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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 18.09.2024

18.09.2024 - Artikel

Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Stabilisierung des Iraks und gegen das Wiedererstarken des IS

Büchner (BReg)

Die Bundesregierung hat heute die Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Stabilisierung des Iraks und gegen das Wiedererstarken des IS beschlossen. Das aktuelle Bundestagsmandat soll im Kern unverändert und mit der aktuellen Personalobergrenze von 500 Personen bis zum 31. Januar 2026 verlängert werden. Das Ziel des Einsatzes ist, die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte nachhaltig zu befähigen, die Sicherheit und Stabilität im Irak zu gewährleisten und ein Wiedererstarken der Terrororganisation des sogenannten „Islamischen Staates“ zu verhindern.

Die irakische Regierung hat die weitere Unterstützung Deutschlands gegen die Bedrohung durch den IS erbeten. Die deutschen Streitkräfte leisten weiterhin einen Beitrag zur NATO Mission Iraq, NMI, und zur Operation Inherent Resolve, OIR, bzw. einer dieser Operation nachfolgenden Sicherheitskooperation zur Unterstützung des Anti-IS-Kampfes.

[…]

Frage

Herr Büchner, der irakische Premierminister hat noch am Sonntag gesagt, dass er eigentlich keinen Bedarf mehr für ausländische Truppen, für Koalitionstruppen im Land sehe, weil ISIS momentan eigentlich kein echtes Problem darstelle. Ich würde gerne verstehen, wie das zusammengeht. Kann die Bundeswehr gegebenenfalls auch dortbleiben, wenn die Amerikaner abziehen würden?

Büchner (BReg)

Dazu kann ich Ihnen, ehrlich gesagt, nur das sagen, was ich Ihnen hier gerade vorgetragen habe. Der Beschluss ist heute im Kabinett so gefallen. Wie Sie ja gehört haben, geschieht das auch auf Bitten der irakischen Regierung. Insofern müsste man vielleicht bei der irakischen Regierung nachfragen, wie das gemeint war.

Frage

Ich habe nur zwei Verständnisfragen, weil Sie meinten, das Mandat wird bis Januar 2026 verlängert: Ist das neu, dass das jetzt länger als ein Jahr verlängert werden soll, und was ist das Exit-Szenario?

Büchner (BReg)

Es ist in der Tat so, dass es hier um eine Mandatsverlängerung um 15 Monate geht, nicht um ein Jahr. Das erlaubt dann nach der Bundestagswahl 2025 dem neu konstituierten Bundestag, eine Entscheidung über ein dann unter Umständen weiterentwickeltes Mandat zu treffen.

Zusatzfrage

Und das Exit-Szenario für die Bundeswehr?

Büchner (BReg)

Es finden zurzeit Gespräche zwischen den Regierungen Iraks und der USA unter Beteiligung der kurdischen Regionalregierung über die Weiterentwicklung und die perspektivische Beendigung von OIR statt. Das ist momentan der Stand der Dinge.

Stempfle (BMVg)

Ich könnte nur ergänzen, dass so etwas ja Standard ist, also dass die Bundeswehr das nie alleine entscheidet, sondern immer mit den Partnern, und dass mit dem Gastland gemeinsam eine Lösung gefunden wird. So ist es auch in dem Fall.

Zusatzfrage

Eine direkte Nachfrage, weil der Kollege das auch angesprochen hat: Der irakische Premierminister hat gestern bei Bloomberg noch gesagt, dass die Gründe für die internationale Gemeinschaft, im Irak zu sein, nicht mehr gegeben sind. Der Irak sei nicht mehr der von 2014, sondern es sei ein anderer heutzutage. Er sagte ‑ Zitat ‑: Die Terrororganisation ISIS stellt keine Bedrohung mehr für den irakischen Staat dar. - Sieht die Bundesregierung das jetzt in ihrer Mandatsverlängerung anders?

Stempfle (BMVg)

Das wird jetzt quasi alles besprochen. In jedem Fall würde man so etwas nicht von heute auf morgen beenden, sondern für einen Abzug bräuchte man ja sozusagen einen Zeitraum, um das ordentlich vorzubereiten. All diese Dinge werden jetzt natürlich besprochen. Ich kann nicht abschätzen, was dabei herauskommt. Aber das wird nie überstürzt gemacht - im Sinne aller, damit das auch gut funktioniert.

