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Brexit: Das Handels- und Kooperations­abkommen ist am 1. Mai 2021 förmlich in Kraft getreten – was sind die Grundlagen der Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich?

Die britische Flagge und die Flagge der EU

Die britische Flagge und die Flagge der EU, © abaca / dpa / picture alliance

08.04.2022 - Artikel

Mit der Einigung auf ein umfassendes Abkommen haben die EU und das Vereinigte Königreich ein neues Kapitel in ihren Beziehungen aufgeschlagen.

In knapp einjährigen intensiven Verhandlungen ist es gelungen, das zukünftige Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich umfassend neu zu gestalten.

Das zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ausgehandelte Handels- und Kooperationsabkommen trat am 1. Januar 2021 vorläufig in Kraft, nachdem alle 27 Mitgliedstaaten dem Abkommen und seiner vorläufigen Anwendung ihre Zustimmung erteilt hatten. Am 27. April 2021 gab auch das Europäische Parlament seine Zustimmung, so dass das Abkommen am 1. Mai 2021 endgültig in Kraft treten konnte.

Das Handels- und Kooperationsabkommen stellt die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf eine neue Basis. Dies ist ein großer Erfolg. Nie zuvor wurde ein derart umfassendes Abkommen der EU mit einem Drittstaat vereinbart, und dazu noch in Rekordzeit.

Von der erreichten Einigung profitieren beide Seiten, die EU und das Vereinigte Königreich. Intensive Kooperationen und enge freundschaftliche Beziehungen sowohl der Europäischen Union als auch Deutschlands zum Vereinigten Königreich sind unerlässlich, wie auch der Bundestag in seiner Stellungnahme vom 21. April 2021 hervorhebt. Das Handels- und Kooperationsabkommen bildet hierfür eine solide Grundlage. Auch der Bundesrat betont in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 2021, dass mit dem Abkommen nunmehr ein auf Dauer angelegter Rechtsrahmen vorliegt, der Planungssicherheit für alle vom Brexit Betroffenen schafft.

Welche Regelungen wurden vereinbart?

Das Handels- und Kooperationsabkommen begründet unter anderem eine umfassende Wirtschaftspartnerschaft. Diese beruht im Kern auf einem Freihandelsabkommen, das weder Zölle noch Quoten vorsieht und damit bedeutende Handelshemmnisse abwendet. Eine solche Partnerschaft braucht aber auch gerechte Rahmenbedingungen. Deshalb haben beide Seiten weitreichende Regelungen vereinbart, um fairen Wettbewerb zu garantieren. Dies betrifft den Bereich der staatlichen Beihilfen ebenso wie Standards im Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz, Umwelt- und Klimabereich. Die genauen Bestimmungen, die nun seit dem 1. Mai 2021 endgültig gelten, können Sie im Einzelnen auf den Internetseiten der jeweiligen Bundesministerien sowie der Europäischen Kommission einsehen. Einen kurzen tabellarischen Überblick finden Sie auch hier.

Von einer echten Wirtschaftspartnerschaft könnte aber nicht die Rede sein, wenn die zukünftigen Beziehungen nicht auch über Handelsfragen hinausgingen. Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben sich deshalb auch in vielen anderen Feldern über den Rahmen der künftigen Kooperation geeinigt: Hierbei geht es um Dienstleistungen, Berufsqualifikationen, öffentliche Beschaffung, Umwelt- und Energiefragen, Luft-, See- und Schienengüterverkehr sowie Regelungen zu Sozialversicherung oder Forschung und Entwicklung. Im Rahmen des Abkommens ist auch die Beteiligung des Vereinigte Königreichs an einer Reihe von EU-Programmen vorgesehen.

Um der engen Verflechtung und geographischen Nähe von Europäischer Union und Vereinigtem Königreich Rechnung zu tragen, begründet das Abkommen darüber hinaus auch eine enge Sicherheitspartnerschaft. Diese ermöglicht die Kooperation in den Bereichen Justiz und Inneres. Konkret heißt das, dass beide Seiten weiterhin beispielsweise im Rahmen von Europol eng bei der Verbrechensbekämpfung zusammenarbeiten und sich gemeinsam in der Bekämpfung von Geldwäsche, transnationalem Verbrechen und Terrorismus abstimmen. Zudem regelt das Abkommen den gegenseitigen Datenaustausch, so zum Beispiel von Fluggastdaten oder Strafregistereinträgen. All dies wird im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und einem mit EU-Standards vergleichbaren Datenschutzniveau geschehen.

Entgegen dem Wunsch der Europäischen Union enthält das Abkommen leider keine Regelungen zur Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik. Die EU und das Vereinigte Königreich bleiben wichtige Partner in NATO, OSZE oder VN. Die Bundesregierung setzt sich weiter für eine enge außen- und sicherheitspolitische Kooperation mit dem Vereinigten Königreich auch im Rahmen der EU ein.

Auf welcher Basis hat die Europäische Kommission die Verhandlungen geführt?

Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zum 1. Februar 2020 trat das bereits zuvor zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verhandelte Austrittsabkommen in Kraft. Das Austrittsabkommen regelt bereits wichtige Fragen wie etwa die Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Dieses Abkommen war von einer Politischen Erklärung begleitet, in der der inhaltliche Rahmen für die Verhandlungen zum zukünftigen Verhältnis einvernehmlich abgesteckt worden war. Im Einklang mit der Politischen Erklärung einigten sich die 27 EU-Mitgliedstaaten am 25. Februar 2020 auf das Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission, welche im Auftrag der Mitgliedstaaten die Verhandlungen über das zukünftige Verhältnis mit dem Vereinigten Königreich führte. Unter erschwerten Bedingungen angesichts der COVID-19-Pandemie haben die EU und das Vereinigte Königreich von März bis Dezember 2020 fortlaufend verhandelt. Dabei stimmte sich die Europäische Kommission immer wieder sehr eng sowohl mit den 27 EU-Mitgliedstaaten als auch mit dem Europäischen Parlament ab. Zuletzt hatten beide Seiten die Verhandlungen noch einmal intensiviert, sodass am 24. Dezember 2020 eine Einigung erzielt wurde.

