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Grußwort von Europa-Staatsminister Michael Roth bei der Preisverleihung „Prix des lycéens allemands“ am 16. März 2018 auf der Leipziger Buchmesse
-- Es gilt das gesprochene Wort --
Liebe Frau Botschafterin Descôtes,
liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Frankreichexperten und Literaturbegeisterte,
mit dem Lesen von fremdsprachigen Büchern im Schulunterricht ist das so eine Sache: Man tut sich am Anfang vielleicht ziemlich schwer und traut sich nur bewaffnet mit Wörterbuch und Übersetzungs-App überhaupt in die Nähe des Textes. Manche Stellen muss man wieder und wieder lesen, bis sich der Dschungel der unbekannten Endungen, Zeichen und Buchstabenfolgen ein wenig lichtet. Ich spreche da aus eigener Erfahrung!
Manchmal braucht man auch den berühmten „Mut zur Lücke“, nicht zwingend jede einzelne Vokabel verstehen zu müssen, um den Inhalt zu erfassen. Am Ende kennt aber sicher jede oder jeder von Ihnen das gute Gefühl, zum ersten Mal ein Buch in einer fremden Sprache zuende gelesen zu haben.
Bücher, denen man zu Schulzeiten begegnet, können durchaus prägend für das weitere Lese-Leben sein: Wer von Eric-Emmanuel Schmidts „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ begeistert war, der ist vielleicht auf den Geschmack gekommen, die Stadt Paris weiter literarisch zu erkunden. Und landet so vielleicht bei Nobelpreisträger Patrick Modiano oder beim literarischen Schwergewicht Victor Hugo.
Frustrierende erste Lese-Erfahrungen können uns dagegen die Neugier auf die französische Literatur im schlimmsten Fall ein für alle Mal verderben. Sie kennen das: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Bücher, denen Schülerinnen und Schüler im Französischunterricht begegnen, einen konkreten Bezug zu Ihrer Lebenswelt haben und dass Sie sich in den jeweiligen Themen und Charakteren wiederfinden können. Umso wichtiger ist dieser Preis, bei dem eine Schülerjury selbst ihren Favoriten kürt.
Bei der Lektüre französischer Literatur lernen Sie weit mehr als nur neue Vokabeln und Grammatik. Ein Buch ist immer auch eine Einladung zu einer Reise in Raum und Zeit. Literatur bietet die Möglichkeit, tief in eine andere Kultur und Lebenswelt einzutauchen.
Diese Fähigkeit, sich in ein Gegenüber hineinzuversetzen, wird immer wichtiger. Damit Europa eine gute Zukunft hat, müssen wir mit unseren europäischen Nachbarn künftig noch enger zusammenarbeiten. Eine Grundlage dafür sind Sprachkenntnisse, Offenheit gegenüber Fremdem, Toleranz und Neugier auf Ungewohntes.
Beim Stichwort Jugendliteratur aus Frankreich denke ich zuerst an die beiden „kleinen“ Klassiker: Den „kleinen Nicolas“ vonRené Goscinny und den „kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry, die viele Generationen junger Leute begleitet haben.
Dass die aktuelle französische Kinder- und Jugendliteratur um ein Vielfaches reicher und auch facettenreicher ist, zeigt die heutige Preisverleihung.
Die Jury hatte keine leichte Aufgabe vor sich: Über 7.000 neue Titel erscheinen im Bereich Kinder- und Jugendliteratur in Frankreich jedes Jahr. Was davon kommt bei uns in Deutschland besonders gut an? Welche Bücher finden auch Leserinnen und Leser auch hierzulande spannend? Welche Themen sind auf beiden Seiten des Rheins relevant?
Vier Jugendromane waren in diesem Jahr nominiert. Auf das Urteil der Jury bin ich sehr gespannt. Mein großer Dank gilt allen Schülerinnen und Schülern, die an der Auswahl der Texte mitgewirkt haben: Sie engagieren sich zusätzlich zu Ihrem regulären Arbeitspensum in der Jury des „Prix des lycéens allemands“. Das ist nicht selbstverständlich und verdient Anerkennung!
Vielen Dank auch an die Französische Botschaft in Berlin, das Instituts Français und den Ernst-Klett-Verlag, die diese großartige Initiative mittragen.