Deschauer (AA)

Ich möchte das noch ein bisschen ergänzen und einordnen, ohne dass mir die konkreten Äußerungen, die Sie erwähnt haben, Herr Jung, im Moment präsent sind. Das würde ich mir dann noch einmal anschauen. Man kann grundsätzlich sagen, dass es im Kampf gegen den IS in den letzten Jahren durchaus Fortschritte gegeben hat, aber der IS weiterhin eine Bedrohung für die Menschen auch im Irak darstellt. Man kann sagen, dass die irakischen Kräfte durch die Unterstützung, die die Bundesregierung in verschiedenen Szenarien vornimmt, befähigt werden sollen, die Sicherheitsverantwortung im eigenen Land aus eigener Kraft und aus eigener Befähigung vorzunehmen.

Sie haben insofern vielleicht darauf hingewiesen, dass wir von keiner territorialen Hoheit oder Gewalt des sogenannten „Islamischen Staates“ im Irak mehr ausgehen können. Aber es ist doch allen klar ‑ ich glaube, wir haben uns auch erst kürzlich über Bedrohungsszenarien des „Islamischen Staates“ sowohl im Ausland, aber tragischerweise auch in Deutschland intensiv austauschen müssen ‑, dass der IS international weiterhin eine massive Bedrohung darstellt. Genau in diesem Lichte steht die Bundesregierung im regelmäßigen Austausch mit ihren Ansprechpartnern, so auch den Gastländern, in denen Einsätze durchgeführt werden.

Sie können sich sicher sein, dass die Bundesregierung auch in Vorbereitung des Mandates im engen Austausch mit den irakischen Partnern stand. Insofern wollte ich das noch einmal einordnen, ohne hier jetzt die genaue jüngste Äußerung kommentieren zu können, weil sie mir nicht vorliegt.

Aktualisierte Leitlinien deutscher Arktispolitik

Büchner (BReg): Infolge des russischen Angriffskriegs hat sich auch das geopolitische Umfeld für die deutsche und europäische Arktispolitik dauerhaft verändert. Ein business as usual mit Russland ist auch in der Arktis nicht mehr möglich. Aus diesem Grund hat das Kabinett heute die aktualisierten Leitlinien deutscher Arktispolitik beschlossen. Damit werden die Kernziele der deutschen Arktispolitik unterstrichen: die Unterstützung unserer Verbündeten in der Region, die Stärkung der regelbasierten Ordnung, die Intensivierung von Klima-, Natur- und Umweltschutz, der Ausbau der Arktisforschung, die Achtung der Rechte der indigenen Bevölkerung und Wahrung der Interessen der lokalen Bevölkerung sowie eine nachhaltige Entwicklung der Arktis. Da Entwicklungen in der Arktis globale Auswirkungen haben, sind wir daran interessiert, Sicherheit und Stabilität in der Arktis zu wahren. Dafür werden wir uns einsetzen und den Austausch mit unseren NATO-Alliierten in der Region verstärken.

Die Arktis ist zudem ein Frühwarnsystem für die globale Erderwärmung und die Folgen des verschärften Klimawandels, unter dem die Region besonders leidet: Die Arktis erwärmt sich bis zu viermal so schnell wie der Rest der Welt – mit gravierenden Folgen auch für Deutschland und Europa. Für die Bundesregierung ist dies Grund, das deutsche Engagement in dieser Region weiter auszubauen. Unsere Beiträge beim Umwelt- und Klimaschutz sowie der breit aufgestellten deutschen Arktisforschung wollen wir weiter intensivieren, und auch auf europäischer Ebene wollen wir das Thema stärker vorantreiben.

Zudem werden wir uns für die nachhaltige Entwicklung der Region einsetzen, die auch der Lebensraum für rund vier Millionen Menschen ist. Dabei werden wir im Rahmen der Arktisleitlinien die Rechte der indigenen Bevölkerungsgruppen und die Interessen der dort lebenden Menschen besonders berücksichtigen. Nachhaltige und verantwortungsvolle Gestaltung der arktischen Rohstoffgewinnung durch den Einsatz umweltfreundlicher Technologien und unter Anwendung höchster Umweltstandards kann auch zur Rohstoffsicherheit in Deutschland beitragen.

[…]

Frage

Herr Büchner, Sie hatten Rohstoffe erwähnt. Um welche Rohstoffe geht es der Bundesregierung in der Arktis?

Büchner (BReg)

Ich habe, glaube ich, keine detaillierte Auflistung vorliegen. Ich würde die Frage einmal weiterreichen, möglicherweise an das BMBF.

Dr. Schneidewindt (BMBF)

Dazu muss ich etwas nachliefern.

