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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 27.03.2024

27.03.2024 - Artikel

Übergriff auf das türkische Generalkonsulat in Hannover

Frage

Die Anhänger der PKK haben gestern Abend in Hannover das türkische Konsulat angegriffen. Gibt es eine Reaktion der Bundesregierung?

Wagner (AA)

Vielen Dank für die Frage. – Der gestrige Übergriff vermummter Personen auf das türkische Generalkonsulat in Hannover, wie Sie ja auch richtig sagen, ist der Bundesregierung bekannt, und wir verurteilen ihn auf das Schärfste. Gewalt gleich welcher Couleur hat in unserer Gesellschaft keinen Platz, und das gilt natürlich in besonderem Maße auch für die unter besonderem Schutz stehenden Auslandsvertretungen in Deutschland. Hinsichtlich dieses Themas stehen wir natürlich mit der türkischen Seite in Kontakt, und wir hoffen, dass die Täter jetzt schnell ermittelt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Zusatzfrage

In der jüngsten Vergangenheit gab es auch Angriffe der PKK auf türkische Einrichtungen, insbesondere auf Moscheen. Die türkische Community ist sehr besorgt über die Übergriffe. Was tun die deutschen Sicherheitsbehörden, um die Sicherheit der türkischen Community zu sichern?

Wagner (AA)

Das richtet sich sicherlich gleich an das BMI. Aber ich wollte noch einmal klarstellen, dass wir jetzt keine Erkenntnisse zu der Urheberschaft haben. Da läuft ja, wie gesagt, gerade die Ermittlung. Insofern sage ich noch einmal: Wir verurteilen diesen Angriff. Der muss jetzt schnell aufgeklärt werden, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Funke (BMI)

Ich kann vielleicht nur ganz kurz ergänzen, dass die Sicherheitsbehörden das selbstverständlich im Blick haben und alles in ihrer Macht Stehende tun, um Gewalt gegen sämtliche Einrichtungen und gegen sämtliche Gruppierungen bei uns zu verhindern. Auch in diesem spezifischen Fall wird es Ermittlungsmaßnahmen geben, um das näher aufzuklären.

Frage

Mir wäre auch neu, dass die Täter schon ermittelt worden wären. Haben Sie denn Hinweise auf die Täterschaft, Herr Wagner?

Wagner (AA)

Ich glaube, es gab eine Pressemitteilung des türkischen Außenministeriums, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, aber ich habe keine Hinweise unsererseits darauf, wer da der Urheber ist. Insofern müssen wir jetzt auf die Ermittlungen der Behörden warten.

Nahostkonflikt

Frage

Ich wollte zur UN-Resolution in Bezug auf Gaza kommen. Herr Wagner, es wurde ja einerseits gesagt, dass die Hamas alle Geiseln in Gaza freilassen müsse. Das ist bisher nicht geschehen, und Israel hält sich auch nicht an die geforderte Waffenruhe; nach dem, was man bisher weiß, genauso wenig wie die Hamas. Auf Israel haben Sie Einfluss. Welche Konsequenzen hat jetzt die Nichtbefolgung der Resolution des UN-Sicherheitsrats aus Ihrer Sicht?

Wagner (AA)

Vielleicht noch einmal einordnend: Die Außenministerin hat sich dazu gestern eingelassen. Wir begrüßen, dass der Sicherheitsrat am Montag diese Resolution verabschiedet hat, die, wie Sie ja sagen, eine sofortige Waffenruhe für den Ramadan fordert und zu einem nachhaltigen, dauerhaften Waffenstillstand führen soll. Das entspricht ja dem, was wir zum Beispiel beim Europäischen Rat, aber auch an anderer Stelle immer wieder gefordert haben, nämlich dass es zu einer sofortigen humanitären Feuerpause kommt, die es eben ermöglicht, dass die Geiseln freikommen und auch mehr humanitäre Hilfe nach Gaza kommt.

Ich glaube, es ist jetzt im Grunde so: Das zentrale Organ der Vereinten Nationen hat jetzt in einer wichtigen Frage eine Entscheidung getroffen, und natürlich müssen sich alle Akteure daran halten. Diese Entscheidung gibt ja vor, was die Seiten zu tun haben.

Zusatzfrage

Ja, aber Israel hält sich ja nicht daran. Was folgt daraus?

