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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 31.07.2024

31.07.2024 - Artikel

Reise der Bundesaußenministerin nach Paris

Fischer (AA)

Guten Morgen! Ich habe zunächst eine Reiseankündigung für Sie. Außenministerin Baerbock wird am 1. und 2. August nach Paris reisen. Die Ministerin wird dort den französischen Außenminister zu einem politischen Gespräch treffen. Im Mittelpunkt wird sicherlich die gefährlich zugespitzte Lage im Nahen Osten stehen. Zudem wird es um den Krieg in der Ukraine und um europäische Fragen gehen. Uns ist in diesen Zeiten besonders wichtig, uns kontinuierlich und eng mit unseren französischen Freundinnen und Freunden abzustimmen. Vor diesem Hintergrund ist dieses Gespräch zu sehen.

Die Ministerin wird sich in Paris zudem mit deutschen Olympiasportlerinnen und ‑sportlern treffen. Sie wissen ja, im Rahmen ihrer Deutschlandreise hat sie bereits gestern den Bundesstützpunkt Leverkusen besucht und sich dort mit Paralympics-Athletinnen und ‑Athleten ausgetauscht. Diesen Austausch mit deutschen Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern wird die Ministerin nun in Paris fortsetzen. Zudem wird sie einzelne Sportwettbewerbe besuchen.

Mit ihrem Besuch möchte die Ministerin die Unterstützung der Bundesregierung für die deutschen Olympiasportlerinnen und ‑sportler und die Wertschätzung für unseren engsten Freund und Partner in Europa, Gastgeber Frankreich, zum Ausdruck bringen. Außerdem möchte sie im europäischen Sportsommer auch ein Zeichen dafür setzen, dass Europa ein großartiger Austragungsort für Sportgroßereignisse ist. Die Ministerin drückt natürlich dem deutschen Olympiateam weiterhin fest die Daumen.

Frage

Mich würde interessieren, weil Herr Séjourné, der Außenminister, ja eigentlich ein Außenminister auf Abruf ist, wie in diesen Gesprächen damit umgegangen wird. Kann dabei überhaupt etwas Nennenswertes entschieden werden? Wie viel Entscheidungsgewalt liegt noch beim französischen Außenministerium?

Fischer (AA)

Es ist korrekt, dass der französische Außenminister geschäftsführend im Amt ist. Aber natürlich findet Außenpolitik weiter statt, auch französische Außenpolitik findet weiter statt. Erst gestern haben wir wichtige Bekanntmachungen aus Frankreich verfolgen können. Insofern: In all den Belangen, die uns betreffen, ist die französische Regierung, ist der französische Staat, einschließlich des Präsidenten, außen- und sicherheitspolitisch natürlich weiterhin handlungsfähig.

Cyberangriff auf das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie im Jahr 2021

Fischer (AA)

Dann habe ich noch ein zweites Thema. Ich möchte die Attribuierung eines Cyberangriffs vornehmen. Im Jahr 2021 hat es einen schweren Cyberangriff auf das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie gegeben. Heute wissen wir, dass staatlich gesteuerte chinesische Cyberakteure zu Spionagezwecken das Netzwerk des BKG infiltriert haben. Der Angriff hat sich gegen eine staatliche Struktur gerichtet, die eine wichtige Funktion für eine Vielzahl staatlicher und privatwirtschaftlicher Einrichtungen auch im KRITIS-Bereich wahrnimmt. Wir konnten dies im Rahmen eines nationalen Attribuierungsverfahrens auf Grundlage einer gründlichen technischen Analyse feststellen. Die Verantwortlichkeit können wir chinesischen staatlichen Akteuren zuordnen. Dazu liegen uns belastbare Informationen unserer Nachrichtendienste vor.

Die Bundesregierung verurteilt den Cyberangriff staatlich gesteuerter chinesischer Akteure gegen das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie auf das Schärfste. Die Bundesregierung fordert China auf, derartige Handlungen zu unterlassen und zu unterbinden. Der chinesische Botschafter ist einbestellt.

Gemeinsam mit unseren Partnern treten wir derartigen Cyberaktivitäten, die sich gegen Deutschland richten, entschieden entgegen. Wir treten gemeinsam mit unseren Partnern für verantwortliches und regelbasiertes Verhalten im Cyberraum und für die Einhaltung internationaler Cybernormen ein. Das chinesische Agieren steht im Widerspruch dazu.

Kall (BMI)

Ich kann vielleicht für das BMI und die Sicherheitsbehörden ergänzen. Auch das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie gehört zum Geschäftsbereich des BMI. Insofern waren wir intensiv damit befasst.

Für die Cyber- und Spionageabwehr innerhalb Deutschlands und die Durchführung solcher umfassenden Untersuchungen, Analysen und Ermittlungen ist primär das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig, das hier gemeinsam mit unserer Cybersicherheitsbehörde, dem BSI, sehr intensiv ermittelt und diesen Angriff analysiert hat. Das Ergebnis, auch natürlich unter Einbeziehung weiterer Behörden, weiterer Partner, ist das, was Herr Fischer gerade vorgetragen hat.