Was passierte am Ende der Übergangsphase? Welche Vorbereitungen wurden getroffen?

Zwischen dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zum 1. Februar 2020 und dem 31. Dezember 2020 galt die im Austrittsabkommen festgelegte Übergangsphase. Sie hat Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung Zeit gegeben, sich auf das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt und der EU-Zollunion vorzubereiten.

Seit dem 1. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich nun nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion. Damit hat sich das Verhältnis der EU zum Vereinigten Königreich grundlegend gewandelt– auch unabhängig vom neuen Handels- und Kooperationsabkommen.

Auf diese bereits vor dem Ende der Übergangsphase absehbaren, von den Verhandlungen über das zukünftige Verhältnis unabhängigen Änderungen, hatte sich die Bundesregierung rechtzeitig umfassend vorbereitet. Die Bundesregierung stand seit Beginn der Verhandlungen innerhalb der EU mit der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten und auf nationaler Ebene mit den Bundesländern und allen Stakeholdern (Wirtschaft, Verbände, Bürgerinnen und Bürgern) in sehr engem Kontakt. Diesen führt sie weiterhin fort.

Eine Übersicht über die – unabhängig von den Vertragsverhandlungen – eintretenden Änderungen hatte die Europäische Kommission am 9. Juli 2020 in einer Mitteilung('readiness communication') veröffentlicht. Detaillierte Informationen zu den einzelnen Veränderungen (zum Beispiel Reisen, Zollregelungen, Datenschutzrecht, Industrieprodukte, Chemikalien etc.) können den fast 100 sektorspezifischen Vorbereitungsmitteilungen an Interessenträger ('readiness notices') entnommen werden und sollen die öffentliche Verwaltung, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen, sich auf die Veränderungen einzustellen.


Welche Rolle spielt das Austrittsabkommen?

Das Austrittsabkommens schützt die Rechte der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, die im Vereinigten Königreich bis zum 31. Dezember 2020 wohnten, sowie die Rechte der Britinnen und Briten, die bis zum 31. Dezember 2020 in der EU wohnten, auf Lebenszeit. Sie können weiterhin im Vereinigten Königreich bzw. der EU leben, arbeiten, studieren und soziale Sicherheit genießen.

Diese Rechte ergeben sich aus dem Austrittsabkommen; die sich daraus ergebenden Regelungsaufträge werden durch nationale Gesetzgebung und Maßnahmen umgesetzt. In Deutschland ist am 24. November 2020 das Gesetz zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften an das Unionsrecht in Kraft getreten, welches die Statusrechte von Britinnen und Briten und ihren freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen nach dem Austrittsabkommen berücksichtigt. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat.

In den EU-Institutionen hat das Vereinigte Königreich bereits seit dem Austritt am 1. Februar 2020 kein Mitspracherecht mehr. Auch die britischen Bürgerinnen und Bürger sind seither von der Teilnahme an Europäischen Bürgerinitiativen ausgeschlossen und haben auch kein aktives und passives Wahlrecht bei Kommunalwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament mehr.

Mit der im Austrittsabkommen verankerten speziellen Regelung zu Nordirland (Nordirland-Protokoll) bleibt die Integrität des EU-Binnenmarktes gewahrt; gleichzeitig ist sichergestellt, dass es keine Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland geben wird und das Karfreitags-Abkommen vollumfänglich gewahrt bleibt. Die Regelung sieht vor, dass Nordirland Teil des britischen Zollgebiets bleibt, aber alle relevanten Binnenmarktregeln der EU in Nordirland Anwendung finden sowie der EU-Zollkodex angewandt wird. Dazu notwendige Kontrollen und Zollerhebungen finden u.a. an den Eingangspunkten der Irischen Insel in Nordirland statt. Für den Beginn der Anwendung bestimmter Kontrollmaßnahmen wurden im Dezember 2020 zwischen der Europäischen Kommission und dem Vereinigten Königreich mehrmonatige Ausnahmen vereinbart.

Nachdem die Regierung des Vereinigten Königreichs am 3. März 2021 unilateral angekündigt hatte, diese Ausnahmen der Kontrollanforderungen bei Waren und Zoll für bestimmte Produktgruppen auszudehnen, leitete die Europäische Kommission am 15. März 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich ein. Das Vereinigte Königreich hat hierzu bis 15. Mai 2021 eine (politische) Stellungnahme abgegeben. Zur Frage, wie das Nordirland-Protokoll bestmöglich im Sinne der betroffenen Gemeinschaften und Unternehmen umgesetzt werden kann, finden seit Oktober 2021 Gespräche zwischen der EU-Kommission und der britischen Regierung statt. Die Europäische Kommission behält sich weitere rechtliche Schritte vor, sollte das Vereinigte Königreich auch langfristig die Umsetzung des Nordirland-Protokolls ablehnen.

Das Austrittsabkommen sieht einen Gemeinsamen Ausschuss vor, in dem sich die Vertragsparteien regelmäßig unter Vorsitz des Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission Maroš Šefčovič und der britischen Verhandlungsführerin und Außenministerin Liz Truss über die Umsetzung des Austrittsabkommens austauschen.

Zudem werden durch das Austrittsabkommen u.a. die finanziellen Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs gegenüber der EU geregelt. [Weitere Fragen zum Austrittsabkommen beantwortet die Europäische Kommission auf ihrer Webseite.]

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