Frage

Herr Büchner, Sie hatten jetzt mehr oder weniger die komplette Aufkündigung der Arktis- und Polarforschung mit Russland genannt, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Es gibt ja im Weltraum, Stichwort ISS, eine relativ ungestörte weitere Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation. Da würde mich nur interessieren, was aus Sicht der Bundesregierung der Unterschied zwischen einer weiteren Zusammenarbeit in der Weltraumforschung und im Bereich des Transports von Astronauten etc. und dem kompletten Abbruch der Beziehungen, was die Polarforschung angeht, ist.

Büchner (BReg)

Selbstverständlich mache ich mir auch in dem Fall Ihre Bewertung dessen, was ich gesagt habe, nicht zu eigen. Ich habe hier gar nichts aufgekündigt, sondern ich habe erklärt, dass es vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs eine neue geopolitische Lage gibt. Ansonsten verweise ich auf das, was ich gesagt habe.

Zusatzfrage

Zum Beispiel im Alfred-Wegener-Instituts in Potsdam war lange Zeit Russisch die Arbeitssprache, wegen der Zentralität der russischen Arktis für die deutsche Polarforschung. Da würde mich nur interessieren: Hat denn vor dieser Entscheidung der Kanzler Rücksprache mit den entsprechenden wissenschaftlichen Institutionen gehalten, was die Auswirkungen einer solchen Aufkündigung für die deutsche Polarforschung bedeuten?

Büchner (BReg)

Ich habe hier nichts zu ergänzen.

Explosion von Pagern im Libanon

Frage

Ich würde gerne wissen, wie die Bundesregierung allgemein diese Pager-Explosion bewertet. Sollte sich herausstellen, dass Israel da in irgendeiner Art und Weise involviert ist, was würde das konkret für die deutsch-israelischen Beziehungen bedeuten?

Büchner (BReg)

Nach jetzigem Stand kann ich dazu erst einmal sagen, dass wir Medienberichte dazu zur Kenntnis genommen haben, aber dass wir uns nach dem Stand von hier und heute nicht an irgendwelchen Spekulationen beteiligen werden.

Zusatzfrage

Wie bewerten Sie denn, was da passiert ist? Es gab ja mehrere Opfer einer Terrororganisation, aber auch zivile Opfer. War das ein legitimer Akt gegen eine Terrororganisation, oder war das nicht in Ordnung? Wie sieht die Bundesregierung das?

Büchner (BReg)

Ich komme zurück auf den Satz, den ich gerade gesagt habe, dass ich mich jetzt hier nicht an Spekulationen beteilige.

Deschauer (AA)

Auch da kann ich vielleicht ganz grundsätzlich sagen: Ich kann mich dem anschließen, was der stellvertretende Regierungssprecher gesagt hat. Wir haben entsprechende Berichte ebenfalls gesehen und zur Kenntnis genommen. Wir haben keine eigenen Erkenntnisse, die wir hier mit Ihnen teilen könnten, vorliegen. Die sind aber immer auch relevant, um eine entsprechende Einordnung, auch eine völkerrechtliche Einordnung, vornehmen zu können. - Das wäre die Antwort auf Ihre Frage, weswegen wir das von dieser Stelle aus nicht tun können.

Frage

Meine Frage richtet sich an Frau Kock und Herrn Stempfle, nämlich was die Auswirkungen für Deutschland angeht. Wenn Pager so manipuliert werden können, was heißt das eigentlich für die Ausrüstung der Angestellten des Bundes, egal ob Soldaten, Sicherheitsbehörden oder Politiker? Muss man jetzt die ganze Lieferkette überwachen, um sicherzustellen, dass an keiner Stelle zum Beispiel Sprengstoff eingebaut werden kann?

Stempfle (BMVg)

Es gibt natürlich schon Maßnahmen, die gelten. Die Endgeräte sind im Rahmen der Lieferung durch besondere Maßnahmen so gesichert, dass Manipulationen erkannt werden. Darauf wird grundsätzlich geachtet. Darüber hinaus gibt es bei uns im Haus natürlich Sensibilisierungsmaßnahmen. Jeder und jede ist angehalten, dienstliche IT nicht unbeaufsichtigt zu lassen - solche Dinge. Wenn doch einmal etwas auffallen sollte, dann gibt es natürlich sofort die Aufforderung, das prüfen zu lassen. Dann gibt es forensische Analysen etc. Diese Maßnahmen haben wir sowieso.

