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Rede von Bundesaußenminister Steinmeier vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen

12.03.2007 - Rede

Herr Präsident,
werte Kolleginnen, Kollegen,
meine Damen und Herren,

es ist mir eine besondere Ehre, heute im Namen der Europäischen Union sowie der Kandidatenländer zu Ihnen zu sprechen.

Ich erinnere mich sehr gut, als wir uns im Juni des vergangenen Jahres anlässlich der Gründung des Menschenrechtsrates hier in Genf versammelten, da war uns klar, dass wir lediglich den ersten Schritt in einem komplexen und ehrgeizigen Unterfangen hinter uns gebracht hatten.

Denn der Menschenrechtsrat war von der Generalversammlung der Vereinten Nationen aufgefordert worden, im Laufe eines Jahres die bestehenden Instrumente und Verfahren der Vereinten Nationen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte zu überprüfen und zu verbessern.
Noch ist dieser Prozess nicht abgeschlossen. Uns allen ist klar: Das Ergebnis wird von entscheidender Bedeutung dafür sein, ob der Rat in Zukunft die ihm zugewiesene Verantwortung angemessen wahrnehmen kann.

Förderung und Schutz der Menschenrechte sind ein Kernanliegen der Vereinten Nationen, von gleicher Bedeutung wie die Gewährleistung von Sicherheit und Frieden und die Förderung nachhaltiger Entwicklung. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich immer wieder gezeigt, dass eine wirksame Umsetzung und ein effektiver Schutz der Menschenrechte nur möglich ist, wenn wir folgende Grundprinzipien beachten:

  • dass Menschenrechte allgemeingültig und unteilbar sind und einander bedingen,
  • dass es keinen Vorrang zwischen bürgerlichen und politischen Freiheitsrechten einerseits und wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten andererseits geben kann,
  • dass Achtung und Schutz von Menschenrechten nur in einem Umfeld möglich sind, in dem Sicherheit organisiert und gewährleistet ist,
  • dass dabei gleichzeitig die Werte, um deren Verbreitung wir kämpfen, nicht im Kampf gegen den Terrorismus geopfert werden dürfen.

Dieses Erbe zu bewahren, es uns für die Zukunft neu anzueignen, darum geht es letztlich bei dem so technisch anmutenden Projekt des „institution building“ im Menschenrechtsrat.

Erlauben Sie mir, im Namen der Europäischen Union vier Prioritäten für die Verhandlungen in den kommenden Wochen und Monaten zu formulieren:

Erstens: Die Europäische Union befürwortet mit Nachdruck die Schaffung eines glaubwürdigen und wirksamen „Universal Periodic Review“. Dieser Mechanismus soll dem immer wieder erhobenen Vorwurf der Selektivität und Politisierung der Menschenrechtsarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen entgegenwirken. Es geht um universale Akzeptanz, universale Anwendung und universale Umsetzung seiner Ergebnisse.

Zweitens: Das in langen Jahren gewachsene und bewährte System der Sonderberichterstatter darf keine Schwächung erfahren. Im Gegenteil: die Europäische Union wird weiterhin für eine Verbesserung und Stärkung dieses Systems - den „Augen und Ohren“ des Rates - eintreten. Wir schulden den Sonderberichterstattern Dank für ihren oft unter schweren Bedingungen geleisteten Einsatz für die Menschenrechte.

Drittens: In einem lebendigen und relevanten Menschenrechtsrat darf die Stimme derer nicht fehlen, die sich für die Menschenrechte einsetzen und oft für die Opfer von Menschenrechts-Verletzungen sprechen. Ohne die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern, seien es Individuen ebenso wie Nichtregierungsorganisationen, die sich häufig unter großen Risiken für die tatsächliche Gewährung der Menschenrechte einsetzen, ist effektiver Menschenrechtsschutz nicht möglich. Das ist ein wesentlicher Baustein für die „Kultur der Zusammenarbeit“, wie sie in der Gründungsresolution des Rats verankert ist. Die Europäische Union tritt daher mit Nachdruck für ein weitgehendes Anwesenheits- und Rederecht von Vertretern der Zivilgesellschaft bei den Debatten des Rats ein.

