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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 30.09.2024
Nationalratswahl in Österreich
Frage
Ich hätte gerne von Herrn Hebestreit oder Herrn Fischer eine Einschätzung zu der Wahl in Österreich. Ist das, was in Österreich passiert ist, ein Einzelereignis, dass jetzt eine rechtspopulistische Partei dort stärkste Kraft wurde, oder sehen Sie da einen europäischen Trend?
Hebestreit (BReg)
Grundsätzlich ‑ das kennen Sie‑ äußern wir uns überhaupt nicht zu Wahlergebnissen in anderen Ländern. Wir arbeiten mit allen gewählten Regierungen zusammen, die dann entstehen. Im Augenblick ist dies erst einmal ein Wahlergebnis. In Österreich wird jetzt die Regierungsbildung stattfinden. Das scheint ein wenig zu dauern. Wenn die Regierung steht, können wir uns dazu äußern. Weiteres habe ich hier zum jetzigen Zeitpunkt nicht mitzuteilen.
Fischer (AA)
Wir als Deutschland, Österreich, aber auch als Mitgliedstaaten der Europäischen Union stehen ja in der gemeinsamen Verantwortung, die Europäische Union zu gestalten. Das gilt ganz unabhängig von der Frage, welche Partei in Regierungsverantwortung ist. Wie das ausgehen wird, das werden wir natürlich genauestens und auf das Engste verfolgen.
Zusatzfrage
Wir haben ja jetzt bei der niederländischen Regierung gesehen, bei der die Antworten ähnlich ausfielen, dass es dann schon eine Folge auch für die EU-Politik gibt. Der Wunsch der niederländischen Regierung ist, bei Innen und Justiz auch Ausnahmeregeln beim Thema Migration zu bekommen. Befürchten Sie, dass das jetzt ein Trend werden würde, dass auch Österreich, die neue österreichische Regierung möglicherweise solche Ausnahmen fordert?
Fischer (AA)
Es wäre geradezu traurig, wenn Veränderungen in Regierungen durch Wahlen nicht auch zu einer veränderten Politik führen. Das spürt man natürlich auch auf europäischer Ebene. Das geht sowohl in die eine als auch in die andere Richtung: In einigen Ländern gewinnen Sozialdemokraten, in anderen Christdemokraten, in weiteren andere Parteien. Damit geht man dann auf europäischer Ebene um ‑ in guter europäischer Zusammenarbeit und mit dem Ziel, gute europäische Beschlüsse zu treffen.
[…]
Mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine
Frage
Frage an Herrn Fischer und an Herrn Hebestreit: Habe ich das richtig verstanden, dass sich Frau Baerbock jetzt klar für eine Lieferung von Taurus an die Ukraine ausspricht? Herr Hebestreit, wie verhält sich der Kanzler dazu?
Fischer (AA)
Ich glaube, die Außenministerin hat gestern im „Bericht aus Berlin“ nichts Überraschendes zu der Frage gesagt. Insofern gibt es dem auch nichts hinzuzufügen. Was klar ist: Für eine Lieferung von Taurus braucht es einen Konsens in der Bundesregierung.
[…]
Nahostkonflikt
Frage
Zum Thema Nahost: Vielleicht fangen wir mal mit der Lage im Libanon an. Herr Fischer, wie bewerten Sie die humanitäre Lage in vielen Teilen des Libanons? Können Sie uns aufklären, wie Deutschland bzw. die EU gerade humanitär hilft und helfen kann?
Fischer (AA)
Die humanitäre Lage hat sich in den letzten Tagen, in den letzten Wochen verschlechtert. Das haben wir alle verfolgt. Ende letzter Woche hieß es vonseiten der UN, dass 200 000 Libanesinnen und Libanesen innerhalb des Landes auf der Flucht sind. Der Ministerpräsident sprach über das Wochenende vor den Vereinten Nationen von einer Million Libanesinnen und Libanesen, die jetzt ihre Wohnungen verlassen haben. Das heißt, die humanitäre Lage ist angespannt. Es gibt Fluchtbewegungen aus dem Südlibanon und aus einzelnen Stadtteilen Beiruts in den Norden Libanons und in sicherere Stadtteile Beiruts. Es gibt auch eine Bewegung Richtung Syrien. Gemeinsam mit den Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen bemühen wir uns natürlich darum, das Leid zu lindern.
Ich weiß nicht, ob Sie das verfolgt haben, aber die Außenministerin hat am Ende der UN-Woche, also Ende letzter Woche, angekündigt, dass wir die Menschen im Libanon nicht alleine lassen, diese weiter unterstützen und dafür 62 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, mit denen wir Essen und Notunterkünfte für diejenigen bereitstellen, die ihr Zuhause verloren haben.
