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Kleinwaffen und leichte Waffen

20.07.2016 - Artikel

Kleinwaffen verursachen mehr Opfer als jede andere Waffenart, verschärfen Konflikte und hemmen Entwicklung.

Kleinwaffen* verursachen mehr Opfer als jede andere Waffenart, verschärfen Konflikte, destabilisieren Gesellschaften, hemmen Entwicklung. Deutsche Sicherheitsinteressen sind vielfältig berührt. Die Kontrolle von Kleinwaffen und leichten Waffen einschließlich ihrer Munition als wesentliches Element von Krisenprävention und Friedenskonsolidierung ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung im Bereich der konventionellen Rüstungskontrolle.

Sicherheit ist wesentliche Voraussetzung für Entwicklung. Die Proliferation illegaler Kleinwaffen behindert wirtschaftliche und soziale Entwicklung und trägt maßgeblich zur gewaltsamen Eskalation von Konflikten bei, dies insbesondere in Städten. Sie hemmt Investitionen und verbraucht Ressourcen für private Sicherheitsvorkehrungen – ganz zu schweigen von den unmittelbaren Folgen für die Betroffenen.

Kleinwaffenkontrolle flankiert daher deutsche Entwicklungszusammenarbeit. In weiten Teilen der Welt können Kleinwaffen auch von Zivilisten relativ problemlos, preiswert und legal - aber vor allem illegal erworben werden. In vielen Krisengebieten sind sie außerhalb der regulären Streit- und Sicherheitskräfte weit verbreitet. Geschätzt über 875 Millionen Kleinwaffen mit einer durchschnittlichen Verwendungsdauer von 30-50 Jahren sind weltweit im Umlauf. Viele Kleinwaffen können selbst von Kindern leicht bedient werden. In den internen und grenzüberschreitenden Konflikten der letzten Jahrzehnte wurde die große Mehrzahl der Opfer, gerade in der Zivilbevölkerung, durch Kleinwaffen verursacht.

Noch lange nach Beendigung eines Konflikts können Kleinwaffen die Sicherheit gefährden, Konflikte wieder aufflammen lassen, zur Destabilisierung von Gesellschaften und Staaten führen sowie die wirtschaftliche Entwicklung hemmen. Insbesondere von schultergestützten Flugabwehrsystemen (MANPADS), die zu den leichten Waffen zählen, geht aufgrund ihrer hohen Terrorismusrelevanz eine erhebliche Gefahr sowohl für die zivile als auch militärische Luftfahrt aus.

Vereinte Nationen

Deutschland arbeitet aktiv im Rahmen des UN Kleinwaffenprozesses mit, der den globalen Referenzrahmen für Bemühungen um Kleinwaffenkontrolle bildet. Die UN-Konferenz über sämtliche Gesichtspunkte des unrechtmäßigen Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen („Conference on the Illicit Trade in Small Arms and Light Weapons in All Its Aspects“) verabschiedete im Juli 2001 das Kleinwaffenaktionsprogramm der Vereinten Nationen.


Es enthält Aussagen und Empfehlungen zu verschiedenen Aspekten der Kleinwaffenkontrolle (Gesetze, Produktion, Markierung und Registrierung, Zusammenarbeit bei der Nachverfolgung, Lagerhaltung, Zerstörung von Überschusswaffen, Aufklärung der Bevölkerung, Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration, sowie internationaler Handel) und ist Ausgangspunkt für eine Vielzahl weltweiter und regionaler Initiativen. Ziel ist es, Staaten bei der Umsetzung des Aktionsprogramms zu helfen und einen möglichst breiten Konsens zu den wichtigsten Elementen zu finden. Alle grundlegenden Dokumente hierzu einschließlich der Staatenberichte zur nationalen Umsetzung sind auf der mit deutscher Unterstützung aufgebauten Internetplattform des UN-Abrüstungsbüros eingestellt unter:

www.poa-iss.org.