Die Sicherheitsbehörden haben diesen Cyberangriff, der jetzt staatlichen chinesischen Akteuren zuzuordnen ist, sehr umfassend untersucht. Dabei sind sogenannte Verschleierungsnetzwerke genutzt worden. Das heißt, die Angreifer kompromittierten Endgeräte von Privatpersonen und Unternehmen, um durch diese verschleierten Systeme dann Zugriff auf das System des BKG zu bekommen. Dadurch waren Teilnetzwerke des BKG betroffen. Diese Angriffe konnten vollständig gestoppt werden. Auch konnte sichergestellt werden, dass die Angreifer nicht mehr auf das System des BKG zugreifen können. Es sind natürlich auch umfassende Schutzmaßnahmen, vor allen Dingen zusammen mit dem BSI, getroffen worden, damit sich solche Angriffe möglichst nicht wiederholen.

Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie ist nicht die bekannteste Bundesbehörde im Geschäftsbereich des BMI, aber eine sehr wichtige, weil sie bundesweit für Behörden, für Betreiber kritischer Infrastrukturen, für Geoinformationssysteme amtliche Geodaten zur Verfügung stellt. Sie ist insofern eine sehr wichtige Behörde und ein sehr wichtiger Informationsdienstleister für Geodaten und dadurch offenbar auch zum Angriffsziel geworden. Aus Sicht der Bundesinnenministerin, die sich natürlich auch noch äußern wird, zeigt dieser schwere Cyberangriff die Gefahr durch chinesische Spionage und chinesische Cyberattacken.

Sie finden dazu sehr umfassende Ausführungen im aktuellen Verfassungsschutzbericht, den die Bundesinnenministerin gerade erst hier zusammen mit dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Herrn Haldenwang, im Juni vorgestellt hat, sowohl zu chinesischer Spionage als auch zu chinesischen Cyberattacken und der Entwicklung der letzten Monate und der letzten ein, zwei Jahre. Wie gesagt: Dazu gibt es sehr umfassende Ausführungen im Verfassungsschutzbericht.

Vor der Nutzung von Verschleierungsnetzwerken durch verschiedene chinesische sogenannte APT-Gruppierungen, also Angreifer-Netzwerke-Gruppierungen, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz auch im vergangenen Jahr gewarnt. Insbesondere im Bereich der Wirtschaft und der kritischen Infrastrukturen, aber auch im Bereich der Behörden hat es genau vor solchen Szenarien gewarnt und gemeinsam mit dem BSI Empfehlungen gegeben, wie man sich vor solchen Angriffen schützen kann.

So viel vielleicht für den Moment.

Frage

Können Sie etwas sagen, notfalls auch „unter drei“, inwieweit sicherheitsrelevante Daten abgezogen wurden und wie da der Schaden ist?

Kall (BMI)

Wir sprechen von einem schweren Cyberangriff. Wie er stattgefunden hat und dass auf Teile der Netzwerke des BKG Zugriff bestand, das habe ich ja beschrieben. Näheres nennen wir „unter 1, 2 oder 3“ nicht, weil das natürlich Rückschlüsse auf die Angriffsweisen und auch die möglichen abgeschöpften Daten durch Angriffsgruppierungen zulässt. Sie sehen ja auch an der Dauer der Ermittlungen und der Attribuierung, die jetzt stattgefunden hat, wie umfassend das untersucht wurde.

Frage

Herr Fischer, Sie haben von chinesischen staatlichen Stellen gesprochen. Können Sie ein bisschen konkretisieren, wer genau das ist?

Fischer (AA)

Das werde ich nicht weiter konkretisieren. Ich glaube, das ist deutlich genug.

Frage

Herr Fischer, Sie sagten, der Angriff war 2021, ist dann aber abgeschlossen gewesen. Nach 2021 gab es also keinen Zugriff mehr?

Fischer (AA)

Nach meiner Kenntnis fand der Vorfall 2021 statt.

Kall (BMI)

Ich kann noch ergänzen, dass auch aus Sicht der Sicherheitsbehörden, die das untersucht haben, als gesichert gelten kann, dass der Akteur erfolgreich aus den Netzwerken des BKG wieder ausgeschlossen werden konnte.

Frage

Warum dauert es drei Jahre, die Untersuchung durchzuführen?

Kall (BMI)

Dazu finden sehr umfassende Ermittlungen der Sicherheitsbehörden statt. Darauf beruht das Attribuierungsverfahren, wofür das Auswärtige Amt dann zuständig ist.

Frage

Eine Frage an das Innenministerium: Gibt es ähnliche Fälle, die momentan untersucht werden, bei denen man möglicherweise auch noch chinesische Angriffe vermutet?

An Herrn Fischer eine Wissensfrage: Wie oft wurde in der Vergangenheit der chinesische Botschafter einbestellt? Ist das ein singulärer Vorgang, oder ist das in der Vergangenheit schon öfter passiert? Ich habe keinen Überblick darüber. Ich weiß nicht, ob Sie den haben.

Kall (BMI)

Zu der ersten Frage: Natürlich werden weitere Vorfälle untersucht und gibt es eine angespannte Bedrohungslage im Bereich der Cybersicherheit und Vorfälle. Aber wir ordnen die erst zu, wenn sorgfältige und umfassende Ermittlungen sowie technische Analysen stattgefunden haben, wie es sie jetzt in diesem Fall gab. Sie wissen, die letzte Attribuierung, die hier vorgenommen wurde, war die Angriffskampagne gegen die SPD und diverse weitere. Das war, glaube ich, Anfang Mai.

