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Eröffnungsrede von Bundesaußenminister Steinmeier anlässlich des Wirtschaftstages der Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt
-- Es gilt das gesprochene Wort! --
Lieber Herr Reitzle,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir hatten gestern eine beeindruckende Eröffnung der Botschafterkonferenz mit den Leiterinnen und Leitern von 200 deutschen Auslandsvertretungen. Ich bin heute nicht weniger beeindruckt. Und ich freue mich sehr, heute mehr als 700 Vertreter der deutschen Wirtschaft im Auswärtigen Amt begrüßen zu können! Ihre Anwesenheit, Ihr Interesse am Austausch und Gespräch soll für uns Ansporn und Verpflichtung sein, die ausgesprochene gute Zusammenarbeit zwischen Außenpolitik und Wirtschaft weiter zu pflegen.
Eine Zusammenarbeit, für die ich mich hier stellvertretend für viele unter Ihnen bei Herrn Prof. Dr. Wolfgang Reitzle bedanken möchte, der den heutigen Tag mit mir eröffnet. Ich danke ihm ganz besonders, dass er sich an diesem für sein Unternehmen so wichtigen Tag Zeit für unsere Botschafterkonferenz genommen hat. Er steht stellvertretend für die zahlreichen deutschen Unternehmen, die sich trotz oder gerade wegen des globalen Wettbewerbs zu ihren Wurzeln im europäischen Gesellschaftsmodell, zu ihren Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und nicht zuletzt zur Tradition unseres Unternehmertums bekennen. Und die dabei der Politik insgesamt und dem Außenminister im besonderen bei Reisen und Gesprächen mit ihrem Rat und Tat zur Seite stehen.
Eines ist klar: ein Land, in dem jeder 5. Arbeitsplatz und in dem jeder dritte Euro des Bruttoinlandsproduktes durch den Außenhandel erwirtschaftet werden, das - wenn schon nicht Fußball-, so doch Exportweltmeister ist - ein solches Land ist in besonderem Maß auf die engen Bindungen zwischen Politik und Wirtschaft angewiesen.
Bei meiner Antrittsrede hier vor rund 10 Monaten habe ich deshalb sinngemäß gesagt: „Wir leben in einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Außen- und Innenpolitik immer mehr verschwimmen.“ Heute, fast ein dreiviertel Jahr später und um einige intensive Erfahrungen als Außenminister reicher, kann ich das nur bekräftigen. Unsere Sicherheit, unser Wohlstand, unsere Zukunft hängen unmittelbar damit zusammen, was in anderen Weltregionen geschieht! Und es ist durchaus ein Verdienst der deutschen Wirtschaft, das schneller und umfassender verstanden zu haben als andere Teile der Gesellschaft. Aber ich glaube auch, dass die deutsche Außenpolitik hier im Vergleich zu anderen Teilen der Gesellschaft und der Politik nicht hinten ansteht, sondern früh die Rückwirkung globaler Entwicklungen auf Deutschland und umgekehrt die Ausstrahlung vorgeblich innenpolitischer Entscheidungen auf unsere Verbindungen zum Ausland gemeinsam mit Ihnen in den Blick genommen hat.
Ein Aktionsfeld, wo dies in letzter Zeit besonders deutlich geworden ist, ist die Sicherung der deutschen und europäischen Energieversorgung. Wir werden im kommenden Jahr in unserer EU- und G 8-Präsidentschaft den Energiefragen einen besonderen Stellenwert einräumen. Und auch bilateral wollen wir unsere Energiepartnerschaften mit wichtigen Förder-, Transit- und Verbraucherländern weiter vertiefen.
Bei all diesen Schritten spielt die deutsche Wirtschaft eine besondere Rolle.
Und ich darf mich in diesem Zusammenhang auch nochmals bei denen unter Ihnen bedanken, die mich auf meinen Reisen nach Norwegen, nach Südamerika, nach Asien und in die arabischen Länder begleitet haben.
