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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth vor dem Deutschen Bundestag zum Antrag der Bundesregierung: „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Militärmission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali)“
Seit wir im Mai 2020 im Deutschen Bundestag zuletzt über die Ausbildungsmission EUTM Mali debattiert haben, sind die Instabilität in der Sahel-Region und die davon ausgehenden Bedrohungen für die Region und für Europa zu Recht noch mehr ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit gerückt. Die Staaten der Region und ihre internationalen Partner, die sich in der Sahel-Koalition zusammengeschlossen haben, haben in der Folge die Strukturen ihrer Zusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt und entsprechend angepasst.
Wir sind uns mit unseren Partnern einig: Die Krisen und Konflikte in der Region können nur dann nachhaltig bewältigt werden, wenn wir mithilfe zivilen Engagements die tiefer liegenden Konfliktursachen gezielt angehen. Im Kreis der Sahel-Koalition ist vereinbart, mit großer Kraft einen „zivilen Schub“ („civil surge“) zu bewirken.
So wollen wir die staatliche Präsenz und die Daseinsvorsorge in der Fläche stärken sowie wirtschaftliche und soziale Perspektiven für die Bevölkerung schaffen. Es geht um Jobs, Wohnungen, sauberes Wasser und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass dieses Leitbild zum Maßstab für das internationale Engagement im Sahel gemacht wird. Der „zivile Schub“ ist deshalb ein zentraler Leitgedanke der neuen EU-Sahelstrategie, die am Montag durch die Außenministerinnen und -minister der EU-Mitgliedstaaten verabschiedet wurde. Und er ist selbstverständlich auch ein Leitmotiv des Strategiepapiers der Bundesregierung, das die vielfältigen zivilen Elemente unseres Engagements in der Sahel-Region ausführlich darstellt.
Menschen schützen, Staaten stärken und so vor Ort eine Entwicklungsperspektive für die Bevölkerung schaffen – das sind die Ziele unseres Engagements im Sahel.
Aber: Entwicklung braucht auch Sicherheit. Ohne ein hinreichendes Maß an Sicherheit sind zivile Maßnahmen gar nicht erst möglich. Militärisches und ziviles Engagement sind eben keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander gegenseitig. Und deshalb wird die Bundeswehr in der Sahel-Region auch weiterhin gebraucht.
Im vergangenen Jahr haben durch Überfälle und gewaltsame Angriffe von Dschihadisten und lokalen Milizen rund 2.400 Zivilistinnen und Zivilisten im Sahel ihr Leben verloren. Ihre Staaten und Sicherheitskräfte konnten sie nicht ausreichend schützen. Deshalb ist es nun wichtig, kompetente, gut ausgebildete lokale Sicherheitskräfte aufzubauen. Diese müssen politischer Kontrolle unterliegen, Menschenrechte und Demokratie achten und von der Bevölkerung anerkannt werden.
EUTM Mali spielt dabei eine entscheidende Rolle, damit die Sahel-Staaten mittelfristig wieder Sicherheit aus eigener Kraft schaffen können. Es geht hier sozusagen um Hilfe zur Selbsthilfe. Seit 2013 wurden im Rahmen der Ausbildungsmission inzwischen über 14.000 malische Soldatinnen und Soldaten ausgebildet und militärisch beraten.
Im vergangenen Jahr ist die Mission angepasst worden, um sie noch effektiver und nachhaltiger zu machen. Sie ist seither darauf ausgerichtet, einsatznäher auszubilden und neben Mali auch in den Nachbarstaaten Niger und Burkina Faso tätig zu sein. Mit der einsatznäheren Ausbildung können die erzielten Fortschritte – auch im Bereich der Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts – besser nachverfolgt werden. Die Ausweitung der Mission auf benachbarte Staaten stellt sicher, dass grenzüberschreitenden Bedrohungen auch mit einem grenzüberschreitenden Ansatz begegnet werden kann.
Die besonderen Umstände im Jahr 2020 – die Covid-19-Pandemie, dann im August der Militärputsch in Mali– haben die Umsetzung der geplanten Maßnahmen zunächst verzögert.
Der Putsch war eine Zäsur. Zusammen mit der internationalen Gemeinschaft, besonders aber mit der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS, haben wir ihn klar verurteilt. Wir haben unsere militärische Unterstützung ausgesetzt, bis eine Übergangsregierung unter ziviler Führung eingesetzt war.
Jüngst hat die Übergangsregierung die Perspektive für eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung aufgezeigt: Am 15. April hat sie einen Fahrplan vorgestellt, mit einem Verfassungsreferendum im Oktober 2021 sowie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Februar und März 2022. Damit zeigt sie, dass sie gewillt ist, wesentliche Forderungen der ECOWAS und der Internationalen Gemeinschaft weiter zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir die Übergangsregierung, besonders bei den wichtigen Reformen, die nun vor ihr liegen.
Im kommenden Mandatszeitraum wird Deutschland bei EUTM Mali besondere Verantwortung übernehmen: mit der Leitung der Mission ab Juli 2021, der Integration der deutschen Spezialkräfte-Ausbildungsmission „Gazelle“ in Niger in EUTM Mali und mit der Planung und Begleitung des Aufbaus eines EU-Ausbildungszentrums im zentralmalischen Sévaré. Vor diesem Hintergrund werden wir die personelle Obergrenze von 450 auf 600 deutsche Soldatinnen und Soldaten ausweiten.
Mit unserem Beitrag zu EUTM Mali senden wir auch ein wichtiges Signal an unsere europäischen Partner. An Frankreich, das mit über 5.000 Soldatinnen und Soldaten militärisch die größte Last in der Region schultert, aber auch gegenüber anderen sehr aktiven Partnern wie Spanien, Schweden und Tschechien.
Auch in der Sahel-Region erleben wir also gelebte europäische Teamarbeit. An der Seite unserer europäischen Partner leisten wir einen in der Region hochgeschätzten Beitrag zur Stabilisierung der Sahel-Region und schaffen damit die Voraussetzungen dafür, dass Konfliktursachen gezielt angegangen werden können.
Hierfür bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.