Zusatzfrage
Es kommen 62 Millionen zusätzlich. Wie ist jetzt das Gesamtpaket?
Fischer (AA)
Die Zahl muss ich Ihnen nachreichen. Aber von den 62 Millionen kann man schon einige Zeit einiges finanzieren.
Frage
Herr Fischer, können Sie etwas zu den Evakuierungen von Deutschen sagen, die sich im Libanon befinden? Wie viele sind das überhaupt noch? Es gab ja schon früher einmal Ausreiseaufforderungen. Wie gesagt: Was können Sie zu Evakuierungen sagen? Es gab Berichte, dass das über Zypern der Fall sein soll.
Fischer (AA)
Vielleicht fange ich einmal allgemein an. Der Krisenstab der Bundesregierung hat am Freitag und am Sonnabend erneut im Auswärtigen Amt getagt, die aktuelle Lageentwicklung auf das Engste verfolgt und bewertet und beschlossen ‑ das haben Sie ja auch verfolgen können ‑, die Krisenstufen für die Auslandsvertretungen in Beirut, in Tel Aviv und in Ramallah anzuheben. Das bedeutet konkret, dass Familienangehörige der entsandten Beschäftigten die Dienstorte jetzt schrittweise verlassen werden und auch das entsandte Personal ausgedünnt wird, allerdings in einer Weise, dass die Arbeits- und Handlungsfähigkeit der Botschaften und Vertretungen in keinster Weise eingeschränkt wird. Die deutschen Mittlerorganisationen sind mit uns dazu in engem Kontakt und vollziehen diese Schritte nach. Soweit erforderlich und gewünscht, unterstützen wir als Auswärtiges Amt auch bei der Ausreise. Dafür prüfen wir alle Optionen.
Über das Wochenende sind einzelne Kollegen aus Beirut mit kommerziellen Fluggesellschaften ausgeflogen. Sie wissen ja, der Flughafen ist immer noch offen. Allerdings ist das Flugangebot natürlich drastisch eingeschränkt. Was Israel angeht: Auch der Flughafen in Tel Aviv ist offen. Auch in Ramallah gibt es momentan keine Schwierigkeiten, das Westjordanland zu verlassen.
Das heißt, wir sind momentan in einem Bereich, in dem wir bei der Ausreise unterstützen. Aber wir sind explizit nicht in einem Evakuierungsszenario.
Zusatzfrage
Könnten Sie bitte noch etwas zu den Zahlen sagen?
Fischer (AA)
Wir gehen derzeit davon aus, dass sich rund 1700 deutsche Staatsangehörige im Libanon befinden. Das sind zumindest diejenigen, die sich auf unserer Krisenvorsorgeliste ELEFAND registriert haben. Sie wissen, da gibt es immer eine gewisse Dunkelziffer. Aber das ist die Zahl, mit der wir arbeiten. Mit denen stehen wir über unsere Landsleutebriefe momentan in einem ständigen Kontakt.
Die Kolleginnen und Kollegen schreiben mir gerade, dass sich mittlerweile 1800 Personen auf der Liste registriert haben.
Frage
Erwartet die Bundesregierung eine israelische Invasion im Libanon? Ist die deutsche Botschaft in Beirut noch geöffnet?
Fischer (AA)
Die deutsche Botschaft im Libanon ist weiter geöffnet, arbeitet und ist handlungsfähig.
Zu der ersten Frage, ob ich eine Invasion erwarte: Ich spekuliere grundsätzlich nicht.
Frage
Herr Fischer, es starb ja nicht nur Nasrallah bei dem Militärschlag, sondern auch einige Hundert Zivilisten. Hat das irgendwelche Auswirkungen auf die völkerrechtliche Bewertung dieses Angriffs?
Fischer (AA)
Ich glaube, man muss diese Angriffe immer in ihrer Gesamtheit sehen. Man muss sehen, ob das Ziel verhältnismäßig war. Man muss die Opferzahlen sehen. Das muss alles vorher in die Erwägung einfließen. Auf dieser Grundlage kann man dann beurteilen, ob ein Luftschlag dieser Art völkerrechtskonform war oder nicht.
Wir sehen, dass die Hisbollah seit dem 8. Oktober Israel immer wieder mit Raketen angegriffen hat und dass mehrere Zehntausend Israelis den Norden Israels aufgrund der Gefahr durch die Hisbollah verlassen mussten und seit einem Jahr als Flüchtlinge im eigenen Land leben. Natürlich steht da Israel das Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des Völkerrechts zu.
