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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 17.04.2024

17.04.2024 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Zu den besetzten Gebieten generell. Herr Wagner, die Vereinten Nationen haben heute mitgeteilt, dass bis jetzt mehr als 10 000 Frauen im Gazakrieg ums Leben gekommen sind. Die deutsche Bundesregierung, gerade Ihr Ministerium, verfolgt eine feministische Außenpolitik, die eigentlich dem Schutz der Frauen gewidmet ist. Jetzt sind mehr als 10 000 Frauen tot. Was tut die Bundesregierung, um das Leben der palästinensischen Frauen zu schützen?

Wagner (AA)

Vielen Dank für die Frage. Jeder Tote in Gaza ist natürlich einer zu viel. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass uns die Lage in Gaza im Moment wahnsinnig stark beschäftigt. Sie haben wahrscheinlich zur Kenntnis genommen, dass die Außenministerin in diesen Stunden in Israel ist. Es darf jetzt natürlich nicht passieren, dass wir über die angespannte Lage im Nahen und Mittleren Osten, die uns in diesen Tagen nach dem Angriff Irans auf Israel am Wochenende so beschäftigt, die Lage in Gaza aus dem Blick verlieren. Das tun wir auch nicht. Die Außenministerin hat am Dienstag in einer Pressekonferenz mit ihrem jordanischen Amtskollegen sehr klar dargelegt, woran wir arbeiten. Das ist unter anderem zum Beispiel ein humanitärer Korridor von Jordanien aus nach Gaza. Wir setzen uns, das wissen Sie, sehr dafür ein, dass immer mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt.

Man muss aber auch unterstreichen: Es ist weiterhin so, dass über 100 Geiseln von der Hamas in Gaza festgehalten werden und dass weiterhin Terror von der Hamas gegen Israel ausgeht. Insofern ist die Lage eine dramatische, eine katastrophale. Wir arbeiten jeden Tag daran, zusammen mit unseren internationalen Partnern, zusammen mit unseren Partnern in der Region, dass die Gewalt dort endet.

Zusatzfrage

Meine Frage war ganz konkret: Was tut die Bundesregierung, um das Leben der palästinensischen Frauen zu schützen? Es sterben jeden Tag durchschnittlich 100 Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder.

Wagner (AA)

Ich habe jetzt relativ ausführlich ausgeführt, was wir tun.

Frage

Herr Wagner, die Israelis hatten vor zwei Wochen angekündigt, den Eres-Grenzübergang von Israel aus zu öffnen. Das ist bisher nicht passiert. Angesichts der vorläufigen Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofs ist das dringend erforderlich. Sie mahnen auch immer wieder an, dass immer noch zu wenig Hilfe in den Gazastreifen kommt. Haben Sie bei den Israelis einmal nachgefragt, wann die Öffnung geplant ist?

Wagner (AA)

Das haben wir, und zwar nicht nur in den letzten Wochen, sondern auch heute in den Gesprächen der Außenministerin noch einmal.

Zusatzfrage

Ja, aber das ist schon zwei Wochen her. Wissen Sie, wann das geöffnet werden soll?

Wagner (AA)

Wir setzen uns auf allen Kanälen und auch auf oberster Ebene – der Kanzler führt auch Gespräche, wir führen Gespräche – dafür ein, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt. Es ist vollkommen unbestritten, dass das unbedingt erforderlich ist. Die Baustellen, die es da gibt, sind zahlreich, und natürlich ist Israel da in einem besonderen Obligo. Ich habe eben schon erwähnt, dass wir zusammen mit Jordanien an einem humanitären Korridor arbeiten, der mehr Lkw aus Jordanien direkt nach Gaza ermöglichen soll. Es gibt unseren Einsatz für die Öffnung zusätzlicher Grenzübergänge. Die Luftwaffe hat sich an dem Abwurf von Hilfslieferungen über Gaza beteiligt. Es gibt Diskussionen, ob man nicht auch per Schiff Güter nach Gaza transportieren kann. Es ist also gut dokumentiert, dass wir uns diesem Thema mit sehr viel Nachdruck widmen.

Frage

Wir reden über das Thema Palästina. Der UN-Sicherheitsrat wird morgen, Donnerstag, eine Sitzung abhalten, um über einen Resolutionsentwurf zur Anerkennung der Mitgliedschaft Palästinas in der UNO zu beraten. Die Bundesregierung ist zurzeit nicht Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Falls Deutschland gefragt würde, würde das abgelehnt? Wir haben schon erlebt: Den Vorschlag, Palästina als Mitglied in die UNESCO aufzunehmen, hat Guido Westerwelle abgelehnt. Wird das auch abgelehnt?