Vielleicht noch ein Satz zu der Lieferkette: Die Lieferkette ist der Institution bei uns im Haus, die dafür zuständig ist, bekannt. Da werden auch die Unterauftragnehmer benannt. Da wird es im Einzelfall auch Genehmigungen geben, damit alles seinen rechten Gang geht. Eine zentrale Beschaffung von Pager-Systemen bei uns gibt es in der Bundeswehr nicht. Ob es jemals eine Einzelfallbestellung gab, kann ich nicht beurteilen. Aber eine zentrale Beschaffung gibt es nicht.

Dr. Kock (BMI)

Das hat mein Kollege Herr Stempfle so gut ausgeführt, dem kann ich mich vollumfänglich anschließen.

Zusatzfrage

Herr Stempfle, Sie haben jetzt die Lieferkette erwähnt. Aber mir ging es darum ‑ abgesehen von den Verträgen und Ihrer Kenntnis, wer da die Subkontraktoren sind ‑, ob Sie überlegen, dass Sie möglicherweise auch noch die einzelnen Schritte überwachen müssen. Denn ich nehme einmal an ‑ hier gab es ja auch Verträge; das sagt ja auch die Firma aus Taiwan ‑, dass diese Produkte normal geliefert wurden, und an irgendeiner Stelle gab es aber höchstwahrscheinlich eine Unterbrechung der Lieferkette, an der dann Manipulationen vorgenommen wurden. Könnten Sie das eigentlich erkennen? Haben Sie so viel Überblick über die Lieferkette?

Stempfle (BMVg)

Ich habe jetzt das gesagt, was ich sagen kann. Es gibt Maßnahmen, die natürlich auch den Bereich der militärischen Sicherheit betreffen. Die will ich hier nicht nennen. Die Maßnahmen, die ich nennen kann, habe ich genannt.

Frage

Ich habe noch eine Lernfrage: Wenn Hunderte Pager zeitgleich explodieren und Tausende Menschen ‑ davon viele Unschuldige ‑ verletzt und einige getötet werden, ist das aus Sicht der Bundesregierung ein Terrorakt? Wir wissen ja noch nicht, wer es war. Oder kommt es darauf an, wer es war, um zu sagen, ob das ein Terrorakt war?

Deschauer (AA)

Ich gehe jetzt nicht auf die Einzeldetails Ihrer Fragestellung ein, sondern verweise noch einmal auf das, was ich sagte. Die Bundesregierung ‑ das hat der stellvertretende Regierungssprecher gesagt; ich habe das gesagt ‑ hat entsprechende Berichterstattung zur Kenntnis genommen, aber keine eigene Erkenntnis, die wir hier mit Ihnen teilen können. Diese ist aber notwendig, um eine entsprechende Einordnung bzw. Bewertung einschließlich der völkerrechtlichen Bewertung vorzunehmen. Das können wir von dieser Stelle aus leider nicht tun.

Zusatzfrage

In der Vergangenheit haben Sie sonst immer auch vor einer Eskalation im Nahen Osten gewarnt - jetzt aber zwischen Libanon und Israel heute bisher nicht. Warum nicht?

Deschauer (AA)

Das eine schließt das andere nicht aus. Sie fragten ja gerade nach einer Bewertung als terroristischer Akt. Darauf habe ich Ihnen geantwortet, dass das eine völkerrechtliche Bewertung wäre, die ich aufgrund der Erkenntnislage von dieser Bank aus nicht vornehmen kann. Das andere ist eine politische Einordnung, die wir natürlich seit Beginn dieser Auseinandersetzungen und der sehr schwierigen Lage weiter so sehen. Die Lage gerade im Norden Israels und an der Grenze an der Blue Line ist extrem angespannt. Wir betrachten das fortgesetzt mit sehr großer Sorge und fordern alle Beteiligten in dieser Situation auf, zur Deeskalation beizutragen. Das hat die Außenministerin kürzlich auch in der Region noch einmal betont. Das machen wir auch von dieser Bank.

Frage

Sie sagen, Sie wollen sich jetzt nicht an Spekulationen beteiligen. Aber es müssten ja keine Spekulationen sein. Deutschland ist einer der engsten Partner Israels. Auch die Geheimdienste arbeiten eng zusammen. Gab es bisher irgendwelche Gespräche mit den israelischen Partnern, um eine Bestätigung oder eine Entkräftung der Vorwürfe zu suchen?

