Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Presseerklärungen der E3 Außenminister und des Hohen Repräsentanten der EU vom 12.01.2006 in Berlin zum Iran

12.01.2006 - Pressemitteilung

Dr. Frank-Walter Steinmeier:

Guten Tag meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, hier zu begrüßen: Den Hohen Repräsentanten, Javier Solana, und meine Kollegen aus Großbritannien und Frankreich, Jack Straw und Philippe Douste-Blazy.

Sie wissen: Wir haben uns heute getroffen, um die Situation zu erörtern, die Iran mit der Wiederaufnahme anreicherungsbezogener Aktivitäten herbeigeführt hat.

Sie wissen auch: Der Iran mußte 2003 eingestehen, seit vielen Jahren ein verdecktes, die sensitivsten Teile des nuklearen Brennstoffkreislaufes betreffendes Nuklearprogramm betrieben zu haben. Er hat damit in vielfältiger Weise seine Verpflichtungen aus dem Sicherungsabkommen mit der IAEO verletzt.

Seither mußte es Iran im Kern darum gehen, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Vertrauen dahingehend, daß sein Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient.

Wir haben im Jahre 2003 dazu eine diplomatische Initiave unternommen. Unsere seither unternommenen Anstrengungen waren darauf gerichtet, den Sorgen der internationalen Gemeinschaft bezüglich des iranischen Nuklearprogrammes Rechnung zu tragen und dem Iran dadurch zu ermöglichen, internationales Vertrauen wiederherzustellen.

Sie haben es mitverfolgt: Diese diplomatischen Bemühungen waren alles andere als einfach. Zentraler Punkt für die Glaubwürdigkeit dieses Prozesses war dabei die iranische Verpflichtung, alle anreicherungs- und alle wiederaufbereitungsbezogenen Aktivitäten zunächst auszusetzen; das heißt, diejenigen Aktivitäten zunächst nicht fortzusetzen, die Anlaß für die internationale Besorgnis waren, da sie dem Iran den Bau einer Nuklearwaffe ermöglicht hätten.

Im Verlauf des Verhandlungsprozesses ist unser Vertrauen in die iranischen Absichten wiederholt auf die Probe gestellt worden. Es wurde schließlich nachhaltig erschüttert, als der Iran im August letzten Jahres in Isfahan die Urankonversion wieder aufnahm. Dies stellte eine klare und bewußte Verletzung der IAEO-Resolutionen wie auch eindeutiger Verpflichtungen dar, die der Iran uns gegenüber in dem Pariser Abkommen vom November 2004 eingegangen war.

Dessen ungeachtet und trotz weiterer besorgniserregender Fragen, die durch die erst jüngst aufgedeckten Verbindungen Irans zum sogenannten Khan-Netzwerk aufgekommen sind, waren wir bereit, alle Möglichkeiten zu einer erneuten Aufnahme der Verhandlungen auszuloten.

Mit der Wiederaufnahme von anreicherungsbezogenen Aktivitäten hat der Iran jetzt einen Schritt getan, der eine einseitige Zurückweisung der seit über 2 Jahren von den E3/EU mit dem Iran unternommenen Bemühungen darstellt. Der Iran hat damit auch den Prozeß aufgekündigt, den wir mit den am 21.12.2005 begonnenen Sondierungsgesprächen über die Möglichkeiten einer Wiederaufnahme von Verhandlungen eingeleitet hatten.

Iran hat mit seinem Schritt nach unserer Auffassung wichtigen Chancen ausgeschlagen. Wir hatten Iran in dem von uns verfolgten Verhandlungsprozeß vorgeschlagen, auf breiter Front ein neues Kapitel in den Beziehungen mit Europa aufzuschlagen. Hierzu hatten wir im August weitreichende Vorschläge zur politischen, zur wirtschaftlichen, zur technologischen Zusammenarbeit vorgelegt. Diese wurden jedoch von Iran samt und sonders und ohne Prüfung zurückgewiesen.

Wir haben nun heute beschlossen, den Gouverneursrat der IAEO darüber zu unterrichten, daß unsere Gespräche mit Iran an einem toten Punkt angelangt sind. Wir werden den Gouverneursrat ersuchen, sich mit der nun entstandenen Lage zu befassen.