Fischer (AA)

Was Ihre Frage betrifft: Der chinesische Botschafter wurde zuletzt 1989 nach der Niederschlagung des Aufstands am Tian’anmen-Platz einbestellt.

Frage

Ich habe, davon ausgehend, noch eine weitergehende Frage. Während des Kalten Krieges war es ja üblich, öffentlich zugängliche Karten nicht mit denselben Informationen zu spicken wie die internen, also bestimmte Sachen auszuschließen, beispielsweise die Infrastruktur. Wäre es eine Möglichkeit, diese Sachen, diese Praxis wieder einzuführen, oder ist das im Zeitalter von Satelliten überflüssig?

Kall (BMI)

Ich empfehle Ihnen, sich direkt an das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie zu wenden, die ja, was Geoinformationssysteme angeht, die Expertinnen und Experten in Deutschland sind.

Ihre historische Frage kann ich von hier aus nicht beantworten. Aber Aufgabe des BKG ist es gerade auch, öffentlich verlässliche Geodaten zur Verfügung zu stellen und sie auch sehr vielen Dienstleistern zur Verfügung zu stellen, die sie dann webbasiert in diversen Geoinformationssystemen aufbereiten.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Fischer, Herr Büchner, die Frage geht an Sie: Wie bewerten Sie jetzt die Lage im Nahen Osten nach dem Schlag gegen die Hisbollah durch Israel und dem Tod des Hamas-Führers in Teheran?

Büchner (BReg)

Wir haben die Meldung zur Kenntnis genommen, dass der Chef des Hamas-Politbüros im Iran getötet wurde. Die Bundesregierung hat dazu keine eigenen Erkenntnisse und kann sich daher auch nicht im Einzelnen dazu einlassen.

Klar ist aber, dass sich die gesamte Region in einer äußerst gefährlichen Lage befindet und niemand daran Interesse haben kann, diese weiter anzufeuern. Sie wissen, dass die Bundesregierung mit ihren Partnern alles unternimmt und alle diplomatischen Kanäle nutzt, um eine Eskalation und einen regionalen Flächenbrand zu verhindern. Diese Bemühungen werden wir sicher auch noch weiter verstärken.

Fischer (AA)

Es ist essenziell, dass eine weitere Eskalation und ein regionaler Flächenbrand verhindert werden. Wir rufen alle Akteure zu maximaler Zurückhaltung auf. Die Logik gegenseitiger Vergeltungsschläge ist ein Irrweg. Es gilt jetzt vor allen Dingen, einen kühlen Kopf zu behalten und mit kühlem Kopf zu reagieren; denn die überaus angespannte Lage im Nahen Osten darf auch im Interesse der Menschen dort nicht weiter eskalieren. Auch deshalb setzen wir unsere Bemühungen um eine Deeskalation mit Hochdruck fort.

Frage

Noch eine Frage an das BMI: Inwieweit wird der Schutz jüdischer Einrichtungen in Deutschland verstärkt?

Kall (BMI)

Der ist ja nach dem 7. Oktober, nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel, stark erhöht worden. Das gilt auch weiterhin. Dabei schauen die deutschen Sicherheitsbehörden natürlich immer auf die Lage im Nahen Osten und wissen, dass sich Eskalationen im Nahen Osten auch auf die Sicherheitslage, auf sogenannte Resonanzstraftaten und auf das Versammlungsgeschehen in Deutschland auswirken können.

In den Großstädten, gerade in Berlin, gibt es nach wie vor viele Demonstrationen, insbesondere aus dem propalästinensischen Spektrum. Es ist für die Berliner Polizei sicherlich ein sehr großer Kraftakt, damit immer wieder umzugehen. Vor allen Dingen die Polizeibehörden der Länder treffen Schutzmaßnahmen für jüdische und israelische Einrichtungen, passen sie immer der Lage an ‑ wenn sich eine Gefährdung weiter erhöht, wird auch der Schutz weiter erhöht ‑ und müssen auch das gesamte Versammlungsgeschehen bewältigen. Dabei bekommen sie auch immer wieder Unterstützung von Einheiten der Bundespolizei, aber primär sind es die Länder. Ihnen gebührt großer Dank dafür, dass seit dem 7. Oktober so umfassende Schutzvorkehrungen getroffen werden.

Frage

Herr Fischer, der Iran sieht ja Israel für diesen Angriff verantwortlich, auch wenn Israel das nicht zugegeben hat. Aber so ein Angriff war ein großer logistischer Angriff. Der Iran hat auch gesagt, dass er Vergeltung üben wird.

Eine zweite Frage in diesem Zusammenhang: Glauben Sie, dass dieser Angriff, der ja wirklich ein massiver Angriff war, jetzt die Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel noch weiter erschweren wird?

Fischer (AA)

Ich werde jetzt sicherlich nicht für Israel sprechen, wer die Verantwortung trägt und ob Israel sie trägt. Das müssten Sie schon die israelische Regierung fragen. Ich werde jetzt auch nicht spekulieren, weil wir noch nicht ganz genau wissen, was eigentlich abgelaufen ist. Wir wissen aus den Bestätigungen der Hamas und des Iran, dass der Hamas-Führer Hanija bei dem Angriff getötet worden ist. Aber Näheres kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.