Büchner (BReg)

Mir ist dazu nichts bekannt. Ich möchte aber allgemein noch einmal das unterstützen, was Frau Deschauer gerade gesagt hat. Wir sehen, dass es im Nahen Osten eine große Gefahr für eine Eskalation gibt. Die ist weiter sehr real. Daran sollte niemand Interesse haben. Die Bundesregierung setzt sich mit ihren Partnern weiter intensiv dafür ein, eine Eskalation und einen regionalen Flächenbrand zu verhindern.

Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Partnern in der EU und den G7-Staats- und ‑Regierungschefs und -chefinnen im Übrigen immer schon deutlich gemacht, dass sie über die Lage an der israelisch-libanesischen Grenze sehr besorgt ist. Die Menschen auf beiden Seiten der Grenze sollten dort ohne Angst um ihr Leben friedlich leben können. Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, diese destruktive Spirale der Gewalt zu durchbrechen, Spannungen abzubauen und sich konstruktiv für die Deeskalation einzusetzen. Das kann nur auf diplomatischem Weg erfolgen. Insofern kann ich das nur unterstützen und verstärken.

Zusatz

Sie haben jetzt meine Frage nicht beantwortet, ob es diesbezüglich Kontakt zur israelischen Regierung oder zum israelischen Geheimdienst gab.

Büchner (BReg)

Mir ist dazu nichts bekannt.

Zusatzfrage

Meine zweite Nachfrage wäre, ob Sie diese offenbar menschenrechtswidrige Attacke trotzdem verurteilen, egal ob Sie wissen, wer das war oder nicht. Dass sie völkerrechtswidrig ist, ist ja anhand der Berichte, die wir gesehen haben, schon bekannt.

Büchner (BReg)

Ich habe vorhin schon gesagt, dass ich mich jetzt nicht an irgendwelchen Spekulationen beteilige, und dabei bleibe ich.

Frage

Ich versuche es auch noch einmal. Es gibt ja nicht nur Zeitungs-, Radio- und Fernseh-, also Medienberichte ‑ die Sie nicht kommentieren, wie ausdrücklich gesagt wurde, auch von Frau Deschauer. Aber in Ihrer Morgenbesprechung ist ja möglicherweise auch die eine oder andere Erkenntnis von deutschen und anderen Nachrichtendiensten auf den Tisch gekommen. Haben die zumindest den Vorgang bestätigt? Könnte uns das zu einer differenzierten Aussage verhelfen, ob es nun ein Cybercrime, ein terrorverdächtiger Akt oder eine ganz bloße Selbstverteidigung war ‑ unterstellt, es war doch ein Staat, der diese verübt hat? Vielleicht können Sie uns da auf die Sprünge helfen.

Büchner (BReg)

Auch diesen Versuch verstehe ich natürlich. Aber Sie wissen ja genau, dass ich, selbst wenn nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu irgendeinem Fall vorliegen, diese hier nie teilen würde, weil sie ja geheim sind.

Zusatzfrage

Dann bleibe ich trotzdem bei den möglichen geheimen Quellen: Gibt es denn Hinweise ‑ was wir auch schon vernehmen konnten, und zwar wiederum aus den Medien, aber mit Zitat amerikanischer Nachrichtendienste ‑, dass diese manipulierten Pager ‑ wie und womit auch immer sie manipuliert wurden ‑ nicht direkt aus Taiwan kamen, sondern aus Ungarn und dort auch produziert wurden? Dann hätte das ja auch eine EU-Variante. Hat das möglicherweise Weiterungen, oder ist Ihnen das schon wieder zu hypothetisch?

Büchner (BReg)

Das wäre sozusagen eine Spekulation innerhalb der Spekulation. Deshalb kann ich auch dazu nichts sagen.

Frage

Frau Deschauer, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundesregierung nicht grundsätzlich von einem Terrorakt spricht, wenn ‑ das ist ja der Status quo; so weit ist der Wissensstand ja ‑ Tausende von Pagern zur Explosion gebracht werden bei Menschen, die gerade ihre Kinder von der Schule abgeholt haben, die Krankenhausbesuche abgestattet oder im Supermarkt eingekauft haben? Das heißt, dieser Akt, tausende Pager zur Explosion zu bringen, wird von der Bundesregierung nicht per se als völkerrechtswidrig bezeichnet?