Wagner (AA)

Es ist in der Tat so, wie Sie gesagt haben, dass wir im Moment im UN-Sicherheitsrat nicht als nicht ständiges Mitglied vertreten sind. Insofern kann ich hier nicht spekulieren. Ich habe natürlich auch diese Berichte gesehen, wie morgen die Diskussionen ausgehen werden. Aber wir bleiben natürlich auf allen bestehenden Kanälen mit unseren Partnern in den UN zu diesen relevanten Fragen im Austausch.

Frage

Ich will auf die Frage des Kollegen zurückkommen. Wir haben die ‑ historisch vermutlich einmalige, korrigieren Sie mich ‑ Situation, dass 70 Prozent der Opfer im Gazakrieg durch die Angriffe der israelischen Armee Frauen und Kinder sind. Die Zahlen wurden schon genannt, ungefähr 10 000 Frauen, 14 000 Kinder. Da hat sich mir Ihre Antwort nicht ganz erschlossen: Was tut die Bundesregierung aktiv, um diese extrem hohe Zahl an getöteten Zivilisten zu verhindern oder zumindest einzudämmen?

Wagner (AA)

Ich kann Ihnen leider nicht helfen, wenn Sie meine sehr ausführlichen Ausführungen hier nicht verstanden haben. Aber ich kann noch einmal ausführen: Natürlich muss die Gewalt in Gaza enden. Das hat aber vor allen Dingen erst einmal die Hamas in der Hand. Die Hamas kann Geiseln freilassen, und die Hamas kann aufhören, Israel anzugreifen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht zugleich gegenüber der israelischen Regierung dafür einsetzen, dass natürlich in allem, was sie tut, humanitäres Völkerrecht gelten muss, dass sie mehr dafür tun muss, dass es humanitären Zugang zu Gaza gibt, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommen muss, dass sie mehr dafür tun muss, bei den militärischen Operationen die Zivilbevölkerung zu schützen. Ich glaube, diese Position und Haltung ist sehr klar. Mir ist jetzt leider nicht ersichtlich, was Sie daran nicht verstehen.

Zusatzfrage

Dann noch eine weitere Verständnisfrage. Ich habe gerade nachgeguckt: Die aktuellen Zahlen von UN-OCHA geben 140 getötete Journalisten seit dem 7. Oktober 2023 im Gazastreifen an. Korrigieren Sie mich, vielleicht habe ich das verpasst, aber das ist ebenfalls eine extrem hohe und auch relativ einmalige Zahl an im Kriegsgeschehen getöteten Journalisten. Da würde mich nur interessieren: Wieso gab es da noch keine Verurteilung vonseiten der Bundesregierung?

Wagner (AA)

Ich glaube sicher, dass wir uns in der Bundespressekonferenz dazu schon eingelassen haben, aber da mag mich mein Gedächtnis trügen. Natürlich ist jeder tote Journalist einer zu viel. Es ist klare Haltung der Bundesregierung, dass gewährleistet sein muss, dass Journalistinnen und Journalisten ihrer Arbeit frei nachgehen können müssen.

Zusatzfrage

Das kommunizieren Sie dem israelischen Partner auch so?

Wagner (AA)

Ich habe eben sehr ausführlich dargestellt, dass wir in einem sehr engen Austausch mit Israel zu allen möglichen Aspekten dieser Krise, dieses Konflikts sind. Die Bundesaußenministerin ist heute zum siebten Mal seit dem 7. Oktober 2023 in Israel. Dieser Draht ist sehr kurz, und Sie können davon ausgehen, dass wir alle Aspekte, die wir für relevant halten, auch mit der israelischen Regierung thematisieren.

Frage

Zu den besetzen Gebieten im Westjordanland: Herr Wagner, wir erleben jetzt seit ein paar Tagen pogromartige Unruhen in der Westbank. Dazu hätte ich gern eine Reaktion.

Wagner (AA)

Da kann ich Sie auf die Äußerungen der Ministerin von der erwähnten Pressekonferenz am Dienstag verweisen. In der Tat haben wir einen weiteren Gewaltausbruch im Westjordanland am Wochenende beobachten können. Wir haben den gewaltsamen Tod eines 14-jährigen Israelis im Westjordanland scharf verurteilt. Zugleich darf dieser Vorfall natürlich nicht als Vorwand genutzt werden, weitere Gewalt auszuüben. Wir haben deshalb auch die Gewalt extremistischer Siedler gegen Palästinenserinnen und Palästinenser scharf verurteilt, bei der es auch zu mehreren Toten gekommen ist.

