Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 13.09.2024
Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen
Hebestreit (BReg)
[…] Noch ein Ausblick für das nächste Wochenende: Am Samstag, den 21. September, wird der Bundeskanzler zu einer Reise nach New York aufbrechen. Dort wird er am 22. und 23. September am Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen teilnehmen. Zur Eröffnung des Gipfels wird er eine Rede halten.
Deutschland hatte in den vergangenen knapp zwei Jahren gemeinsam mit Namibia den sogenannten Zukunftspakt als Verhandlungsführer vorbereitet. Es ist vorgesehen, dass dieser anlässlich des Zukunftsgipfels, des Summit of the Future, verabschiedet werden wird. Der Bundeskanzler wird die Gelegenheit nutzen, zahlreiche bilaterale und multilaterale Gespräche am Rande zu führen. Zum detaillierten Reiseprogramm wird es am nächsten Freitag um 15.15 Uhr ein Briefing „unter 2“ mit Staatssekretär Dr. Jörg Kukies, dem außen- und sicherheitspolitischen Berater des Bundeskanzlers Jens Plötner und mit mir hier in der Bundespressekonferenz geben.
So weit der Ausblick auf die öffentlichen Termine des Bundeskanzlers in der kommenden Woche.
Frage
Herr Hebestreit und Herr Wagner, zum Zukunftsgipfel: Die US-Regierung hat gestern Vorschläge für eine Reform des UN-Sicherheitsrates vorgelegt. Wird der Kanzler in New York auch Gespräche zu diesem Thema führen?
Hebestreit (BReg)
Ich würde erst einmal auf das Briefing nächste Woche verweisen. Dort können wir zumindest die genauen Gesprächsformate nennen. Solange ich zurückdenken kann, hat die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen und auch des UN-Sicherheitsrates in den Gesprächen des Bundeskanzlers mit Staats- und Regierungschefs anderer Länder immer wieder eine Rolle gespielt. Ob das jetzt direkt auf den Vorschlag der Vereinigten Staaten aufsetzen wird, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.
Zusatzfrage
Können Sie vielleicht ‑ die Frage richtet sich, wie gesagt, auch an Herrn Wagner ‑ eine Beurteilung der amerikanischen Vorschläge abgeben, die ja einen rotierenden Sitz für kleine Inselstaaten und zwei ständige Sitze für Afrika vorsehen?
Wagner (AA)
Ganz grundsätzlich kann ich sagen, dass es schon lange ein Anliegen auch der Bundesregierung ist, zu sagen, dass die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrats den geopolitischen Realitäten von heute nicht mehr entspricht. Insofern begrüßen wir es, dass auch unsere amerikanischen Partner in der Frage engagiert sind. Aber die Gespräche laufen jetzt, sie laufen in New York. Insofern würde ich mich dem anschließen, was der Regierungssprecher gerade gesagt hat. Auch der Zukunftsgipfel wird ja gerade intensiv vorbereitet.
Angekündigte Fahrt der Fregatte „Baden-Württemberg“ durch die Taiwanstraße
Frage
Die chinesische Regierung hat vor Provokationen unter dem Deckmantel der Schifffahrtsfreiheit gewarnt. Jetzt nimmt die Fregatte „Baden-Württemberg“ Kurs auf die Taiwanstraße. Warum findet diese Durchfahrt zu diesem Zeitpunkt statt, und was bezweckt die Bundesregierung damit?
Collatz (BMVg)
Wir haben an dieser Stelle schon häufig erläutert, wofür sich Deutschland in der Region einsetzt, nämlich für die freie Schifffahrt in den entsprechenden Zonen. Die Fregatte nimmt schon seit Längerem an dem Indo-Pacific Deployment teil, gemeinsam mit dem Einsatzgruppenversorger vor Ort, und begibt sich jetzt auf die Reise Richtung Manila, nachdem sie zuvor Südkorea verlassen hat. Der Weg, der jetzt eingeschlagen wurde, ist auch unter den Wetterbedingungen der günstigste. Insofern ‑ dem gibt es auch gar nichts hinzuzufügen ‑ wird dieser freie Seeweg genutzt und das Recht auf freie Schifffahrt damit auch unterstrichen.
Zusatzfrage
Wurde denn die chinesische Seite darüber informiert?