Wagner (AA)

Israel verteidigt sich erst einmal selbst, das haben wir hier ja immer wieder dargestellt. Es ist immer noch so, dass weit über hundert Menschen als Geiseln in der Hand der Hamas sind. Gleichzeitig ist es so, dass das Leid mit Blick auf die humanitäre Lage in Gaza unendlich groß ist und natürlich die israelische Regierung angehalten ist, mehr dafür zu tun, dass humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt.

Wir haben hier schon oft dargelegt, in was für einer komplexen, von Dilemmata behafteten Situation sich dieser Konflikt bewegt. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe ‑ und das tun wir als Bundesregierung, das tut die Außenministerin, das tun aber auch andere Mitglieder des Kabinetts und auch der Bundeskanzler ‑ zu schauen, welchen Unterschied wir machen können. Dazu sind wir mit unseren internationalen Partnern, aber eben auch mit der israelischen Regierung kontinuierlich im Austausch und im Gespräch.

Frage

Herr Wagner, Sie betonen immer wieder das Selbstverteidigungsrecht Israel. Ist das Töten von über 32 000 Palästinensern, unter ihnen mehr als 10 000 Frauen und Kinder, noch Selbstverteidigung?

Wagner (AA)

Wir betonen das Leid auf beiden Seiten. Es ist ja, wie ich sage, eine wahnsinnig komplexe Situation. Es ist eben so, dass nach wie vor täglich Angriffe von der Hamas auf Israel gehen, dass die Hamas weiterhin das Existenzrecht des Staates Israel infrage stellt und dass in Gaza weiterhin weit über hundert Menschen, darunter Frauen und Kinder, als Geiseln in der Hand der Hamas sind.

Zugleich ist es mit Blick auf die humanitäre Lage so, dass es ein unglaubliches Leid in Gaza gibt, dass Menschen dort hungern, dass nicht genug humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt. Da sind wir natürlich auch sehr deutlich und erwarten, dass die israelische Regierung ihren Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht mit Blick auf den Schutz der Zivilbevölkerung nachkommt.

Frage

Noch einmal zu der Resolution: Das Neue ist ja, dass es jetzt eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats gibt. Sie sagen ja selbst: Israel muss sich daran halten. Was passiert, wenn Israel sich nicht daran hält?

Wagner (AA)

Die Hamas muss sich im Übrigen auch an diese Resolution halten. Ich habe ja dargelegt ‑ ‑ ‑

Zusatz

Aber die Hamas ist ja kein Staat.

Wagner (AA)

Na ja, gut, aber die Frage ist ja: Wie kommen wir zu einer nachhaltigen Lösung? Eine nachhaltige Lösung sieht eben auch vor, dass die Hamas ihre Angriffe einstellen muss und die Geiseln freilassen muss. Gleichzeitig ist es so, dass mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen kommen muss. Für diese beiden Aspekte ist es wichtig, dass wir schnell zu einer humanitären Feuerpause kommen.

Zusatzfrage

Ich hatte Sie so verstanden, dass die Feuerpause es ermöglichen würde, die Geiseln freizulassen. Jetzt haben Sie gesagt, dass die Geiseln freigelassen werden müssen ‑ und dann kommt es zur Feuerpause?

Wagner (AA)

Ich lasse mir jetzt von Ihnen die Worte nicht im Mund verdrehen.

Zusatz

Das haben Sie gesagt!

Wagner (AA)

Unsere Haltung ist doch sehr klar: Es braucht eine humanitäre Feuerpause, weil wir auch zu einer nachhaltigen Lösung dieses Konflikts kommen wollen. Diese Feuerpause ist wichtig dafür, dass die Geiseln freikommen und dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt.

Frage

Die Ministerin war jetzt fünften oder sechsten Mal ‑

Wagner (AA)

Zum siebten Mal!

Frage

‑ zum siebten Mal in der Region, zum sechsten Mal in Israel. Was hat sie auf ihrer letzten Reise, also vor zwei Tagen bzw. gestern, konkret erreicht?

Wagner (AA)

Ich fange vielleicht einmal grundsätzlich an: Ich verstehe ihren Frust, dass wir noch nicht in einer schnellen Lösung dieses Konflikts sind. Ich will aber einfach noch einmal aufblättern, dass es ein wahnsinnig komplexer Konflikt ist, bei dem es auf beiden Seiten nur Leid und unheimlich viele Dilemmata gibt und auch keine schnelle Lösung.