  • Staatentreffen im Rahmen des UN Kleinwaffenprozesses

Der Stand der Implementierung des UN-Kleinwaffenaktionsprogramms wird alle zwei Jahre bei Staatentreffen der UN-Mitgliedstaaten erörtert und alle sechs Jahre im Rahmen einer Überprüfungskonferenz einer umfassenden Bilanz unterzogen. Beim 4. Staatentreffen vom 14.-18. Juni 2010 in New York konnte erstmals ein Abschlussbericht im Konsens verabschiedet werden. Er enthält zahlreiche Empfehlungen zur Verbesserung der Implementierung in den diskutierten Schwerpunktbereichen der Grenzkontrolle, der internationalen Zusammenarbeit, der Markierung und Nachverfolgung und des institutionellen Rahmens. Die Bundesregierung hat hieran aktiv mitgewirkt und insbesondere auf eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit bei der Implementierung gedrängt.

Die Zweite Überprüfungskonferenz für das Kleinwaffenaktionsprogramm im August und September 2012 konnte erfolgreich mit einer politischen Erklärung, die die Ziele der Kleinwaffenkontrolle bekräftigte und Abschlussdokumenten zur Implementierung des Kleinwaffenaktionsprogramms und des Nachverfolgungsinstruments (International Tracing Instrument – ITI, s.u.) abgeschlossen werden. Ferner konnte sich die Konferenz auf einen Follow-up-Prozess für den nächsten sechs-Jahres-Zyklus bis zur Dritten Überprüfungskonferenz 2018 einigen. Die Bundesregierung hat sich zur Unterstützung des Programms auf der Konferenz einer Initiative Australiens angeschlossen, eine neue Fazilität zur Finanzierung von Projekten zur Umsetzung des Kleinwaffenaktionsprogramms und eines zukünftigen ATTs zu unterstützen und dafür noch im Jahr 2013 projektgebunden 500.000,- Euro bereit zu stellen.

  • ISACS

Die Vereinten Nationen haben in vierjähriger Arbeit unter Einsatz von bis zu 300 Experten weltweit die International Small Arms Control Standards (ISACS) geschaffen, einer umfassenden Sammlung von Empfehlungen zum Umgang mit Kleinwaffen und Munition, die die Vorgaben des Kleinwaffenaktionsprogramms, des Nachverfolgungsinstruments und des Feuerwaffenprotokolls ausbuchstabiert und in konkrete Handlungsanweisungen übersetzt. Deutschland unterstützt dieses Projekt durch die Finanzierung eines Software-Instruments, das die ISACS handhabbar macht und sie zur Bewertung des jeweiligen Standes der staatlichen Kleinwaffenkontrolle anhand von Benchmarks und Indikatoren nutzbar macht.

  • Markieren und Nachverfolgen

Im Juni 2005 wurde unter aktiver deutscher Beteiligung das politisch verbindliche UN-Instrument zum Markieren und Nachverfolgen von Kleinwaffen angenommen. Darin verpflichten sich die Staaten, die von ihnen produzierten oder importierten Waffen nach international einheitlichen Regeln zu markieren, Waffenregister zu führen und bei der Nachverfolgung illegaler Waffenlieferungen zusammenzuarbeiten. Neben der nationalen Umsetzung des Abkommens sind Impulse zur internationalen Implementierung des Instruments ein besonderes Anliegen. Der Stand der Implementierung und Empfehlungen zu seiner Verbesserung werden jeweils im Rahmen der Staatentreffen zum Kleinwaffenaktionsprogramm erörtert sowie erstmals auch im Rahmen eines Regierungsexpertentreffens im Mai 2011.

  • Lagerverwaltung

Eines der Hauptthemen des UN Kleinwaffenaktionsprogramms ist die Verwaltung und Sicherung öffentlicher Bestände von Klein- und Leichtwaffen. Seit dem Jahr 2007 hat sich die Bundesregierung dieses Themas, das sich in besonderem Maße als Einstieg in einen substanziellen bilateralen Sicherheitsdialog eignet, verstärkt angenommen. Die Empfehlungen eines unter deutscher EU-Präsidentschaft zu Fragen der Verwaltung und Sicherung, aber auch der Reduzierung und Zerstörung von konventionellen Waffen- und Munitionsbeständen bilden die Grundlage für Aktivitäten der technischen Zusammenarbeit.