Collatz (BMVg)
Das ist weder vorgesehen noch nötig.
Frage
Es hieß sehr lange, dass es bezüglich der Frage, ob die Taiwanstraße durchquert werden soll, noch keine Entscheidung gefallen sei. Ich glaube, das war auch der Stand, der am Mittwoch im Ausschuss berichtet wurde. Können Sie sagen, wann die Entscheidung getroffen wurde?
Collatz (BMVg)
Vor Kurzem.
Zusatzfrage
Heißt das, die letzten 24 Stunden? Können Sie das ein bisschen eingrenzen?
Collatz (BMVg)
Ich kann das nicht auf die Minute festlegen. Sie wurde rechtzeitig getroffen und, ich denke, jetzt auch rechtzeitig kommuniziert.
Zusatzfrage
Noch eine zweite Frage, wenn Sie gestatten. ‑ Sie erwähnen vor allem Sachgründe, das Wetter zum Beispiel. Dass die Bundesregierung Peking dadurch aber verärgert, das nimmt man in Kauf?
Collatz (BMVg)
Auch hierzu haben wir uns hinreichend eingelassen. Ich weiß nicht, ob Herr Wagner noch ergänzen möchte. Es ist eindeutig die Position der gesamten Bundesregierung und unserer Staatlichkeit, die freie Schifffahrt auch staatlich zu unterstützen.
Wagner (AA)
Das kann ich nur unterstreichen. Da der vorher Fragende gefragt hat, ob irgendetwas vorher notifiziert würde: Nach dem Seevölkerrecht sind in internationalen Gewässern keine Notifizierungen erforderlich. Man kann dort frei durchfahren. Genau das machen wir gerade.
Frage
Eine Lernfrage, Herr Wagner, weil das immer wieder mal aufkam: Gibt es da einen Widerspruch zu der Ein-China-Politik der Bundesregierung, wenn man davon ausgeht, dass Taiwan eigentlich Teil Chinas ist und die Seestraße zwischen Taiwan und China liegt? Vielleicht können Sie einmal ausführen, warum das kein Widerspruch ist.
Wagner (AA)
Nein, da gibt es keinen Widerspruch. Anders als von China behauptet, gibt es kein Ein-China-Prinzip, das international umfassend gilt. Wir verfolgen eine Ein-China-Politik. Das sind internationale Gewässer ‑ das sieht das Völkerseerecht auch so vor ‑, in denen nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen die Regeln der internationalen Gewässer gelten.
Forderungen nach Entzug der Reisefreiheit akkreditierter russischer Diplomaten im Schengen-Raum
Frage
Herr Wagner, der tschechische Außenminister fordert schon seit Längerem, dass akkreditierten russischen Diplomaten nicht länger erlaubt sein soll, die Reisefreiheit im Schengen-Raum zu nutzen. Tschechien geht davon aus, dass über 3000 russische Auslandsvertreter und ihre Familienmitglieder das auch für Spionagetätigkeiten nutzen. Bei einem Treffen der Außenminister ist er damit nicht durchgedrungen. Auch Deutschland hat das abgelehnt. Warum?
Wagner (AA)
Man muss grundsätzlich sagen, dass der Schengen-Raum, in dem es eine gewisse Bewegungsfreiheit gibt, das auch für Diplomatinnen und Diplomaten nicht einfach macht. Wir haben den Brief von mehreren Außenministern ‑ das ist ja nicht nur der Tscheche, sondern das sind auch andere Amtskollegen ‑ zur Kenntnis genommen. Dazu laufen derzeit ergebnisoffene Gespräche auf europäischer Ebene. Insofern kann ich dazu jetzt hier nicht vertiefter ins Detail gehen.
Deutsch-polnische Beziehungen
Frage
Das passt thematisch, Herr Wagner, nämlich die deutsch-polnischen Beziehungen. Derzeit verärgern zwei Themen Warschau ziemlich stark: Zum einen die Ermittlungen in Sachen Nord Stream 2 und die Vorwürfe von deutscher Seite, dass Polen da etwas vertuschen würde ‑ die Vorwürfe kommen nicht von der Bundesregierung, aber doch aus Deutschland ‑, und zum anderen die Frage der einseitigen Grenzschließung, die zumindest angedacht wird, und auch die verstärkten Grenzkontrollen. Ist das jetzt wieder eine Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis, das ja durch den Wahlsieg von Herrn Tusk zuletzt wieder besser geworden war?