Deschauer (AA)

Ich glaube, Sie haben mich offenkundig nicht richtig verstanden. Ich verweise aber gerne noch einmal auf das, was ich gesagt habe: Wir haben keine eigenen Erkenntnisse, die hier zu teilen sind und die ich hier teilen kann, und entsprechend kann diese Ableitung und können auch alle völkerrechtlichen Implikationen ‑ darauf spielen Sie ja an ‑ hier nicht vorgenommen werden. Insofern mache ich mir Ihre Aussage oder Interpretation meiner Antwort nicht zu eigen und verweise auf das, was wir hier jetzt in verschiedenen Ausführungen gesagt haben.

Zusatzfrage

Israelische und auch andere Quellen ‑ wenn auch nicht offizielle ‑ verweisen darauf, dass angeblich nur Terroristen getroffen worden sind, mit Verweis auf die Hisbollah-Mitgliedschaft. Jetzt ist die Hisbollah ja auch eine politische Partei, die auch Teil einer Regierungskoalition ist. Da würde mich ganz grundsätzlich interessieren, ob die Bundesregierung jedes Hisbollah-Mitglied, auch Parlamentarier oder Minister, als Terroristen bewertet.

Deschauer (AA)

Ich bin mir nicht so sicher, auf was Sie hinauswollen. Ich verweise noch einmal auf die Aussagen, die wir hier getätigt haben. Sie wissen, dass wir von einer auch gelisteten Terrororganisation sprechen, was die militärische Organisation angeht. Insofern glaube ich, Sie kennen den aktuellen Stand. Das haben wir hier mehrfach geteilt, und ich belasse es dabei.

Frage

Herr Büchner, das ist jetzt keine rechtliche Frage: Zum gesicherten Erkenntnisstand gehört, dass hunderte bis tausende Pager nicht zufällig explodiert sind, sondern gezielt koordiniert zur Explosion gebracht wurden, von wem auch immer. Halten Sie es für ethisch zulässig, diese Art von faktischen Antipersonenminen einzusetzen?

Büchner (BReg)

Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe.

Zusatzfrage

Aber Sie haben bisher gesagt, das seien Spekulationen bzw. rechtliche Fragen, auf die Sie nicht eingehen. Meine Frage ist weder Spekulation noch eine rechtliche Frage. Warum mögen Sie die nicht beantworten?

Büchner (BReg)

Weil es für uns keinen gesicherten Erkenntnisstand über das, was dort wirklich vorgefallen ist, gibt.

[…]

Frage

Da die Bundesregierung keinerlei eigene Erkenntnisse hat, die sie mit uns teilen kann, möchte ich noch nachfragen: Ist sichergestellt, dass die Kunden des einen Pager-Betreibers, den es in Deutschland gibt, die jetzt momentan vielleicht mit einem Pager in einem Krankenhaus stehen, keine Angst haben müssen, dieses Gerät in diesen Tagen in ihrer Hosentasche mit sich zu tragen?

Dr. Kock (BMI)

Ich kann gerne grundsätzlich etwas zur Sicherheit derartiger Geräte in Deutschland sagen. Aus technischer Sicht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik können Akkus in solchen oder auch vergleichbaren Geräten nicht ferngesteuert zur Explosion gebracht werden, wenn diese Geräte nicht vorher manipuliert wurden.

Zusatzfrage

Das heißt, Sie gehen momentan davon aus, dass es keinerlei Gefahr gibt für Menschen, die in Deutschland mit einem Pager herumlaufen, sofern er nicht ein Direktimport aus dem Libanon ist?

Dr. Kock (BMI)

Ich habe dem, was ich gerade gesagt habe, nichts hinzuzufügen.

UN-Resolution zum geforderten Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten

Frage

Ich habe eine Frage zu einem anderen Aspekt. Frau Deschauer, in der UN-Vollversammlung soll es heute eine Abstimmung über eine Resolution zum Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten geben. Bei der Beschlussvorlage geht es eigentlich nur um die Umsetzung des Rechtsgutachtens des IGH, was wir ja schon besprochen haben. Ist davon auszugehen, dass sich Deutschland der Resolution anschließt?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. Sie sprechen das Gutachtenverfahren des IGH an und eine Resolution in der Generalversammlung, die heute ‑ nach New Yorker Zeit am späten Vormittag; dann sind wir in Deutschland am späten Nachmittag ‑ zur Abstimmung kommen wird. Dazu werde ich hier keine Ausführungen vorab machen. Es stimmt aber, wir haben uns dazu vorab intensiv in Gesprächen mit unseren Partnern eingebracht, wie das in den Vereinten Nationen üblich ist. Wir werden uns dazu natürlich auch heute einlassen.