  • Konventionelle Munition

Seit den Verhandlungen zum VN-Instrument zum Markieren und Nachverfolgen setzt sich Deutschland für eine angemessene Behandlung der Munitionsproblematik ein. Gemeinsam mit Frankreich wurden seit 2005 Resolutionen zur Frage des Umgangs mit Munitionsbeständen im 1. Ausschuss der VN-Generalversammlung eingebracht. Auf dieser Grundlage erarbeitete eine UN-Expertengruppe Empfehlungen zum Umgang mit konventionellen Munitionsüberschüssen, die 2008 indossiert und den Mitgliedsstaaten zur Umsetzung empfohlen wurden. In dieser Resolution wurde auch zur Erarbeitung von technischen Leitlinien zur Umsetzung dieser Empfehlungen aufgerufen. Die sogenannten IATGs (International Ammunition Technical Guidelines) wurden inzwischen von einer Expertengruppe unter deutscher Beteiligung fertiggestellt. Sie geben Staaten ein uumfassendes Kompendium zum Umgang mit Munition und Explosivstoffen an die Hand, das diese auf freiwilliger Basis nutzen können.

  • Gruppe interessierter Staaten

Darüber hinaus setzt Deutschland sein Engagement im Rahmen der in New York tagenden Gruppe interessierter Staaten („Group of Interested States“, GIS) fort. Diese Gruppe wurde 1998 auf deutsche Anregung geschaffen. Die GIS bietet ein Forum für alle am UN-Kleinwaffenprozess interessierten relevanten Parteien zum Austausch über Projektarbeit und politische Maßnahmen zur Unterstützung der Umsetzung des UN-Kleinwaffenaktionsprogramms. Die Bedeutung der praktischen Arbeit der GIS wird seitdem im 1. Ausschuss der UN-Generalversammlung in regelmäßigen von Deutschland eingebrachten und im Konsens angenommenen Resolutionen (zuletzt UN Resolution A/Res/67/50 vom 4. Januar 2013) bestätigt.

Europäische Union

Die EU und ihre Mitgliedstaaten gehören mit ihrem Engagement im Kleinwaffenbereich, insbesondere der Kleinwaffenprojektarbeit, zu den wichtigsten Akteuren weltweit. Im Dezember 2005 verabschiedete der Europäische Rat die Strategie der Europäischen Union zur Bekämpfung der Anhäufung von Kleinwaffen und leichten Waffen und dazugehöriger Munition sowie des unerlaubten Handels damit. Die EU-Kleinwaffenstrategie verfolgt das Ziel, alle politischen und finanziellen Instrumente, die der EU zur Verfügung stehen, zu nutzen, um eine koordinierte und kohärente Kleinwaffenpolitik der Europäischen Union zu ermöglichen. Die wesentlichen drei Pfeiler der Strategie sind effektiver Multilateralismus, Prävention illegaler Waffenlieferungen sowie Projektzusammenarbeit mit den betroffenen Staaten bzw. Regionen.

Gemäß einem Beschluss des Europäischen Rats vom Dezember 2008 werden in allen neuen Drittstaatsabkommen Elemente zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Kleinwaffenstrategie aufgenommen (sog. Kleinwaffenklausel).

Schwerpunkte der Projektzusammenarbeit lagen in den vergangenen Jahren u.a. bei der Verbesserung der Verwaltung und Sicherung von Lagerbeständen an Kleinwaffen und konventioneller Munition bzw. der Vernichtung von Überschussbeständen sowie Maßnahmen zur Erfassung und Markierung von Kleinwaffen. Regionale Schwerpunkte waren die Ukraine, der westliche Balkan und Afrika. Zu den gegenwärtig in der Umsetzungsphase gehörenden Projekten gehört ein durch die Nichtregierungsorganisation Saferworld geführter Dialog zwischen der Zivilgesellschaft in Afrika, China und der EU zur Bedeutung der Kontrolle konventioneller Waffentransfers, ein die Erstellung einer Datenbank zur Identifizierung verdächtiger Lufttransporte, die Finanzierung von Maßnahmen der Kapazitätsbildung im Justiz- Polizei- und politischen Bereich in Zentralamerika sowie die Verbesserung der Lagerhaltung für Kleinwaffen und Munition in Libyen.