Was ich gerade schon gesagt habe: Es muss jetzt darum gehen, einen kühlen Kopf zu behalten und alles dafür zu tun, zu deeskalieren. Auch die Chance auf ein Geiselabkommen und einen Waffenstillstand in Gaza darf jetzt nicht verspielt werden. Dass die Verhandlung möglicherweise jetzt nicht einfacher geworden ist, ist vermutlich nicht falsch. Gleichzeitig gilt es jetzt umso mehr, darauf hinzuwirken, dass es für die Menschen in Gaza zu einem Waffenstillstand kommt und dass die Geiseln, die noch immer unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden, bald freikommen. Deshalb unser Appell an alle Beteiligten, jetzt schnell ein Abkommen über einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln zu schließen.

Zusatzfrage

Herr Fischer, hat der Iran das Recht, Vergeltung nach diesem Angriff zu üben? Gestehen Sie dem Iran dieses Recht zu?

Fischer (AA)

Wie ich schon sagte: Wir wissen ja noch nicht einmal, was genau passiert ist und wer den Angriff ausgeübt hat. Daher würde ich mich jetzt mit Schlussfolgerungen sehr zurückhalten. Im Übrigen ist es ja so ‑ das wissen wir auch ‑, dass der Iran eine Reihe von terroristischen Organisationen in der Region unterstützt, ausbildet, berät und zu einem gewissen Grad auch lenkt. Dazu gehört die terroristische Hisbollah im Libanon. Dazu gehören die Huthi im Jemen, die immer wieder auch Israel angreifen, aber besonders auch die internationale Schifffahrt und ‑ das haben wir hier schon einmal erwähnt ‑ die besonders in den letzten Wochen ihre Angriffe noch einmal gesteigert haben. Dazu gehören Milizen in Syrien und im Irak.

Frage

Herr Fischer, Sie sprachen gerade von einem Ruf nach kühlen Köpfen. Es sind ja wohl eher hitzige Köpfe, die eine Eskalation auslösen. Inwieweit können sich diese hitzigen Köpfe im Nahen Osten denn nach wie vor auf die deutsche Staatsräson, inzwischen 16 Jahre alt, verlassen, also auf die Generalaussage, für die Existenz und Sicherheit Israels zu sorgen, sie zu gewährleisten? Ist das, was da an gezielten Tötungen, an präventiven Tötungen und an Bombardierungen fremder Länder zusammenkommt ‑ da ist jetzt ein bisschen Meinung drin, aber ich hoffe nicht allzu viel ‑, überhaupt noch mit dem Inhalt der deutschen Staatsräson kompatibel?

Fischer (AA)

Ich hoffe nicht, dass Sie hier gerade das Existenzrecht Israels infrage gestellt haben.

Zusatz

Nein, nein.

Fischer (AA)

Deutschland steht zur Existenz und Sicherheit Israels. Was die Frage der Staatsräson angeht, da würde ich Sie auf die Herzliya-Rede der Ministerin verweisen, in der sie die deutsche Position zu diesem Thema ausbuchstabiert hat. Das können Sie auf unserer Webseite nachlesen.

Zusatzfrage

Ich meinte mehr die Gedanken, die dieser Tage Kenneth Ross von der Organisation Human Rights Watch in einem bemerkenswerten Interview im Deutschlandfunk dargelegt hat. Stellt man sich bei Ihnen im Kanzleramt gar keine Fragen zur Gültigkeit dieser 16 Jahre alten verdienstvollen Staatsräson?

Fischer (AA)

Wie gesagt: Die Ministerin hat sich erst vor Kurzem in Israel zu diesem Thema geäußert und sehr differenziert dargestellt, dass wir zur Sicherheit und zur Existenz des Staates Israels stehen. Gleichzeitig sind für uns Menschenrechte und Völkerrecht natürlich eine andere Grundlage deutscher Außenpolitik. Sie hat sehr genau dargelegt, wie beides zusammenkommt, und sich, wie gesagt, zur Existenz Israels und zur Sicherheit des Landes bekannt. Sie hat gleichzeitig darauf hingewiesen, dass zum Beispiel bei dem Recht auf Selbstverteidigung, das Israel im Gazastreifen ausübt, das humanitäre Völkerrecht gilt und auch zu beachten ist. Sie hat sich auch sehr deutlich zu den extremistischen Siedleraktivitäten beispielsweise im Westjordanland geäußert. Insofern finde ich Ihre Frage ein wenig unterkomplex, wenn ich das so sagen darf.

Frage

Herr Fischer, eine Lernfrage: Wie steht die Bundesregierung grundsätzlich zur gezielten Tötung, unabhängig davon, ob es jetzt Israel war oder nicht? Was ist die Politik der Bundesregierung?

Fischer (AA)

Wir müssten erst einmal definieren, was eine gezielte Tötung ist.

Zusatz

Es wurden Führer von Hamas und Hisbollah innerhalb von 48 Stunden getötet. Das ist eine gezielte Tötung.

Fischer (AA)

Das ist jetzt Ihre Behauptung.

Zusatzfrage

Wie ist denn Ihre Politik? Sie müssen doch eine Politik haben. Wenn Israel eine explizite Tötung macht, ist das für Sie akzeptabel, oder ist das nicht akzeptabel? Sie müssen doch dazu Stellung nehmen können.

