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Inlandspraktikum im Krisenkeller (Romy, KSA 10)

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Uhren im Krisenreaktionszentrum, © AA

17.06.2011 - Artikel


Seit Ende Februar bin ich die „040-ksa“, heißt: die Praktikantin vom Krisenreaktionszentrum, welches wohl situiert im Keller des AA-Altbaus in den Schatzbunkern der ehemaligen Reichsbank liegt.

Seit Ende Februar bin ich die „040-ksa“, heißt: die Praktikantin vom Krisenreaktionszentrum, welches wohl situiert im Keller des AA-Altbaus in den Schatzbunkern der ehemaligen Reichsbank liegt. Die dicken Stahltüren und –fenster sind noch vorhanden, weil denkmalgeschützt und es wird gemunkelt, dass die Leute vom Krisenreaktionszentrum (KRZ) selten das Licht der Sonne sehen.

Diesem Gerücht wollte ich selbst mal nachgehen und setzte das KRZ auf Platz 1 meiner Praktikumswunschliste und voilà, hier bin ich.

Offiziell als Referat 040 geführt und direkt dem Minister und dem Staatssekretär unterstellt, gibt es hier immer etwas zu tun. Aber man fragt sich vielleicht zu Recht: was machen die Leute da eigentlich, wenn keine Krise ist? Die Antwort: exzessive Krisenvorsorge und –früherkennung. Und diese Arbeit ist durchaus nicht zu verachten.

An meinem ersten Tag jedoch stolperte ich nun mitten hinein in die Libyen-Krise; ein Großteil der 040-Mitarbeiter versammelt sich bei solchen Krisen dann in einem speziellen Großraumbüro und es herrscht reges Treiben: Flugpläne hier, Vermisste da, Krisenstabssitzung dort. Es scheint ein komplettes Durcheinander zu sein, auf den zweiten Blick erkennt man jedoch das professionelle und straff durchorganisierte System.

Meine erste Aufgabe bestand darin, deutschen Staatsangehörigen, die in Libyen auf Ölfeldern oder mitten in Tripolis festsaßen, seelischen Beistand via Skype zu geben, ihnen Informationen zu Ausreisemöglichkeiten weiterzuleiten und sie teilweise auch auf ihrem Weg „nach draußen“ zu begleiten. Klingt langweilig, ist aber wirklich spannend: Von der Mama mit Kindern, die im Haus festsaßen, weil draußen geschossen wurde bis hin zum Firmenmitarbeiter, der versuchte, mit dem Taxi nach Tunesien zu flüchten, hatte ich so ziemlich alles an der Strippe.

Ich war in meinen ersten zwei Tagen jedenfalls so unglaublich beeindruckt, dass ich nachts fast nicht schlafen konnte, mit tellergroßen Augen im Bett lag und euphorisch davon überzeugt war, endlich im Praktikumshimmel gelandet zu sein.

Nach Libyen war dann eine Woche Ruhe. Eine Woche, in der ich erst mal alle meine KollegInnen richtig kennenlernen und mein eigenes Büro beziehen durfte – ich schau zwar auf den Innenhof, aber ich sehe die Sonne, wenn sie sich in den Fenstern gegenüber spiegelt. Alle KollegInnen sind sehr nett und offen und haben mich sofort in ihren Kreis aufgenommen.

Ich hatte mich schon fast wieder an die Ruhe gewöhnt, als in Japan die Erde bebte. Man lernt hier schnell: nach der Krise ist vor der Krise.

Und so knipsten wir wieder das Licht im Großraumbüro an, packten unsre Gittermappen zusammen und begrüßten uns zur nächsten Krise. Diesmal verbrachte ich viel Zeit im Telefonpool, nahm Vermisstenanzeigen auf, beruhigte weinende und besorgte Eltern und beriet ratlose Touristen.