Zusatzfrage
Diese Argumentation kennen wir auch aus der Beantwortung von ähnlich gelagerten Fragen zu anderen Luftangriffen. Gleichwohl, ist der Hinweis auf das Selbstverteidigungsrecht in Relation zu den realen Zahlen ziviler Opfer als Begründung einer völkerrechtlichen Legitimität dieser Art von Angriffen ausreichend?
Fischer (AA)
Ich habe Ihnen ja erläutert, welche Gründe in eine solche Bewertung einbezogen werden müssen. Das ist keine Frage, die ich auf der Grundlage nur spärlicher Informationen abschließend beantworten kann.
Grundsätzlich ist es aber so, dass die Hisbollah eine Terrororganisation ist und es sich offensichtlich um ein Treffen der Führungsspitze der Hisbollah gehandelt hat, von dem man auch aus der Ferne davon ausgehen kann, dass sie ihre weiteren Operationen geplant haben. Insofern gibt es in dieser Hinsicht auch Gründe, die dafürsprechen, dass hier das Recht auf Selbstverteidigung ausgeübt wurde.
Zusatzfrage
Ich verstehe Sie also richtig: Wenn jetzt zivile Infrastruktur bombardiert wird, wobei Hunderte Zivilisten, also Unschuldige, sterben, dann ist das für die Bundesregierung völkerrechtlich okay, weil Sie das als Selbstverteidigung Israels sehen?
Fischer (AA)
Ich glaube, Sie versuchen mich absichtlich misszuverstehen. Ich habe doch vorhin gesagt, welche Beweggründe und welche Erwägungsgründe einzubeziehen sind. Dazu gehört natürlich auch die Zahl der zivilen Opfer, die in einem Verhältnis zu dem militärischen Ziel stehen muss. Das ist die völkerrechtliche Vorgabe. Das ist nichts, was ich mir hier ausdenke. Das ist vor jeder einzelnen Operation genau zu überprüfen.
Zusatzfrage
Aber Sie haben jetzt auf die Frage des Kollegen nur mit den Angriffen der Hisbollah geantwortet sowie das Selbstverteidigungsrecht Israels erwähnt. Darum kam es so rüber, als ob Sie diese Aktion verteidigen. Wir fragen hier nach den zivilen Opfern.
Fischer (AA)
Jedes zivile Opfer ist ein ziviles Opfer zu viel; das wissen Sie. Das ist unsere klare Haltung.
[…]
Frage
Herr Fischer, ich weiß jetzt nicht, ob Sie letzte Woche bei der UN-Vollversammlung in New York waren. Dort hat ja auch der israelische Premierminister geredet. War die Ministerin während der Rede anwesend? Hat sie die Äußerung zur Kenntnis genommen, dass Herr Netanjahu die Vereinten Nationen als „antisemitischen Sumpf“ und als „antiisraelische Flacherde-Gesellschaft“ bezeichnet hat?
Fischer (AA)
Ich war letzte Woche nicht in New York. Ich war letztes Jahr in New York. Ich glaube nicht, dass die Ministerin bei der Rede von Herrn Netanjahu anwesend war.
Zusatzfrage
Wie bewerten Sie diese Aussagen?
Fischer (AA)
Sie wissen, dass wir diese Aussagen entschieden zurückweisen.
Lassen Sie mich noch etwas zu Ihrer vorherigen Frage sagen. Ich habe jetzt bei den Kolleginnen und Kollegen nachgehört: Das Ausmaß der Zerstörung und die Zahl der zivilen Opfer der Angriffe auf Südbeirut sind noch nicht offiziell bekannt. Aber es ist klar ‑ wir haben vorhin darüber gesprochen ‑: Die letzten Tage haben zu großen Flüchtlingsbewegungen und auch dazu geführt, dass viele Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden sind. Noch einmal: Jeder Tod einer Zivilistin oder eines Zivilisten ist ein Tod zu viel. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist das oberste Gebot für alle Parteien. Das gilt sowohl für die Hisbollah als auch für andere libanesische Parteien, aber natürlich auch für Israel.