Fischer (AA)

Ich glaube, das kann man jetzt nicht im Abstrakten diskutieren. Das, was ich dazu zu sagen habe, habe ich gerade gesagt.

Frage

Können Sie vielleicht darstellen, inwiefern man sich jetzt schon mit EU-Partnern speziell zu diesem Fall ausgetauscht hat, welche Maßnahmen man ins Auge fasst, um eine Eskalation zu verhindern, und ob sich der Kanzler in seinem Urlaub auch an der Diplomatie beteiligt?

Büchner (BReg)

Wie Sie wissen, ist der Bundeskanzler immer im Dienst und selbstverständlich über alle diese Themen informiert. Darüber hinaus gilt, dass wir uns mit unseren Partnern in der EU und darüber hinaus intensiv über alle aktuellen sicherheitspolitischen Fragen austauschen.

Fischer (AA)

Von meiner Seite kann ich sagen, dass die Außenministerin und das Auswärtige Amt in engstem Kontakt mit unseren Partnern in der Europäischen Union, aber auch den Vertreterinnen und Vertretern in der Region des Nahen Ostens stehen. Wir haben hier schon am Montag darüber gesprochen, dass erst am Wochenende ein Telefonat mit dem iranischen Außenminister stattgefunden hat. Seitdem hat es diverse Kontakte mit Akteuren in der Region gegeben. Ich habe Ihnen angekündigt, dass sich die Außenministerin morgen mit ihrem französischen Kollegen abstimmen wird. Wenn Sie so wollen: Die Diplomatie läuft auf Hochtouren. Unser gemeinsames Ziel ist es, dazu beizutragen, die Lage zu deeskalieren, sowohl im EU- als auch im G7-Rahmen.

Frage

Das UN-Menschenrechtsbüro hat Israel beschuldigt, dass es Gefangene massiv foltert ‑ es gab eine Vergewaltigung eines männlichen Gefangenen ‑ und dass die Gefangenen, wie die UN gesagt hat, weiterhin in einem erbärmlichen Zustand sind. Ich bitte um eine Reaktion dazu.

Fischer (AA)

Wir haben dieses Thema schon in der Vergangenheit ein paarmal hier angesprochen. Die Ministerin ist bereits in der Herzliya-Rede, die ich vorhin erwähnt habe, auf dieses Thema eingegangen und hat sich eindeutig positioniert. Sie hat dieses Thema auch in den bilateralen Gesprächen immer wieder angesprochen und dabei klargemacht, dass es internationale Standards zur Behandlung von Gefangenen gibt, an die sich die israelische Regierung halten muss, dass diese Vorwürfe dringend aufgearbeitet und aufgeklärt gehören und dass palästinensische Gefangene mit Respekt für ihre Menschenwürde zu behandeln sind. Wir fordern von Israel ‑ auch das haben wir hier schon häufiger erwähnt ‑, den Zugang zu Gefangenen zu gewährleisten, etwa durch das IKRK, und auch ein Ende der sogenannten Administrativhaft.

Wenn ich kurz aus der Herzliya-Rede der Bundesaußenministerin zitieren darf:

„Ich muss zugeben – gerade mit diesem Wissen um Israels demokratische Stärke finde ich bestimmte Berichte so verstörend: Die Vorwürfe der Misshandlung von Gefangenen aus Gaza, nicht nur im Lager Sde Teiman. Berichte, wie extremistische Siedler im Westjordanland Palästinenser brutal aus ihren Häusern vertreiben, viel zu oft, ohne angemessen strafrechtlich verfolgt zu werden.“

Frage

Ihre Befürchtung zu Unterbrechungen oder längeren Pausen bei den Verhandlungen, der Freilassung der Geiseln, einer Waffenruhe etc. ist schon zum Ausdruck gebracht worden. Gibt es im Außenministerium Erkenntnisse über die Ruhe, die im gesamten arabischen Lager zu herrschen scheint? Man hört von dort, selbst wenn man Al Jazeera schaut, nicht viel, dass irgendjemand auch nur eine Ambition hat, die Verhandlungen zu forcieren, weiterzutreiben, neue unter anderem Aspekten zu starten etc. Ist der Bundesregierung bzw. dem Außenministerium irgendetwas dazu bekannt, oder ist das wirklich die Ruhe nicht vor dem Sturm, aber die seit Längerem anhaltende Ruhe?

Fischer (AA)

Die Gespräche über die Freilassung der Geiseln und einen Waffenstillstand laufen weiter. Sie wissen ja, dass es gerade erst in Rom Gespräche gegeben hat. Nur weil nicht täglich in den Medien darüber berichtet wird, heißt das ja nicht, dass das nicht stattfindet.

Frage

Die Israelis verweigern das und machen immer eine Blockade gegen alle Abkommen über eine Freilassung der Geiseln. Ist die Bundesregierung darüber enttäuscht? Freut sich die Bundesregierung, dass Ismail Hanija getötet worden ist?

Fischer (AA)

Zunächst zu den Verhandlungen: Die Bundesregierung unterstützt mit ganzer Kraft den Biden-Plan, der auch von den Vereinten Nationen indossiert worden ist. Wir tun alles dafür, dass es auf dieser Grundlage zu einer raschen Einigung auf einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln kommt.

