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Gemeinsam für Menschenrechte – immer und überall

10.12.2020 - Namensbeitrag

Gemeinsamer Artikel, erschienen in der Frankfurter Rundschau, von Marija Pejčinović Burić, Generalsekretärin des Europarats, und Staatsminister für Europa Michael Roth, der derzeit Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den deutschen Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats ist.

Am heutigen Tag der Menschenrechte erinnern wir uns an die Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor 72 Jahren. Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die UN-Generalversammlung einen Katalog von Grundrechten, der für alle Menschen gleichermaßen gelten soll – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Religion, nationaler oder sozialer Herkunft. Ein echter Meilenstein für den Schutz der Menschrechte.

Diesem Beispiel folgten die Gründungsstaaten des Europarates, als sie 1950 die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichneten. Nach zwei Weltkriegen und den furchtbaren Verbrechen des Holocaust setzte die Konvention ein Aufbruchsignal für ein besseres Europa, in dem die Menschenrechte an erster Stelle stehen. Seitdem haben wir viel erreicht, doch diese großen Errungenschaften müssen immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Nicht nur am Menschenrechtstag, sondern immer und überall.

Als Hüter von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat sich der Europarat als Wertekompass und Gewissen Europas etabliert. Mit seinen völkerrechtlich verbindlichen Konventionen setzt er Standards, die weltweit ihresgleichen suchen. Für 835 Millionen Bürgerinnen und Bürger ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die letzte Anlaufstelle, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen.

Am 18. November hat Deutschland für sechs Monate den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats übernommen. Der Schutz von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zählte in den vergangenen Monaten bereits zu den Schwerpunkten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. So wurde unter deutschem Vorsitz der neue Rechtsstaatscheck etabliert, ein offener Dialog über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten auf Grundlage eines Berichts der EU-Kommission. Hierzu hat die Venedig-Kommission des Europarats wichtige Expertise beigetragen.

Eine erfolgreiche Menschenrechtspolitik muss auch mit neuen Entwicklungen Schritt halten. Technologische Neuerungen können unsere Zukunft positiv verändern, aber sie bergen auch Risiken wie die Diskriminierung und Ungleichbehandlung durch Künstliche Intelligenz. Menschenrechte sind universell, sie gelten auch in der digitalen Welt. Das Internet ist eben kein rechtsfreier Raum. Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass und Hetze die offene Diskussionskultur unserer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft zerstören.

Die Qualität einer wehrhaften und funktionsfähigen Demokratie lässt sich nicht zuletzt daran bemessen, wie gut sie die Rechte von Minderheiten schützen kann. Der Schutz bestimmter Gruppen ist keine „Klientelpolitik“, sondern Teil unserer gemeinsamen Identität. Vielfalt macht Europa erst zu dem, was es ist. Daher dürfen wir niemals müde werden, jene zu schützen, die besonders unter Ausgrenzung und Diskriminierung leiden wie LGBTIQ-Personen, Roma, Migranten oder Geflüchtete. Unser Anspruch ist, dass in Europa jede und jeder ohne Angst verschieden sein kann.

Das gilt ganz besonders in Zeiten der Pandemie, die die Schwächsten und Schutzbedürftigen in unserer Gesellschaft am härtesten trifft und in denen Grundrechte europaweit vorübergehend eingeschränkt werden müssen. Für den Zusammenhalt in Europa ist es jetzt wichtig, dass wir gemeinsam und solidarisch handeln. Dies fängt bei kleinen Gesten an und endet bei Themen wie der fairen Verteilung von Impfstoffen oder dem Schutz besonders gefährdeter Risikogruppen.

Große Sorge bereitet uns, dass die Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Pandemie stark zugenommen hat. Finanzielle Nöte, Sorge um den Arbeitsplatz und Ausgangssperren führen dazu, dass immer mehr Frauen zum Opfer in den eigenen vier Wänden werden. Mit der Istanbul-Konvention besitzen wir ein wirksames Instrument, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Aber noch immer wurde diese Konvention nicht von allen Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert. Hier wollen wir Überzeugungsarbeit leisten.

Europa bietet heute den höchsten Menschenrechtsschutz weltweit – das haben wir nicht zuletzt dem Europarat zu verdanken. Aber die Pandemie wirft auch ein Schlaglicht darauf, in welchen Bereichen wir Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit noch besser schützen müssen. „RecoverBetter – gemeinsam für Menschenrechte eintreten!“ – so lautet das diesjährige Motto des Menschenrechtstags. Im Wiederaufbau nach der Pandemie liegt die große Chance für einen Neuanfang mit gestärkten Menschenrechten. Packen wir es an!

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