Insofern machen wir das, wofür wir da sind und wofür wir ja auch mit unserer Verantwortung einstehen: Wir probieren, jeden Stein umzudrehen und die Millimeter an Fortschritten zu gehen, die möglich sind. Das ist zum einen die Frage des humanitären Zugangs nach Gaza, die Frage, wie über den Landweg, wie über die Grenzübergänge mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommen kann. Das ist wichtig, weil das der effektivste Weg ist, die Bevölkerung in Gaza mit dem, was sie braucht, zu versorgen. Das ist zum anderen die Frage, wie wir in einen politischen Prozess kommen können, an dessen Ende dann eine Zweistaatenlösung stehen muss; denn wir sind der Überzeugung, dass das der einzige Weg ist, diesen Konflikt, den Nahostkonflikt, nachhaltig zu lösen. Das ist darüber hinaus der Austausch mit unseren Partnern in der Region, die da eine wichtige Rolle spielen. Das sind unsere Bemühungen, die Geiseln freizubekommen. Insofern machen wir Tag und Nacht nichts anderes, als uns da einzubringen und zu schauen, dass wir an konkreten Punkten vorankommen.

Zusatzfrage

Das war jetzt tatsächlich ganz allgemein, und in den letzten Wochen haben Sie das Gleiche gesagt. Aber gab es konkrete Fortschritte ‑ auch in kleinen Schritten, in Millimetern?

Wagner (AA)

Sie haben sicherlich mitbekommen, dass wir zum Beispiel Airdrops machen; dazu können die Kollegen des BMVg sicherlich noch mehr ausführen. Sie haben sicherlich mitbekommen, dass es Diskussionen und Gespräche zu einem maritimen Korridor nach Gaza gibt. Sie haben sicherlich mitbekommen ‑ das hat die Ministerin bei ihrem jüngsten Besuch auch noch einmal sehr öffentlich herausgestellt ‑, über welche Themen wir in Bezug auf den humanitären Zugang mit der israelischen Regierung sprechen. Insofern mache ich mir Ihre Einschätzung da jetzt nicht zu eigen, dass es keinen Fortschritt gäbe.

Frage

Verstehe ich Sie richtig, dass die Weigerung der israelischen Seite, sich an die Entscheidung des UN-Sicherheitsrats zu halten, aus deutscher Sicht keine tatsächlichen Konsequenzen haben wird?

Wagner (AA)

Der Beschluss des UN-Sicherheitsrats ist in jedem Fall politisch bindend, und daran haben sich alle zu halten.

Zusatzfrage

Und wenn das nicht passiert ‑ was ja Tatsache ist ‑, dann hat das aus deutscher Sicht trotzdem keine Konsequenzen?

Wagner (AA)

Ich lasse mich hier jetzt nicht auf Spekulationen darüber festnageln, was morgen oder übermorgen ist. Ich glaube, wichtig ist doch, was unsere Haltung ist, an welchen Schnellschrauben wir probieren zu drehen, welche Positionen wir vertreten, wo wir probieren, das Leid der Menschen in Gaza zu lindern, und gleichzeitig auf die an diesem Konflikt beteiligten Seiten einzuwirken, sodass wir in eine nachhaltige Lösung dieses Konflikts kommen.

[…]

Anstehende Präsidentschaftswahl in Venezuela

Frage

Herr Hebestreit, Herr Wagner, der Wahlprozess in Venezuela scheint nicht reibungslos zu laufen. Das größte Oppositionsbündnis sagt, die gewünschte Kandidaten habe nicht registriert werden können. Welche Position nimm die Bundesregierung dazu ein?

Wird darüber bilateral mit Venezuela gesprochen, oder haben Sie dies vor?

Wagner (AA)

Vielen Dank für die Frage. Zur Einordnung: Venezuela leidet unter einer lang anhaltenden politischen und sozialen Krise. Insofern sind freie, faire und glaubwürdige Präsidentschafts- und Parlamentswahlen der Schlüssel für eine friedliche und demokratische Zukunft Venezuelas und die Lösung der anhaltenden politischen Krise.

Insofern unterstützen wir weiterhin die Forderungen nach freien Wahlen. Wir sind besorgt angesichts der Berichte über anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Venezuela und die willkürliche Festnahme von Personen im Umfeld der Opposition.

