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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 13.03.2024

13.03.2024 - Artikel

Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

Frage

Herr Hebestreit, der russische Präsident hat gestern seine Verhandlungsbereitschaft zum Thema Ukraine geäußert. Wird das auch ein Thema sein, und wie steht die Bundesregierung grundsätzlich zu dieser Verhandlungsbereitschaft?

Hebestreit (BReg)

Ich tue mich schwer, die Worte des russischen Präsidenten an der Stelle ernst zu nehmen, wenn er weiterhin erbarmungslos einen Angriffskrieg auf die Ukraine mit massivem Raketenbeschuss und Ähnlichem fortsetzt. Wir haben immer gesagt, dass es Sache der Ukraine ist, sich an dieser Stelle zu verhalten, wie sie es für richtig und verantwortbar hält. Der russische Präsident kann diesen Krieg jederzeit sofort beenden, indem er seinen Feldzug abbricht, seine Truppen zurückzieht und an den Verhandlungstisch bittet. Aber das muss dann auch geschehen.

Zusatzfrage

Was sollte Russland konkret tun, damit solche Äußerungen ernst genommen werden können? So, wie Sie das sagen, also dass Russland sich einfach zurückziehen sollte und das war's, ist das Kapitulation, oder nicht?

Hebestreit (BReg)

Kapitulation, finde ich ‑ ‑ Die Forderung an die Ukraine, zu kapitulieren, gibt es. Nur um das klarzurücken: Im Augenblick ist es so, dass russische Truppen sich auf ukrainischem Gebiet befinden und dort seit mehr als zwei Jahren ‑ oder je nachdem, wie Sie das sehen wollen, seit mehr als zehn Jahren ‑ einen erbarmungslosen Feldzug führen, der tagtäglich hohe Opferzahlen hervorruft. Insofern würde ich sagen: In dem Moment, in dem man zu einer friedlicheren Konfliktbeilegung kommen möchte, wäre es sehr gut und angetan, dass man den Beschuss von Zivilisten und ziviler Infrastruktur aufgibt, nicht weiter auf Territorium, das der Ukraine gehört, vorstößt und ähnliche Dinge unterlässt, um diesen Worten ‑ Sie haben mich ja gefragt, wann ich das glaubwürdig finde ‑ eine gewisse Glaubwürdigkeit zu verleihen.

[…]

Frage

Vor dem Hintergrund, dass in Litauen der Nawalny-Vertraute Wolkow angegriffen wurde und der litauische Präsident Nausėda wörtlich in Richtung Putin gesagt hat: „No one is afraid of you here“, also: „Niemand hat Angst vor Ihnen“, möchte ich fragen: Wie viel Angst hat die Bundesregierung vor Putin?

Hebestreit (BReg)

Das ist jetzt eine sehr psychologisierende Frage. Die möchte ich so beantworten: Auch hier hat niemand Angst vor dem russischen Präsidenten.

Frage

Indirekt zu Russland/Ukraine: Herr Hebestreit, der Papst hat den Kanzler vor elf Tagen empfangen. Sind die Aussagen des Papstes zu den Friedensbemühungen ‑ Sie haben diese Aussagen ja kritisiert ‑ bei diesem Treffen thematisiert worden? Das Interview, das jetzt kritisiert wird, hat der Papst ja schon im Februar gegeben. Das heißt, ich kann mir vorstellen, dass der Papst das Herrn Scholz auch mit auf den Weg gegeben hat. Hat Herr Scholz den Papst dafür dann kritisiert?

Hebestreit (BReg)

Ich wurde dazu schon am Montag befragt, und ich glaube, zu dem Teil, den Sie in Ihrer Frage jetzt aufgreifen, habe ich geantwortet, dass es ein Vieraugengespräch war. Bei diesem Vieraugengespräch war ich auch nicht präsent; insofern könnte ich das weder bestätigen noch dementieren. Aus solchen vertraulichen Gesprächen berichten wir ohnehin nicht. Die Haltung des Bundeskanzlers an dieser Stelle ist klar, und in den Teilen, in denen ich dabei war, hat das keine Rolle gespielt.

[…]

Frage

Taurus wird offenbar einsatzbereit gemacht. Wird das damit verknüpft, dass es dann für den Eurofighter tragfähig wird?

