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Grußwort von Europa-Staatsminister Michael Roth bei der Mitgliederversammlung der EBD

02.07.2018 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Meine Damen und Herren,

wie schön, dass ich heute wieder einmal auf der Mitgliederversammlung der EBD zu Gast sein darf. Die EBD ist seit Jahrzehnten ein Eckpfeiler der europäischen organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland. Solche verlässlichen und engagierten Partner tun der Politik gut – und Europa erst recht!

Wir ringen in diesen Wochen und Monaten ganz besonders heftig darum, ob es uns gelingt, europäische Lösungen für die großen Fragen dieser Zeit zu finden: Migration, Handel, Klimaschutz, sozialer Zusammenhalt oder die Stabilität unserer Wirtschafts- und Währungsunion.

Europa steht derzeit unter enormen Druck, endlich zu liefern. Nicht irgendwann einmal, sondern jetzt. Die Nationalisten, Populisten und Europaskeptiker warten nur darauf, dass wir uns in der EU nicht zusammenraufen und auf gemeinsame Lösungen verständigen können. Ihr Rezept lautet: Nationale Alleingänge statt gemeinsamer europäischer Lösungen. Hier in diesem Saal muss ich wohl niemanden bekehren, dass das ein fataler Irrweg wäre.

Umso klarere Worte erwarte ich gerade jetzt von den proeuropäischen Kräften! Mit einer proeuropäischen Haltung lässt es sich immer noch gut um neues Vertrauen werben. Gäbe es die EBD nicht bereits seit 69 Jahren, man müsste sie gerade jetzt erfinden.

Europa kann nur gelingen, wenn alle daran mitwirken und sich an der Europadebatte beteiligen. Was bedeutet aber „wir alle“? Im Idealfall bringen sich Bürgerinnen und Bürger, auch über ihre Stimmabgabe bei der Wahl hinaus aktiv ein, zum Beispiel bei den gerade laufenden europaweiten Bürgerdialogen.

In Deutschland hilft uns ein dichtes Netz von Verbänden, Stiftungen und Institutionen, die den Europadiskurs auf eine breite Basis stellen und in die Gesellschaft hineintragen. Dieser zivilgesellschaftliche Ansatz ist zurzeit ganz besonders wichtig! Wir dürfen Europa nicht nur der Politik überlassen. Das wäre besonders gefährlich in Zeiten von Nationalismus, Populismus und Europaskepsis.

Aber, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, es reicht auch nicht, sich allein mit den „usual suspects“ der Zivilgesellschaft zusammen zu tun und sich gegenseitig zu versichern, wie recht man doch habe und wie gut Europa doch sei. Mich treibt vor allem eine Frage um: Wie können wir die Köpfe und Herzen derjenigen erreichen, die sich längst aus den gesellschaftlichen Diskursen zurückgezogen haben und in Ihren eigenen europaskeptischen Echokammern verharren? Helfen Sie mir und uns dabei, überzeugende Antworten zu finden.

Heute ist ein Tag des Willkommens und des Abschied. Der langjährige Präsident Rainer Wend hat heute auf eine abermalige Wahl verzichtet.

Lieber Rainer,

wir kennen uns ja schon viele Jahre, und wir haben ein beachtliches Stück Weg gemeinsam zurückgelegt: in der SPD, als Mitglieder des Bundestages, und natürlich als überzeugte Europäer. An dieser Stelle sage ich dir: Lieber Rainer, ich danke dir für deinen unermüdlichen Einsatz für Europa!

Als Wirtschaftsexperte und Sozialdemokrat hast du ein feines Gespür dafür, dass die Europäische Union durch Sparen allein nicht weiter entwickelt werden kann. Du hast mit Überzeugung und Sachverstand den Standpunkt vertreten: Wir müssen in Europa auch Instrumente schaffen, um Wachstum und sozialen Zusammenhalt viel stärker zu fördern. Und selbst, wenn wir einmal ausnahmsweise nicht einer Meinung waren: Eines war immer klar: Du brennst für Europa, und Du setzt Dich energisch und aus tiefer Überzeugung dafür ein.

Liebe Linn,

Dir heute als einer der ersten zu Deiner neuen Aufgabe als EBD-Präsidentin gratulieren zu können, freut mich ganz besonders. Ich erinnere mich noch daran, dass vor einigen Jahren schon Fragen von Dir zur Europäischen Bürgerinitiative auf meinem Schreibtisch landeten. Damals kannten wir uns noch nicht persönlich. Ich war als Berichterstatter meiner Fraktion im Bundestag für die Europäische Bürgerinitiative zuständig, Du hast zu diesem Thema geforscht. In den Jahren danach sind wir uns immer wieder begegnet. Besonders gerne erinnere ich mich daran, dass ich 2014 die Laudatio halten durfte, als Du zur „Frau Europas“ ausgezeichnet wurdest.