Klar ist auch, dass niemand eine umfassende Eskalation wünscht, weil diese niemandem dauerhafte Sicherheit bringen würde. Deshalb ‑ Sie erwähnten New York ‑ hat die Außenministerin gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der G7, mit Frankreich und den USA, aber auch einigen arabischen Staaten für eine 21-tägige Waffenruhe geworben, um so ein Fenster für Diplomatie zu schaffen und eine diplomatische Lösung zu ermöglichen, und das im Einklang mit der einschlägigen UN-Resolution 1701. Diese Bemühungen unterstützen wir natürlich weiterhin. Sie haben möglicherweise die Äußerungen des US-Präsidenten gesehen, die in eine ähnliche Richtung gehen. Das ist das, woran wir mit Blick auf den Libanon derzeit arbeiten.
Zusatzfrage
Die Welt setzt auf Deeskalation, auch die Bundesregierung, die Akteure offenbar auf Eskalation, auch Israel. Es könnte jetzt tatsächlich zu einem großen Krieg kommen. Wie bereitet sich denn die Bundesregierung vor, vielleicht auch mithilfe der Bundeswehr? Die Amerikaner verlegen Truppen in den Nahen Osten, natürlich zur Hilfe Israels. Ist das für die Bundesregierung auch eine Überlegung? Man muss sich ja auf alle Eventualitäten vorbereiten.
Fischer (AA)
Wir arbeiten aktiv mit ganzer Kraft daran, dass die Situation nicht zu einem furchtbaren regionalen Flächenbrand wird. Sie haben gesehen, die Ministerin hat sich in New York auch mit dem iranischen Außenminister getroffen. Dabei spielte dieses Thema natürlich auch eine wichtige Rolle. Im Übrigen ist es das, worauf unser Fokus derzeit liegt.
Zusatzfrage
Gibt es eine Bewertung der israelischen Angriffe im Jemen auf die Huthi?
Fischer (AA)
Da gilt dasselbe, was ich vorhin beim Libanon gesagt habe. Israel wird von den Huthi immer wieder mit Raketen und Drohnen angegriffen. Auch da steht Israel grundsätzlich das Recht auf Selbstverteidigung zu.
Frage
An das Auswärtige Amt und vielleicht auch an Herrn Hebestreit: Die Bundesregierung setzt sich in der EU dafür ein, die Revolutionsgarde auf die Terrorliste zu nehmen. Die Hamas steht schon darauf. Bei der Hisbollah macht die EU eine zumindest von der israelischen Seite als sehr künstlich empfundene Trennung zwischen dem politischen und dem militärischen Flügel der Hisbollah. Beabsichtigt die Bundesregierung, in der EU darauf hinzuwirken, dass die Hisbollah als Gesamtorganisation auf die EU-Terrorliste kommt?
Fischer (AA)
Wir analysieren natürlich immer wieder die Situation und stehen auch zu diesem Thema in einem engen Austausch mit unseren EU-Partnern. Aber in dieser Frage ‑ das wissen Sie ‑ ist Einstimmigkeit auf EU-Ebene erforderlich. Wenn ich mir das Stimmungsbild anschaue, dann sehe ich das auf EU-Ebene derzeit nicht.
Zusatzfrage
Ich habe noch eine Nachfrage zu den Zahlen, die hier auch schon eine Rolle gespielt haben. Die libanesische Regierung redet von ungefähr 1600 Toten zum derzeitigen Zeitpunkt, differenziert aber in keiner Weise zwischen Zivilisten und Hisbollah-Kämpfern. Wenn man jetzt die Ziele der Luftangriffe vor allem im Süden anschaut, kann man zu der Vermutung gelangen, dass ein nicht unerheblicher Anteil Hisbollah-Kämpfer sind. Haben Sie in irgendeiner Form Informationen dazu, wie sich das Verhältnis zwischen Zivilisten und Kombattanten, die dort ums Leben gekommen sind, gestaltet?
Fischer (AA)
Ich habe vorhin schon versucht, auf die Frage Ihres Kollegen zu beantworten, dass wir noch bei der Schadenserhebung, wenn man so will, sind und kein vollständiges Lagebild über die Opferzahlen haben.
Frage
Herr Fischer, anknüpfend daran: Der EU-Außenbeauftragte hat zu einer Sondersitzung der EU-Außenminister eingeladen. Können Sie uns etwas mehr dazu sagen? Denn das, was bisher aus Brüssel kam, war ein bisschen kryptisch. Findet die heute physisch statt, und was ist eigentlich das genaue Ziel?
Fischer (AA)
Mein letzter Stand ist, dass sich die Außenministerinnen und Außenminister der EU heute am späteren Nachmittag im Rahmen einer Videokonferenz auf Einladung des Hohen Vertreters zusammenschalten und sich zu der Lage im Libanon austauschen werden.
Zusatzfrage
Hat die Außenministerin irgendwelche konkreten Ziele, die beschlossen werden sollten?
