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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 09.09.2024

09.09.2024 - Artikel

Ausreise des venezolanischen Oppositionskandidaten Edmundo González Urrutia nach Spanien

Frage

Herr Wagner, ich wollte Sie nach einer Stellungnahme zu der Ausreise des venezolanischen Oppositionskandidaten Edmundo González Urrutia nach Spanien fragen. Gibt es eine Reaktion darauf?

Wagner (AA)

Die gibt es. ‑ Das ist natürlich erst einmal ein herber Rückschlag für die Demokratie in Venezuela. Wir haben uns gestern auch schon dazu eingelassen und gesagt: In einer Demokratie sollte niemand, keine Politikerin und kein Politiker, gezwungen sein, ins Asyl zu flüchten. Insofern sind unsere Forderungen da sehr klar: Wir fordern die venezuelischen Behörden weiter zu einem Ende des gewaltsamen Vorgehens gegenüber der Opposition auf, und wir fordern dazu auf, die Rechte der demokratischen Teilhabe wiederherzustellen.

Zusatzfrage

Gab es in Deutschland einen Antrag von Herrn González Urrutia?

Wagner (AA)

Darüber möchte ich hier nicht spekulieren. Sie haben ja die Berichte darüber gesehen, wo sich Herr González jetzt aufhält; insofern ist das, glaube ich, eine Frage, die man an Spanien richten müsste.

Aber noch einmal allgemein: Ich glaube, der ganze Vorgang ist schon ein sehr herber Rückschlag für die Demokratie in Venezuela.

Zusatzfrage

Spanien sagt, es werde sich für Dialog und Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition einsetzen. Könnte sich Deutschland das auch vorstellen?

Wagner (AA)

Wir haben ja immer wieder betont, dass es jetzt erst einmal die Veröffentlichung der Wahlergebnisse in Venezuela braucht, die man sich überprüfbar und unabhängig anschauen muss. Das muss ja sozusagen die Voraussetzung dafür sein, wie der demokratische Prozess in Venezuela weitergeht.

Zusatzfrage

Eine letzte Frage vielleicht an Herrn Hebestreit: Hält Deutschland Venezuela für eine Diktatur?

Hebestreit (BReg)

Ich bin immer sehr vorsichtig damit, so etwas freihändig von dieser Stelle aus zu diagnostizieren oder kundzutun. Insofern würde ich einfach auf das, was wir ja vielfach zum Thema Venezuela und auch zum dortigen Wahlprozess gesagt haben, verweisen, und dann ergibt sich daraus vielleicht die Antwort ein bisschen von selbst.

Nahostkonflikt

Frage

Zum Nahen Osten; ich probiere es einmal bei Herrn Wagner: Der kanadische UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Herr Fakhri, hat in seinem neuen Bericht Israel vorgeworfen, eine Aushungerungskampagne in Gaza zu betreiben, also die Menschen mit Vorsatz der Hungersnot auszusetzen. Was sagen Sie zu diesem Bericht? Passen diese Erkenntnisse zu den Erkenntnissen der Bundesregierung?

Wagner (AA)

Ich kenne den Bericht jetzt tatsächlich nicht. Deshalb kann ich mich jetzt auch nicht direkt auf ihn berufen. Aber ich gehe dem gerne noch einmal nach.

Ich kann aber natürlich grundsätzlich noch einmal sagen ‑ das wird Sie jetzt aber wenig überraschen ‑, dass wir natürlich wahnsinnig besorgt über die Lage in Gaza sind und uns deshalb ja auch dafür einsetzen, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hereinkommt. Das schließt ja ausdrücklich auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln ein. Sie haben ja vielleicht mitbekommen, dass die Außenministerin letzte Woche auch in Jordanien war. Dort haben wir auch noch einmal über den jordanisch-deutschen Hilfskorridor gesprochen. Wir unterstützen Jordanien ja dabei, sozusagen einen permanenten Fluss an Hilfs-Lkw nach Gaza auf die Beine zu stellen. Ich glaube, das sind mittlerweile 120 Lkw pro Woche, es sollen aber mehr als 350 werden. Das tun wir natürlich auch in anderen Ecken, so in unserer Unterstützung für internationale Organisationen, für internationale Nichtregierungsorganisation, um die dabei zu unterstützen, humanitäre Hilfe nach Gaza zu bekommen. Ein wichtiger Aspekt dessen ist natürlich auch unser Kontakt zu der israelischen Regierung, die ja da ein ganz wichtiger Akteur ist, weil man die humanitäre Hilfe nur dann in substanziellen Umfang hereinbekommen wird, wenn eben Grenzübergänge offen sind, wenn dort schnell abgewickelt wird und wenn sichergestellt wird, dass die Hilfe dann auch in Gaza verteilt werden kann.