Wir sind unverändert dazu bereit, das Problem diplomatisch im multilateralen Rahmen und mit friedlichen Mitteln zu lösen. Wir werden hierzu in den nächsten Tagen und Wochen Konsultationen mit wichtigen Partnerstaaten und Mitgliedern des IAEO-Gouverneursrates führen.

Angesichts der Mißachtung der wiederholten Aufrufe des IAEO-Gouverneursrates durch den Iran und der bisher unzureichenden Zusammenarbeit Irans mit der IAEO bei der Klärung noch offener Fragen ist aus unserer Sicht jetzt auch der Zeitpunkt gekommen, an dem der Sicherheitsrat eingeschaltet werden muß. Es geht uns dabei darum, den Resolutionen der IAEO Geltung zu verschaffen.

Wir werden – das haben wir heute abgestimmt – auch die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des IAEO-Gouverneursrates beantragen, damit dort die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden können. Dies stellt – lassen Sie mich das nochmal sagen - eine neue Phase, nicht aber das Ende unserer Bemühungen dar, auf diplomatischem Wege zu einem Erfolg zu kommen.

Jack Straw, britischer Außenminister:

Vielen Dank, Frank, für diese Erklärung der Entscheidung, die wir heute nachmittag getroffen haben. Ich bin Ihnen und den Kollegen sehr dankbar, dass Sie diese Sitzung so kurzfristig einberufen haben. Ich war von Anfang an involviert in die Bemühungen, die von Frankreich, von Deutschland, vom Vereinigten Königreich und auch mit der Hilfe von Javier Solana unternommen wurden.

Wir haben uns bemüht, dem Iran entgegenzukommen, ihm zu helfen, diese sehr wichtigen Fragen zu lösen, die abzielen auf Sinn und Zweck des Nuklearprogrammes dieses Landes. Wir hatten auch einige Fortschritte erzielt und wir in der EU-Troika haben dann wirklich außergewöhnlich weitgehende Schritte unternommen, um dafür zu sorgen, dass das auch geschehen konnte, was sowieso notwendig war, nämlich dass der Iran, um die entsprechenden Verpflichtungen einzuhalten, im Gegenzug von der Internationalen Völkergemeinschaft sehr viele Konzessionen erhalten würde. Nicht nur von der EU, sondern auch von der Internationalen Völkergemeinschaft und ich betone: Dies schließt die USA ein.

Ich möchte noch einmal daran erinnern: Letzten Mai hatten wir eine Sitzung in Genf, nach dem Pariser Abkommen. Dort wurde ich von Condoleeza Rice ermutigt, den Iranern zu sagen - was ich dann auch tat - dass die USA bereit waren, nicht mehr gegen die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Iran zur Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation zu stimmen. Das war eine sehr sehr wichtige Entscheidung von Seiten der USA. Die USA hatte zu diesem Zeitpunkt auch angeboten, die Embargos nicht mehr aufrechtzuerhalten, die Ersatzteillieferungen für Flugzeuge betrafen, auch dies eine sehr wichtige Entscheidung. Es waren also Entscheidungen, die die EU und viele andere wichtige Nationen gemeinsam getroffen hatten.

In diesem Lichte ist es eine außerordentlich bedauernswerte Situation, dass das, was Herr Steinmeier für uns alle erklärt hat, passiert ist, dass der Iran sich entschieden hat, den Verhandlungen den Rücken zu kehren. Und in dieser Situation haben wir keinen anderen Ausweg, als eben diese Entscheidung zu treffen, die wir getroffen haben, nämlich eine Sondersitzung des IAEO Gouverneursrates einzuberufen und ich möchte noch einmal betonen, dass wir dann natürlich auch auf die Einbeziehung des Sicherheitsrates drängen werden. Die IAEO hat im Gouverneursrat schon im letzten Dezember gesagt, dass Iran seinen Verpflichtungen nicht gerecht wird.

