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Grußwort von Staatsminister Gernot Erler zur Konferenz des Deutschen Städtetags und des Auswärtigen Amts „Perspektiven der kommunalen Zusammenarbeit mit China“
Sehr geehrter erster Bürgermeister Burkhard Exner,
sehr geehrter Herr Minister Spranger,
sehr geehrte Oberbürgermeister Ilg, Jung, Küchler, Kissel, Prof. Schwandner und Dr. Trümper
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
sehr geehrter Dr. Heraeus
sehr geehrter Herr Dr. Voigt
sehr geehrter Herr Prof. Speer
lieber Kollege Botschafter Dr. Röhr,
verehrte Vertreter deutscher Städte und Gemeinden
sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke Ihnen für die Gelegenheit, als Vertreter des Auswärtigen Amtes einige Worte zur Eröffnung dieser Konferenz sprechen zu können.
Ein chinesisches Sprichwort sagt:
„Nicht der Wind, sondern das Segel bestimmt die Richtung“.
Das Sprichwort steht beispielhaft für den pragmatischen Ansatz der Chinesen, Begleitumstände, die unabdingbar sind, hinzunehmen und sich vor allem darauf zu konzentrieren, wie diese Begleitumstände für die eigenen Zwecke nutzbar gemacht werden können.
Verstehen wir den Wind als unabänderlichen Prozess der fortschreitenden Globalisierung, werden die Unterschiede zur westlichen Denkweise besonders deutlich:
Der Westen, und da nehme ich mich als Politiker einer westlichen Nation wie Deutschland durchaus nicht aus, spricht oftmals mit Hingabe darüber, welche Vor- und Nachteile aus der Globalisierung erwachsen. Je nach dem ideologischen Ansatz wird dann der Globalisierungs-Wind entweder als Teufelswerk verschrien oder als Werk des Himmels gepriesen. Ja, wir Politiker stellen an uns selbst sogar häufig den Anspruch, die Globalisierung in irgendeiner Form „gestalten“ zu wollen. Darüber könnte man lange diskutieren, aber es wird hier eines deutlich:
Aus chinesischer Sichtweise ist es ein sehr merkwürdig anmutender Denkansatz, die Energie des eigenen Nachdenkens auf den Wind und damit eine sogenannte exogene Größe verschwenden zu wollen.
Die Chinesen denken im Unterschied dazu viel eher darüber nach, was man aus dieser Situation machen kann, d.h.
Wohin wollen wir unter diesen besonderen Bedingungen des Windes, welche Ziele streben wir im Zeitalter der Globalisierung an?
Wie lässt sich die Globalisierung für unsere Ziele am besten nutzen?
Schnell ist man mit einem solchermaßen pragmatischen Ansatz bei den praktischen Fragen angekommen, also konkret „wie das Segel gesetzt werden muss, um das Schiff vor den Wind zu bringen“. Mit anderen Worten:
Wie setze ich meine Ziele in die Praxis um, um unter den Bedingungen der Globalisierung zu den Gewinnern zu gehören?
Und damit sind wir beim eigentlichen Thema der heute und morgen stattfindenden Konferenz – danke an die Stadt Potsdam für ihre Gastfreundschaft – angekommen:
Welche Perspektiven hat die kommunale Zusammenarbeit mit China?
Mit anderen Worten:
Was erwartet uns, wenn wir gen China segeln?
Wohin wollen wir in der Zusammenarbeit mit China?
Und:
Welche Rolle kann die kommunale Ebene in der Partnerschaft mit einem immer noch für uns fremden Partner spielen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
schauen wir uns diesen fremden Partner einmal näher an, so stellen wir fest, dass er schon seit langem so fremd gar nicht mehr ist:
Nur wenige Meter von hier entfernt ließ Friedrich der Große bereits im 18. Jahrhundert das chinesische Teehaus im Schlossgarten von Sanssouci erbauen. Es integriert beispielhaft europäische Rokoko-Kunst mit fernöstlichen Stilelementen.
Heute zeigen sich die Verbindungen nach China nicht mehr nur im Kunstbereich. Die trotz der geographischen Distanz tausender Kilometer gewachsene Neugierde auf das jeweils Andere hat einen beispiellosen Austausch befördert, der mittlerweile alle Bereiche des Lebens – Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Jugend und auch die Politik – erfasst hat.
