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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth im Deutschen Bundestag zur ersten Lesung der Operation EUNAVFOR ATALANTA

19.04.2018 - Rede

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

bereits seit November 2008 sichert die Europäische Union den freien Seeverkehr am Horn von Afrika. Hauptaufgabe der Operation ATALANTA ist dabei der Schutz der Nahrungsmitteltransporte des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Diese Hilfe ist für viele Menschen überlebenswichtig.

Und diese Aufgabe erfüllt sie zu einhundert Prozent: Seit Bestehen von ATALANTA ist kein einziger Transport des Welternährungsprogramms in die Hände von Piraten gefallen. Diese Bilanz kann sich nun wirklich sehen lassen.

Insgesamt sind seit Beginn der Operation vor fast zehn Jahren fast tausend Schiffsladungen des Welternährungsprogramms unter den wachsamen Augen von ATALANTA sicher in ihren Bestimmungshäfen angekommen. Insgesamt wurden auf diese Weise mehr als 1,7 Millionen Tonnen Nahrungsmittel sicher ans Ziel gebracht, um notleidenden Menschen in Somalia, aber auch in Äthiopien, in Dschibuti, im Südsudan und im Jemen zu helfen.

Diese Zahlen sprechen für sich. ATALANTA ist eine Erfolgsgeschichte! Insgesamt konnte die Piraterie weitestgehend zurückgedrängt werden. Für ein paar Jahre, zwischen 2014 und 2017, sah es sogar so aus, als sei sie vollständig besiegt. Ich erinnere mich noch: Im vergangenen Jahr haben wir bereits darüber diskutiert, ob die Operation ATALANTA bald beendet werden kann.

Doch für eine Entwarnung kommt es noch zu früh. Seit Frühjahr 2017 ist es wieder zu vereinzelten Angriffen von Piraten gegen kommerzielle Schiffe gekommen. Glücklicherweise konnten diese Angriffe allesamt erfolgreich abgewehrt und die Piraten vor Gericht gestellt werden.

Aber es bleibt gefährlich. Am 18. November wurden vor der Küste Somalias gleich zwei Schiffe an einem einzigen Tag nacheinander angegriffen. Operation ATALANTA gelang es, die Piraten festzunehmen. Ihnen wird nun auf den Seychellen der Prozess gemacht.

Dieses Beispiel unterstreicht die Bedeutung der Operation ATALANTA gleich doppelt:

Erstens: Nur der gemeinsame Einsatz von europäischen Fähigkeiten führt zum Erfolg. An der Operation beteiligen sich derzeit 18 EU-Partner sowie mit Serbien und Montenegro zwei Beitrittskandidaten. Die Leitstelle in Großbritannien, ein spanisches Aufklärungsflugzeug und eine italienische Fregatte arbeiteten hier Hand in Hand. Saisonal kommt auch ein deutscher Seefernaufklärer zum Einsatz. Das ist echtes europäisches Teamspiel, das zeigt: Gemeinsam können wir mehr erreichen als jeder für sich alleine.

Und zweitens: Nur dadurch, dass ATALANTA im Namen der Europäischen Union mit den Anrainerstaaten rechtliche Übereinkommen geschlossen hat, kann den Piraten rasch ein rechtsstaatlicher Prozess gemacht werden. Seit Bestehen der Operation wurden bereits 166 Verdächtige von EUNAVFOR ATALANTA an die Justizbehörden überstellt.

Diese Erfolge gilt es zu bewahren! Der Golf von Aden ist die Haupthandelsroute zwischen Europa, der Arabischen Halbinsel und Asien. Stabilität am Horn von Afrika und freie Seewege sind also auch für uns hier in Deutschland von größter Bedeutung.

Auch andere Staaten haben das inzwischen für sich erkannt: Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre militärische Präsenz am Roten Meer und am Horn von Afrika ausgeweitet, die Türkei ebenfalls. China hat vergangenes Jahr seinen ersten ausländischen Militärstützpunkt in Dschibuti eröffnet.

Die Europäische Union übernimmt auf Grundlage gemeinsamer Werte außenpolitisch Verantwortung.

Sie spielt am Horn von Afrika eine stabilisierende Rolle. Die EU engagiert sich dabei umfassend: politisch, entwicklungspolitisch und humanitär. Und wir unterstützen das ganz konkret.

Wie Sie wissen, haben wir die deutsche Beteiligung an der Ausbildungsmission EUTM Somalia Ende März 2018 nach acht Jahren beendet. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bleibt die EU neben der Operation ATALANTA aber weiter an der zivilen Mission EUCAP Somalia vertreten, die mit zivilen Mitteln helfen soll, die maritime Sicherheit zu stärken.

Gerade diese zivile Mission, an der sich Deutschland ebenfalls personell beteiligt, macht beachtliche Fortschritte. Die Neuausrichtung zeigt erste Erfolge – sie wurde nicht zuletzt auf Betreiben der Bundesregierung eingeleitet.

Die Ausbildung der Hafenpolizei in Mogadischu schreitet voran. Das zeigen unter anderem die inzwischen regelmäßig durchgeführten Patrouille-Fahrten.

Das sind zugegebenermaßen kleine Schritte: Aber die EU macht das Leben vieler Menschen in Somalia sicherer. Und genau darauf kommt es doch letztlich an.

Hier liegt in Somalia nach wie vor die größte Bewährungsprobe. Die fragilen staatlichen Strukturen begünstigen kriminelle Netzwerke, die nicht nur für die Piraterie verantwortlich sind, sondern auch für andere Formen organisierter Kriminalität wie Menschenhandel und Waffenschmuggel.

Ja, die Kritikerinnen und Kritiker haben in einem Punkt durchaus recht: Die Gesamtlage am Horn von Afrika ist nach wie vor schwierig und gefährlich.

Und genau deshalb bleibt die Operation ATALANTA so wichtig für unser Engagement für Frieden und Sicherheit in der Region. Sie ist der Baustein einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.

Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb im Namen der Bundesregierung um Ihre Zustimmung zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an Operation ATALANTA.

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