Viertens: Handeln und Denken des Rats und seiner Mitglieder sind oft - leider nur allzu oft - von der Zugehörigkeit zu regionalen Blöcken und Interessengemeinschaften bestimmt.

Wir alle müssen die Bereitschaft aufbringen, das Blockdenken zu überwinden, wenn wir unserer Verantwortung und den in den Rat gesetzten Erwartungen gerecht werden wollen.
Es kann nicht angehen, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen nicht - oder nicht mit der gebotenen Deutlichkeit - angesprochen werden können, weil regionale oder weltanschaulich bedingte Solidarität die Bereitschaft zu vorurteilsloser Wahrnehmung von kritischen Situationen überstrahlt. Die einzige Solidarität, die es in diesem Gremium geben sollte, ist die Solidarität mit der Sache der Menschenrechte selbst !

In diesem Zusammenhang wird die EU ihr Augenmerk insbesondere auf die Situation in Darfur – und damit einen der schlimmsten Fälle anhaltender und schwerster Verletzungen der Menschenrechte – und die Behandlung des Berichts und die Empfehlungen der Hochrangigen Evaluierungsmission richten. Die klare Unterstützung des Rates für diese Mission und den von ihr vorgelegten Bericht ist auch wichtig, um zu demonstrieren, dass der Rat zur Verteidigung der von ihm selbst eingesetzten Instrumente entschlossen ist.

In Fällen extremer Menschenrechtsverletzungen sind wir es den Menschen und der Weltgemeinschaft schuldig, nicht zu schweigen und nicht wegzusehen.

Die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist seit Jahren eines der Kernanliegen der europäischen Menschenrechtspolitik. Unser Einsatz gegen die Todesstrafe ist dabei kein Kampf entlang regionaler oder kultureller Grenzen, sondern ein globales Engagement gegen eine grausame und unmenschliche Strafe, die erwiesenermaßen nicht zur Abschreckung von Straftaten beiträgt.

Wichtig ist, dass die Unterstützung für die Abschaffung der Todesstrafe weltweit wächst. So hat die Zahl der Staaten, welche die Todesstrafe vollständig abgeschafft haben, weiter zugenommen. Im Dezember 2006 ist es erstmals gelungen, in der Generalversammlung im Namen von 85 Staaten eine Erklärung gegen die Todesstrafe zu verlesen.

Diese positiven Signale zeigen, dass das Thema weiter auf der Tagesordnung der Vereinten Nationen bleiben muss.

Die Europäische Union hat die Einrichtung des Menschenrechtsrats von Anbeginn an entschlossen unterstützt.

Doch ein erfolgreicher Menschenrechtsrat setzt die Kooperation und Unterstützung a l l e r Staaten voraus, auch jener, die ihm derzeit nicht oder noch nicht angehören. Denn Schutz und Förderung von Menschenrechten sind und bleiben Anliegen der g e s a m t e n Staatengemeinschaft.

Ich möchte es zum Schluss nicht versäumen, Ihnen auch persönlich Dank und Anerkennung für die Ausübung Ihres Amtes während des ersten Jahres des Menschenrechtsrats auszusprechen. Nicht zuletzt Ihrem unermüdlichen Einsatz haben wir es zu verdanken, dass wir beim Prozess des „institution building“ im Menschenrechtsrat Fortschritte gemacht haben.

Auch möchte ich den sechs Fazilitatoren danken, die mit großer Umsicht und persönlichem Engagement die bisherige Arbeit in diesem Bereich begleitet haben.

Ich wünschen Ihnen auf den letzten Metern dieses Weges Kraft, Zuversicht, und eine glückliche Hand.

Die Europäische Union steht bereit, Sie dabei nach Kräften zu unterstützen.

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