Öffnung, Modernisierung und partnerschaftlicher Austausch ist den Chinesen dabei besonders wichtig. Nur unter Anerkennung dieser Prämisse wird es uns gelingen, gemeinsam sowohl die gewaltigen Herausforderungen anzugehen, als auch die immensen Chancen der Globalisierung wahrzunehmen.
Wir alle stehen vor Herausforderungen, die von keinem Land der Welt, von keinem exklusiven Bündnis mehr allein gelöst werden können.
Und ich bin davon überzeugt: Das wird uns dann am besten gelingen, wenn wir dies im Geiste des offenen Dialoges und der Kooperation im Sinne einer sich weiter herausdifferenzierenden „globalen Verantwortungsgemeinschaft“ tun.
„Voneinander lernen“ wird in dieser Gemeinschaft immer mehr zum Leitbild werden.
Diesem partnerschaftlichen Prinzip ist auch die Veranstaltungsreihe „德中同行Dé zhōng tóng xíng“ oder auf deutsch „Deutschland und China - Gemeinsam in Bewegung“ verbunden.
Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit auf breiter Grundlage neue Impulse zu verleihen.
Im Mittelpunkt steht die Problematik der vor allem in China zunehmenden und immer rasanter verlaufenden Urbanisierungsprozesse. Mehr als 40% der chinesischen Bevölkerung lebt schon heute in städtischen Ballungsräumen, die sich zu immer größeren Megastädten auswachsen.
Wenn wir an ein Wachstumsmodell denken, das die Nachhaltigkeit, den Menschen und seine Chancen zur fairen Teilhabe ins Zentrum stellt, dann wird ein solches Wachstumsmodell seinen wichtigsten Test in eben diesen Megastädten des 21. Jahrhunderts bestehen müssen. Denn die rasante Urbanisierung ist einer der globalen Megatrends unserer Zeit, und das weltweit. Städte werden zu Kristallisationspunkten des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels und Urbanisierung, das ist praktisch „Globalisierung im Brennglas“.
Die Veranstaltungsreihe soll deutlich machen, dass Deutschland und China gemeinsam durch nachhaltige Energienutzung und moderne Technologien die Herausforderungen der Urbanisierung bewältigen und damit auch einen wichtigen und notwendigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
Auf dieses Ziel müssen wir zügig, konsequent und langfristig zuarbeiten, denn Strohfeuer-Effekte bringen uns nicht weiter: Konsequenterweise haben wir die Veranstaltungsreihe deshalb auf drei Jahre, von 2007 bis 2010 hin konzipiert.
Das Auswärtige Amt ist Projektträger der Veranstaltungsreihe. Wir arbeiten dabei eng mit unseren Partnern aus Kultur und Wirtschaft, dem Goethe-Institut, dem Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und der Standortinitiative der Bundesregierung „Deutschland - Land der Ideen“ zusammen. Lassen Sie mich an dieser Stelle der Deutschen Wirtschaft für die Unterstützung dieser Veranstaltungsreihe herzlich danken!
Während der ersten beiden Stationen, Nanjing und Chongqing, konnten wir mit großer Freude die große Resonanz der chinesischen Seite auf unsere Initiative hin beobachten.
Ich frage: „Gemeinsam voneinander lernen“, kann dies nicht auch ein Ansatz für deutsche Städte und Gemeinden sein ?
Zusammenarbeit und Partnerschaft bergen großartige Potentiale - natürlich auch auf kommunaler Ebene. Allein die rege Nachfrage nach der Teilnahme an dieser zweitätigen Konferenz zeigt, dass der Thematik in Zukunft eine immer wachsende Bedeutung zukommen wird.
Blicken wir doch einmal zurück:
Als im Jahre 1982 die Stadt Duisburg in Nordrhein-Westfalen als erste deutsche Stadt eine Partnerschaftsurkunde mit einer chinesischen Stadt unterzeichnete, galt dies als etwas Exotisches – heute, mehr als 25 Jahre später, gibt es mehr als 75 solcher Freund- und Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden. Die Stadt Duisburg ist nur eine von zahlreichen Erfolgsgeschichten dieser Art.
Und das Interesse deutscher Städte und Kommunen, Partnerschaften mit einem chinesischen Partner einzugehen, nimmt weiter stark zu. Dies zeigen die kontinuierlich ansteigenden Zahlen, besonders seit dem Jahr 2000.