Zusatzfrage

Ich fragte jetzt nach Aushungern und Hungerstod, weil der Kanzler ja neben Herrn Netanjahu gestanden hat und das ja selbst eingebracht hat. Darum dachte ich, dass Sie auch eigene Erkenntnisse zum Thema “starvation” haben. Das ist ja auch ein Kriegsverbrechen.

Kommt denn, jetzt konkret gefragt, Israel seinen internationalen Verpflichtungen in Sachen Nahrung nach? Sie hatten uns ja im Frühjahr immer wieder einmal Zahlen dazu genannt, wie viele Tonnen gerade hereinkommen und wie viele eigentlich hereinkommen müssten. Gerade jetzt, nach der IGH-Entscheidung im Frühjahr, in der der IGH ja noch einmal gesagt hat, Israel müsse das zulassen, frage ich: Kommen sie diesen Verpflichtungen nach?

Wagner (AA)

Ich habe leider keine aktuellen Zahlen, die ich Ihnen hier jetzt darbieten kann. Aber es ist ganz klar, und da gebe ich Ihnen recht: Es gibt klare internationale Verpflichtungen ‑ die ergeben sich aus dem Völkerrecht ‑, an die sich Israel halten muss. Die gelten für die israelische Armee bei ihrem Vorgehen in Gaza, und ‑ ‑ ‑

Zuruf

Halten sie sich daran?

Wagner (AA)

Deshalb tun wir ja das, was ich gerade dargelegt habe, nämlich dafür zu sorgen, dass noch mehr humanitäre Hilfe nach Gaza kommt. Ich glaube, wir brauchen hier gar nicht darum herumzureden: Die Lage in Gaza ist katastrophal. Da muss wesentlich mehr getan werden. Dahingehend, dabei Fortschritte zu erzielen, setzen wir unser ganzes Gewicht ein.

Frage

Sie haben eben die Reise der Außenministerin nach Jordanien erwähnt. Es war ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, als der jordanische Außenminister bei der gemeinsamen öffentlichen Erklärung dann Deutschland sehr ausführlich und sehr tiefgreifend kritisiert hat und die Außenministerin direkt adressiert hat. Er sagte, die Unterstützung der israelischen Regierung würde Deutschlands Ansehen in der Welt schwächen und würde auch die Sicherheitslage Israels schwächen. Er forderte dann im Folgenden Deutschland auf, diese Regierung zu sanktionieren. Das war, wie gesagt, ein ungewöhnlich deutlicher Vorgang. War der Außenministerin vorab bekannt, dass es eine solche scharfe öffentliche Kritik geben würde?

Wagner (AA)

Ich nehme an, Sie kennen den Inhalt dieser Pressekonferenz vor allen Dingen aus den Videos, die Sie darüber gesehen haben. Ich war tatsächlich im Raum und habe auch der Gänze der Ausführungen des jordanischen Außenministers, der ja ein sehr enger Partner von uns ist, gelauscht. Er hat Deutschland auch für die tiefe Partnerschaft und die enge Kooperation gedankt, die wir in diesem Konflikt haben. Aber vollkommen zu Recht, glaube ich, ist das Ausdruck einer großen Frustration, dass es nicht vorangeht, dass man nicht vorankommt. Ich glaube, das spielt sowohl auf die humanitäre Lage in Gaza an, hat aber auch, glaube ich, mit den jüngsten Entwicklungen im Westjordanland zu tun, die ja sehr besorgniserregend sind. Dem hat er dort Ausdruck verliehen. Aber ich kann Ihnen auch versichern, dass die Abstimmung und die Koordination mit Außenminister Safadi sehr eng ist und wir eng zusammenarbeiten.

Im Übrigen, glaube ich, muss man schon auch noch einmal unterstreichen, dass es nach wie vor so ist, dass es mehr als 100 Geiseln in Gaza gibt, die die Hamas, die eine Terrororganisation ist, festhält und deren Leben bedroht. Insofern war ja ein wichtiger Aspekt der Reise der Außenministerin in der letzten Woche, auch zu schauen, wie wir jetzt schnellstmöglich gewährleisten können, dass diese Geiseln freikommen, und welcher Weg dahin zielführend ist.

Zusatzfrage

Deswegen, weil wir im Gegensatz zu Ihnen nicht das Privileg der völlig uneingeschränkten Information über den Ablauf der gesamten PK haben, fragen wir ja! – Noch einmal: Wird das, was der Außenminister dann aber tatsächlich von Deutschland forderte, nämlich diese israelische Regierung unter Netanjahu und rechtsradikalen Bündnispartnern zu sanktionieren, in irgendeiner Weise von der Bundesregierung aufgenommen und in Überlegungen übersetzt?

