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Rede von Bundesaußenminister Steinmeier anlässlich des Festaktes zum Amtswechsel des Präsidenten des Deutschen Archäologischen Institutes am 22. Februar 2008
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Professor Parzinger,
sehr geehrter Herr Professor Gehrke,
lieber Herr Professor Lehmann,
meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich zu Anfang etwas sagen zum Zusammenhang von Archäologie und Außenpolitik, so wie er mir erst gestern Abend bei einer großen Privatbank wieder begegnet ist.
Ich war zu einem Vortrag bei einer großen deutschen Privatbank eingeladen. In den Gesprächen dort spielte – neben einigen aktuellen Bezügen – auch die Frage eine Rolle, wie man mit schwierigen Gesprächspartnern umzugehen hat. Und was das aussagt über unser Verständnis von Werten.
Wir alle hier kennen diese Diskussionen. Sie sind in der Regel nicht besonders ertragreich.
Um so überraschender war dann für mich die Wendung des Gespräches, als ich betonte, wie wichtig gerade die kulturelle Arbeit im internationalen Raum ist. Wie viel mehr diese politikfreie intellektuelle und künstlerische Arbeit von unseren Haltungen und Werten vor Ort vermittelt als wortreiche Theorie aus der Ferne. Und wie über die kulturelle Praxis gerade bei schwierigen Partnern und oft erst nach Jahren die Fäden geknüpft werden, die dann ein Netz ergeben, das auch für die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen tragfähig ist. Und ich nannte auch Syrien als Beispiel.
Genau an diesem Punkt erwachte das Interesse der Bankiersfamilie und mit einem gewissen und durchaus berechtigten Stolz berichtete man mir von den Ausgrabungen von Max von Oppenheim auf dem Hügel von Tell Halaf in Nordsyrien. Und davon, dass Max von Oppenheim vor allem die Frage interessierte, warum und wie sich kulturelle Leistungen und Verschiedenheit heraus bildet.
Ich glaube, lieber Herr Parzinger, dieser Gedanke ist Ihnen nicht ganz fremd.
Und weil „jede Kultur das gemeinsame Schicksal aufgrund der jeweiligen Erfahrungen anders erlebt“, wie das Milan Kundera einmal formuliert hat, genau deswegen ist das gemeinsame Erforschen unserer Erfahrungen und Vorerfahrungen so wichtig. Es formt das kulturelle Gedächtnis und prägt unsere Vorstellungen von Identität.
Und es erlaubt uns oft genug erst, das notwendige Verständnis für die Zusammenhänge hinter den aktuellen politischen Fragen zu entwickeln.
Wir sollten – und das gilt über das DAI hinaus – Erinnerungskultur und kulturelles Erbe deswegen nicht so sehr als „Pflege“ von etwas immer schon Vorhandenem begreifen, wie das oftmals so leichthin gesagt wird, sondern als gemeinsames Arbeiten an unserer Wirklichkeit und Zukunft nutzen!
Lassen Sie mich hierzu ein Beispiel aus meiner ganz persönlichen Erfahrung mit der Arbeit des DAI berichten: Der ein oder andere auch hier im Saal wird sich vielleicht noch erinnern: Deutschland hatte im vergangenen Jahr die Präsidentschaft der Europäischen Union inne. Und einer unserer außenpolitischen Schwerpunkte war eine Zentralasienstrategie.
Warum erwähne ich das? Ganz einfach, weil mir bei meinen Reisen in die zentralasiatischen Ländern, in den Gesprächen vor Ort, hier in Berlin aber auch mit unseren europäischen Nachbarn in- und außerhalb der EU ein Punkt immer wieder aufgefallen ist:
Weder in den zentralasiatischen Staaten noch in Russland noch in Ungarn oder Rumänien musste ich erklären, warum uns Deutschen die Zusammenarbeit mit diesen Ländern nicht nur wichtig ist, sondern am Herzen liegt.
Dort weniger als hier!
Und zumindest eine, wenn nicht die Erklärung für dieses Phänomen ist nun einmal Ihre Arbeit, lieber Herr Parzinger, und die des DAI.
Ihre Forschungen an den Königsgräbern der Skythen, Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit haben nicht nur eine kulturelle Brücke der Vergangenheit ausgegraben. Sondern Sie haben das Fundament für die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit gelegt.
Und das hat genau deswegen funktioniert, weil es keinen funktionalen Zusammenhang zwischen der kulturellen Arbeit und der politischen Arbeit gibt und auch nicht geben sollte. Und genau deswegen sollte Politik keine Kultur machen, aber Kultur kann Politik machen, kann Haltungen, Verhaltensweisen und Einstellungen – kurz: Werte - vermitteln.
Übrigens auch durch wirtschaftliches Handeln, zumal in einer globalisierten Welt. Das ist heute nicht unser Thema.
Aber: Unser Thema hier im Auswärtigen Amt ist aber, wie wir mit der Globalisierung kulturpolitisch umgehen. Denn in einer globalisierten Welt verschieben sich nicht nur die wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnisse. Sondern wir können auch nicht mehr mit der gleichen Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass unsere Haltungen und Einstellungen überall in der Welt anerkannt oder auch nur verstanden werden.