In meiner Heimatstadt Freiburg im Breisgau bin ich selbst Zeuge dieser Entwicklung. Sie hat bereits acht intensive Städtepartnerschaften. Seit dreieinhalb Jahren besteht nun aber auch das China-Forum Freiburg, und wir stehen vor der Gründung einer „Deutsch-Chinesischen Qingdao-Gesellschaft Freiburg“. Diese bezieht sich auf die frühere deutsche Kolonie Tsingtao. Der Anstoß ging von einer Delegation aus Qingdao aus, die das Bundesmilitärarchiv in Freiburg besuchte und sich für die dort gelagerten Akten zu Tsingtao interessierte. Jetzt geht es aber auch um Zusammenarbeit in Bereichen wie Altstadtsanierung, umweltfreundliche Städte und dergleichen. Ich gehe davon aus, dass es irgendwann eine Städtepartnerschaft Freiburg – Qingdao geben wird. Ich wurde auch darum gebeten, dem Beirat anzugehören, und habe bereits eine positive Antwort gegeben.
Wir haben also die richtigen Segel gesetzt und sind auf dem richtigen Weg, denn China ist ein immer wichtigerer Partner und soll kein fremder Partner im Fernen Osten mehr bleiben.
Die kommunalen Spitzenverbände und insbesondere der Deutsche Städtetag als größter Verband, leisten einen entscheidenden und wichtigen Beitrag zu genau dieser Partnerschaft. Als Interessenverband aller kreisfreien und der meisten kreisangehörigen Städte haben sich in ihm mehr als 4.000 Städte und Gemeinden mit insgesamt 51 Millionen Einwohnern zusammengeschlossen.
Es ist nur konsequent, dass sich ein kommunaler Verband dieser Größe neben der Interessenvertretung seiner Mitglieder intensiv mit den die Städte betreffenden Zukunftsfragen auseinandersetzt. Und wenn es in diesem Zusammenhang um das Thema „Stadtpolitik in Zeiten der Globalisierung“ geht, dann kommen wir an der Beschäftigung mit dem Phänomen „China“ nicht vorbei. Wir sind dem Deutschen Städtetag daher sehr dankbar, gemeinsam mit dieser Konferenz eine Diskussions-Plattform zu den konkreten Möglichkeiten und Chancen anbieten zu können. Ich denke, auch hierfür gebührt dem Deutschen Städtetag ein herzliches Dankeschön!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Sie engagieren sich als Oberbürgermeister, Bürgermeister oder in vielfältigen weiteren Funktionen jeden Tag vor Ort für die Menschen in Ihren Städten und Gemeinden. Ich kann mir vorstellen, dass Sie bei solchen Projekten nicht nur auf Zustimmung treffen. Vielfach werden Sie dem Vorwurf begegnen müssen, dass sich das städtische Engagement mit China doch nicht für die eigenen Bürger rechnen würde.
Ich darf Ihnen aber versichern, grenzübergreifende, kommunale Zusammenarbeit schafft viele neue Perspektiven und die Bundesregierung unterstützt aktiv ein starkes Engagement deutscher Städte in der ganzen Welt und ganz besonders auch in China.
Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, sind so zahlreich wie unterschiedlich. Denken wir einmal daran, dass die Wirtschaftsbeziehungen nicht nur großen Unternehmen wie Siemens, BASF und Daimler vorbehalten sind. Kommunales Engagement ist vielfach die notwendige Voraussetzung, um auch dem lokalen Mittelständler die Tür zu neuen attraktiven Märkten zu öffnen. Oder denken wir an ausländische Investitionen in Ihrer Kommune. Vergessen wir aber auch nicht, dass wir bei unseren internationalen Kontakten - insbesondere auch in China - mit aller Selbstverständlichkeit teils auch mit finanziellen Erwartungen konfrontiert werden, die gelegentlich unsere Möglichkeiten bei weitem übersteigen oder auch geprüft werden müssen, ob sie unseren eigenen Prioritäten entsprechen.
Wenn wir hier überzogene Erwartungen haben, kann die anfängliche Begeisterung schnell in große Verstimmung, ja in Frustration umschlagen.
Zentral für die Kooperation mit China ist also:
Genau zu wissen, was wir wollen, und
Bei aller Freund- und Hilfsbereitschaft die Grenzen unserer Möglichkeiten und auch unsere eigenen Interessen nie aus den Augen zu verlieren.
Deshalb wollen wir die Tage heute und morgen als Gelegenheit nutzen, uns auszutauschen und unsere Erwartungen genauer zu benennen. Das Auswärtige Amt möchte Sie auf diesem Weg begleiten und Ihnen, wo immer möglich, auch Hilfestellungen geben.
