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Grußwort von Europa-Staatsminister Michael Roth beim Neujahrsempfang des Deutsch-Französischen Jugendwerks

21.01.2019 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

2019 ist ein wichtiges Jahr für Europa. Manche sagen sogar, 2019 sei DAS Schicksalsjahr für die EU: Brexit, die Europawahl, die Neubildung der EU-Kommission, die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU – tatsächlich kommt in den kommenden Monaten eine ganze Menge Arbeit auf uns zu. Trotz allem Krisengeheul sage ich aber: 2019 wird vor allem auch ein Jahr der Chancen für Europa. Und diese Chancen müssen wir aber auch nutzen!

Die erste Gelegenheit dazu haben wir bei der Europawahl am 26. Mai, wenn rund 400 Millionen wahlberechtigte Europäerinnen und Europäer über den künftigen Kurs der Europapolitik entscheiden.
Das Europaparlament ist die Herzkammer der europäischen Demokratie – und Ihre Stimme bei der Wahl ist quasi Europas Pulsschlag. Gerade in Zeiten in denen Nationalisten und Populisten den Wert Europa offen in Zweifel ziehen, kommt es auf jede Stimme an: Am 26. Mai geht es um Ihre Stimme für ein besseres Europa, für Solidarität, für Vielfalt und für gemeinsame Lösungen! Dabei zähle ich auf Ihre Unterstützung!

2019 wird auch ein Jahr der Chancen für Deutschland und Frankreich: Morgen – am deutsch-französischen Tag – werden Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Macron in Aachen einen neuen deutsch-französischen Vertrag unterzeichnen. Auf den Tag genau 56 Jahre nach der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags schlagen wir damit ein neues Kapitel in der deutsch-französischen Partnerschaft auf.

Während 1963 vor allem Aussöhnung und Verständigung zwischen den früheren „Erbfeinden“ im Vordergrund standen, wollen wir unsere Beziehungen mit dem neuen Vertrag auf eine neue Stufe heben. Wir bieten den Nationalisten und Populisten in ganz Europa die Stirn: Der Abbau von Grenzen, mehr Integration, engere Abstimmung und Zusammenarbeit – all das bringt einen konkreten Mehrwert im Alltag der Bürgerinnen und Bürger. Das wollen wir mit dem Vertrag unter Beweis stellen.

Unsere bilaterale Zusammenarbeit ist kein reiner Selbstzweck, sondern sie dient stets auch dem gesamteuropäischen Interesse. Vor allem bleibt unsere Kooperation offen für andere: Wir wollen mit gemeinsamen Projekten voranschreiten und anderen EU-Partnern Mut machen: Gemeinsame Lösungen sind besser als nationale Alleingänge.
Seit fast einem Jahr haben unsere beiden Regierungen daran gearbeitet, den Elysée-Vertrag von 1963 durch einen ambitionierten und zukunftsweisenden Vertrag zu ergänzen. Besonders würdigen möchte ich das großartige Engagement aus der Mitte unserer beiden Parlamente. Abgeordnete der Assemblée Nationale und des Deutschen Bundestages haben nicht nur ein eigenes Parlamentsabkommen gezimmert, sondern wichtige Initiativen für den Aachener Vertrag auf den Weg gebracht. Ebenso haben wir zahlreiche Anregungen von zivilgesellschaftlichem Organisationen erhalten. Dafür möchte ich heute am Vorabend der Vertragsunterzeichnung einmal ausdrücklich Danke sagen!

Und auch Sie als Deutsch-Französisches Jugendwerk haben dabei mitgeholfen und den Weg bereitet, dass dieser Vertrag morgen unterzeichnet werden kann. Überhaupt kann ich mir die deutsch-französischen Beziehungen ohne die großartige Arbeit des Jugendwerks kaum noch vorstellen.