Du hast bereits als junger Mensch viel für Europa geleistet, Dein Lebenslauf ist durch und durch europäisch. Und dennoch ist es alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass heute eine junge Frau zur neuen EBD-Präsidentin gewählt wurde. Nach Annemarie Renger, Rita Süssmuth und Monika Wulf-Mathies bist Du bereits die vierte Frau an der Spitze der EBD – aber so jung wie Du war noch keine.

Europa und Politik im Allgemeinen bunter, vielfältiger und ja, auch weiblicher zu machen, ist mir ein ganz besonderes Herzensanliegen. Einen bescheidenen persönlichen Beitrag versuche ich dadurch zu leisten, dass ich an keiner Veranstaltung teilnehme, an der Frauen nicht angemessen beteiligt sind. Ich bin froh, dass ich mir diese Frage bei Diskussionen mit der EBD-Spitze künftig nicht mehr stellen muss!

Erst vergangene Woche beklagte sich der Leiter einer wichtigen internationalen Konferenz bei mir, es gäbe in der Sicherheitspolitik nun einmal so wenige Expertinnen. Wie bitte!? Vielleicht haben sich solche Formate schlicht überlebt, wenn im Jahr 2018 die sicherheitspolitische Expertise von Frauen ernsthaft angezweifelt wird.

Deswegen ist es ein doppelt gutes Zeichen, wenn an der Spitze des größten und wichtigsten europapolitischen Netzwerks nun eine junge Frau steht. Gerade in diesen Zeiten, in denen das europäische Projekt attackiert wird, brauchen wir junge, innovative und entschieden proeuropäische Stimmen wie jene von Linn Selle.

Ich freue mich auf die gemeinsame Zusammenarbeit in den kommenden Jahren. Wir starten damit gleich am kommenden Donnerstag, wenn wir im Auswärtigen Amt unsere gemeinsame Stakeholder Konferenz zur Europakommunikation und den Bürgerdialogen eröffnen.

An dieser Stelle möchte ich auch die frisch gewählten Vizepräsidenten der EBD herzlich begrüßen: Michael Gahler, Christian Petry, Manuel Sarrazin und Peter Hahn. Auch Ihnen danke ich für Ihr Engagement!

Wo etwas Neues beginnt, endet auch etwas: Deshalb gilt mein ganz besonderer Dank Axel Schäfer. Du, lieber Axel, bist der EBD seit 2001 besonders eng verbunden, zunächst als Generalsekretär und seit 2005 als Vizepräsident.

Ich habe mir sagen lassen, dass Du in den vergangenen Jahren kaum eine Vorstandssitzung oder Mitgliederversammlung verpasst hast. Auf einen engagierten Europäer wie Dich kann man sich eben stets verlassen.

Kaum einer trägt Europa so im Herzen wie Du – das weiß ich auch aus vielen Debatten im Deutschen Bundestag, in denen wir gemeinsam für ein starkes, demokratisches und solidarisches Europa geworben und gestritten haben. Danke für Deinen jahrelangen Einsatz für Europa und für die EBD!

Mein Dank gilt auch den anderen 28 Kandidaten für den Vorstand der EBD. Ein Blick auf die Namen und auf Ihre Hintergründe bestätigt, dass die EBD gut gerüstet ist, kompetent und professionell die ganze Bandbreite des europapolitischen Diskurses in Deutschland zu vertreten.

Das Profil der EBD bleibt klar und streitbar: Sie werben für mehr Demokratie durch einen starken Parlamentarismus in der EU. Sie kritisieren nationale Alleingänge, neue Mauern und Grenzen. Sie fordern solidarische Konzepte im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und für mehr sozialen Zusammenhalt.
Beim Thema Flucht und Migration sind Sie eine Stimme der Vernunft. In der Handelspolitik werben Sie für ein starkes Mandat der EU, das Fairness und Freiheit gleichermaßen verpflichtet ist. Und auch in der Außen- und Sicherheitspolitik sind Sie den verzagten Pragmatikern des Alltags einen großen Schritt voraus. Ihnen ist klar, was anderen trotz Putin, Trump und Jinping immer noch nicht klar ist: Nur ein einiges und starkes Europa wird souverän und auf Augenhöhe in der Welt seine Interessen und Werte vertreten können.

Und es gibt einen besonders wichtigen, weil grundlegenden Punkt, bei dem die Zivilgesellschaft eine Schlüsselrolle spielt: die europäischen Werte und die europäischen Grundrechte. Ob wir in der EU ein Team bleiben, hängt maßgeblich davon ab, ob wir uns wieder auf ein gemeinsames Verständnis unserer Grundwerte verständigen können.

Wo die kritische Zivilgesellschaft unter Druck gerät, bleiben auch Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Vielfalt schwach. Wie Sie selbst in Ihren Arbeitsschwerpunkten formulieren: Nur gelebte Werte sind starke Werte!

Ich setze auch in den nächsten Jahren auf Ihre Ideen, Ihre Haltung, Ihren Mut und Ihre Kritik. Ja, gehen Sie uns ruhig hin und wieder auch mal auf die Nerven. Das tut unserer Beziehung, vor allem aber unserem Europa gut. Danke für Ihren Einsatz!

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