Denn wir können nur dann Erfolg haben, wenn Außenpolitik und Unternehmen mit ihren jeweiligen Kompetenzen eng zusammenarbeiten:
So bieten die Gasverflüssigung-Terminals, die am Golf entstanden sind und entstehen, nicht nur dem deutschen Anlagenbau und seinen Zulieferern die Chancen zu willkommenen Aufträgen. Sie schaffen auch neue Perspektiven für eine längerfristige Gasversorgung vieler Länder. Und mit Blick auf Südamerika darf ich sagen: wenn Brasilien seine Energieversorgung durch Biotreibstoffe der zweiten Generation sowie durch Wind- und Wasserkraft ausbauen will, dann führt dies nicht nur zu Geschäftsmöglichkeiten deutscher Unternehmern als Marktführer in diesen Technologien. Dies bedeutet auch einen wichtigen Schritt zu mehr Nachhaltigkeit in der Energieversorgung eines bedeutenden Schwellenlandes - und letztlich damit zu mehr Teilhabe am Wohlstand und zugleich mehr Klimaschutz weltweit.
Diese Beispiele ließen sich fortsetzen, etwa im Bereich der Wasserversorgung und -technologie, wo viele deutsche Mittelständer weltweit Märkte und Nachfragen finden. Viele waren auch bei den Reisen schon dabei. Gleiches gilt auch für Anbieter deutscher Software-Kompetenz oder für die breite Palette deutscher Angebote im Infrastrukturbereich.
Auch deshalb wünsche ich mir, dass sich neue Bindungen zwischen Wirtschaft und Politik überall dort entwickeln, wo wir gemeinsam unsere Zukunft in einer globalisierten Welt gestalten können und müssen.
Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel nennen: die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Hier stehen im 21. Jahrhundert drei Stichworte im Vordergrund: Toleranz, Talente und Technologie.
Gerade deshalb fördern wir, das heißt das Auswärtige Amt, zum Beispiel jährlich 250.000 Schülerinnen und Schüler auf 117 deutschen und 270 weiteren Schulen im Ausland. Gerade deshalb unterstützen wir zum Beispiel durch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und den DAAD den akademischen Austausch und haben hier allein in diesem Jahr 25 Millionen € zusätzlich investiert.
Es ist doch ganz offensichtlich, dass dies der Weiterentwicklung und Internationalisierung des Forschungsstandorts Deutschland und damit auch den Interessen der deutschen Wirtschaft dient.
Gerne würden wir mehr tun, weil wir doch wissen, dass wir über die Ausbildung von Talenten, die Förderung des Verständnisses zwischen den Kulturen und nicht zuletzt den Erwerb der deutschen Sprache Interesse an Deutschland wecken und Ansprechpartner für unsere Unternehmen gewinnen. In Zeiten knapper öffentlicher Mittel sind aber unseren Fähigkeiten auch Grenzen gesetzt. Gerade deshalb begrüße ich ausdrücklich das zunehmende Engagement von Stiftungen der Wirtschaft, aber auch von einzelnen Unternehmen. Und ich verspreche Ihnen, dass ich mich auch in den anstehenden Haushaltsverhandlungen für ein noch stärkeres Engagement der Bundesregierung einsetzen werden. Was allerdings nicht bedeutet, dass zusätzliche Anstrengungen der Wirtschaft überflüssig wären. Im Gegenteil: sie sind hoch willkommen!
Lassen Sie mich diese Beispiele für mögliche gemeinsame Bemühungen mit einer grundsätzlichen Bemerkung verknüpfen:
Ziel der Außenpolitik - insbesondere der Außenwirtschafts- und der auswärtigen Kulturpolitik - ist es, die Verbindungen mit unseren Partnern in der Welt zu stärken und, wo immer möglich, neue Bindungen aufzubauen. Nicht als Selbstzweck, sondern weil wir wissen, dass ein friedliches Zusammenleben, die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, die soziale und politische Teilhabe und nicht zuletzt der wirtschaftliche Austausch ein Grundprinzip erfordern: Das des Dialoges.