Büchner (BReg)

Ich möchte in diesem Zusammenhang zu Ihrer Frage, zurückkommen und eine Ergänzung zu dem machen, was Herr Fischer gesagt hat. Dem widerspreche ich in keinem Punkt, und das alles kann ich unterstützen. Aber ich möchte gerne noch sagen: Selbstverständlich müssen alle Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht aufgeklärt werden. Klar ist aber auch: Es gibt keine Gleichrangigkeit der Konfliktpartner ‑ da unterscheidet sich Israel von der Hamas ‑, sondern Israel ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einer unabhängigen Justiz. Das heißt, dass mögliche Verstöße, die in diesem Konflikt festgestellt oder behauptet werden, auch in Israel untersucht und geahndet werden können.

Frage

Herr Fischer, es geht um die Rolle des NATO-Partners Türkei. Die Türkei hat den Anschlag auf den Hamas-Führer scharf verurteilt und Israel vorgeworfen, einen Krieg entzünden zu wollen. Präsident Erdoğan hat schon damit gedroht, dass sich die Türkei militärisch da einmischen wolle. Wie bewerten Sie die Aussagen der Türkei?

Fischer (AA)

Ich glaube, die stellvertretende Regierungssprecherin hat sich dazu bereits am Montag hier geäußert.

[…]

Fischer (AA)

Ich habe einen Nachtrag zu machen, weil Sie vorhin gefragt haben, was wir tun. Ich kann Ihnen jetzt bestätigen, dass soeben der Krisenstab der Bundesregierung zur Lage im Nahen Osten zusammengetreten ist. Sie wissen ja, der Krisenstab hat am Freitag und am Montag getagt. Heute wird er aufgrund der Ereignisse der letzten Nacht erneut tagen.

Frage

Nur eine kurze Nachfrage, weil Herr Fischer vor ein paar Tagen gemahnt hat, alle Deutschen mögen aus dem Libanon ausreisen. Ist das in gehörigem Maße geschehen, haben Sie da noch Sorgen, oder wie bewerten Sie das Zwischenergebnis?

Fischer (AA)

Wir machen uns natürlich weiter Sorgen und rufen weiterhin alle deutschen Staatsangehörigen, die sich noch im Libanon aufhalten, zur sofortigen und umgehenden Ausreise auf. Wir alle haben gesehen, dass sich die Situation buchstäblich über Nacht weiter zuspitzen kann. Wir wissen nicht, wie lange Flughäfen offenbleiben.

Ich kann Ihnen berichten, dass die Anzahl der Deutschen, die sich auf der ELEFAND-Liste befinden, unserer sogenannten Krisenvorsorgeliste, seit Montag von rund 1300 auf 1800 Personen gestiegen ist. Das zeigt das, was wir vermutet haben, dass sich viele Deutsche im Libanon aufhalten, ohne sich zu registrieren. Das zeigt gleichzeitig, dass der Ernst der Lage angekommen ist; denn das ist schon eine sehr sprunghafte Steigerung um 500 Personen innerhalb von zwei Tagen.

Frage

Eine rein technische Nachfrage: Bei der ELEFAND-Liste melden sich die Leute nicht ab, wenn sie ausreisen, ist das korrekt?

Fischer (AA)

Wir rufen sie dazu auf, sich abzumelden, wenn sie ausreisen. Es gibt Leute, die im Land sind und sich nicht registriert haben. Nach den Erfahrungen gibt es einzelne wenige Fälle, die dann auf der Liste stehen bleiben. Das ist der Informationsstand, den wir haben. Das sind die Deutschen, die wir im Libanon über unsere Kommunikationsmittel, wie den Landsleutebrief, direkt erreichen können. Deshalb auch von hier noch einmal der Appell, sich wirklich in diese Krisenvorsorgeliste einzuschreiben, weil wir darüber dann regelmäßig auch Verhaltenshinweise verteilen werden.

Zusatzfrage

Mir ging es nur um die Einordnung der Zahl. Die 1800 sind diejenigen, die momentan auf der ELEFAND-Liste stehen. Das muss aber nicht zwingend ein Indikator dafür sein, dass von den 1800 auch 1800 noch im Libanon sind.

Fischer (AA)

1 800 Leute geben an, sich im Libanon aufzuhalten.

Frage

Ich möchte nur zu dem Krisenstab, der tagt, noch etwas fragen. Ist im Laufe des Tages, hinterher noch eine Kommunikation zu erwarten?

Fischer (AA)

Das schauen wir dann, wenn er zu Ende getagt hat.

Zusatzfrage

Das ist wann?

Fischer (AA)

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Im Regelfall tagt ein Krisenstab zwischen einer Stunde und anderthalb Stunden, aber das hängt vom Einzelfall ab. Ich habe schon Krisenstäbe mitgemacht, die deutlich länger gedauert haben, und Krisenstäbe, die nach kürzerer Zeit zu Ende waren. Heute würde ich vermuten, dass es eher ein längerer wird.

Forderung der Bundesaußenministerin nach höheren Sicherheits­ausgaben in Europa und Deutschland

Frage

Die Außenministerin hat noch einmal ihre Forderung nach höheren Sicherheitsausgaben in Europa und Deutschland unterstrichen und einen Sicherheitshaushalt gefordert. Mich würde interessieren, ob Sie vielleicht erklären können, was genau sie vorschlägt, woher die Mehrausgaben kommen sollen und welche Geldquellen ihr da vorschweben.