Wagner (AA)
Vielen Dank für Ihre Frage. ‑ Wir arbeiten sehr eng mit der nicht mehr so neuen polnischen Regierung ‑ aber ich würde sie jetzt noch so nennen ‑ zusammen. Sie wissen, dass wir erst im Juli die ersten deutsch-polnischen Regierungskonsultationen seit einer gewissen Zeit hatten. Dabei haben wir auch einen Aktionsplan für die bilaterale Zusammenarbeit angenommen. Insofern gibt es da eine enge Kooperation. Es gibt ein sehr enges Verhältnis der Außenministerin zu ihrem polnischen Amtskollegen. Insofern gibt es da gute Dialogs- und Gesprächskanäle. Auf diesen wird natürlich auch über die Themen gesprochen, die Sie ansprechen.
Kall (BMI)
Ich möchte kurz etwas zu den Binnengrenzkontrollen hinzufügen. Sie sprachen jetzt von einseitigen Grenzschließungen. Davon ist natürlich überhaupt nicht die Rede. Vielmehr finden Binnengrenzkontrollen statt, um die irreguläre Migration zu begrenzen und grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Daran ändert sich zu Polen gar nichts. Sie laufen seit dem 16. Oktober 2023, eng mit Polen abgestimmt. Es gibt gemeinsame polizeiliche Zentren. Es gibt gemeinsame Streifen. Es gibt gemeinsame Maßnahmen an den Grenzen. Die Ausdehnung, die ab Montag erfolgt, bezieht sich auf die westlichen und nördlichen deutschen Grenzen und gar nicht auf Polen. Da gibt es keine Veränderung. Es gibt eine sehr enge und abgestimmte, gute Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden. Man kann auch sehen ‑ die Bundesinnenministerin war gerade erst in Görlitz ‑, wie dort die polnischen und deutschen Grenzbehörden zusammenarbeiten.
Zusatzfrage
Ich habe mich unklar ausgedrückt. Es geht um die Debatte, Leute an der Grenze zurückzuweisen. Darüber wird auch in der Bundesregierung zumindest diskutiert. Das führt zu Verärgerung in Polen. Dort wird wieder darauf verwiesen, dass die deutsche Migrationspolitik des Jahres 2015 das Ganze verursacht hätte. Noch einmal die Frage: Inwieweit gibt es jetzt langsam wieder eine Belastung des Verhältnisses, das gerade auf dem Weg war, sich wieder zu bessern?
Hebestreit (BReg)
Ich kann da ehrlicherweise keine Belastung feststellen. Herr Kall hat ja darauf hingewiesen, dass vieles seit dem 16. Oktober 2023 gut eingespielt ist und dass wir die Diskussion, die wir jetzt in Deutschland führen, natürlich auch mit unseren europäischen Nachbarn aufnehmen. Zum Beispiel auch in diesen Fragen gibt es einen Kontakt des Bundeskanzlers mit Premierminister Tusk. Der Bundeskanzler wird demnächst mit den Staats- und Regierungschefs unserer europäischen Nachbarstaaten sprechen, auch mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, um einerseits unsere Pläne zu erläutern und andererseits alle einzubinden.
Kall (BMI)
Auch wir hatten natürlich diese Woche Kontakt zur polnischen Regierung. Bei dem Konzept, das die Bundesregierung für Zurückweisungen, die über die heutigen Zurückweisungen hinausgehen, vorgelegt hat, geht es um Zurückweisungen in den zuständigen EU-Mitgliedstaat, in den Staat, der für das Asylverfahren zuständig ist. Das wird in der Regel der Staat der Ersteinreise sein und gerade nicht unsere Nachbarstaaten zusätzlich belasten. Wir werden so handeln, wie es das europäische Recht vorsieht.
Sicherlich sind durch die Debatte auch Irritationen entstanden. Wir hatten das Gefühl, dass die in Gesprächen schon ausgeräumt werden konnten, und betonen immer wieder, dass das Modell der Bundesregierung ein in Europa abgestimmtes Vorgehen ist und dass das gerade keine Alleingänge sind.