Es ist ganz klar, dass zum Abhalten freier und fairer Präsidentschaftswahlen gehört, dass diese unter ordentlichen Rahmenbedingungen stattfinden. Darauf hatten sich die Regierung Venezuelas und die Opposition im sogenannten Abkommen von Barbados im Oktober 2023 geeinigt. Wir sehen jetzt mit Sorge, dass es Rückschritte bei der Umsetzung dieses Abkommens gibt.

Zusatzfrage

Wird auch bilateral darüber gesprochen, oder haben Sie das vor?

Wagner (AA)

Wir haben mit der derzeitigen Regierung anlassbezogen und nur auf Arbeitsebene Kontakt. Aber unsere Position zu den Wahlen in Venezuela habe ich ja zum Ausdruck gebracht.

Zusatzfrage

Welche Position nehmen Sie zu diesem punktuellen Fall der Kandidatin Corina Yoris ein, die nicht registriert werden konnte?

Wagner (AA)

Dazu kann ich, denke ich, sagen, dass es dem Abkommen von Barbados eindeutig widersprechen würde, wenn die Vorwürfe, dass Frau Yoris gezielt an der Registrierung gehindert worden sei, vollumfänglich zutreffen sollten.

Entscheidung des Londoner High Court über eine mögliche Auslieferung von Julian Assange an die USA

Frage

Ich will zu der Causa Assange kommen. Es gab eine vorläufige Entscheidung des britischen High Court, dass es keine Auslieferung von Herrn Assange an die USA gibt. Herr Hebestreit freut sich der Kanzler darüber? Er hatte sich Anfang März ja gegen die Auslieferung ausgesprochen. Ich kann mir vorstellen, dass das jetzt in seinem Sinne gewesen ist.

Herr Wagner, wie bewertet das die Außenministerin?

Hebestreit (BReg)

Der Bundeskanzler fühlt sich in seiner Position bestätigt, was das Vertrauen in die britische Gerichtsbarkeit angeht.

Zusatz

Aber seine Position war ja auch, dass er gegen die Auslieferung ist.

Hebestreit (BReg)

Wir haben immer wieder betont, dass es eine britische Gerichtsbarkeit gibt und dass wir darauf vertrauen. Das zeigt sich auch in diesem Fall.

Wagner (AA)

Dem möchte ich mich anschließen. Aus unserer Sicht zeigt die gestrige Entscheidung vor allen Dingen eines, nämlich, dass die britische Justiz unabhängig und unparteiisch arbeitet. Im Übrigen kann ich Sie zu dem Fall auch noch auf unsere Einlassung von gestern auf der Plattform X verweisen.

Einbestellung des deutschen Botschafters in das indische Außenministerium im Zusammenhang mit der Festnahme eines Oppositionspolitikers in Indien

Frage

Ich habe eine Frage zur indischen Justiz. Herr Wagner, ich komme auf den Fall des verhaftenden Oppositionspolitikers Arvind Kejriwal zurück. Nachdem Ihr Kollege den Fall am Freitag kommentiert hat, wurde der stellvertretende Botschafter in Delhi vom dortigen Außenministerium einbestellt. Heute ist das unter ähnlichen Umständen auch seiner amerikanischen Amtskollegin passiert.

Wie bewertet das AA diese Reaktion seitens der indischen Regierung? Sehen Sie sie als verhältnismäßig an? Haben Sie dafür Verständnis?

Wagner (AA)

Vielen Dank. In der Tat hat sich mein Kollege vergangene Woche hier zu dem Fall eingelassen. Insofern habe ich jetzt keinen neuen Stand. Aber lassen Sie mich noch einmal sagen, dass das Thema, wie Sie schon gesagt haben, mit der indischen Seite am Samstag erörtert worden ist. Lassen Sie mich aber auch noch einmal betonen, dass wir, Indien und Deutschland, großes Interesse an einer vertieften Kooperation haben und diesbezüglich vertrauensvoll zusammenarbeiten. Insofern würde ich ungern aus vertraulichen internen Gesprächen berichten.

Zusatzfrage

Sie und Herr Hebestreit haben gerade ihr vollstes Vertrauen in die britische Justiz ausgedrückt. Haben Sie auch vollstes Vertrauen in die indische Justiz?

Wagner (AA)

Die indische Verfassung ‑ das kann ich aus eigener Ansicht sagen; ich selbst war in Indien auf Posten ‑ garantiert grundlegende Menschen- und Freiheitrechte. Diese demokratischen Werte teilen wir mit Indien als einem wichtigen Partner in Asien.

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