[…]

Frage

Herr Wagner, der israelische Botschafter Ron Prosor hat gestern in einem Interview mit einer großen deutschen Tageszeitung gesagt, dass in einem Gegenschlag militärische Installationen bzw. Einrichtungen angegriffen werden sollen. Ich hätte gerne eine Reaktion dazu.

Es gibt auch vermehrt Forderungen, dass China eine größere Rolle bei der Vermittlung des Konflikts spielen sollte. Wie sehen Sie die Rolle Beijings in so einer Vermittlung?

Wagner (AA)

Es ist ja nicht an mir, hier jetzt zu spekulieren, in welcher Form Israel auf den Angriff Irans reagieren wird.

Zur Rolle China: Ich glaube, das Thema Nahost hat auf der Reise des Bundeskanzlers eine Rolle gespielt. Es sind jetzt eine Vielzahl von Akteuren gefragt. Ich habe vorhin schon dargestellt, dass die Außenministerin zur Stunde in Israel ist. Wir sind in enger Abstimmung mit unseren internationalen Partnern, auch im G7-Kreis, und schauen, dass wir jetzt alles dafür tun, dass es nicht noch zu einer weiteren Eskalation der Lage im Nahen und Mittleren Osten kommt.

Zusatzfrage

Bis jetzt hat die Bundesaußenministerin immer für Deeskalation geworben. Jetzt hat der israelische Botschafter zumindest ganz klar die Rhetorik eskaliert. Sind Sie besorgt über solche Töne?

Noch einmal zu China noch: Sehen Sie eine größere Rolle Chinas bei der Vermittlung, unabhängig von der Reise des Bundeskanzlers nach China?

Wagner (AA)

Ich kommentiere die Rolle Chinas hier nicht. Ich habe jetzt keine größeren Aktivitäten gesehen. Das muss nicht heißen, dass es die nicht gibt, aber ich kann hier natürlich nur über unsere Aktivitäten sprechen.

Es liegt mir auch fern, die Einlassungen des israelischen Botschafters gegenüber den Medien zu kommentieren. Ich kann nur noch einmal sagen, was im Moment unser Arbeitsschwerpunkt ist ‑ darüber habe ich hier ja schon viel ausgeführt: Das ist zum einen die humanitäre Lage in Gaza, und das ist zum anderen, jetzt alles zu tun, um eine regionale Eskalation im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern.

Frage

Im Kontext Israel/Iran: Das Auswärtige Amt hatte kürzlich gegenüber dem Bundestag erklärt, diplomatische und konsularische Einrichtungen stünden unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts und seien damit aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich keine militärischen Ziele. Verstehe ich das richtig, dass diese Äußerungen eine erstmalige offizielle Verurteilung der israelischen Angriffe gegen das iranische Konsulat in Damaskus darstellen?

Wagner (AA)

Zu dem Vorfall in Damaskus haben wir uns hier schon eingelassen, und darauf würde ich Sie verweisen. Die Aussage, die Sie da zitieren, ist richtig: Grundsätzlich stehen diplomatische und konsularische Vertretungen unter einem besonderen Schutz. Sie kennen aber auch die Bedeutung des Wortes „grundsätzlich“.

Zusatzfrage

Kanadische Diplomaten haben jetzt eingeräumt, dass im Zuge des israelischen Angriffs auch die kanadische Botschaft in Damaskus beschädigt wurde. Da würde mich nur interessieren: Was für Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Beschädigung der Botschaft eines NATO-Landes durch israelischen Raketenbeschuss?

Wagner (AA)

Was wir zu dem Vorfall in Damaskus sagen können, das haben wir gesagt, und dabei würde ich es belassen. Ich verweise Sie da auf die Protokolle der Regierungspressekonferenzen.

Zusatz

Zur kanadischen Botschaft haben Sie sich noch nicht geäußert.

Wagner (AA)

Diese Berichte liegen mir nicht vor, deshalb kann ich sie hier jetzt auch nicht kommentieren.