Und gerade weil wir wissen, dass Bedrohungen durch Naturkatastrophen, Terror, politische Spannungen, aber auch technologischer Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung und stärkere Konkurrenz in scheinbar entfernten Teilen der Welt unmittelbare Auswirkungen auf uns haben, gerade deswegen treten wir um so entschiedener für den Dialog als Grundprinzip des wirtschaftlichen und des politischen Handelns ein.
Dialog lebt von dem Wissen um die eigenen Interessen und die der Partner. Und vom Augenmaß bei der Abwägung dieser oft unterschiedlichen, aber nicht deshalb auch gegensätzlichen Interessen.
In einer globalisierten Welt berühren uns die Ereignisse in scheinbar entfernten Regionen unmittelbar. Und zwar in mehreren Dimensionen, wie es die Ereignisse in der Region des Nahen Ostens aktuell zeigen: Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah berührt uns emotional ebenso unmittelbar wie die mögliche Bedrohung des Friedens durch das iranische Nuklearprogramm.
Unsere wirtschaftliche Entwicklung - die Fieberkurve des Ölpreises ist dafür ein überdeutliches Anzeichen - hängt auf das engste mit den Entwicklungen dort zusammen.
Und schließlich: was in der Welt geschieht, berührt uns existenziell in unserem täglichen Leben, bei der Fahrt mit der S-Bahn oder dem Vorortzug, bis hin zu dem ganz elementaren Gefühl von Bedrohung oder Geborgenheit. Genau deshalb können und müssen Politik und Wirtschaft auch ihren Beitrag gemeinsam erbringen. Weil Frieden und Sicherheit Grundlage für erfolgreiches und langfristiges wirtschaftliches Handeln sind. Weil Stabilität und Sicherheit neue Märkte zu erschließen helfen. Weil nur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dauerhaft gute Rahmenbedingungen für ein wirtschaftliches Engagement garantieren. Und weil wir ohne Nachhaltigkeit im Umweltbereich und im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Teilhabe keine zukunftsfähigen und gerechten Gesellschaften schaffen können.
Lassen Sie mich schließen mit einem Ausblick auf das kommende Jahr:
Die doppelte Präsidentschaft in EU und G8 wird Deutschland ganz besonders ins Licht der Weltöffentlichkeit rücken. Nicht nur politisch. Die Welt wird in besonderer Weise auch auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft schauen: Wird Deutschland seiner Rolle als Motor Europas gerecht? Erweist sich der Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland auch künftig als konkurrenzfähig und Impulsgeber für die Weltwirtschaft? Ist die deutsche Gesellschaft reformbereit und zukunftsorientiert? Und nicht zuletzt: Glauben die Menschen im Land der Präsidentschaft an Europa?
Gerade weil wir im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen werden, sollten wir auch die große Chance nutzen, unser Land und unsere Wirtschaft international darzustellen und für Deutschland als modernes, technologisch führendes „Land der Ideen“ zu werben. Die deutsche Wirtschaft, die ja drei Viertel ihres Auslandsumsatzes in der EU erwirtschaftet, hat hier sicher eine ganz besondere Rolle.
Deshalb möchte ich Sie einladen: Lassen Sie uns gemeinsam die bevorstehende deutsche Doppelpräsidentschaft in EU und G 8 nutzen. Um neue Wege zu gehen auch in der Art und Weise, wie wir Deutschland repräsentieren.
Lassen Sie uns gemeinsam die öffentliche Aufmerksamkeit für das europäische Projekt gewinnen! Nutzen wir den heutigen Wirtschaftstag auch in diesem Bereich dazu, gemeinsame Initiativen anzuregen und zu besprechen! Es gibt viel zu tun - auch gemeinsam. Packen wir's an!
Vielen Dank!