Seit 1963 ist das Deutsch-Französische Jugendwerk nun schon der wichtigste Brückenbauer für den Austausch und interkulturellen Dialog zwischen jungen Leuten unserer beiden Länder. Dank des Jugendwerks haben mehr als neun Millionen junger Franzosen und Deutscher ganz besondere Erfahrungen mit dem Nachbarland gesammelt. Sie haben gelernt, sich gegenseitig zu respektieren. Viele sind – oft lebenslang – Freundinnen und Freunde geworden, einige haben sogar geheiratet.

Das zeigt auf ganz wunderbare Weise: Versöhnung und Freundschaft sind nicht in erster Linie das Werk von Regierungen, sondern vor allem von den vielen engagierten Brückenbauerinnen und Brückenbauern in der Zivilgesellschaft, die durch Städtepartnerschaften, Schüleraustausche und andere gemeinsame Projekte, dabei mitgeholfen haben, dass über die Jahrzehnte aus Feinden Freunde geworden sind.

Ich erlebe das DFJW als beständigen und verlässlichen Partner der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Dafür möchte ich mich heute auch einmal bei den Generalsekretären, Beatrice Angrand und ihrem bald berufenen deutschen Mitstreiter Tobias Bütow und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und vor allem bei den vielen Jugendlichen, für Ihr großartiges Engagement bedanken.

Und das Beispiel des Deutsch-Französischen Jugendwerks hat seitdem in Europa Schule gemacht: Inzwischen haben wir seit über zwanzig Jahren ein Deutsch-Polnisches Jugendwerk. Im Oktober 2018 wurde auch ein Abkommen zur Gründung des Deutsch-Griechischen Jugendwerkes unterzeichnet. Ebenso am Vorbild des DFJW orientiert sich das Regional Youth Cooperation Office (RYCO), das Jugendwerk für den Westbalkan, das seit 2016 einen wichtigen Beitrag zu Versöhnung und Dialog zwischen Jugendlichen aus Albanien, Bosnien-und-Herzegowina, Kosovo, ejR Mazedonien, Montenegro und Serbien leistet. Das Deutsch-Französische Jugendwerk ist also ein echter Exportschlager!

Der neue Aachener Vertrag knüpft daran an und will künftig noch mehr Raum für Begegnung und Austausch schaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger aus Deutschland und Frankreich noch enger zusammenrücken:

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Forschung, Medien und Kultur werden wir weiter fördern und den gegenseitigen Spracherwerb ausweiten.

Schulpartnerschaften und Austauschprogramme sollen ausgebaut und die Mobilität, auch bei der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen, verbessert werden.

Ein Bürgerfonds soll das gegenseitige Kennenlernen durch Begegnungen fördern und die Teilhabe am Austausch, insbesondere für Jugendliche und zivilgesellschaftliche Initiativen, verbreitern.

Und es gibt ein weiteres Vorhaben des neuen Vertrages, das mir sehr am Herzen liegt: Damit nicht „die Politik“ allein über Ihre Zukunft entscheidet, sieht der neue Vertrag ein Deutsch-Französisches Zukunftswerk vor. Es soll als Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft ein Dialogforum für den Austausch über Bewährungsproben und Lösungen bei gesellschaftlichen, technologischen oder wirtschaftlichen Transformationsprozessen sein.

Das Deutsch-Französische Jugendwerk ist seit 56 Jahren eine treibende Kraft der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern. Das kann ich noch nicht ganz mithalten:

Ich bin jetzt seit fünf Jahren Beauftragter für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Seitdem ist viel passiert – und wir haben noch eine ganze Menge vor. Aber eines weiß ich: Auf das DJFW ist als Partner stets Verlass!

In Zeiten der drohenden Spaltung braucht Europa jetzt solche Brückenbauer wie Sie. Und deshalb möchte ich Sie ermuntern: Machen Sie weiter! Zeigen Sie Haltung! Unterstützen Sie möglichst viele Leute dabei, sich über Grenzen hinweg kennenzulernen. Denn persönliche Kontakte sind immer noch der beste Weg, um Vorbehalte gegenüber dem Unbekannten zu überwinden. Wir alle wollen ohne Angst verschieden sein. Und das DFJW hilft uns dabei! Bravo!

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