimakonferenz. Wir kämpfen dafür, dass wir hier die notwendigen Fortschritte erzielen. Wir wollen nächstes Jahr in Kopenhagen ein ehrgeiziges Abkommen beschließen: Als Grundlage für globale Emissionsminderungen ab 2012. Als Rahmen für die notwendigen langfristig ausgerichteten Anpassungsmaßnahmen. Als Antwort auf die Fragen, wie die nötigen Finanzmittel weltweit aufgebracht und genutzt werden. Und als Unterstützung für die Länder, die moderner Technik bedürfen, sich diese aber nicht leisten können. Ohne oder gar gegen Amerika werden Lösungen in all diesen Fragen nicht zu finden sein!
Einiges haben wir vorgearbeitet. Eine transatlantische Klimabrücke stand und steht im Mittelpunkt meiner Bemühungen und derer von Siegmar Gabriel in den vergangen beiden Jahren. Wir sind in diesem Zeitraum bei meinen Reisen in die USA sind wir da schon auf regionaler Ebene einen Schritt vorwärts gekommen. Im Großen wie im Kleinen – und selten ohne Freiburger Beteiligung. Eike Weber, den ich hier herzlich begrüßen möchte, hat mich mit seinem Rat und dem seines ganzen Institutes viele Male begleitet: zu Arnold Schwarzenegger, zuletzt an die Ostküste, wo sein Institut mit dem MIT eine gemeinsames Forschungszentrum für nachhaltige Energiesysteme gegründet hat.
Vorangekommen sind wir auch beim Thema Emissionshandel. In den USA sind vor allem die Bundesstaaten der Ost- und Westküste Vorreiter beim Aufbau von Emissionshandels-Systemen und bei meinem Besuch in Kalifornien im Sommer 2007 habe ich mit dem Gouverneur in Kalifornien verabredet, dass die amerikanischen Bundesstaaten und die EU eng beim Aufbau und der Verbindung ihrer Handelssysteme zusammenarbeiten. Konkretes Ergebnis dieser Gespräche ist die „International Carbon Action Partnership“, kurz ICAP. Diese Partnerschaft hat auch über die USA hinaus in Kanada, aber auch in Australien und Neuseeland neue Mitglieder gefunden.
Die Festlegung eines Preises für die Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen – Ökonomen sprechen von einer Internalisierung dieser Kosten – sind langfristig der wirksamste Weg, die Emissionen zu senken. Am kostengünstigsten ist es, wenn man dies mit einem Markt verbindet. Das leisten Emissionshandelssysteme.
ICAP hat zum Ziel, die Bestimmungen bestehender und sich entwickelnder Emissionshandelssystemen weltweit zu harmonisieren, um sie zu einem globalen Markt zusammenzuschließen.
Diesen Ansatz suchen wir auszubauen. So haben wir vor einigen Wochen gemeinsam mit dem Bundesumweltminister und mit US-Bundesstaaten und Bundesländern, Städten und Kommunen, der Wissenschaft, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft unseren Vorschlag einer transatlantischen Klimabrücke vorgestellt. An dieser Brücke wollen wir weiter bauen und ich freue mich sehr, hier im Saal transatlantische Brückenbauer zu sehen. Seien Sie besonders herzlich begrüßt!
Beim Klimaschutz zeigt sich in einem ganz besonderen Maße: eine neue Ordnung der Welt kann nicht darin bestehen, dass die Welt in neue Lager zerfällt. Hier haben die USA und Europa eine besondere Verantwortung.
Teil unserer Agenda und derjenigen der EU ist die Einhegung der Sicherheitsbedrohungen des Klimawandels. Wir müssen aufkeimende Konflikte frühzeitig erkennen, weitsichtig anpacken und gemeinsam friedlich lösen.
Diese vorausschauende Außen- und Sicherheitspolitik muss deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Regionen richten, in denen die Folgen des Klimawandels bereits spürbar sind.
Dies ist auch eines der Kernanliegen des EU-Strategiepapiers zu Klimawandel und internationaler Sicherheit, das auf deutsche Initiative entstanden ist und von Javier Solana und Kommissarin Ferrero-Waldner im März dieses Jahres während des EU-Gipfels vorgestellt wurde.
Dies sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Antwort der EU. Die EU-Zentralasienstrategie bietet ein hilfreiches Beispiel dafür, wie wir Klimasicherheit in EU-Regionalpolitiken einbringen können. Die grenzüberschreitende Bewirtschaftung der Wasserressourcen ist ein wichtiger Pfeiler dieser Strategie.
Ich habe im April in Berlin eine Wasser-Initiative Zentralasien angestoßen, um die Umsetzung dieser Strategie voranzubringen. Diese sucht die Fähigkeiten der lokalen Bevölkerungen und den regionalen Dialog zu fördern. Wir streben die Schaffung einer effizienteren Wasserinfrastruktur in der Region an und werden uns mit den Partnern in Zentralasien bereits am 17./18. November erneut treffen, um weitere Schritte zu verabreden. Ziel ist die Gründung einer Wasserakademie in Bischkek, die Experten aus dem gesamten Zentralasiatischen Raum ausbildet.
Dazu kommt die Gründungskonferenz von IRENA, der internationalen Agentur für erneuerbare Energien, im Januar des nächsten Jahres in Bonn. IRENA ist unsere Initiative und gemeinsam vor allem mit Dänemark und Spanien haben wir daran gearbeitet, dass sich im nächsten Jahr möglichst viele Staaten gemeinsam verabreden, diese Agentur zu gründen und auf erneuerbare Energien zu setzen.
Auch dieses Beispiel zeigt: vorausschauende Außenpolitik ist nicht nur eine Politik gegen den Klimawandel. Sondern zugleich eine Politik für mehr Sicherheit und Stabilität. Ressourcenpolitik muss Friedenspolitik sein!
Wir brauchen dabei national wie international starke Partner und neue Allianzen. Dies bezieht explizit die Städte und Regionen mit ein, die vielfach als „Frühwarnungsinstanz“ für drohende Spannungen, aber auch für erfolgreiche Lösungsansätze dienen.
Mit der transatlantischen Klimabrücke haben wir hier einen ersten Schritt gemacht, wir haben aber auch zum Beispiel in China, nämlich in Chengdu, in einer der Megacities des 21. Jahrhunderts für diesen Ansatz geworben. Lassen Sie uns auf diesem Weg weiter gehen. Freiburg scheint mir dafür der richtige Ort zu sein. Nutzen wir diesen Impuls! Vielen Dank