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Grußwort von Bundesaußenminister Steinmeier anlässlich der Eröffnung des Jüdischen Bildungs- und Familienzentrums, 02.09.2007, Berlin
Ein Tag der Freude und der Dankbarkeit: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die jüdische Gemeinde Chabad Lubawitsch zur Einweihung des neuen Bildungs- und Familienzentrums in Berlin herzlich beglückwünscht.
„Wer Häuser baut, der bleibt“ – so hat Charlotte Knobloch gesagt. Und daher freuen wir uns alle über jedes neue Haus, das jüdischen Gemeinden bauen. Hier in der Münsterschenstraße haben Sie ein ganz wunderschönes Haus geschaffen. Ein Haus zum Beten und zum Leben.
Es ist deshalb eine besondere Freude für mich, heute dabei sein zu können und mit Ihnen die Einweihung dieses Hauses feiern zu dürfen. Glückwünsche möchte ich vor allem Ihnen, Rabbi Teichtal, aussprechen. Es ist vor allem Ihrer nicht nachlassenden Energie zu verdanken, dass dieses eindrucksvolle Gemeindezentrum Wirklichkeit geworden ist.
Hier ist ein weiteres Zentrum für jüdische Tradition und Kultur in Berlin entstanden. Hier werden Bildung und Erziehung jetzt neue Grundsteine legen für jüdische Zukunft in Deutschland. Bald wird hier das Lachen von Kindern und Jugendlichen zu hören sein. Ich wünsche Ihnen, dass hier für Generationen jüdischer Familien geistige und soziale Heimat entstehen möge.
Ein solch positiver und auf die Zukunft gerichteter Tag wie heute ist Grund zur Freude, besonders in und für Deutschland. Für uns ist es noch mehr: es ist Grund zur Dankbarkeit. Jüdisches Leben kehrt wieder zurück in unser Land - das Land, das in einem wahnhaften Verbrechen alle Juden vernichtet hat, deren es habhaft werden konnte und das jede Spur jüdischen Lebens austilgen wollte. Die Erinnerung an die Opfer dieser Katastrophe ist in das Gedächtnis unseres Landes eingebrannt, und auch die 70 Jahre, die seit den ersten Schritten zur Shoa vergangen sind, haben dieser Erinnerung nichts anhaben können.
Wir sind dankbar, dass nach der Katastrophe des Judentums wieder Juden zu uns kommen, die bei uns alle Facetten der jüdischen Religion und Kultur leben wollen.
Wir haben uns gefreut, als letztes Jahr in Dresden zum ersten Mal wieder drei Rabbiner ordiniert worden sind.
Mit Staunen und Freude haben wir die neue Synagoge in München entstehen sehen.
Und wir freuen uns über dieses Gemeindezentrum von Chabad Lubawitsch, das jüdische Bildung und Kultur als Teil deutscher Wirklichkeit wieder festigen wird.
Die enorme Anteilnahme der Öffentlichkeit an diesen Ereignissen hat gezeigt, dass dieses Geschenk einer erneuerten jüdischen Gegenwart in Deutschland mit offenen Armen aufgenommen wird.
Unser Wunsch, unser Traum ist es jetzt, dass es gelingt, jüdisches Leben in all seinen vielfältigen Spielarten in den Gemeinden in Deutschland wieder zu etablieren. Das Judentum hat viele Gesichter, und es ist gut, wenn dieser Pluralismus der verschiedenen Strömungen – natürlich in jeweiligen Respekt voreinander - auch in Berlin wieder erlebbar wird.
Wir sollten uns aber hüten, diese positiven Zeichen als Rückkehr zur Normalität zu verstehen. Das wäre ein Wunschdenken, schlimmer: ein vielleicht ungewollter Versuch, das einzigartige Verbrechen der Shoa und gleichzeitig den völiigen Bruch in der deutschen und europäischen Kultur einzueben.
Eher könnten wir von einem unverhofften Wunder sprechen. Der unvergessene Paul Spiegel, den wir vor anderthalb Jahren gemeinsam zu Grabe getragen haben, hat es eine „Renaissance“ jüdischen Lebens in Deutschland genannt. Aber diese „Renaissance“ ist kein fertiges Wunder von oben, sondern eines, das aus der Arbeit zahlloser Menschen entsteht.
Wir danken deshalb Ihnen allen für das Vertrauen in die deutsche Demokratie, das Sie uns mit dieser Arbeit aussprechen. Ich freue mich über den Einsatz der Sponsoren, die es möglich gemacht haben, ein solches Werk fast ganz auf der Basis privater Spenden zu errichten. Ihr Engagement geschieht im Vertrauen darauf, dass jüdisches Leben in Deutschland möglich und willkommen ist.
Ja, jüdisches Leben in Deutschland ist möglich und es ist willkommen - auch wenn es noch immer verblendete Leute gibt, die das nicht wollen. Der Antisemitismus ist nicht ganz tot. Synagogen und Gemeindezentren müssen noch immer von der Polizei geschützt werden. Sie selbst haben zu Beginn des Jahres erfahren müssen, dass der Jüdische Kindergarten in Spandau in einem unbewachten Augenblick beschädigt und beschmiert wurde. Gott sei Dank ist dabei niemand zu Schaden gekommen.
Der Rechtsextremismus ist ein Nährboden auch für dumpfe antisemitische und rassistische Ressentiments. Ereignisse wie in Mügeln zeigen: wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Rassismus und Antisemitismus haben gerade in Deutschland keinen Platz. Sie können sich darauf verlassen, dass die Bundesregierung, das Land Berlin und eine engagierte Zivilgesellschaft ihre Verantwortung wahrnehmen.
Ich wünsche diesem Haus Glück und Segen.
Ich danke Ihnen.