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Rede von Bundesaußenminister Steinmeier anlässlich der ersten Sitzung des VN-Menschenrechtsrats in Genf, 19.06.2006

19.06.2006 - Rede

Herr Präsident,
Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

wenn wir heute unsere Arbeit im Menschenrechtsrat aufnehmen , dann stehen wir am Beginn einer neuen Ära internationaler Menschenrechtsarbeit. Ich bin davon überzeugt, dass der Rat eine große Chance für den verbesserten Menschenrechtsschutz birgt. Und ich hoffe, dass er die Erwartungen, die weltweit in ihn gesetzt werden, erfüllen kann.

Dieses neue Gremium ist ein sichtbares Ergebnis der Bemühungen um eine Reform der Vereinten Nationen. Seine Einrichtung, das wissen Sie alle, war kein leichtes Unterfangen. Manche Erwartungen und Hoffnungen, die wir mit dem Vorhaben ursprünglich verknüpft hatten, mussten wir im Laufe der Verhandlungen aufgeben. Ich selbst hätte mir in mancher Beziehung mehr gewünscht.

Und doch hoffe ich, dass der heutige Tag in die Geschichte der Vereinten Nationen eingehen wird - als ein Meilenstein für den weltweiten Schutz und die Förderung der Menschenrechte. An diesem Ziel müssen wir alle arbeiten. Und der Erfolg dieser Arbeit wird ganz wesentlich davon abhängen, wie sich die Praxis des Menschenrechtsrates entwickeln wird.
Deutschland hat, gemeinsam mit seinen Partnern in der EU, den Vorschlag von Generalsekretär Annan von Anfang an unterstützt.

Seine Einrichtung konnten wir nicht zuletzt dank des großen Einsatzes des bisherigen Präsidenten der Generalversammlung, meines schwedischen Kollegen Jan Eliasson, durchsetzen. Ihm gebührt an dieser Stelle großer Dank.

Jetzt sind die formalen Grundlagen für seine Arbeit geschaffen. Und die ersten Wahlen haben stattgefunden.
Ich freue mich, dass Deutschland von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Gründungsmitglied des neuen Menschenrechtsrates gewählt worden ist. All denjenigen Staaten, die uns bei der Wahl die Stimme gegeben haben, möchte ich an dieser Stelle danken. Danken auch für die Wertschätzung, die unserem Land und unserer Politik zuteil geworden ist.

Aber mir ist auch sehr bewusst: Mit dieser Wertschätzung ist gleichzeitig Auftrag und Verantwortung verbunden. Die Staatengemeinschaft hat Deutschland und den anderen gewählten Mitgliedern des neuen Gremiums einen Vertrauensvorschuss gewährt. Es ist jetzt an uns, den gewählten Mitgliedern, diesem Vertrauensvorschuss gerecht zu werden. Hierin, das will ich unterstreichen, liegt unsere besondere Verantwortung gegenüber der Staatengemeinschaft - eine Verantwortung, der jedes einzelne Mitglied gerecht werden muss.

An dieser Stelle will ich aber auch betonen: Schutz und Förderung von Menschenrechten sind und bleiben selbstverständlich zentrale Anliegen der gesamten Staatengemeinschaft. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wird umso erfolgreicher sein, je stärker seine Arbeit von allen Staaten konstruktiv begleitet und unterstützt wird; eben auch von jenen, die ihm derzeit nicht oder noch nicht angehören.

Die heute vollzogene Gründung des Menschenrechtsrates ist nur ein erster Schritt hin zu einer Neugestaltung multilateraler Menschenrechtspolitik. In den kommenden Monaten werden wir mitunter schwierige Substanz- und Verfahrensdebatten miteinander zu führen haben. Wir werden uns insbesondere darüber zu verständigen haben, auf welche Weise und mit welchen Instrumenten der Menschenrechtsrat arbeiten wird.

Dabei ist mir ein Grundsatz besonders wichtig: Der Menschenrechtsrat darf in Fällen von schwerwiegenden und systematischen Verletzungen von Menschenrechten, ganz gleich in welchem Teil der Welt, nicht schweigen. Das ist eine Voraussetzung für unsere Arbeit. Darüber müssen wir uns einig sein. Denn sonst würde seine Glaubwürdigkeit schweren Schaden nehmen, davon bin ich zutiefst überzeugt.

In unserer Arbeit wird es aber um mehr gehen. Es wird auch und vor allem darum gehen: Welchen Beitrag können wir konkret zur Verhütung oder zur Überwindung von Missständen leisten? Wir müssen gangbare Wege zum weltweiten Schutz und zur Förderung der Menschenrechte finden und beschreiten. Wir müssen eruieren, welche Beiträge dazu wir zu leisten bereit sind. Gerade diese konstruktive, zielorientierte Diskussion zeichnet eine verantwortungsvolle Menschenrechtspolitik aus. Und eine solche Politik wünsche ich mir im Menschenrechtsrat.

Lassen Sie mich an dieser Stelle drei kurze Anmerkungen zu Instrumenten und Arbeitsmethoden des Menschenrechtsrates machen:

Deutschland plädiert erstens dafür, dass das über Jahrzehnte in der Menschenrechtskommission entwickelte und bewährte System der „Sonderverfahren“ - hier vor allem der Sonderberichterstatter - erhalten bleibt und weiter gestärkt wird.