Philippe Douste-Blazy, französischer Außenminister:

Danke, Frank. Vor zweieinhalb Jahren haben wir versucht, ein neues Kapitel aufzuschlagen in den Beziehungen zwischen der Internationalen Staatengemeinschaft und dem Iran. Wir wollten eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen. All diese Arbeit haben hatten akzeptiert, dass es eine Aussetzung der Nuklearaktivitäten wir gemeinsam getan, Großbritannien, Deutschland und Frankreich, damit dieses vertrauensvolle Verhältnis entstehen kann. Die Iraner und die Internationale Staatengemeinschat in den sensiblen Bereichen geben würde. Wir sind sehr weit gegangen in den Verhandlungen, vor allem im politischen, aber auch im wirtschaftlichen und technologischen Bereich, auch im Bereich der zivilen nuklearen Nutzung.

Leider wurden nun auf unilaterale Weise durch den Iran diese Abkommen beendet. Seit einigen Stunden nun wurden leider die Siegel gebrochen, die Anreicherung wurde als wieder aufgenommen erklärt und daher scheint es uns heute wichtig zu sein, anzuerkennen und zu sehen, dass der Iran nicht mehr reden will.

Die Sitzung (der IAEO) vom 18. Januar, die angesetzt war, hat nun keinen Daseinsgrund mehr. Andererseits haben wir beschlossen, eine außerordentliche Sitzung des Gouverneursrats der IAEO einzuberufen und dass diese außerordentliche Sitzung des Gouverneursrats darüber entscheiden wird, was Frank und Jack bereits gesagt haben, nämlich über die Weiterleitung des Berichts der IAEO an den Sicherheitsrat.

Mehr denn je denke ich, dass es wirklich nur einen politischen Prozess geben kann, der in diesem sehr heiklen Bereich zum Erfolg führen kann. Abschließend möchte ich sagen, dass die gesamte Internationale Staatengemeinschaft so geschlossen wie nie sein muss. Denn wir sind alle sehr besorgt aufgrund dieses Atomstreits mit dem Iran.

Daher haben wir beantragt, dass es eine außerordentliche Sitzung des Gouverneursrats der IAEO gibt, um zu entscheiden, wann der Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weitergeleitet wird.

Javier Solana, Hoher Repräsentant der EU-Außen- und Sicherheitspolitik:

Ich möchte nur ganz kurz sagen, dass das, was hier sehr deutlich gesagt wurde von Frank, von Jack und auch von Philippe, genau die Position ist, die auch von den restlichen EU-Mitgliedsländern vertreten wird. Das ist eine Position, die alle Mitglieder der EU einhellig vertreten, das ist auch die Position, die wir in den nächsten Tagen in den entsprechenden Räten vertreten werden.

Es besteht natürlich die Möglichkeit, Verhandlungen wieder aufzunehmen. Wir haben immer gesagt, wir wünschen eine diplomatische, eine Verhandlungslösung.

Ich möchte etwas ganz deutlich machen: Wir haben überhaupt kein Problem mit den Menschen im Iran. Die Bevölkerung des Iran weiß, wir wissen: Es handelt sich um ein großes Land, dass wir respektieren. Wir wollen auch diesem Land nicht das Recht absprechen, zivile Nutzung aus einem Nuklearprogramm zu ziehen. Wir haben uns im Gegenteil sogar bereit erklärt, ihnen dabei zu helfen.

Was wir allerdings nicht akzeptieren können, ist dieser Mangel an Klarheit über die Ziele, die verfolgt werden mit diesem Programm, und das, was jetzt in den letzten Tagen durch die Entscheidung deutlich wurde, entspricht eben nicht dieser Klarheit. Ich habe deutlich gesagt, wir werden das der Internationalen Völkergemeinschaft vortragen, wie das auch Frank und Jack und Philippe gesagt haben. Wir wollen natürlich weiterhin in einem Verhandlungsprozess sein. Im Moment sind wir jedoch der Ansicht, dass der Zeitpunkt gekommen ist, die Entscheidung zu treffen, die wir heute getroffen haben.

(Die Ausschrift der fremdsprachigen Texte erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

Verwandte Inhalte

nach oben