Und genau deswegen ist es nach meiner Überzeugung auch keine Lösung, wenn wir über diese Werte in erster Linie reden. Sie müssen sich in unserem Handeln verständlich machen. Und das heißt zweierlei: Sie müssen erkennbar sein und sie müssen ein gemeinsames weiteres Handeln ermöglichen.
Anrede,
genau deswegen ist die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik für mich ein ganz besonders wichtiger Teil der Außenpolitik. Weil sie das gemeinsame Handeln in einer internationalen und interkulturellen Lerngemeinschaft ermöglicht, weil sie die Köpfe und Herzen der Menschen besser und unmittelbarer erreicht.
Wer, wie hoffentlich jeder hier im Saal, die wunderschöne Skythenausstellung im vergangenen Jahr gesehen hat, wer erlebt hat, mit wie viel Freude, Begeisterung, Dankbarkeit und Kooperationswille alle – ich glaube es waren acht – beteiligten und zum Teil nicht alle politisch auf das engste befreundeten Länder vertreten waren, der wird mir zustimmen, wenn ich sage: die Diplomatie der Kultur kann manches, was die Kultur der Diplomatie jedenfalls so nicht kann.
Anrede,
noch einen anderen Aspekt möchte ich hervorheben, bei dem mir das DAI vorbildlich für unsere Auswärtige Kulturpolitik erscheint. Als wir vor gut eineinhalb Jahren hier im Weltsaal zu einer großen Konferenz eingeladen hatten, habe ich mir gewünscht, dass wir Inhalte und Instrumente der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik besser zusammen bringen, sie modernisieren und international noch besser vernetzen.
Ich glaube, das ist dem Deutschen Archäologischen Institut in exemplarischer Weise gelungen.
Sie haben, lieber Herr Parzinger, das Institut neu aufgestellt, mit modernen Strukturen versehen und durch eine breite Vernetzung zukunftsfähig gemacht. Und das ist Ihnen so gut gelungen, dass sich Wissenschaftsrat und Abgeordnete des Deutschen Bundestages gemeinsam über das „Juwel“ der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik freuen. Vielleicht sollte ich jetzt Sorge vor Juwelenräubern haben, aber selbst damit könnte ich gut leben.
Denn das Beispiel des DAI zeigt doch auch: Kultur- und Bildungspolitik ist eine Investition in die Zukunft unseres Landes. Und zwar nicht nur in die kulturelle und wissenschaftliche Zukunft, sondern gerade deshalb auch in die wirtschaftliche und politische Zukunft.
Und ich glaube, mit dem Dreiklang der Reformen, den wir hier im Auswärtigen Amt gesetzt haben, mit der Neuaufstellung des Goethe-Institutes seit dem vergangenen Jahr, unserer Partnerschulinitiative in diesem Jahr und unserem Schwerpunkt Außenwissenschaftspolitik für das Jahr 2009 sind wir auf dem richtigen Weg.
Diesen Weg wollen wir zusammen weiter gehen, gerade auch mit dem DAI und seine Spitzenposition in der internationalen Forschung sichern und ausbauen.
Sehr geehrter Herr Professor Gehrke,
mit Ihnen gewinnt das DAI einen Präsidenten, dessen „internationaler und multikultureller Blick“, wie das dieser Tage in einer Zeitung stand, genau in diese Richtung weist. Und auch deswegen freue ich mich sehr auf unsere Zusammenarbeit.
Lassen Sie mich aber noch einen anderen Grund nennen: Als Außenpolitiker begegne ich jeden Tag dem kulturellen Gedächtnis vieler unterschiedlicher Völker und Länder, habe mich auseinander zu setzen mit der „Geschichte im Selbstverständnis“, wie Sie das genannt haben.
Um so mehr darf ich mich also glücklich schätzen, mit Ihnen einen Mann an der Spitze des DAI zu wissen, dessen Forschung genau diesem Sachverhalt, nämlich der von Ihnen so genannten „intentionalen Geschichte“ liegt, und ich darf Ihnen versichern, wir werden Ihren Rat so manches Mal benötigen. Ich freue mich sehr darauf!
Lieber Herr Professor Parzinger,
Sie haben in den letzten fünf Jahren gezeigt, „wie man die Zukunft angräbt“, wie das eine Zeitung beschrieben hat.
Und weil Sie dabei so nachhaltig überzeugt haben, hat Ihnen die Bundesrepublik Deutschland mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Ihr kulturelles Herzstück anvertraut. Und mit ihm, um nur ein Beispiel zu nennen, das Humboldt-Forum, mit dem unser Land an zentraler Stelle in seiner Hauptstadt Anerkennung und auch Dank gegenüber anderen Kulturen, ihren Leistungen und ihren Einflüssen auf unsere Kultur zeigen und in der gemeinsamen Arbeit er-leben möchte.
Darauf freue ich mich sehr und so lassen Sie mich schließen mit dem Versprechen, dass ich auch in Zukunft gemeinam mit Ihnen alles dafür tun möchte, um zu zeigen, dass sich Weltoffenheit und Eigenständigkeit in unserer Kultur nicht ausschließen, sondern ergänzen!
Vielen Dank!