Wie schon bereits erwähnt hat sich die Zusammenarbeit mit China in den letzten Jahrzehnten stark intensiviert. Die wirtschaftlichen Vorteile habe ich ebenfalls bereits angesprochen.
Aber, wie bereits bei der Vorstellung unserer Veranstaltungsreihe „Deutschland und China - Gemeinsam in Bewegung“ deutlich wurde, erschöpft sich die kommunale Partnerschaft mit China nicht darin, Türöffner für die deutsche Wirtschaft zu sein.
Wenn wir an die vielfältigen Kontakte im Sport, der Kultur, der Wissenschaft und der Hochschulen denken, dann wird deutlich, welchen großen Umfang die Zusammenarbeit mit China heute bereits hat und in welche Dimensionen wir erst noch hineinwachsen.
Schon heute beispielsweise stellen die 27.000 chinesischen Studenten in Deutschland die größte Gruppe ausländischer Studenten in Deutschland dar.
Im Bereich des Jugendaustausches wird schon in der nächsten Woche, vom 13.-20. Oktober 2008, der Gegenbesuch von 400 chinesischen Jugendlichen auf Einladung der Bundeskanzlerin in Deutschland erwartet. 400 deutsche Jugendliche waren in diesem Jahr bereits in China zu Besuch.
Und gab es vor 30 Jahren gerade einmal eine Handvoll konkreter Kooperationsprojekte deutscher und chinesischer Hochschulen, so ist diese universitäre Kooperation mittlerweile auf weit mehr als 400 Projekte angewachsen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen zu erwähnen, dass die chinesische Seite ebenfalls ihre Anstrengungen verstärkt, um die sprachliche und kulturelle Zusammenarbeit mit Deutschland zu fördern. Dies geschieht einerseits durch die Etablierung neuer Konfuziusinstitute an hiesigen Universitäten, andererseits durch das im April diesen Jahres offiziell eröffnete chinesische Kulturzentrum in Berlin.
All diese Entwicklungen werden unsere Gestaltungsmöglichkeiten in Zukunft entscheidend beeinflussen. Wir können uns heute nicht mehr in ein auf uns selbst bezogenes Schneckenhaus zurückziehen, wenn der Wind draußen auffrischt, die weltwirtschaftliche Lage rauer und der Wettbewerb um die klügsten Köpfe immer stärker wird.
Im Gegenteil: Wir müssen uns öffnen und dürfen dabei den gegenseitigen Dialog auf allen Ebenen niemals abreißen lassen.
Bei vielen Kommunen ist der gegenseitige Dialog erfreulicherweise bereits so weit vorangeschritten, dass sie offizielle Städtepartnerschaften mit chinesischen Kommunen eingegangen sind.
Eine solche Städtepartnerschaft ist durch viele Hürden gekennzeichnet - mit einer chinesischen Stadt wirken diese Hürden manchmal höher als wenn man das beispielsweise mit einer französischen oder polnischen Partnerstadt angeht. Angesichts großer geographischer Distanz, kultureller Unterschiede und nicht zuletzt der Sprache lassen sich manche vielleicht abschrecken. Doch lassen Sie mich das eine betonen: Jede Hürde ist eine Herausforderung. Sie zu meistern kann einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Verständigung leisten. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass der praktische Gewinn von Städtepartnerschaften insbesondere auf der zwischenmenschlichen Ebene anzusiedeln ist.
Mit Ihrem kommunalpolitischen Engagement unterstützen Sie somit ein wesentliches Ziel unserer Außenpolitik, ein Ziel, das in dieser Allgemeinheit zwar banal klingen mag, aber insbesondere im Zeitalter der Globalisierung von zentraler Bedeutung ist: Dieses Ziel heißt - Völkerverständigung - und ist eben die Voraussetzung zur Bewahrung des Friedens, nach all dem, was wir erfahren haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
unsere Welt ändert sich fortlaufend,
der technologische Fortschritt der Welt vollzieht sich immer schneller
die Welt erscheint uns jeden Tag insofern ein Stück kleiner,
wir rücken insofern dadurch in unserer Wahrnehmung jeden Tag ein Stück näher an unsere Nachbarn heran.
Durch die Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit mit China können gerade Sie als Oberhäupter Ihrer Kommunen in diesem Umfeld einen weiteren Schritt tun, die sich aus der kleiner werdenden Welt ergebenden Chancen für Ihre Mitbürger zu nutzen.
Nehmen Sie also mit dieser Konferenz ihre Chancen wahr. Hierbei wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg!
Herzlichen Dank!