Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Über-Listet: Die Bewerbung auf das Auslandspraktikum (Nicola, KSA '10)
Ein Karussel, © picture alliance/ beyond
Im neunmonatigen Auslandspraktikum können die Anwärter im gehobenen Dienst erstmals erleben, was es bedeutet, im Dienst der Bundesrepublik ins Ausland zu gehen. Nicola berichtet von ihren Erfahrungen mit dem Versetzungskarussel.
Im neunmonatigen Auslandspraktikum können die Anwärter im gehobenen Dienst erstmals erleben, was es bedeutet, im Dienst der Bundesrepublik ins Ausland zu gehen. Nicola berichtet von ihren Erfahrungen mit dem Versetzungskarussel.
In einer der letzten Wirtschaftsrecht-Vorlesungen war ich ganz weit weg an einem warmen Ort: Strand, Palmen, Fruchtcocktails,... als ich plötzlich die Stimme unseres Dozenten wahrnahm: „...und dann vergessen Sie nicht die Eintragung in die Liste!“ LISTE?! Ich schreckte hoch, und stieß meine Sitznachbarin alarmiert an: „Hat er Liste gesagt?!“ Sie gab Entwarnung: Nur die Gesellschafterliste (gemäß §40 GmbH-Gesetz) ist gemeint.
Listen gibt es viele: Teilnehmerlisten, Einkaufslisten, ToDo-Listen, Anwesenheitslisten, Abschusslisten, überlisten und die eben genannte Gesellschafterliste. Warum also die Aufregung?
Seit Mitte August warteten wir, die KSA10, mit zunehmender Spannung auf die so genannte Auslandspraktikumsliste. Auf dieser Liste stehen die Botschaften und Generalkonsulate, an denen wir unser neunmonatiges Auslandspraktikum verbringen können.
Es wurde Anfang September und weder penetrantes Nachbohren bei der Ausbildungsleitung noch stündliches E-Mail-Abrufen halfen. Nervöse Unruhe machte sich breit. Müssen wir etwa in Berlin bleiben?
Dann kommt die Liste doch endlich:
Wieder in einer Wirtschaftsrecht-Vorlesung betritt eine Dame der Hochschule für Wirtschaft und Recht, wo wir momentan unser Hauptstudium I absolvieren, den Raum. Auf dem Arm hat sie einen Stapel brauner Briefumschläge. Schlagartig herrscht Ruhe im Raum. Dann wird hier und da getuschelt: „Ist das etwa...“, „Sollte die nicht per Mail kommen...?“ Unser Dozent beendet seelenruhig seinen Satz und schaut dann die Frau erwartungsvoll an. Die sagt: „Oh, ich bin wohl im falschen Raum. Ich suche den Rechtspflegerkurs...“ und verschwindet wieder. Kurz ist es still, dann hört man viele seufzen und einige lachen. War wohl nix.
Anderthalb Wochen später kommt die Liste doch noch - wie erwartet per Mail. Die Nachricht, dass Elvis doch noch lebt, hätte sich nicht schneller verbreiten können. Schlagartig vergessen wir alles andere. Selbst die anstehende Wirtschafts- und Strafrechtsklausur tritt in den Hintergrund. Alles dreht sich um die Liste und wer welchen Posten auf seine eigene Wunschliste setzt.
Die Regeln sind grundsätzlich ganz einfach: Jeder muss mindestens drei Orte, die ihn interessieren mitsamt Begründung in ein Formular eintragen und bis zum Stichtag abgeben. Die Posten sind in englischsprachige, französischsprachige und sonstige Posten unterteilt. Diejenigen unter uns, die eine so genannte Englisch- oder Französischempfehlung bekommen haben, können sich ausschließlich auf eben diese Posten bewerben, um dort ihre Sprachkenntnisse aufzubessern. Der Rest hat freie Auswahl. Anhand unserer Wunschlisten werden dann von der Ausbildungsleitung die Posten verteilt.
Die Fragen, die wir uns plötzlich stellen, sind aber ungleich komplizierter: Gibt es ein Land, dessen Sprache ich lernen oder vertiefen möchte? Verkrafte ich wohl Temperaturen von 40°C und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, oder eine Höhenlage von 2000m über NN? Wo lernt man welche Inhalte? Macht es Sinn, eine Taktik anzuwenden und nur Länder zu nehmen, die kein anderer auflistet? Sucht man einen Posten aus, an dem Freunde, Familie und der Partner problemlos ohne Visum zu Besuch kommen können? Oder einen Posten, der so weit weg ist, dass genau das nicht passiert? Welche Stadt setze ich denn nun an erste Stelle, wenn mein absoluter Traumposten gar nicht auf der Liste zu finden ist? Sollte man in der Begründung erwähnen, dass man die Posten an Hand der kulinarischen Möglichkeiten ausgesucht hat?
Das Vorgehen beim Erstellen der Wunschliste ist sehr unterschiedlich: Zunächst gibt es die Abgebrühten, die bis zum Stichtag abwarten und dann eine Liste nach Bauchgefühl aufstellen, unterschreiben und abgeben. Dann sind da die Informationssammler, die alles lesen, was sie zu den Ländern in die Finger kriegen können. Viele erstellen sogar eine Liste mit unterschiedlichen Kriterien, Vor- und Nachteilen der einzelnen Posten.
Interessant ist auch die Was-raten-mir-andere-Vorgehensweise: Wichtig ist hier jedoch die Unterscheidung zwischen Ratschlägen von Menschen mit Ahnung (womöglich mit Erfahrung in dem jeweiligen Land) und den Ratschlägen von Menschen mit weniger Ahnung. Diese erkennt man an Sprüche wie: „Santo Domingo (wahlweise auch Addis Abeba, Pretoria, Wilna, Neu Delhi, ...) wo liegt denn das?“ und, direkt im selben Atemzug: „Mach das nicht! Da laufen doch nur Kriminelle (wahlweise Verrückte, wilde Tiere, Menschenfresser, Hippies, Hobbits,… ) herum!“
Als mein Wunschzettel endlich fertig und abgegeben ist, bin ich zunächst erleichtert. Doch jetzt heißt es für uns KSA10 wieder abwarten bis wir erfahren, wo wir unser Auslandspraktikum verbringen. Fest steht, gute Freunde (und sehr hartnäckige Verwandte) kommen einen wohl überall besuchen...