Zweitens hat der Menschenrechtsrat den Auftrag, mit dem „Universal Periodic Review“ ein außerordentlich ehrgeiziges Projekt zu realisieren. Dabei wird die Art und Weise, wie dieser Auftrag umgesetzt wird, großen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit und somit die künftige Stellung des Menschenrechtsrates haben. Es muss darum gehen, überall Defizite zuverlässig aufzudecken und mit allen Beteiligten - ich betone: mit allen - in konstruktiver Weise zu erörtern. Das kann nur auf der Grundlage unterschiedlicher und objektiver Informationen gelingen. Ich sage Ihnen hiermit zu, dass Deutschland sich mit Verantwortungsbewusstsein und im Geist der Kooperation an den Erörterungen hierüber beteiligen wird. Unsere Glaubwürdigkeit wird sich gerade auch an dieser Frage messen.

Deutschland macht sich drittens stark dafür, dass die ebenfalls über Jahrzehnte entwickelte „Kultur der Zusammenarbeit“ mit der Zivilgesellschaft weiter gestärkt wird. Ich bin zutiefst davon überzeugt: Ohne den Beitrag der Zivilgesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen, ohne das fortgesetzte und mutige Engagement vieler Menschen aus allen Lebensbereichen für eine bessere und gerechtere Welt wären wir heute in unserem Menschenrechtsverständnis lange nicht so weit, wie wir sind. Staaten und Nichtregierungsorganisationen sollten sich deshalb bei Schutz und Förderung der Menschenrechte nicht als Gegner, sondern als Partner begreifen und entsprechend behandeln. Wir werden deshalb weiter für eine intensive Zusammenarbeit zwischen Staaten und der Zivilgesellschaft im Menschenrechtsrat arbeiten.

Herr Präsident, Deutschland wird sich im Rat konsequent für die Verwirklichung aller Menschenrechte einsetzen und die Prinzipien ihrer Universalität und Unteilbarkeit verteidigen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle nur einige Themen nennen, denen wir uns in den kommenden Wochen und Monaten besonders widmen werden:

Der Schutz der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung wird weiterhin unser besonderes Augenmerk haben. Gerade weil wir Terrorismus uneingeschränkt verurteilen, müssen wir bei seiner Bekämpfung auf Einhaltung von Menschenrechten und rechtsstaatlicher Verfahren achten.

In diesem Zusammenhang: Zentral bleibt die Bekämpfung von Folter. In diesen Tagen tritt das Zusatzprotokoll zur Antifolterkonvention in Kraft. Es sieht die Schaffung unabhängiger Kontrollmechanismen vor. Ich appelliere an alle, diesen Vertrag so schnell wie möglich zu zeichnen und zu ratifizieren. Deutschland hat die innerstaatlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen. Ich rechne damit, das Zusatzprotokoll zu Beginn der diesjährigen Generalversammlung in New York zu zeichnen.

Die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit hat für uns unvermindert zentrale Bedeutung. Sie ist eine Herausforderung, mit der wir alle weltweit immer wieder konfrontiert werden. Deutschland ist gerade Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft. Gemeinsam mit den Vereinten Nationen hat Deutschland angeregt, während der Spiele eine Kampagne gegen Rassismus im Sport ins Leben zu rufen. Die FIFA ist dieser Anregung gefolgt. Wir engagieren uns gemeinsam bei diesem Projekt. Ich habe den VN-Sonderberichterstatter zu Rassismus, Herrn Diène, eingeladen, sich kommende Woche gemeinsam mit mir ein persönliches Bild von der Kampagne zu machen.

Besonders wichtig bleiben für uns auch die Rechte von Kindern. Wir müssen mehr tun, um die Ziele, die wir uns auf dem Weltkindergipfel 2002 gesetzt haben, besser umzusetzen! Deutschland hat 2005 einen „Nationalen Aktionsplan“ verabschiedet, mit dem wir unser Land kindgerechter gestalten wollen. Auf internationaler Ebene werden wir uns weiterhin für die Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder in jeglicher Form einsetzen.

Bei den Erörterungen, die uns im Menschenrechtsrat bevorstehen, dürfen wir unser gemeinsames Ziel zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verlieren: Das Unsere dazu tun allen Menschen weltweit ein Leben in Freiheit und Würde zu ermöglichen.
Das ist nicht nur Aufgabe von Menschenrechtspolitik, sondern nach meinem Verständnis ist es die Aufgabe von Politik überhaupt.

Und die Menschenrechtspolitik der Vereinten Nationen, die wir im Menschenrechtsrat mitzugestalten haben, leistet hierzu einen ganz wesentlichen Beitrag. Sie setzt die Standards, die weltweit Geltung beanspruchen. Sie tut das im Interesse und im Auftrag der Menschen, für die wir Verantwortung tragen.

Für die Bundesregierung sind Durchsetzung und Schutz der universellen Menschenrechte eine zentrale Aufgabe ihrer Politik. Deutschland wird sich daher als Mitglied für die kommenden drei Jahre mit großem Engagement für einen starken, glaubwürdigen, angesehenen und einflussreichen Menschenrechtsrat einsetzen. Für einen Menschenrechtsrat, der von allen Regionen getragen und in allen Regionen respektiert wird.
Unsererseits werden wir alles in unserer Macht stehende tun, das Vertrauen, das die Menschen in uns setzen, zu rechtfertigen.

Ich danke Ihnen.

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