Großeinsatz gegen mutmaßliche Schleuser

Frage

Die Frage geht sowohl an das AA als auch an das Innenministerium. Es geht um die heutige Razzia in Bezug auf Schleuserkriminalität, bei der auch Korruption und Bestechung eine Rolle spielt, aber auch gefälschte Dokumente. Jetzt wollte ich erst einmal offen fragen: Gibt es von Ihrer Seite Erkenntnisse oder Lehren aus diesem Fall, die Sie in Bezug auf die Arbeit Ihrer Behörden ziehen?

Dr. Kock (BMI)

Ich kann gerne anfangen. Ich meine, die Ermittlungen laufen noch, die Maßnahmen laufen meiner Kenntnis nach zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls noch. Daher halte ich es für etwas verfrüht, jetzt schon Lehren aus diesem Fall zu präsentieren. Sie können sich sicher sein, dass die ermittelnden Behörden von Bund und Ländern sich solche Fälle gemeinsam genau anschauen. Die Bundesinnenministerin hat sich heute zu diesem Großeinsatz der Bundespolizei und der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen geäußert. Sie dankt den Einsatzkräften der Bundespolizei und den Ermittlern der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sehr herzlich für den heutigen massiven Schlag gegen die internationale organisierte Schleuserkriminalität. Wir brauchen im Kampf gegen Schleuserbanden genau diesen hohen Ermittlungsdruck und dieses konsequente Durchgreifen. Diese harte Gangart gegen die organisierte Schleuserkriminalität werden wir fortsetzen. Insgesamt waren mehr als 1.000 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei seit heute Morgen sehr früh an diesem Großeinsatz beteiligt und durchsuchten über 100 Wohn- und Geschäftsräume.

Genau jetzt, das beantwortet dann auch Ihre Frage dazu, hat sich die Ministerin geäußert. Jetzt gilt es, alle Hintergründe auszuleuchten und diesen Strukturen der organisierten Kriminalität das Handwerk zu legen.

Es wird meiner Kenntnis nach um 14 Uhr eine Pressekonferenz der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Die Ministerin wird sich danach in Paris auch zu diesem Fall äußern.

Wagner (AA)

Ich kann dazu für das Auswärtige Amt nicht viel ergänzen, aber Sie wissen, dass die Visa-Verfahren natürlich nach Recht und Gesetz verlaufen. Da gibt es Regelungen, und die Sicherheitsbehörden sind an jedem einzelnen Visumsverfahren auch beteiligt.

Zusatzfrage

Gibt es von Ihrer Seite, Herr Wagner, eine Statistik: Wie oft kommt es vor, dass zum Beispiel Menschen mit echten Dokumenten, die aber falsche Daten enthalten, bei Ihnen an den Visastellen sind? Haben Sie da einen Überblick, Statistiken, Zahlen?

Wagner (AA)

Das müsste ich nachreichen. Wenn wir da was nachreichen können, mache ich das natürlich gern.

[…]

Wagner (AA)

Eine Nachreichung: So eine statistische Erhebung zu Ablehnungsgründe gibt es tatsächlich nicht. Lassen Sie mich aber noch einmal klarstellen, dass die Vorlage von gefälschten oder verfälschten Dokumenten im Visumsverfahren natürlich ein zwingender Ablehnungsgrund ist und tatsächlich auch zu Ausschreibungen bei den Sicherheitsbehörden oder anderen Schengen-Staaten führen kann, teilweise auch zu Einreisesperren.

Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

Frage

Ich habe eine Frage zur Ukraine, Herr Büchner. Es gab heute wieder russische Luftangriffe auf zivile Ziele. Dabei wurden erneut zahlreiche Menschen getötet. Präsident Selenskyj hat daraufhin noch einmal an den Westen appelliert, mehr Flugabwehr zur Verfügung zu stellen. Was entgegnen Sie dem?

Büchner (BReg)

Wie Sie wissen, beraten wir kontinuierlich mit unseren Verbündeten über Möglichkeiten zur Stärkung der ukrainischen Luftabwehr und Luftverteidigung. Sowohl der NATO-Ukraine-Rat als auch das heutige G7-Außenministertreffen sind geeignete Formate für Beratungen zu diesem Thema.

Der Schwerpunkt der Bundesregierung liegt weiterhin auf der nachhaltigen Unterstützung der ukrainischen Flugabwehr. Gemeinsam mit unseren Partnern liefert Deutschland jetzt ja ein drittes Patriot-Flugabwehrsystem an die Ukraine. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Verteidigung der Ukraine.