Zusatzfrage

Warum lassen Sie jetzt offen, ob Sie dieser Resolution zustimmen werden? Die Bundesregierung ist doch ein großer Förderer und Unterstützer des IGH. Das Rechtsgutachten ist eindeutig gewesen, und Sie haben das alles hier auch schon anerkannt. Sie sagen ja auch, dass die Besatzung enden muss; das haben Sie auch hier immer wieder gesagt. Diese Resolution bezieht sich eigentlich auch nur auf den Rechtsstand des IGH. Ist es dann nicht logisch, dass Deutschland zustimmt?

Deschauer (AA)

Ich glaube, wir müssten hier länger darüber sprechen und das noch mehr aufdröseln, als Sie es jetzt in Ihrer Fragestellung oder Ihrem Statement dargestellt haben. Es geht heute in einer Resolution darum, wie das Gutachten umzusetzen ist und wie mit den im IGH-Gutachten dargestellten völkerrechtlichen Pflichten von Israel, Drittstaaten und den UN umzugehen ist. Das Gutachten hat die Generalversammlung in Auftrag gegeben; das wissen Sie. Wir haben uns dann in den Prozess eingebracht.

Sie können sich vorstellen, dass bei komplexen Resolutionen, die auch ein komplexes Gutachtenverfahren bewerten und das zum Ausdruck bringen, auch Gespräche und Verhandlungen fortlaufend bis zu dem Moment geführt werden, wo es zu einer Abstimmung kommt. Insofern ist es eigentlich auch Usus, dass man nicht im Vorhinein öffentlich kommentiert, sondern sich in diese Gespräche einbringt ‑ das tun wir ‑ und sich dann auch in New York oder in einem entsprechenden Gremium äußert.

Sie haben richtigerweise gesagt, dass es um ganz verschiedene Aspekte geht. Es geht unter anderem auch um den Aspekt der Beendigung der Besatzungspolitik. Die Bundesregierung hat hier an dieser Stelle sehr klar wiederholt und immer wieder die Siedlungspolitik als völkerrechtswidrig und illegal bezeichnet, und das tun wir auch weiterhin.

Georgisches Gesetz zur Einschränkung von LGBTQ-Rechten

Frage

Das georgische Parlament hat gestern ein Gesetz zum Schutz von Familienwerten und Minderjährigen verabschiedet. Darin verbieten sie auch LGBT-Propaganda. EU-Außenkommissar Borrell hat Georgien aufgefordert, das Gesetz zurückzunehmen. Hat die Bundesregierung eine Haltung dazu?

Deschauer (AA)

Ja, und die haben wir auch gestern bzw. vielleicht sogar schon vorgestern auf X geäußert. Wir fordern Georgien auf, entsprechende Standards, was Freiheitsrechte in der Europäischen Union angeht, einzuhalten und von dieser Entscheidung Abstand zu nehmen. Den Wortlaut haben wir auf unserem englischsprachigen X-Kanal.

Debatte über diplomatische Beziehungen mit Afghanistan

Frage

Frau Deschauer, gestern war ja das Zentralasien-Treffen mit dem Kanzler in Astana. Dort haben zwei Präsidenten zentralasiatischer Republiken die Weltgemeinschaft aufgefordert, jetzt diplomatische Beziehungen mit Afghanistan aufzunehmen bzw. das Land wieder stärker zu unterstützen und in die Weltgemeinschaft zu integrieren. Hat die Bundesregierung irgendwelche Pläne, ihre diplomatische Präsenz in Afghanistan doch wieder zu etablieren, und was wären die Voraussetzungen dafür?

Deschauer (AA)

Wir haben uns darüber, glaube ich, schon intensiv unterhalten. Die Taliban haben in Afghanistan ein systematisch grausames Regime errichtet, das menschenverachtende Praktiken wie Todesstrafe, Folter und insbesondere den Ausschluss von 50 Prozent der Bevölkerung ‑ sprich: Frauen und Mädchen ‑ vorsieht. All das widerspricht jeglichem internationalen menschenrechtlichen Standard. Ich kenne jetzt auch keinen anderen EU-Staat, der eine Vertretung in Afghanistan hätte. Ich glaube, der Bundeskanzler hat sich gestern auch in der Sache geäußert. Davon unbenommen ist die Tatsache, dass wir natürlich regierungsfern weiter darum bemüht und bestrebt sind, die notleidende afghanische Zivilbevölkerung zu unterstützen, soweit die Hilfe eben 100 Prozent der Bevölkerung und nicht nur 50 Prozent der Bevölkerung zugänglich gemacht werden kann.

