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Grußwort von Europa-Staatsminister Michael Roth zur Eröffnung des 19. Deutsch-Polnischen Forums
-- es gilt das gesprochene Wort --
Herzlich willkommen zum Deutsch-Polnischen Forum! Ich freue mich, dass wir bei der diesjährigen 19. Auflage des Forums eine neue Rekordbeteiligung haben. Der volle Saal zeigt: Das Interesse an engen deutsch-polnischen Beziehungen ist nach wie vor ungebrochen.
Doch gerade vor dem Hintergrund der wechselhaften deutsch-polnischen Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen sind unsere Beziehungen mitnichten ein Selbstläufer. Sie sind ein ganz wertvoller Schatz, den wir Tag für Tag pflegen und beschützen müssen.
Und offen gestanden: Bei allen Erfolgsgeschichten der deutsch-polnischen Freundschaft, von denen wir bei diesem Forum sicher einige hören werden, ist unser Verhältnis in einigen Bereichen durchaus noch ausbaubar. Für mich ist das Ermutigung und Ansporn, es künftig noch besser zu machen.
Immer wieder stelle ich fest, dass Oder und Neiße – trotz aller historischen Verbundenheit – für viele Deutsche immer noch sehr, sehr breite Flüsse sind. Es bekümmert mich, dass es nach wie vor ein gewisses Desinteresse auf der deutschen Seite gibt, Polen als einen unserer engsten Nachbarn besser kennenzulernen. Auf der anderen Seite ist das Interesse an Deutschland in Polen riesig. In Sachen Neugier und Unvoreingenommenheit können wir Deutschen sicherlich noch einiges von unseren polnischen Nachbarinnen und Nachbarn lernen.
Was mir derzeit Sorgen bereitet, ist aber weniger ein bilateraler Konflikt zwischen Deutschland und Polen, sondern eine Debatte zwischen der Europäischen Union und der polnischen Regierung über die Unabhängigkeit der Justiz.
Diese Debatte ist schmerzhaft, aber notwendig. Schließlich geht es um das, was die EU im Innersten zusammenhält: Um unsere gemeinsamen Grundwerte, um Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung.
Die Europäische Union ist dazu bereits seit Langem mit der polnischen Regierung im Dialog. Und die aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die umstrittenen Pensionierungen polnischer Richterinnen und Richter zu stoppen, zeigt: Es darf bei allem Willen der EU-Staaten, so eng wie möglich mit Polen zusammenzuarbeiten, keinerlei politische Rabatte bei der Rechtsstaatlichkeit geben.
Wir feiern in diesem Jahr die 100. Wiederkehr der Unabhängigkeit Polens. Zwei Botschaften sind mir gegenüber unseren Gästen aus Polen ganz besonders wichtig: Erstens. Im Umgang mit unserem Nachbarn Russland nehmen manche in Deutschland Ihren Wahrnehmungen und Sorgen, die auf tragischen Erfahrungen der Geschichte gründen, nicht ernst genug. Bei all unserem Bemühen um Dialog und Austausch mit Russland darf niemals der Eindruck einseitiger deutsch-russischer Beziehungen zu Lasten Dritter aufkommen. Zweitens. Die Europäische Union ist eine Gemeinschaft der Solidarität und der Sicherheit. Bessere und verlässlichere Freundinnen und Freunde werden Sie außerhalb der EU niemals finden.
Das Deutsch-Polnische Forum kommt zur richtigen Zeit: Es ist gut, dass wir hier miteinander reden – und nicht nur übereinander. Und ich freue mich auf offene und fruchtbare Diskussionen. Ich freue mich, dass es uns heute gelungen ist, ein breites Spektrum mit vielen Meinungen, Haltungen und Positionen einzuladen.
Wir brauchen in diesen schwierigen Zeiten ganz besonders Brückenbauerinnen und Dolmetscher wie Sie! Als profunde Kennerinnen und Kenner unserer Beziehungen nehmen Sie die Zwischentöne wahr. Sie übersetzen, wenn es Missverständnisse gibt. Sie gehen Problemen und Schwierigkeiten nicht aus dem Weg. Im Gegenteil: Sie bauen Brücken und überwinden Gegensätze.
Und darauf kommt es doch in diesen Zeiten ganz besonders an: Einander zu verstehen und nicht zu verurteilen, einander zu erklären und nicht zu verklären, Vertrauen auf- und Skepsis abzubauen.
Was wir heute bei diesem Forum diskutieren, kann am 2. November bei den Deutsch-Polnischen Regierungskonsultationen in Warschau fortgesetzt werden. Dass die komplette Bundesregierung sich dafür auf den Weg macht, zeigt, welches Stellengewicht wir unseren Beziehungen nach Polen beimessen.
Ich danke Ihnen alle für Ihr Kommen. Insbesondere danke ich den Organisatoren von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit für die großartige Vorbereitung. Heute kann eigentlich nicht mehr viel schieflaufen. Und das dies so ist, haben wir Ihnen allen zu verdanken.