In der Frage der militärischen Unterstützung der Ukraine bleibt die Haltung der Bundesregierung unverändert. Wir werden auch weiterhin mit unseren Verbündeten die Ukraine so lange wie notwendig unterstützen.

Zusatzfrage

Herr Wagner, Herr Collatz, wollen Sie sich dazu noch äußern?

Wagner (AA)

Ja, ich kann gerne etwas ergänzen. In der Tat ist es ein sehr wichtiges Ziel, die Ukraine mit mehr Luftverteidigung auszustatten. Insofern sind Minister Pistorius und Außenministerin Baerbock jetzt auch noch einmal auf Partner zugegangen, sowohl in der NATO, aber auch darüber hinaus, und zwar im Rahmen einer Initiative, die wir “Immediate Action on Air Defence” nennen, um eben bei den Partnern dafür zu werben, die Ukraine damit zu unterstützen. In der Tat hat Deutschland ja schon Patriot-Systeme abgegeben. Sie können davon ausgehen, dass das Thema, wie Herr Büchner ja schon erwähnt hat, jetzt beim G7-Außenministerinnen- und -Außenministertreffen eine Rolle spielen wird, sicherlich auch noch einmal bei der Sitzung des Außenrats, die am Montag in Brüssel ansteht. Insofern ist es, glaube ich, eine gute und wichtige Initiative, da jetzt noch einmal auf die Partner zuzugehen.

Collatz (BMVg)

Meine fünf Cent dazu: Das ordnet sich sehr gut in das Gesamtgeschehen ein, wie ich finde; denn diese Initiative ist ja darauf ausgerichtet, noch einmal eine größere Menge an Staaten zu aktivieren und zu motivieren, um kurzfristig etwas zu liefern.

Wir stellen nämlich tatsächlich auch eine Veränderung der Bedrohungslage in der Ukraine fest; das melden uns unsere ukrainischen Partner. Russland nutzt zunehmend industriell produzierte Gleitbomben, die aus großem Abstand zur ukrainischen Grenze abgeschossen werden können, und dementsprechend verlagert sich auch das Abwehrgeschehen. Das heißt, die Ukraine braucht umso mehr weitreichende Waffensysteme. Wir sind ja schon seit Langem ‑ das wissen Sie auch ‑ dabei, genau auf diesem Feld zu arbeiten. Das betrifft zum einen IRIS-T SLM. Auch hier reicht die Reichweite eben nicht ganz aus. Im Moment ist Patriot eines der Systeme, die wirksam auch gegen die Flugzeuge wirken können, von denen diese Gleitbomben dann abgeworfen werden können. Dabei geht es um jede einzelne Rakete, um jedes einzelne Startgerät, und genau darauf zielt das jetzt ab.

Das ergänzt, wie gesagt, die bereits bestehende Lieferung von Waffensystemen, die der Luftverteidigung dienen. Das reicht vom Gepard bis zu IRIS-T SLM, Skynex und Patriot. All das kommt bereits aus Deutschland. Wir engagieren uns ja auch langfristig im Rahmen der “capability coalition” für die Luftverteidigung und schauen damit auf die Zeit, in der es irgendwann einmal sozusagen um den Neuaufbau der ukrainischen Luftverteidigung gehen wird. Kurzfristig, mittelfristig und langfristig ist das also ein großes Engagement, und natürlich ergeht der dringende Appell an alle Partner, sich hier einzureihen.

Zusatzfrage

Weil das ja jetzt doch recht neu ist: Herr Wagner, Sie sprachen davon, dass die Minister auf Partner zugegangen seien. Können Sie da welche nennen?

Wagner (AA)

Ich habe ja schon gesagt, dass das zum einen den NATO-Kreis betrifft, darüber hinaus aber auch Drittstaaten. Ich würde hier jetzt keine einzelnen Partner nennen wollen.

Frage

Gibt es denn hinsichtlich dieser “coalition of air defence”, wie sie, glaube ich, heißt, auch wenn Sie nicht einzelne Nationen nennen wollen, positive Rückmeldungen? Haben Partner, auf die sie zugegangen sind, „Ja, wir werden uns beteiligen“ oder „Wir haben das zur Kenntnis genommen“ gesagt?

Collatz (BMVg)

Ich kann anfangen. - Die Koalition ist auf gutem Weg. Wir machen das ja zusammen mit Frankreich. Es gibt schon eine geraume Anzahl von Partner und Staaten, die gemeldet haben, dass sie interessiert sind. Dazu finden aktuell auch schon Gespräche statt.