Fischer (AA)
Wir arbeiten in New York ‑ das habe ich schon dargestellt ‑, aber auch im Rahmen der G7, der Quad, der Quint und auch der EU daran, diesen Konflikt so einzuhegen, dass er nicht zu einer weiteren regionalen Eskalation führt. Wir arbeiten daran, möglichst auch zu einer Deeskalation beizutragen.
[…]
Frage
Das „Wall Street Journal“ berichtet, dass israelische Spezialeinheiten im Südlibanon, also auf dem Boden, eingedrungen sind und dort Angriffe machen. Das würde an den Einmarsch in Gaza letztes Jahr erinnern. Haben Sie dazu eigene Erkenntnisse, und warnt die Bundesregierung Israel vor einer Invasion des Südlibanons?
Fischer (AA)
Ich habe die Nachrichten zur Kenntnis genommen, kann sie aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus eigener Erkenntnis verifizieren.
Zusatzfrage
Was würde denn eine Bodenoffensive Israels bedeuten?
Fischer (AA)
Ich werde jetzt nicht über Dinge spekulieren, die möglicherweise gar nicht auf der Tagesordnung stehen.
Zusatzfrage
Als es um die Invasion in Gaza ging, hat die Bundesregierung ausdrücklich immer wieder gesagt: keine gute Idee, nicht machen. ‑ Jetzt fragen wir beim Libanon.
Fischer (AA)
Sie wissen, dass wir auf eine Deeskalation hinarbeiten.
[…]
Frage
Herr Fischer, haben Sie aus dem Kontakt mit der israelischen Regierung irgendwelche Anzeichen oder Indizien dafür, dass die deutschen Argumente und Bedenken dort aufgenommen und in Handeln umgesetzt werden, oder ist das mehr eine Art Rufen in den schalltoten Raum?
Fischer (AA)
Sie können davon ausgehen, dass die Dinge, die die Bundesregierung sagt ‑ ob es nun der Bundeskanzler oder die Bundesaußenministerin ist oder ob es sogar wir hier von der Bank der Regierungspressekonferenz aus sind ‑, in Israel sehr wohl sehr genau wahrgenommen werden. Das heißt nicht immer, dass sie auch befolgt werden. Aber ich hatte ja vorhin schon erwähnt, dass wir uns in New York gemeinsam mit Amerikanern, Franzosen und anderen darum bemüht hatten, eine 21-tägige Waffenruhe herzustellen. Sagen wir es einmal so: Da gab es von israelischer Seite durchaus unterschiedliche Signale. Es gab nämlich Signale in die Richtung, dass es mit der Waffenruhe klappen würde. Das hat es dann aber nicht. Aber das zeigt ja schon, dass diese Diskussionen auch gehört werden und zumindest in Teilen der israelischen Administration auch verfangen.
Zusatzfrage
Bitte gehen Sie davon aus, dass diese Frage wirklich sehr ernsthaftem Erkenntnisinteresse entspringt! Es wäre ja, glaube ich, auch für Sie als handelnde politische Institutionen frustrierend und furchtbar, wenn Sie den Eindruck hätten, dass Sie redeten und eigentlich gar nichts passierte, sondern nur abtropfte. Deswegen frage ich noch einmal, wenn Sie jetzt sagen, dass es auch Signale dafür gab, dass das aufgenommen und ernsthaft erwogen wird: Woran scheitert es denn dann, dass die Versuche bezüglich einer temporären Waffenruhe sozusagen nicht einmal in minimaler Form vonseiten der israelischen Regierung aufgenommen werden?
