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Grußwort von Europa-Staatsminister Michael Roth beim Empfang zum zehnjährigen Jubiläum des Literaturnetzwerks TRADUKI am 16. März 2018 auf der Leipziger Buchmesse
-- Es gilt das gesprochene Wort --
Liebe Gäste,
meine Damen und Herren Exzellenzen,
„So viele Sprachen du sprichst, so viele Leben lebst du“ – so lautet ein rumänisches Sprichwort. Wenn das so stimmt, dann haben uns die Übersetzerinnen und Übersetzer, die im TRADUKI-Netzwerk mitwirken, in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Menge zusätzlicher Leben geschenkt. Ein großes Dankeschön dafür und herzlichen Glückwunsch zu Ihrem runden Geburtstag!
TRADUKI – das ist ein eng geknüpftes und energiegeladenes Netzwerk von Partnern, die vor allem zwei Dinge verbinden: Die Leidenschaft für Literatur und das Vertrauen in die verbindende Kraft des Erzählens guter Geschichten.
Fast 900 übersetzte Werke in mehr als zehn Sprachen sind in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen des Literaturnetzwerks entstanden. Dank des großartigen Engagements von TRADUKI und des Könnens der Übersetzerinnen und Übersetzer ist die so vielfältige europäische Literaturwelt ein Stückchen mehr zusammengewachsen.
Dank TRADUKI kann Günter Grass nun auch auf albanisch gelesen werden. Jenny Erpenbecks Werke sind auf serbisch, rumänisch und slowenisch zugänglich. Und deutsche oder mazedonische Leserinnen und Leser können sich bei der Lektüre der Bücher des rumänischen Bestseller-Autors Mircea Cărtărescu ein Bild vom Bukarest der 1960er und 70er Jahre machen.
Zu Beginn des Experiments TRADUKI stand eine einfache Idee: Wer über- und miteinander liest, der versteht einander besser und lernt voneinander – auch und gerade dann, wenn man nicht einer Meinung ist. Die vergangenen zehn Jahre haben eindrucksvoll gezeigt: Dieses Experiment ist gelungen! Literatur eröffnet neue Perspektiven. Sie kann dabei helfen, Menschen zusammenzubringen, Konflikte aufzuarbeiten oder sie im besten Fall erst gar nicht entstehen zu lassen.
Zu TRADUKI gehört jedoch noch viel mehr als das, was zwischen zwei Buchdeckel passt: In den vergangenen zehn Jahren hat das Übersetzernetzwerk unzählige Begegnungen zwischen Autorinnen und Autoren, Übersetzern, Wissenschaftlerinnen und anderen Literaturbegeisterten ermöglicht – durch Veranstaltungen auf internationalen Buchmessen und Literaturfestivals sowie Weiterbildungsangebote für Übersetzer. Diese persönlichen Begegnungen über Grenzen hinweg sind mindestens genauso wichtig wie die Fähigkeit, die Worte des Gegenübers zu verstehen. Sprache und Begegnung sind zwei wichtige Schlüssel zu mehr Miteinander und gegenseitigem Respekt.
Wir im Auswärtigen Amt sind dankbar, Teil dieser großartigen Initiative zu sein und freuen uns auf viele weitere Jahre. Ich danke allen Partnern des TRADUKI-Netzwerks und insbesondere der S.-Fischer-Stiftung, die dieses Experiment gewagt hat. Ich freue mich, dass so viele von Ihnen heute hier sein können.
Die europäische Gemeinschaft steht dieser Tage vor gewaltigen Bewährungsproben. Viele scheinen sich von der Idee Europa abzuwenden und suchen Zuflucht in vermeintlich einfachen Antworten. Populisten, Nationalisten und lautstarke Befürworter von Abschottung und neuen Grenzen machen lärmend von sich reden. Wer dem Denken, seiner Fantasie und dem Träumen Grenzen setzt, der verarmt.
Dem lassen Sie uns gemeinsam entgegen treten: TRADUKI zeigt Wege auf, wie wir durch die verbindende Kraft der Literatur die europäische Idee stärken und neue Zugänge zu Kultur unserer Nachbarländer schaffen können. Denn klar ist: Ohne Kulturelle Vielfalt droht Europa zu sterben.
Um uns dieser Vielfalt noch bewusster zu werden, brauchen wir die Übersetzerinnen und Übersetzer als wichtige Brückenbauer und Vermittler zwischen den Kulturen. „Die Übersetzung ist die Sprache Europas“ hat der italienische Sprachwissenschaftler und Literat Umberto Eco einmal festgestellt.
Ich möchte hinzufügen: Sich – im wahrsten Sinn des Wortes – zu verstehen und sich darauf einzulassen, die Welt auch einmal durch die „Brille“ unserer Nachbarn und Partner zu sehen, ist die Voraussetzung für unser friedliches Zusammenleben in Europa. Denn nur durch Empathie, gegenseitiges Verstehen und Bereitschaft zum Dialog bleibt die europäische Idee lebendig.
In diesem Sinne: Auf TRADUKI, auf Europa!