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„Das Zeitalter der Frauen hat gerade erst begonnen“

08.04.2018 - Interview

Michelle Müntefering ist Staatsministerin für internationale Kulturpolitik. Ein Gespräch über die Inhalte ihres Jobs, #MeToo und künstlerische Freiräume.
Erschienen in Zeit Online.

Frau Müntefering, die große Koalition hat Sie zur Staatsministerin für internationale Kulturpolitik berufen. Warum gibt es nun dieses Amt im deutschen Außenministerium?

Außenminister Maas wollte den schon von seinen Vorgängern Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel als besonders wichtig wahrgenommen Bereich der Außenpolitik stärken. Es ist an der Zeit, zu zeigen, dass wir Kunst und Kultur auch international und global begreifen. Dabei geht es nicht um einen Export von Kultur, sondern um die Unterstützung von Kulturschaffenden und um das Schaffen von Freiräumen für Andersdenkende.

Und das kann nicht die Beauftragte für Kultur und Medien im Kanzleramt übernehmen?

Kultur und Bildungspolitik als Teil der Außenpolitik existierten ja schon seit 100 Jahren. Wegen des Kulturföderalismus wurde die Position der Beauftragten für Kultur und Medien erst später geschaffen, 1998 unter Kanzler Gerhard Schröder. Der Gedanke war: Kultur bleibt in der Hoheit der Bundesländer, aber für nationale Fragen gibt es eine nationale Ansprechpartnerin. Deswegen arbeiten wir eng zusammen und hinzu kommt: ‎Internationale Kultur und Bildungsbeziehungen waren schon mein Spezialfeld im Bundestag. Heute leben wir mitten im Wettbewerb der Narrative. China, Russland, Amerika – alle haben ihre eigenen Erzählungen, aber gleichzeitig schrumpfen die Räume, in denen sich kritische Geister bewegen und sich frei ausdrücken können. Ich will helfen, Künstlerinnen und Künstler und Wissenschaftler zu unterstützen, ebenso wie eine junge Generation, die aufsteht und ihre Zukunft in die Hand nimmt.

Wie kann so etwas konkret aussehen?

Die Philipp-Schwarz-Initiative ist ein gutes Beispiel, ein Programm für verfolgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Türkei oder Syrien, denen wir mit der Alexander von Humboldt-Stiftung helfen, an deutschen Universitäten forschen zu können. Aber auch der Jugendaustausch muss ausgebaut werden. Wir sehen wachsenden Antisemitismus und diskutieren darüber, ob es eine Pflicht werden muss, dass Jugendliche Gedenkstätten besuchen müssen. Aber viele Schulen – etwa bei uns im Ruhrgebiet – können sich das gar nicht leisten. Deswegen habe ich mich bei den Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt, ein Programm „Jugend erinnert“ ins Leben zu rufen, das so etwas stärker möglich macht.

Wollen Sie als Staatsministerin auch Debatten anstoßen?

Deutschland ist gut beraten, nicht mit Besserwisserei in der Welt herumzulaufen und anderen Ländern zu erklären, wie sie leben sollen. Debatten und Austausch sind hingegen wichtiger denn je – denn das ist das beste Mittel gegen Abschottung und Nationalismus. Wir müssen begreifen: Nur wenn es auch anderen gutgeht, geht es uns gut. Digitale Plattformen für Künstlerinnen und Künstler in Afrika etwa können helfen, die Welt auch aus der Sicht der anderen anzuschauen. Wie hat Humboldt es noch gleich formuliert: Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.

Das Interview führte Lisa Caspari.

www.zeit.de

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