Frage
Herr Hebestreit, wenn das alles so gut läuft, können Sie dann erklären ‑ vielleicht hat das aber auch gar nichts damit zu tun ‑, warum Herr Tusk seine Reise nach Deutschland diese Woche abgesagt, nicht selbst den M100 Media Award in Empfang genommen und der Kanzler auch nicht, wie gehabt, die Laudatio gehalten hat?
Hebestreit (BReg)
Dieser Termin ist bereits vor Wochen, wenn nicht schon vor Monaten abgesagt worden. Wir selbst waren überrascht, dass in einer Pressemitteilung des Veranstalters sowohl Herr Tusk als Preisträger als auch der Bundeskanzler als Laudator genannt wurden. Das ist schon vor Wochen aus Termingründen von der polnischen Seite abgesagt worden und hat damit wirklich rein gar nichts zu tun.
Zusatzfrage
Hat Herr Tusk zuerst abgesagt?
Hebestreit (BReg)
Herr Tusk hat aus Termingründen ‑ ‑ ‑ Ich weiß gar nicht, ob er je zugesagt hatte. Sie können ja Preise an jeden vergeben, an den Sie wollen, und sagen, der kommt vielleicht. Aber dann hat er nicht abgesagt, wenn er nicht kommt, sondern er hat einfach andere Gründe gehabt. Das müssten Sie dann bei der polnischen Regierung nachfragen. Aber der Kanzler hätte bereitgestanden, um eine Laudatio zu halten, wenn Herr Tusk nach Potsdam hätte kommen können. Da Herr Tusk aber schon vor Wochen bzw. Monaten in einem Gespräch mit dem Bundeskanzler gesagt hat, dass er zu diesem Termin gar nicht kann, war auch klar, dass der Bundeskanzler dann keine Laudatio auf einen Preisträger hält, der gar nicht da ist.
Nahostkonflikt
Frage
Meine Frage geht an das Auswärtige Amt. Die israelische Armee hat am Mittwochabend eine ehemalige UNRWA-Schule im Gazastreifen bombardiert, die jetzt als Unterkunft für 12 000 Flüchtlinge dient. Dabei wurden knapp 20 Menschen getötet, unter ihnen sechs UNRWA-Mitarbeiter. Es ist wohl die höchste Zahl durch einen israelischen Luftangriff getöteter UNRWA-Mitarbeiter.
Wie bewertet die Bundesregierung diesen Angriff?
Wagner (AA)
Dazu haben wir uns gestern schon auf der Plattform X eingelassen. Ich kann das hier gern wiederholen. Es ist völlig klar, dass humanitäre Helferinnen und Helfer niemals Opfer von Raketenangriffen werden dürfen. Dass dabei sechs UNRWA-Mitarbeiter ums Leben gekommen sind, ist völlig inakzeptabel. Natürlich ist es Aufgabe der israelischen Armee, bei ihrem Vorgehen gegen die Terroristen der Hamas UN-Personal und humanitäre Helferinnen und Helfer zu schützen. Insofern erwarten wir auch von der israelischen Armee, dass dieser Vorfall aufgeklärt wird und dass dann, wo notwendig, Konsequenzen gezogen werden.
Sie haben wahrscheinlich auch zur Kenntnis genommen, dass die Israelis angegeben haben, dass unter diesen UNRWA-Mitarbeitern auch Hamas-Mitarbeiter gewesen seien. UNRWA hat solche Vorwürfe in der Vergangenheit immer akribisch aufgearbeitet und ist ihnen nachgegangen. Das erwarten wir natürlich auch in diesem Fall.
Zusatzfrage
UN-Generalsekretär António Guterres hat diesen Angriff als inakzeptabel bezeichnet, ähnlich Herr Borrell, der EU-Außenbeauftragte. Guterres hat sofortige Aufklärung der Vorwürfe gefordert.
Muss das nach Lage der Dinge nicht zwangsläufig internationale Aufklärung bedeuten? Setzt sich die Bundesregierung für internationale Aufklärung ein, oder vertraut sie darauf, dass Israel das selbst schon hinreichend aufklären wird?
Wagner (AA)
Ich habe hier gerade dieselben Worte wie Herr Guterres gewählt, wenn ich mich recht erinnere. Die Vorwürfe müssen aufgeklärt werden, und das muss nun in erster Linie die israelische Armee machen.