Wagner (AA)

Nur damit wir das noch einmal sauber trennen: Wir haben hier dargestellt, dass sich die gemeinsame Initiative von Ministerin Baerbock und Minister Pistorius „Immediate Action on Air Defence“ nennt, gerade weil, wie Herr Collatz ja unterstrichen hat, es jetzt um Sofortlieferungen geht. Jetzt, zu diesem Zeitpunkt, braucht die Ukraine ja Flugverteidigungssysteme. Da laufen auch innerhalb der NATO und bei den Partnern noch einmal Prozesse ab, in die Bestände zu schauen. Insofern war es, glaube ich, wichtig, jetzt noch einmal auf die Partner zuzugehen und noch einmal zu unterstreichen, dass wir in Europa viel tun, dass auch Deutschland viel abgegeben hat und dass jetzt noch einmal ernsthaft geschaut werden muss, ob noch weitere Systeme verfügbar sind, die der Ukraine schnell zur Verfügung gestellt werden können.

Zusatzfrage

Können Sie Angaben über Art und Umfang der erhofften Unterstützung machen? Sie haben Patriot genannt. Sind das auch andere Systeme? Mit wie vielen Abwehrmitteln rechnen Sie im “best case”?

Collatz (BMVg)

Wie dargestellt ist mit der Änderung der Taktik im Krieg auch ein Sofortbedarf verbunden. Da gibt es keine Zeitlinie und auch kein aktuelles konkretes Ziel, sondern es geht darum, jetzt im größtmöglichen Maße zu helfen. Da hilft, wie ich eben sagte, jede Rakete, jede Möglichkeit.

Reise des Bundeskanzlers nach China

Frage

Eine Frage an Herrn Wagner am Tag nach dem Ende der Chinareise des Bundeskanzlers: Wie beurteilt das Auswärtige Amt sozusagen mit dem fein ziselierten Blick der Diplomatie die Perspektive, inwieweit China für eine aktivere Rolle im Friedensprozess Russland/Ukraine gewonnen werden könnte? In der Abschlusserklärung des Bundeskanzlers war nicht von einer aktiven Rolle die Rede. Trotzdem wurde gesagt, es gebe positive Signale. Worin bestehen die?

Wagner (AA)

Die Reise ist ja gerade erst zu Ende gegangen, und es ist eine gute Übung, dass ich die Reisen des Bundeskanzlers hier nicht kommentiere. Sie wissen aber, dass wir schon seit Längerem ‑ sowohl der Bundeskanzler auf dieser Reise, aber auch Außenministerin Baerbock, die im Februar mit ihrem chinesischen Counterpart am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen hat ‑ natürlich auch zu dem illegalen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit China in Kontakt sind, darüber sprechen und natürlich auch versuchen, auf China einzuwirken, in ihren Beziehungen zu Russland alles Gewicht zu nutzen, damit Russland diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nicht fortführen kann.

Zusatzfrage

Ich wollte den stellvertretenden Regierungssprecher auch nicht ausgeschlossen haben, aber es ist natürlich so, dass das Projekt eines Schweizer Friedenskongresses ohne eine Beteiligung Chinas wenig wert wäre. Wie sehen die Perspektiven und Möglichkeiten der Bundesregierung aus, China zu einer Teilnahme zu bewegen?

Büchner (BReg)

Zunächst einmal ist es ja sehr, sehr positiv zu bewerten, dass sich China mit Deutschland auch im Hinblick auf zukünftige Friedenskonferenzen intensiv und positiv abstimmen wollen. Das hat der Bundeskanzler auch nach seiner Reise gesagt.

Wenn man die Reaktion des ukrainischen Präsidenten Selenskyj auf die Reise und auf die Gespräche, die der Bundeskanzler dort geführt hat, sieht, und wenn man sieht, wie positiv das begleitet und bewertet wird ‑ Sie haben wahrscheinlich den Post von Herrn Selenskyj auf X gesehen ‑, dann sollte man nicht so skeptisch sein, sondern sollte auch sehen, dass diese Reise sehr wohl Fortschritte gebracht hat, was diese Gespräche angeht. Der Bundeskanzler hat es zum Ende seiner Reise ja auch selbst schon ausgedrückt: China hat zu erkennen gegeben, dass es Bemühungen um eine politische Lösung für den Frieden in der Ukraine unterstützen und ermutigen will. Das begrüßen wir sehr.

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