Fischer (AA)
Es ist ja nicht nur die israelische Regierung. Da gibt es ja auch noch andere Akteure, die Hamas, die Hisbollah, den Iran und weitere regionale Akteure. Natürlich ist es in manchen Momenten frustrierend. Ich meine, die Lage in Gaza, über die wir heute noch gar nicht gesprochen haben, ist weiterhin katastrophal, und Fortschritt ist oft nur millimeterweise messbar. Aber ich weise doch darauf hin, dass zum Beispiel vor einem Jahr eine Totalblockade gegenüber Gaza verhängt worden ist. Sowohl Strom als auch Wasser als auch humanitäre Güter sind nicht hereingekommen. Ich glaube, wir haben als Bundesregierung, aber auch gemeinsam mit unseren Partnern in der arabischen Welt, aber auch mit Amerikanern, Franzosen und Briten intensiv daran gearbeitet, dass Hilfsgüter hereinkommen, dass Wasser hereinkommt, dass Strom hereinkommt. Dann gibt es andere Dinge ‑ wie dass uns die Evakuierung der Bewohner des SOS-Kinderdorfes aus Gaza in das Westjordanland gelungen ist ‑, die dann doch immer wieder hoffnungsvoll stimmen. Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass es vor einigen Monaten auch dazu gekommen ist, eine mehrtägige Waffenruhe in Gaza auszuhandeln, die es ermöglicht hat, mehr als 100 Geiseln, die die Hamas nach Gaza verschleppt hatte, freizubekommen, darunter, glaube ich, auch 14 deutsche Staatsangehörige. Ich glaube also, wir sind nicht da, wo wir sein wollen; das ist sicherlich so. Die Lage in Gaza ist, wie gesagt, katastrophal, und im Libanon gab es zuletzt eine weitere Zuspitzung. Aber deshalb werfen wir ja die Flinte nicht ins Korn, weil auch immer wieder Dinge in die richtige Richtung gehen.
[…]
Fischer (AA)
Noch eine Nachlieferung zu dem Humanitarian Response Plan: Die Kolleginnen und Kollegen haben mir berichtet, dass das Auswärtige Amt 2024 bereits über 190 Millionen Euro für den Humanitarian Response Plan der UN bereitgestellt hat. Das ordnet sich, wie ich das ja vorhin geschildert habe, auch in unser Gesamtengagement ein. Wir arbeiten an weiteren Maßnahmen und bereiten eine weitere Aufstockung vor.
Und zu den humanitären Bedarfsplänen der Vereinten Nationen: In der Ukraine wurde seit Beginn des russischen Angriffskriegs von Seiten des Auswärtigen Amts bereits über eine Milliarde Euro, genau genommen 1,08 Milliarden Euro, bereitgestellt.
Forderungen mosambikanischer Arbeitskräfte in der DDR nach Entschädigungszahlungen
Frage
Ich habe eine Frage zu einer Veranstaltung, die hier im Vorhinein stattgefunden hat, und zwar waren Vertreter von ehemaligen DDR-Vertragsarbeitern aus Mosambik hier in der Bundespressekonferenz, und die fordern eine Anerkennung und gestaffelte Entschädigungszahlungen, die zeitnah erfolgen sollten. Da habe ich die Frage ‑ wahrscheinlich an das AA und vielleicht an Herrn Hebestreit ‑, inwieweit so etwas noch in dieser Legislaturperiode kommen könnte und wie die grundsätzliche Haltung im Hinblick auf diese Entschädigungsforderungen ist.
Fischer (AA)
Ich glaube, das müsste ich nachreichen.
Hebestreit (BReg)
Das muss ich ganz genauso sagen. Da erwischten Sie mich auf dem völlig falschen Fuß.
[…]
Fischer (AA)
Zu der Frage bezüglich Mosambiks: Es ist wohl so, dass die DDR 1979 ein Arbeitskräfteabkommen mit Mosambik geschlossen hat. Nach unserer Kenntnis hat die DDR alle damit vereinbarten Verpflichtungen erfüllt und Verpflichtungen aus dem Abkommen, die von der DDR auf die Bundesrepublik übergegangen sind, wurden ebenfalls vollständig erfüllt. Die ehemaligen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter in der DDR haben aber in der Tat, und darauf werden sie vermutlich hingewiesen haben, Forderungen an die mosambikanische Regierung, und es ist in erster Linie Aufgabe der mosambikanischen Regierung, das jetzt einmal zu adressieren. Wir stehen über unsere Botschaft in Maputo in einem regelmäßigen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern ehemaliger mosambikanischer Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter.
Das heißt, die Problematik, dass wir ‑ ob nun die DDR oder später die übergegangenen Verpflichtungen an die Bundesregierung, an die Bundesrepublik ‑ unsere Verpflichtungen vollumfänglich erfüllt haben, aber die mosambikanische Regierung diese möglicherweise nicht gegenüber den Vertragsarbeitern, ist hier bekannt.
Frage
Dann hätte ich dazu eine Nachfrage, Herr Fischer, die Sie wahrscheinlich jetzt nicht spontan beantworten können. Aber vielleicht können Sie uns dazu etwas nachtragen.
Staatsministerin Keul war letzten Dezember in Mosambik und hat dort auch gesagt, es bestehe Handlungsbedarf. Das Gleiche hat der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages in sehr eindringlicher Weise getan und gesagt, das sei sozusagen ein unabgeschlossenes Kapitel der Einheit. Das ist das, was vorhin hier auch geschildert worden ist.