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Die OSZE hat bereits im November 2000 das Dokument über Kleinwaffen und Leichte Waffen verabschiedet. Das Dokument stellt gemeinsame Ausfuhr- und Überschusskriterien auf, schafft regionale Transparenz von Kleinwaffentransfers und bildet die Grundlage für einen umfassenden Informationsaustausch. Es ist das weitest gehende politisch verbindliche Dokument zu militärischen Kleinwaffen auf regionaler Ebene und hat Pilotcharakter für die Umsetzung und Weiterentwicklung des Kleinwaffenaktionsprogramms der Vereinten Nationen. Praktische Umsetzungshilfen hat die OSZE in Handbüchern bester Gepflogenheiten (Best Practice Guides) 2003 zusammengefasst. 2006 wurde eine ergänzende Anlage über die Absicherung von Beständen an schultergestützten Flugabwehrsystemen (MANPADS) zum Abschluss gebracht.

Mit der gleichen Zielrichtung verabschiedete die OSZE im Dezember 2003 ein Dokument zu Lagerbeständen konventioneller Munition. Hierzu wurde 2008 Richtlinien („Handbook of Best Practices“) zu Munitionsfragen veröffentlicht, zu dem Deutschland aktiv beigetragen hat.

Einmalig ist im Rahmen der OSZE die Verbindung von Normsetzung, Erfahrungsaustausch und Projektarbeit. Viele OSZE-Teilnehmerstaaten nutzen die in den Dokumenten zu Kleinwaffen und konventioneller Munition vorgesehene Möglichkeit, andere Teilnehmerstaaten um Hilfe bei der Sicherung und Zerstörung überschüssiger Kleinwaffen und Munitionsbestände zu ersuchen. Deutschland beteiligt sich an Bewertungsbesuchen, Fortbildungsaktivitäten und sonstigen Projektaktivitäten, u.a. in Serbien, Montenegro, Kosovo und Albanien. Die Umsetzung des OSZE-Kleinwaffendokuments ist regelmäßig Gegenstand von Überprüfungskonferenzen, zuletzt einer Konferenz in Wien im Mai 2012.

Bilaterales Engagement

Deutschland ist auch bilateral vielfältig im Kleinwaffenbereich engagiert. So finanziert Deutschland seit 2003 jährlich mit 800.000 Euro ein Projekt der Einsammlung und Vernichtung von Kampfmittelrückständen in Afghanistan mit der britischen Nichtregierungsorganisation HALO Trust. Einen besonderen Schwerpunkt der Projektarbeit bildet Subsahara-Afrika. Hierbei sind neben Projekten im Bereich „Disarmament, Demobilization & Reintegration“ (DDR), Trainingsprogramme zur Verbesserung der Verwaltung und Sicherung öffentlicher Lagerbestände ein besonderes Anliegen.

Die Bundesregierung sieht in der Kleinwaffenkontrolle einen aktiven Beitrag zur Krisenprävention. Gerade in Post-Konflikt-Gebieten trägt dieses Engagement zur Stabilisierung bei. So hat sich Deutschland schon früh nach den Kampfhandlungen in Libyen engagiert. Mit 750.000 Euro hat die Bundesregierung noch in 2011 den Aufbau der nationalen Behörde zur Beseitigung von Kampfmittelresten LMAC (Libyan Center for Mine Action and Remnants of War) in Libyen finanziert; 2012-17 wird die GIZ ein langfristiges Programm zum Kapazitätsaufbau unterstützen (Volumen: insgesamt ca. 8 Mio, von denen 5 Mio durch die EU beigetragen werden). In Côte d’Ivoire führt die GIZ im Auftrag des Auswärtigen Amts ein ganzheitliches Projekt der Kleinwaffenkontrolle durch, indem die Kleinwaffenkommission gestärkt und ein Programm zur Einsammlung von Waffen erstellt wird. In Zentralamerika führt das Regionale Zentrum für Frieden und Sicherheit der Vereinten Nationen mit Sitz in Lima (UNLiREC) Seminare zur Schusswaffenkontrolle für Entscheidungsträger aus Polizei, Justiz und Politik durch.

* Definition:
Bei Kleinwaffen und leichten Waffen (Small Arms and Light Weapons - SALW), im folgenden Kleinwaffen, handelt es sich um Waffen und Waffensysteme, die nach militärischen Anforderungen für den Einsatz als Kriegswaffen hergestellt oder entsprechend umgebaut sind und dem militärischen Einsatz vorbehalten sein sollen.

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