Fischer (AA)

Sie hat sich gelegentlich zu diesem Thema geäußert. Sie können das auch in den Interviews der letzten Zeit nachlesen. Ein Satz, der mir in Erinnerung ist, lautet ungefähr so ‑ ich kann ihn jetzt nicht wörtlich zitieren ‑: Am Ende haben wir die Schuldenbremse gerettet, aber die Ukraine verloren. Das kann ja nicht das Ziel sein.

Zusatzfrage

Sie hat explizit auch die europäische Ebene angesprochen. Schlägt das Außenministerium auch dafür höhere EU-Mittel vor und in welcher Form, also Eigenmittel oder auch Bonds? Welche Vorstellungen hätten Sie da idealerweise?

Fischer (AA)

Wir arbeiten ja immer mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern am europäischen Haushalt. Der aktuelle Haushalt gilt bis 2027. Die Haushaltsberatungen für die neue Periode werden jetzt beginnen. Natürlich ist es immer wichtig, dass die Europäische über eine ausreichende Mittelausstattung verfügt.

Geplante Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland

Frage

Herr Collatz, zur Stationierung von Mittelstreckenraketen: Eine Umfrage, die wir bei Forsa in Auftrag gegeben haben, hat ergeben, dass zwei Drittel der Ostdeutschen gegen eine solche Stationierung sind. Wie weit sind da die Planungen? Gibt es da Termine? Sind schon Orte bekannt, an denen diese Mittelstreckenraketen stationiert werden müssen? Was können Sie uns dazu sagen?

Collatz (BMVg)

Zur Stationierung von ausländischen Streitkräften in Deutschland kann ich hier nicht viel sagen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir uns im Verteidigungssektor natürlich regelmäßig dazu austauschen. Das betrifft aber mehr den Austausch auf Fach- und Truppenebene.

Zu der Frage von Stationierungszeitplänen kann ich Ihnen hier keine Informationen geben; das ist nicht mein Sektor.

Frage

Zum gleichen Thema an Herrn Collatz und an Herrn Fischer: Ihre Häuser haben die Fachpolitiker im Parlament schriftlich über diese Stationierungspläne unterrichtet. Es gibt aber auch Forderungen ‑ Sie wissen das ‑ nach einer weitergehenden Befassung im Parlament. Ist eine solche Befassung nach der Sommerpause geplant, und wenn ja, in welcher Form?

Collatz (BMVg)

Ich kann gerne einsteigen, weil sich der Minister heute Morgen hörbar ‑ ich glaube, auch bei Ihnen ‑ geäußert hat. Er sieht es so, dass keine Gründe dagegen sprechen, das auch im Parlament zu erörtern. Wir haben jetzt die parlamentarische Sommerpause, und ich bin der festen Überzeugung, dass diese Zeit kabinettsseitig auch genutzt wird, um mit dem Parlament rechtzeitig in Verbindung zu treten und über solche Gespräche dann eine Vereinbarung zu erzielen.

Fischer (AA)

Dem, was Herr Collatz gesagt hat, kann ich mich für das Auswärtige Amt und für die Ministerin nur anschließen. Am Ende ist es natürlich auch das vornehmste Recht des Parlaments, sich selber eine Tagesordnung zu geben und zu überlegen, über welche Themen man dort beraten und diskutieren möchte. Für die Außenministerin kann ich nur sagen: Sie hat sich dieser Diskussion gestellt und freut sich immer über diese Art von sicherheitspolitischen Diskussionen, in denen es ja wichtig ist, noch einmal deutlich zu machen, welcher Art von Bedrohung Deutschland sich derzeit zu stellen hat und unter welchem Druck die europäische Friedensordnung steht.

Zusatzfrage

Zum gleichen Komplex eine Frage an Herrn Büchner: Nicht nur die Art der Kommunikation in diesem Zusammenhang hat bei manchen für Verwunderung gesorgt, sondern auch die Tatsache, dass es sich um eine bilaterale Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten von Amerika handelt. Warum eigentlich? Gab es vorausgehende Diskussionen und Verhandlungen auch mit anderen NATO-Partnern? Das ist ja immerhin eine historische Entscheidung, die auch mit Risiken für Deutschland verbunden ist ‑ Risiken, die man streuen könnte. Es war eigentlich immer die Linie des Bundeskanzlers, zu sagen ‑ etwa mit Blick auf die Ukrainehilfen ‑: Wir müssen Risiken streuen. An dieser Stelle hat man aber den Eindruck, dass Deutschland jetzt voll ins Risiko geht.

Büchner (BReg)

Das ist eine Entscheidung, die der Bundeskanzler mehrfach und auch ausführlich begründet hat ‑ das vielleicht einmal vorweg.

Natürlich ist diese Entscheidung, diese Absprache auch mit den Vereinigten Staaten, eingebettet in die gesamte Sicherheitsstrategie und in die gesamte Planung der NATO.

Begnadigung eines in Belarus zum Tode verurteilten deutschen Staatsangehörigen

Frage

Ich habe eine Frage zu dem in Belarus inhaftierten Deutschen: Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass er begnadigt wird? Was passiert als nächstes, wie geht es weiter?

