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„Ohne Russland wird es keine Lösung geben“

18.05.2018 - Interview

Europa-Staatsminister Michael Roth spricht mit der Frankfurter Rundschau mit Blick auf die Reise von Bundeskanzerlin Angela Merkel nach Sotschi über das deutsch-russische Verhältnis.

Staatsminister Michael Roth
Staatsminister Michael Roth© Michael Farkas
Herr Roth, nach langer Zeit trifft heute Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sotschi wieder den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Wie würden Sie das Verhältnis Deutschlands zu Russland auf einer Skala von eins für „sehr schlecht“ bis zehn für „sehr gut“ bewerten?

Ich hab's ja nicht so mit Zahlen, aber klar ist: Die Beziehungen müssen wieder deutlich besser werden.

Es gibt Streit über die Ukraine, Syrien, Chemiewaffen, einen Giftanschlag. Russland fühlt sich vom Westen bedrängt. Wo sind denn noch Gemeinsamkeiten?

Wir haben das gemeinsame Interesse, dass in der Nachbarschaft unserer Länder Frieden herrscht. Das ist nicht nur wichtig für uns, das sollte auch im russischen Interesse liegen.

Kann man denn noch von einer Partnerschaft sprechen?

Im Privatleben sprechen wir ja auch noch von einer Partnerschaft, selbst wenn es kriselt. So ist es auch zwischen Deutschland und Russland. Wir müssen jetzt die Emotionalität hintenanstellen und alles dafür tun, wieder zu einer stärker sachlichen, vernünftigen und rationalen Zusammenarbeit zu kommen. Das sind wir auch unseren Gesellschaften schuldig.

Außenminister Heiko Maas spricht von einem offenen und ehrlichen Dialog, der auch Meinungsverschiedenheiten verkraften müsse. Gleichzeitig hat er aber einen schärferen Ton gegenüber Russland angeschlagen als sein Vorgänger Sigmar Gabriel. Ist das nur eine rhetorische Formel oder ist das der Beleg, dass eine neue Generation von SPD-Außenpolitikern einen härteren Kurs gegenüber Russland einschlägt?

Ich gehöre ja auch dieser jüngeren Generation an. Ich bin aber trotzdem davon überzeugt, dass wir unserer historischen Verantwortung für 27 Millionen Menschen, die wegen des Vernichtungskriegs der Nazis in der ehemaligen Sowjetunion ums Leben gekommen sind, noch nicht angemessen nachgekommen sind. Da müssen wir mehr tun. Uns bringt eine ehrliche Debatte weiter als ein Streit um begriffliche Etiketten. Die Lage hat sich einfach dramatisch verändert. Das gilt für viele Krisen, zum Beispiel Syrien. Hier stehen wir vor einer schwer zu ertragenden humanitären Katastrophe mit massiven Menschenrechtsverletzungen. Wir fordern ein konstruktives Verhalten Russlands ein, gerade weil es ohne Russland letztlich keine Lösung geben wird. Im Osten der Ukraine kommt Russland seiner Verantwortung auch nicht nach. Das muss man doch offen ansprechen. Gleichzeitig bleibt unsere Hand gegenüber Russland ausgestreckt. Wir brauchen Russland zur Lösung vieler dieser Probleme. Aber schweigen dürfen wir nicht und wegducken dürfen wir uns erst recht nicht.

In Deutschland wird seit Monaten über die Sanktionen gegen Russland gestritten. Würde eine Aufhebung der Sanktionen nicht möglicherweise dazu führen, dass Russland seine Rolle in Syrien und im Osten der Ukraine überdenkt?

Sanktionen sind kein Selbstzweck. Sie sollen zu neuen Verhandlungen führen. Dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist es gelungen, die sehr unterschiedlichen Vorstellungen einer angemessenen Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim zusammenzubringen. Die EU hat die Sanktionen mit internationalen Partnern gemeinsam abgestimmt, und wir können die Sanktionen auch nur gemeinsam aufheben. Dazu muss sich allerdings vorher das Verhalten Russlands zum Konflikt im Osten der Ukraine ändern.

Wird Putin die Krim wieder hergeben?

Das weiß ich nicht und will auch nicht spekulieren. Aber die Annexion der Krim bleibt völkerrechtswidrig. Sie ist ein tiefer Einschnitt in die Friedensordnung Europas und nicht akzeptabel. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Es war jetzt viel von Streit die Rede, eine Gemeinsamkeit zwischen Deutschland und Russland scheint es aber doch noch zu geben: die Gaspipeline Nord Stream 2. Die bringt die Bundesregierung in eine Zwickmühle. Sie will das Projekt, die Russen wollen es auch, die Ukrainer sorgen sich und innerhalb der Europäischen Union ist das Vorhaben umstritten. Wie lässt sich das Problem lösen?

Wir müssen zu unseren Zusagen stehen. Wir dürfen die Ukraine nicht alleine lassen. In Kiew rechnet man mit massiven Einnahmeausfällen, wenn russisches Gas an der Ukraine vorbei nach Europa gepumpt wird. Das ist angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage für die Ukraine sehr schwierig. Daher sagen wir ganz klar: Der Erdgastransit durch die Ukraine muss gewährleistet sein. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Ukraine eine angemessene wirtschaftliche Perspektive erhält.

Was halten Sie davon, dass der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eine sichtbare Nähe zum Kreml pflegt? Bei der Feier zur Übernahme seiner vierten Amtszeit schienen Putin und Schröder wie enge Freunde.

Die Freundschaft zwischen Menschen ist in erster Linie eine private Angelegenheit. Die Amtseinführung Putins war aber ein politisches Staatsereignis, keine private Feier. Insofern habe ich die Beweggründe des Bundeskanzlers a. D. überhaupt nicht verstanden. Er wird ja schließlich immer noch als Repräsentant unseres Landes wahrgenommen, auch wenn er nicht mehr im Amt ist.

Interview: Damir Fras​​​​​​​

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