Zusatzfrag

Wenn Sie das jetzt als Kriterien nennen, heißt das, dass wahrscheinlich nie diplomatische Kontakte mit den Taliban aufgenommen werden? Es gibt aber doch auch deutsche Vertretungen in Nordkorea und Iran, die ja auch Länder sind, die nach deutschen Kriterien natürlich überhaupt nicht ‑ in keiner Weise ‑ unseren Rechtsstandards entsprechen. Was genau ist da bitte der Unterschied?

Deschauer (AA)

Ich glaube, man muss bei jedem Fall differenzieren und sich die Sachlage genau angucken. Sie wissen, dass in Nordkorea im Zuge der Coronapandemie die Ausübung der Tätigkeit der deutschen Botschaft vor Ort nicht mehr möglich war. Ich glaube, das ist jetzt ein ganz anderer Fall als mit Blick auf Afghanistan, wo ich jetzt eben erläutert habe, wie die Bundesregierung das menschenrechtsverachtende Taliban-Regime betrachtet. Ich kann Ihnen von keinen Plänen berichten, die Ihrer Fragestellung entsprechen. Ich glaube, das kam gestern auch in den Gesprächen in Zentralasien deutlich zum Tragen.

Wir haben übrigens diplomatische Beziehungen mit dem Staat Afghanistan, weil wir diplomatische Beziehungen mit Staaten und nicht mit Regierungen oder einzelnen Regierungsvertretern haben. Die konkrete Ausgestaltung hängt natürlich immer von konkreten Verhaltensweisen ab. Die Verhaltensweise ist, so wie ich sie beschrieben habe, systematisch grausam und menschenverachtend. Das verhindert aus Sicht der Bundesregierung eine Normalisierung von Beziehungen im Sinne Ihrer Fragestellung.

Frage

Ich habe noch eine Verständnisfrage. Die Innenministerin hat einmal erwähnt, dass man nicht direkt mit den Taliban verhandele. Verhandelt man mit den Taliban in Katar ‑ es ist ja bekannt, dass die dort ein- und ausgehen ‑, oder verhandelt mit den Kataris, die dann mit den Taliban reden?

Deschauer (AA)

Ich fange kurz an, aber vielleicht möchte dann das BMI für die Innenministerin sprechen. Sie wissen, dass der Dienstbetrieb der deutschen Botschaft in Kabul seit August 2021 eingestellt ist und dass es ein sogenanntes Verbindungsbüro der Bundesregierung in Doha, Katar, gibt, das für technische Kontakte ‑ nicht politische Kontakte ‑ auf technischer Ebene genutzt wird. Es gibt technische Gespräche, die wir natürlich dazu nutzen, um just die Anliegen, die ich gerade vorgetragen habe, nämlich das systematisch grausame, menschenverachtende Verhalten gegenüber der Bevölkerung einzustellen, immer wieder thematisieren und anbringen zu können.

Zusatzfrage

Aber das war jetzt nicht die Frage. Spricht in diesem Verbindungsbüro ein deutscher Vertreter mit einem Katari, der dann zu den Taliban weitergeht, oder treffen sich dort ein Deutscher und ein Taliban in Doha?

Deschauer (AA)

Ich glaube, ich habe die Frage beantwortet. Es gibt technische Kontakte ‑ ‑ ‑

Zuruf

Ja, was heißt das?

Deschauer (AA)

So wie beschrieben: Es gibt ‑ nicht auf politischer Ebene ‑ technische Kontakte deutscher Vertreter. Sie wissen doch zum Beispiel auch von den UN-Bemühungen um den Doha-Prozess unter Einbeziehung auch von einzelnen ausgewählten Talibanvertretern, bei denen es just um die Fragestellung ging, die Menschenrechtsverletzungen zu thematisieren und sich für die Menschen vor Ort, die unter diesen Menschenrechtsverletzungen leiden, einzusetzen. Also können Sie sich ja vorstellen, dass zum Beispiel im Rahmen einer UN-Konferenz entsprechend technische Gespräche in diesem Sinne auch mit diesen Vertretern stattfinden müssen.

Dr. Kock (BMI)

Wenn der Kollege daran interessiert ist, kann ich gerne etwas ergänzen. Die Bundesinnenministerin hat sich ja im Zuge der Abschiebungsmaßnahmen nach Afghanistan so geäußert, wie Sie gesagt haben. Es ist so, dass die Bundesregierung in diesem Zusammenhang keine Gespräche mit der De-facto-Regierung in Afghanistan geführt hat.

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