Fischer (AA)

Die Begnadigung hat gestern Abend stattgefunden und das haben wir bestätigt, und wir haben gesagt: Das ist eine erleichternde Nachricht. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir diese Nachricht lange überfällig fanden.

Zusatzfrage

Belarus hatte von Lösungsvorschlägen gesprochen, was den Fall betrifft. Ist das Teil des Lösungsvorschlags, oder wie ist da die Kommunikation mit Belarus?

Fischer (AA)

Nach meiner Kenntnis hat der belarussische Präsident im Wege eines Gnadenaktes den betroffenen Deutschen begnadigt.

Frage

Herr Fischer, sehen Sie diese Begnadigung als einen Erfolg der deutschen Diplomatie an? Denn die Bundesregierung war ja in Kontakt mit diesem Mann und hatte sich auch bemüht. Oder ist das ein Teilerfolg, versucht man also weiter, eine Freilassung zu erreichen? Wenn ich es richtig verstehe, ist das Todesurteil jetzt praktisch nur in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt worden.

Fischer (AA)

Wir haben den Betroffenen die ganze Zeit über konsularisch betreut, standen hier in Deutschland in engem Kontakt mit seinen Familienangehörigen und haben uns auch gegenüber den belarussischen Behörden intensiv für ihn eingesetzt. Das werden wir auch weiter tun. Das Ziel ist natürlich, dass der Betroffene schnellstmöglich nach Deutschland zurückkehren kann.

Zusatzfrage

Ist diese Begnadigung von belarussischer Seite an irgendwelche Bedingungen geknüpft worden oder ist das sozusagen einfach ein kleines Geschenk oder eine kleine Überraschung von Herrn Lukaschenko gewesen, die man dankbar zur Kenntnis nimmt?

Fischer (AA)

Ich will jetzt nicht kommentieren, was Herrn Lukaschenko möglicherweise dazu gebracht hat, den deutschen Staatsangehörigen zu begnadigen. Ich kann nur sagen: Es war eine für uns alle erleichternde Nachricht.

Zusatzfrage

Es wird in letzter Zeit immer wieder spekuliert, dass diese Begnadigung eigentlich Teil eines größeren Gefangenaustauschs mit Belarus, aber vor allen Dingen auch mit Russland sein könnte. Da wird auch der Name Krassikow, also der Tiergartenmörder, immer wieder genannt. Können Sie dazu irgendetwas sagen? Gibt es irgendwie weitere Gespräche zu dem Thema, oder ist das als ein isolierter Fall zu betrachten?

Fischer (AA)

Ich glaube, diese Frage stellen Sie hier in regelmäßigen Abständen immer wieder, und die Antwort ist dieselbe. Insofern verweise ich auf die Protokolle der Pressekonferenzen.

Zusatzfrage

Schließen Sie eine Freilassung des Tiergartenmörders kategorisch aus?

Fischer (AA)

Das Auswärtige Amt ist nicht für Freilassungen von irgendjemandem zuständig.

Lage in Afghanistan

Frage

An das Auswärtige Amt: Die Taliban haben angekündigt, keine Dokumente mehr von den Botschaften zu akzeptieren, die von der früheren afghanischen Regierung verwaltetet werden.

Erste Frage: Was bedeutet das für afghanische Staatsbürger in Deutschland sowie für Deutsche, die nach Afghanistan reisen wollen?

Zweite Frage: Ist eine Taliban-geführte Botschaft denkbar?

Fischer (AA)

Das sind jetzt sehr viele Dinge auf einmal. ‑ Ich fange einmal damit an, dass wir eine Reisewarnung für Afghanistan haben und allen Deutschen dringendst davon abraten, nach Afghanistan zu reisen. Falls sich dort jemand aufhalten sollte, raten wir dazu, sich auf dem schnellsten Weg wieder zurück in ein sicheres Drittland oder auch nach Deutschland zu begeben. ‑ Das beantwortet vielleicht einen Teil Ihrer Frage.

Ansonsten schauen wir uns natürlich die Konsequenzen dieser öffentlichen Verlautbarung an, die ja von einer Regierung erfolgt ist, die wir nicht anerkennen.

Zusatzfrage

Was heißt das?

Fischer (AA)

Das heißt, dass wir schon vorher mit der afghanischen Botschaft hier zusammengearbeitet haben. Die afghanische Botschaft ‑ das hatten wir hier schon einmal erläutert ‑ hat sich personell seit dem Fall Kabuls nicht verändert, der damalige Botschafter ist weiterhin Botschafter, und wir werden diese Kontakte zur afghanischen Botschaft auch weiter fortsetzen.

Zusatzfrage

Was bedeutet das für die Leute, die davon betroffen sind? Ändert sich da jetzt etwas oder nicht?

Fischer (AA)

Wahrscheinlich meinen Sie, Fragen des Aufenthaltsrechts betreffend ‑ dafür wäre das BMI zuständig. Maßgeblich für die Anerkennung von Dokumenten ist aber sozusagen die deutsche Haltung, und als Bundesregierung ‑ das habe ich ja gerade schon gesagt ‑ erkennen wir das Taliban-Regime nicht an. Über die Praxis der Anerkennung von Dokumenten entscheiden deutsche Behörden hier in Deutschland und nicht die Taliban.

Kall (BMI)

Dem habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Sollten wir noch etwas ergänzen können, dann liefere ich das nach.

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