Wagner (AA)

Dazu hat sich die Außenministerin ja eben in jener besagten Pressekonferenz und dann aber auch noch einmal bei ihrem Pressestatement in Tel Aviv ausführlich eingelassen. Auf diese Äußerungen würde ich Sie verweisen.

Ich kann aber sagen: Es ist ja so, dass wir die Sorge über die Entwicklung im Westjordanland teilen. Es ist ein gravierendes Problem, dass es dort gewalttätige Siedler gibt, dass die Siedlungspolitik, die ja völkerrechtlich illegal ist, weiter betrieben wird. Das ist etwas, das wir nicht nur gegenüber der israelischen Regierung thematisieren, sondern wir haben ja zum Beispiel auch auf EU-Ebene ganz wesentliche Sanktionen gegen gewalttätige Siedler vorangetrieben. Insofern ist es ja nicht so, dass wir da nicht handeln würden. Das Thema beschäftigt uns natürlich weiter.

Die Außenministerin hat sich dazu, wie gesagt, länglich geäußert. Deshalb würde ich Sie jetzt auf die Äußerungen der Außenministerin verweisen.

Frage

Ich habe noch zwei Fragen. Warum bleibt die Bundesregierung eigentlich dabei, lediglich auf die Illegalität der israelischen Siedlungen in der Westbank hinzuweisen und nicht auf die Illegalität der Besatzung als solche? Das wissen wir ja jetzt.

Wagner (AA)

Was heißt „Warum bleibt die Bundesregierung dabei?“? Ich glaube, wir haben uns immer unzweideutig dazu eingelassen. Ich glaube, ich habe an dieser Stelle auch gesagt, dass die Besatzung natürlich beendet werden muss. Das ist ja in dem Term Besatzung angelegt. Eine Besatzung ist völkerrechtlich ja auch etwas, das temporär ist. Nun ist es aber so, dass das ja ‑ das ist in den Osloer Abkommen ja auch angelegt ‑ mit einer Zweistaatenlösung einhergehen muss. Für diese Zweistaatenlösung, die ja die einzige ist, die am Ende gewährleisten wird, dass Israel und Palästinenser sozusagen in Frieden, Würde und Sicherheit Seite an Seite leben können, setzen wir uns weiterhin mit Nachdruck ein.

Zusatz

Der Hintergrund ist das Gutachten aus Den Haag, das ja besagt, die Besatzung sei illegal, und darum müsse die Besatzung ohne Verhandlungen sofort beendet werden. Das ist ja etwas anderes als das, was die Bundesregierung gesagt hat.

Wagner (AA)

Wenn ich das Gutachten richtig gelesen habe, dann besagt es das nicht. Schauen Sie noch einmal auf den Wortlaut.

Zusatzfrage Jung

Das hatten wir hier sogar als Thema. – Können Sie noch etwas zu den israelischen Angriffen in Syrien in der letzten Nacht sagen?

Wagner (AA)

Dazu habe ich jetzt keine Erkenntnisse, die ich hier mit Ihnen teilen kann.

Ich kann aber noch einmal auf den Aspekt verweisen, den Sie vorher angesprochen haben, nämlich dass, wenn ich den IGH-Wortlaut richtig in Erinnerung habe, darin „sobald wie möglich“ oder “as soon as possible” gesagt wurde; das ist die Formulierung. Insofern stellt das ja auch darauf ab, dass es gewisse politische Entwicklungen geben muss, damit das gegeben ist.

Frage

Herr Wagner, ich habe zwei Fragen zum Westjordanland. Das israelische Militär hat am Wochenende eine amerikanisch-türkische Friedensaktivistin erschossen. Ich hätte gerne eine Reaktion dazu.

Der israelische Premierminister stand letzte Woche am Freitag vor einer Landkarte Israels, auf der das Westjordanland zu Israel gezählt wurde. Das heißt, de facto ist er jetzt gegen eine Zweistaatenlösung, weil die nur Sinn ergibt, wenn das Westjordanland Teil eines unabhängigen palästinensischen Staates ist. Dazu hätte ich auch gerne eine Stellungnahme.

Wagner (AA)

Die Karte, die wir da hinter dem israelischen Premierminister bei einer Pressekonferenz gesehen haben, ist inakzeptabel. Ich habe ja eben noch einmal gesagt: Für die Bundesregierung ist die Zweistaatenlösung der Weg, den Nahostkonflikt zu lösen.

Was den Vorgang in Bezug auf die Aktivistin angeht, die da getötet wurde, ist das ein ganz schrecklicher Vorgang, der aufgeklärt werden muss. Da steht die israelische Armee, da steht die israelische Regierung in der Verantwortung.

Lassen Sie mich, auch wenn es jetzt nicht angesprochen wurde, auch noch einmal in aller Schärfe den Terroranschlag am Allenby-Grenzübergang verurteilen, den es ja am Wochenende gab.

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