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Grundsätze der Erweiterungspolitik

25.10.2022 - Artikel

Grundsätzlich kann jeder europäische Staat, der die Grundsätze der Europäischen Union achtet, Mitglied der Union werden.

Rechtliche Grundlagen

Nach Artikel 49 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) kann grundsätzlich jeder europäische Staat, der die Grundsätze der Europäischen Union achtet, Mitglied der Union werden:

„Jeder europäische Staat, der die in Artikel 2 genannten Werte achtet, und sich für ihre Förderung einsetzt, kann beantragen, Mitglied der Union zu werden. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente werden über diesen Antrag unterrichtet. Der antragstellende Staat richtet seinen Antrag an den Rat; dieser beschließt einstimmig nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, das mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließt. Die vom Europäischen Rat vereinbarten Kriterien werden berücksichtigt.

Die Aufnahmebedingungen und die durch eine Aufnahme erforderlich werdenden Anpassungen der Verträge, auf denen die EU beruht, werden durch ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat geregelt. Das Abkommen bedarf der Ratifikation durch alle Vertragsstaaten gemäß ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften.“

Artikel 2:

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Vier Prinzipien der Erweiterung

Der Vertrag von Lissabon
Der Vertrag von Lissabon© picture-alliance/dpa

Mit zunehmender Mitgliederzahl wächst die Herausforderung, Erweiterung und Integrationsfähigkeit und -dynamik auszubalancieren. Die Parameter der EU-Erweiterungspolitik haben sich im Laufe der letzten Jahre stetig weiterentwickelt und konkretisiert.

Seit 2006 setzt die EU im Rahmen des „Erneuerten Konsens zur Erweiterung“ auf eine Erweiterungsstrategie, die sich auf vier Prinzipien stützt:

  • Konsolidierung: Die EU steht zu ihren Verpflichtungen und bleibt bei ihren Zusagen gegenüber den Beitrittskandidaten
  • Konditionalität: Die fairen aber strikten Kriterien und Bedingungen für einen Beitritt zur EU müssen von den Kandidatenländern eingehalten werden
  • Kommunikation: Größere Transparenz und verbesserte Kommunikation sollen die Zustimmung der Gesellschaften zum Erweiterungsprozess sicherstellen
  • Gewährleistung der Aufnahmefähigkeit der EU: Die Fähigkeit der EU, weitere Mitgliedstaaten aufzunehmen und erfolgreich integrieren zu können, ohne die eigene Handlungsfähigkeit und Weiterentwicklung zu gefährden.

Die Bundesregierung steht zu diesen Prinzipien und engagiert sich für die Fortsetzung des Erweiterungsprozesses. Sie setzt sich auf europäischer Ebene für eine Erweiterungspolitik „mit Augenmaß“ ein. Um den Brückenschlag zwischen Erweiterung und innerer Konsolidierung der EU zu erreichen, besteht Deutschland auf der Einhaltung der Beitrittskriterien. Die Beitrittsfähigkeit der Kandidatenländer ist für die Bundesregierung ebenso maßgeblich wie die Aufnahmefähigkeit der EU. In den Ratschlussfolgerungen von März 2020 wurde die neue Beitrittsmethodik für Albanien und Nordmazedonien beschlossen, deren Anwendung auch auf die laufenden Beitrittsverhandlungen mit Montenegro und Serbien beschlossen wurde.

Kopenhagener Kriterien

In Vorbereitung auf die fünfte und größte Erweiterungsrunde in der Geschichte der EU (die sogenannte „Osterweiterung“), formulierte der Europäische Rat von Kopenhagen im Jahr 1993 Beitrittskriterien. Die sogenannten Kopenhagener Kriterien haben in den anschließenden Erweiterungsprozessen weitere Präzisierung erfahren und bieten den Kandidatenländern wichtige Orientierung.

Gemäß den Kopenhagener Kriterien muss ein Beitrittskandidat folgende Anforderungen erfüllen, um Mitglied der EU zu werden:

  • Politisches Kriterium: „Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten“;
  • Wirtschaftliches Kriterium: „Eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten“;
  • Acquis-Kriterium: Die Fähigkeit, alle Pflichten der Mitgliedschaft – d.h. das gesamte Recht sowie die Politik der EU (den sogenannten „Acquis communautaire“) – zu übernehmen, sowie das Einverständnis mit den Zielen der Politischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion.

Absporptionsfähigkeit: Der Europäische Rat von Kopenhagen betonte zudem, dass die „Fähigkeit der Union, neue Mitglieder aufzunehmen, dabei jedoch die Stoßkraft der europäischen Integration zu erhalten […] ebenfalls einen sowohl für die Union als auch für die Beitrittskandidaten wichtigen Gesichtspunkt“ darstellt. Die Voraussetzung der Aufnahmefähigkeit der EU wurde lange Zeit als das „vergessene Kriterium“ von Kopenhagen bezeichnet. Dieser Bedingung, auf welche die Kandidatenländer wenig Einfluss haben, kommt mit jeder Erweiterungsrunde eine wachsende Bedeutung zu.

Im Jahr 1995 präzisierte der Europäische Rat von Madrid, dass es für einen Beitritt nicht ausreicht, den EU-Acquis vollständig in innerstaatliches Recht zu übernehmen. Ein Beitrittskandidat muss zudem durch Anpassung seiner Verwaltungs- und Justizstrukturen die wirksame Implementierung der EU-Rechtsvorschriften gewährleisten.

Der Europäische Rat von Luxemburg beschloss im Dezember 1997, dass ein Beitrittskandidat bereits für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen die politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllen muss. Die wirtschaftlichen Kriterien sowie die Fähigkeit, die sich aus dem Beitritt ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen („Acquis–Kriterium“), seien zu diesem Zeitpunkt „aus einer zukunftsorientierten, dynamischen Sicht heraus“ zu beurteilen.

Für die (potenziellen) Beitrittskandidaten des Westlichen Balkans hat die EU vor dem eigentlichen Beitrittsprozess einen sogenannten Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess geschaltet. Vor der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen müssen die Länder diesen mehrstufigen Heranführungsprozess erfolgreich durchlaufen. Eine wichtige Stufe in diesem Prozess ist der Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA), das neben wirtschaftlicher Assoziierung auch die Übernahme von Teilen des Acquis sowie Kooperationen in einer Vielzahl von Politikbereichen vorsieht. Im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses sind die (potenziellen) Kandidatenländer außerdem zu intensiver regionaler Zusammenarbeit, zur Förderung gutnachbarschaftlicher Beziehungen und Versöhnung sowie zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien verpflichtet.

Die Beitrittskandidaten Ukraine und Moldau sowie Georgien, das über eine Beitrittsperspektive verfügt, sind in der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union (mehr zur Östlichen Partnerschaft hier). Im Rahmen der Östlichen Partnerschaft hat die Europäische Union Assoziierungsabkommen mit Georgien, Moldau und der Ukraine, die auch die Einrichtung „tiefer und umfassender“ Freihandelszonen (deep and comprehensive free trade areas, DCFTA) vorsehen. Die Abkommen mit Georgien und Moldau sind seit 1. Juli 2016 in Kraft, das Abkommen mit der Ukraine seit dem 1. September 2017.

Mehr zur Erweiterungspolitik auf Seiten der EU Kommission (englisch)

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