Die Frage, auf die Sie vielleicht noch eine Antwort geben können, ist, welche Handlungsbedürfnisse oder Möglichkeiten die Bundesregierung, das Auswärtige Amt, eventuell auch unterhalb der Schwelle förmlicher Entschädigungszahlungen, wie sie gefordert werden, sieht.
Fischer (AA)
Sie erwähnten ja die Reise der Staatsministerin nach Mosambik. Das sind natürlich genau die Themen, über die wir mit den mosambikanischen Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeitern bzw. ihren Vertreterinnen und Vertretern im Gespräch sind, aber genauso mit der mosambikanischen Regierung, die ja offensichtlich hier Leistungen, die die Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter erwartet haben, nicht ausgezahlt hat.
Frage
Herr Fischer, ist es dann eine Möglichkeit, möglicherweise direkten Einfluss auf die mosambikanische Regierung zu nehmen, wenn die ihren Verpflichtungen in diesem Kontext nicht nachkommt, die ja von Deutschland eigentlich garantiert waren und diesen Vertragsarbeitern zustehen würden. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, gibt es ja aus dem BMZ-Etat manchmal auch Projekte, beispielsweise in Mosambik. Wäre es möglich, da eine gewisse Umleitung vorzunehmen und die Geldflüsse direkt an die richtige Stelle zu lenken?
Fischer (AA)
Sie können davon ausgehen, dass wir zu diesem Thema auch mit der mosambikanischen Regierung in Kontakt stehen.
Zusatzfrage
Dass Sie dazu in Kontakt stehen, das hatte ich bereits aus Ihren Worten entnommen. Die Frage ist: Wie wirken Sie auf diese ein, um entsprechende Ergebnisse zu erzielen?
Fischer (AA)
Ich werde hier jetzt nicht spekulieren. Aber Sie können sicher sein, dass wir da in einem, sagen wir es so, diplomatischen Gespräch stehen.
Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
Frage
Zur Ukraine, Herr Fischer: António Guterres, der UN-Generalsekretär, hat noch einmal angemahnt, dass die Mittel für den Humanitarian Needs and Response Plan 2024, also das Geld für die Flüchtlinge bzw. die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in der Ukraine, bisher viel zu knapp finanziert sei. Bisher sei nur die Hälfte der Fonds gefüllt. Hat die Bundesregierung ihre Leistungen bisher erfüllt, und kommt es infrage, angesichts des finanziellen Mangels aufzustocken?
Fischer (AA)
Ich glaube, Sie wissen ja genauso gut wie ich, und das haben wir hier auch schon häufiger betont, dass die Bundesregierung der größte Unterstützer der Ukraine in Europa und weltweit der zweitgrößte Unterstützer ist. Das betrifft natürlich auch die humanitäre Seite. Zum Beispiel ‑ ich weiß nicht, ob Sie das verfolgt haben ‑ haben wir gerade erst in den letzten Tagen unsere Hilfe für die ukrainische Energieinfrastruktur angesichts des von Putin angezettelten Kältekriegs erhöht, in dem er ukrainische Energienetzwerke und Kraftwerke angreift und systematisch zerstört, damit die ukrainische Bevölkerung im Winter friert und keine Wärme findet. Wir sind also in vielfältigster Weise aktiv und stehen an der Seite der Ukraine.
Zusatzfrage
Ja, aber jetzt hatte ich ja konkret nach dem Humanitarian Needs and Response Plan der UN geplant. Der ist absolut unterfinanziert. Was plant die Bundesregierung? Plant sie, ihren Anteil zu erhöhen? Wie viel zahlt man aktuell? Haben Sie Zahlen?
Fischer (AA)
Die Zahlen kann ich Ihnen hier nicht nennen. Aber was ich Ihnen sagen kann, ist, dass die humanitäre Lage in der Ukraine offensichtlich so ist, dass die Gesamthilfe auf globaler Ebene weiter erhöht werden könnte und es immer noch nicht genug wäre. Deshalb tun wir als Bundesregierung das, was wir tun können. Wir stellen allein dieses Jahr knapp acht Milliarden Euro zur Verfügung. Wir haben mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine hier in Deutschland aufgenommen. Ich glaube also, wir tun, was wir können.
Wenn wir etwas zu dem UN-Plan nachreichen können, dann will ich das gerne tun.
Frage
Herr Funke, ist die Bundesregierung darauf vorbereitet, dass es möglicherweise zu einer größeren Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine angesichts der widrigen Lebensumstände im Winter kommen könnte?
