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Religion und Verantwortung gehören zusammen

17.06.2018 - Namensbeitrag

Warum die deutsche Außenpolitik auf den Austausch mit Religionsvertretern setzt. Ein Gastbeitrag von Europa-Staatsminister Michael Roth im Tagesspiegel.

Ich bin Parlamentarier im doppelten Sinne: Als Mitglied des Deutschen Bundestages engagiere ich mich für mein Land. Als Mitglied der Synode, des Kirchenparlaments der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, übernehme ich auch Verantwortung für meine Kirche. Staat und Kirche, Politik und Religion sind in Deutschland zwar traditionell getrennte Lebensbereiche. Zwischen ihnen bestehen aber vielfältige Beziehungen und Verflechtungen, die auch unsere Außenpolitik betreffen.

In einer Zeit, in der die Welt im dramatischen Umbruch ist, Ordnungen zerfallen und Konflikte pseudo-religiös aufgeladen werden, gewinnen Religionsgemeinschaften als nichtstaatliche Akteure an Bedeutung. Die Säkularisierung mag ein Trend in Deutschland, ja in der westlichen Welt sein. Der politische Einfluss von Religion generell wächst – gerade auch außerhalb Europas. Weltweit bekennen sich über 80 Prozent der Menschen zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft. In einer Zeit, in der die Zivilgesellschaft ein immer bedeutenderer Partner der Außenpolitik wird, sind Religionsvertreterinnen und -vertreter für uns unverzichtbare Ansprechpartner.

In den vergangenen Jahren haben wir daher die gesellschaftliche Verantwortung von Religionen zu einem wichtigen Thema unserer Außenpolitik gemacht. Denn es gibt keine der großen Religionsgemeinschaften, die nicht für sich in Anspruch nimmt, friedensstiftend zu wirken. Religionen vermitteln wichtige Werte wie Versöhnung, Menschlichkeit und Gerechtigkeit, die uns auch in der Außenpolitik leiten. Dieses konstruktive und verbindende Potenzial von Religionen wollen wir nutzen und stärken, indem wir auf Religionsvertreterinnen und -vertreter weltweit zugehen und sie ermutigen, ihre Mitverantwortung für Frieden und Stabilität beherzt wahrzunehmen.

Als Politiker in Deutschland erlebe ich oft, dass unsere Kirchen und Religionsgemeinschaften ganz konkrete Erwartungen an die Politik formulieren. Diese Erwartung gilt indes auch andersherum. Wir wollen Religionsvertreterinnen und -vertreter als strategische Partner gewinnen und mit denjenigen zusammenarbeiten, die sich in ihren Gesellschaften für Versöhnung und Gerechtigkeit und gegen Hass und Gewalt einsetzen.
Was man „kulturelle Intelligenz“ nennt

Und nicht zuletzt wollen wir über unser religionsübergreifendes Netzwerk gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen stärker nachvollziehen und so die Analyse- und Handlungsfähigkeit unserer Außenpolitik verbessern. Genau das nennt man „kulturelle Intelligenz“.

Nach der viel versprechenden Auftaktkonferenz im Mai 2017 mit Religionsvertreterinnen und -vertretern aus Nord- und Westafrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie Europa, erweitern wir unseren Horizont in dieser Woche mit Teilnehmern aus Süd-, Südost- und Ostasien. Wir wollen eben jene Brückenbauer und „Friedensbotschafter“ zusammenbringen, die sich als Mediatoren in Konflikten engagieren, im Bereich der religiösen Friedenserziehung arbeiten oder Frauen in Friedensprozessen stärken. Dabei haben wir diesmal ganz bewusst Asien in den Blick genommen, um unser Netzwerk in der Region konsequent auszubauen. In Asien sind alle großen Religionen der Welt beheimatet, in vielen Ländern besteht eine lange Tradition der interreligiösen Toleranz. Wie beobachten aber auch hier mit großer Sorge, wie Religion zunehmend instrumentalisiert wird: So gerät beispielsweise ein traditionell friedliches und tolerantes Islamverständnis immer stärker unter Druck.

Zu unserer Asien-Konferenz laden wir gemeinsam mit dem finnischen Außenministerium ein, das sich bereits seit vielen Jahren mit der Friedensverantwortung von Religionen befasst. Diese Konferenz zeigt, wie gut wir in Europa von- und miteinander lernen können. Als Politiker, dem unser Land aber auch mein Glauben am Herzen liegen, setze ich auf das Potenzial von Religionen, den Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

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