Zum Ende der Krise durfte ich dann auch die etwas skurrilen Fälle am Telefon betreuen: ehemalige Bauarbeiter, die meinten, die Japaner sollten mal Betonspritzwagen oder Trockeneis zur Löschung des Feuers im AKW benutzen. Oder engagierte Bürger, die anboten, japanische Kinder (und auch wirklich nur die Kinder) bei sich zu Hause aufnehmen zu wollen. Touristen, die sich fragten, ob sie im Sommer unbesorgt auch nach Chile reisen könnten, wie solle denn in drei Monaten das Wetter da werden?…eben solche Sachen.

Lange kann man an so einem Telefon tatsächlich nicht sitzen, man entwickelt leicht misanthrope Anwandlungen und schon beim ersten Satz eines Anrufers („Ich hab da mal einen Vorschlag“) wusste ich, die Tischplatte vor mir würde wieder zur Kopf-gegenhau-Vorlage zweckentfremdet werden. Aber unterhaltsam war’s allemal.

Nach Japan konnte ich dann endlich den normalen Arbeitsalltag im KRZ kennenlernen. Zum Beispiel arbeitet man hier ständig an der Optimierung der Arbeitsmöglichkeiten während einer Krise und versucht, sich zu verbessern. Einen Status Quo gibt es nicht, jede Krise ist anders. Und so wird immer auch ordentlich nachgearbeitet: Was kann man verbessern? Wie kann die Vermissten-Software optimiert werden? Wo kann man noch an der Kommunikation arbeiten?

Dann werden Freiwillige geschult, auf die in Krisenfällen z.B. auch für den Telefonpool zurückgegriffen wird, weil dieser in Krisenzeiten 24/7 besetzt werden muss. Ich durfte also Telefonpool-Seminare und Erstsprecherschulungen mit-organisieren und sogar selbst daran teilnehmen. Auch gibt es freiwillige Krisenteams, die in Krisenfällen die Auslandsvertretungen vor Ort unterstützen. Diese Teams werden ebenfalls eingehend geschult und vorbereitet, u.a. in Kooperation mit dem THW oder durch einen Besuch bei der Gerichtsmedizin und der Intensivstation der Charité. So ein Kriseneinsatz ist schließlich nicht zu unterschätzen.

Zurzeit arbeite ich außerdem noch intensiv an der Aktualisierung der Krisenpläne der Auslandsvertretungen. Jede Vertretung hat einen eignen Krisenplan im Intranet, der regelmäßig aktualisiert werden muss, was mal mehr, mal weniger ernst genommen wird und woran ich die Vertretungen dann mal mehr, mal weniger freundlich erinnern darf. Zwischendurch habe ich noch den Besuch meiner KSA-MitstreiterInnen im KRZ und beim BKA mit-organisiert und das Freiwilligenportal im AA-Intranet aktualisiert.

Ein Highlight war definitiv auch die Woche im Lagezentrum, welches ja 24/7 besetzt ist und im AA das „Mädchen für alles“ ist, wenn die anderen MitarbeiterInnen Freitag Nachmittag die Lichter in ihren Büros ausschalten. Dort konnte ich die Krise in der Elfenbeinküste miterleben, Krisenstäbe mit-organisieren und Telefonkonferenzen schalten.

Meine bisherige Praktikumsbilanz kann sich jedenfalls sehen lassen: bei zwei Großkrisen mittendrin statt nur dabei gewesen, in unzähligen Krisenstabsitzungen gesessen und 4 Botschaften wurden zumindest vorübergehend geschlossen (Tripolis, Tokyo, Abidjan, Sanaa). Aber wie ich gelernt habe: Nach der Krise ist vor der Krise. Man weiß hier nie, was noch alles auf einen zukommt, wenn man morgens zur Arbeit kommt.

Für mich steht jedenfalls fest: Wenn Posten in Berlin, dann nur beim KRZ! Wer braucht schon Sonne im Büro, wenn er Krisen haben kann? Im Praktikumshimmel bin ich hier so oder so…

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