Funke (BMI)
Auch hier würde ich ungern über eine mögliche Zunahme an ukrainischen Flüchtlingen spekulieren wollen. Wenn man so ein bisschen auf die jetzt vergangenen zwei Jahre schaut, dann haben Änderungen im Frontverlauf nicht zu einer proportional größeren Zahl ukrainische Flüchtlinge geführt. Deswegen möchte ich von hier aus nicht spekulieren, sondern kann nur das unterstützen, was der Kollege Fischer gesagt hat, nämlich dass die Bundesregierung alles Erdenkliche tut und alles Mögliche tut, um die Ukraine bestmöglich zu unterstützen.
Zusatzfrage
Es ging ja nicht um die Frage, ob sich der Frontverlauf verändert, sondern darum, ob die Ukrainer in bestimmten Gebieten der Ukraine überhaupt noch weiterleben können. Wenn keine Heizung mehr da ist, fällt das im Winter in der Ukraine häufig schwer. Wäre die Bundesregierung also vorbereitet? Hat sie Vorsorgemaßnahmen getroffen, um gegebenenfalls einen größeren Bedarf für Flüchtlinge aus der Ukraine zu decken?
Funke (BMI)
Wie gesagt: Ich möchte von hier aus nicht spekulieren und habe versucht, zu erklären, dass Änderungen im Kriegsverlauf nicht zu einer proportional höheren Zunahme an ukrainischen Geflüchteten geführt haben. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, und das tun wir weiterhin, dass wir so oder so versuchen, auf europäischer Ebene eine bessere Verteilung ukrainischer Flüchtlinge zu erreichen. Das ist aber alles unabhängig davon, über mögliche Verläufe zu spekulieren, und ich bitte um Rücksicht darauf, dass ich das von hier aus nicht tue.
Fischer (AA)
Vielleicht ergänzend: Ich habe ja vorhin dargelegt, dass wir gerade in dieser Frage präventiv unterwegs sind und dass wir uns gemeinsam mit unseren Partnern in Europa darum bemühen, die ukrainische Strom- und Wärmeversorgung aufrechtzuerhalten, damit Putins Pläne, das Land und die Menschen in einen eiskalten Winter zu stürzen, nicht aufgehen.
[…]
Importzölle für Elektrofahrzeuge aus China
Frage
China hat am Wochenende wieder Raketentests durchgeführt, über die sich auch Taiwan besorgt geäußert hat. Wie schaut die Bundesregierung auf diese jüngsten Raketentests?
Fischer (AA)
Der letzte Raketentest, den ich im Blick hatte, war die Interkontinentalrakete. Ich weiß nicht, ob Sie die meinen ‑ das war, glaube ich, vor dem Wochenende.
Zusatz
Das, und am Wochenende gab es dann wohl noch in der Mongolei einzelne Tests, nicht von Interkontinentalraketen, aber es seien Schüsse gefallen, und Taiwan hat sich darüber besorgt geäußert.
Fischer (AA)
Zum Letzteren kann ich Ihnen nichts sagen, einfach weil ich darüber keine Kenntnis habe.
Was den Test einer Interkontinentalrakete angeht, so haben wir den natürlich gesehen und zur Kenntnis genommen. Auch die besorgten Reaktionen einiger indopazifischer Staaten und Nachbarn Chinas haben wir zur Kenntnis genommen. Sie wissen ja, dass Stabilität und Sicherheit in der Indo-Pazifik-Region auch unsere und europäische Interessen betreffen. Wir sind in diesem Kontext natürlich sehr besorgt über das rasante Wachstum des chinesischen Nukleararsenals und auch über die fehlende Transparenz. Wir fordern China weiterhin auf, in dieser Hinsicht Transparenz zu zeigen, sich stärker in der Risikoreduzierung und Rüstungskontrolle zu engagieren sich umfassend an multilateralen Rüstungskontrollansätzen zu beteiligen und für dieses Thema Verantwortung zu übernehmen. Das schließt insbesondere auch die Bereitschaft zum Dialog mit den USA ein. Ein entsprechendes Gesprächsangebot der USA an China gibt es dazu auch.
Zusatzfrage
Laut Meldungen von heute haben die USA angekündigt, an Taiwan Rüstungsgüter und Unterstützung bei der Ausbildung von militärischem Personal in Höhe von 500 Millionen Euro zu liefern. Gibt es seitens Deutschlands ähnliche Überlegungen, Taiwan in dieser Richtung zu unterstützen?
Fischer (AA)
Das habe ich von dieser Stelle aus nicht zu kommentieren.