Collatz (BMVg)

Dass Taurus für den Eurofighter bereit gemacht werden muss, ist nicht der Gegenstand der Berichterstattung, die ich gelesen habe. Da geht es darum, dass diese Munitionssorte ‑ Taurus ist nun einmal eine Munitionssorte ‑ gelagert wird und dass in regelmäßigen Abständen jede Munition, die gelagert wird, auf technische Einsetzbarkeit überprüft wird. Je nach Lagerungszustand befindet die sich auch in unterschiedlichen Einsatzbereitschaftslagen. Wir wissen auch, dass der Taurus in einer gewissen Anzahl einsatzbereit ist und in einer anderen Anzahl bereitgehalten wird für den Einsatz, aber noch vorbereitet werden müsste. Diese regulären, regelmäßig stattfindenden Überprüfungen und Upgrades, die dann natürlich auch erforderlich sind, gelten für jedes System. Nun ist das ja ein Flugkörper, der Drucksysteme, Antriebssysteme, Steuerungssysteme, Software enthält, und all dies bedarf der ständigen Wartung, Pflege und eben auch Upgrades, und das geschieht auch im Moment mit Taurus.

Zusatzfrage

Das heißt, es ist eher ein regulärer Prozess, der jetzt nicht auf irgendwelche Ringtausche und sonstigen Verfügbarmachungen hinauslaufen würde?

Collatz (BMVg)

Genau, das ist etwas, was mit jeder Munitionssorte und mit jedem eingelagerten Gegenstand bei der Bundeswehr geschieht.

Frage

Herr Hebestreit, ich war geradezu geschockt, als ich im Protokoll vom Montag nachlesen musste, wie Sie mit dem armen russischen Kollegen von der Deutschen Welle umgegangen sind. Den haben Sie ja behandelt, als würde er für die NachDenkSeiten fragen. In diesem Kontext hätte ich noch eine Verständnisfrage. Sie sagten: „Wir sind in diesem Raum heute ja unter uns, aber ab und an sind auch noch andere hier im Raum.“ Anschließend rieten Sie den Journalisten noch, entsprechend vorsichtiger zu formulieren. Da würde mich interessieren: Auf wen bezogen Sie sich konkret mit „Wir sind … unter uns“, und wer sind Ihrem Verständnis nach diejenigen, die an diesem Tag nicht in der BPK waren?

Hebestreit (BReg)

Ach, ich glaube, alle, die im Raum waren, haben das genau verstanden. Wenn russische Narrative in diesem Raum unterbreitet werden und in dieser Phase dann über das Internet weiter verbreitet werden, dann ist das eine Phase, die man in einer freiheitlichen Demokratie aushalten muss, die man aber nicht befördern muss. Das sehen Sie sicherlich ganz genauso wie wir alle auch.

Zusatzfrage

Dann möchte ich doch noch die Frage des Kollegen von der Deutschen Welle aufgreifen. Die entsprechende ukrainische bzw. internationale Legion bzw. die ukrainische Fremdlegion untersteht zu einem Teil dem militärischen Oberkommando und zum anderen dem Kommando des ukrainischen Geheimdienstes. Da würde mich interessieren: Können Sie vollumfänglich ausschließen, dass tatsächlich keine deutschen Steuergelder in die Finanzierung ausländischer Söldner in der Ukraine geflossen sind?

Hebestreit (BReg)

Es werden keine deutschen Steuergelder in die Finanzierung ausländischer Söldner gelenkt.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Hebestreit, neben den USA ist jetzt auch Deutschland gezwungen, als mutmaßlich enger Partner Israels den Palästinensern humanitäre Hilfe via Luftabwurf zukommen zu lassen. Da würde mich generell interessieren ‑ es wäre nett, wenn Sie mich auch ansehen ‑: Steht Kanzler Scholz immer noch zu seiner Aussage von Ende Oktober 2023, er hege keinerlei Zweifel daran, dass Israel sich bei seinem militärischen Vorgehen im Gazastreifen vollumfänglich an das Völkerrecht hält?

Hebestreit (BReg)

Ich habe Sie nicht angesehen, weil ich sehr genau zugehört habe, damit mir keine von all den Unterstellungen, die Sie in Ihre Fragen zu packen versuchen, entgeht.

Die Bundesrepublik Deutschland steht eng an der Seite Israels. Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson, und da gibt es auch keine Veränderung der Haltung. Sie haben auch mitbekommen, dass wir von dieser Stelle und verschiedentlich auch von anderen Stellen aus ‑ auch der Bundeskanzler ‑ an die israelische Regierung appelliert haben, die humanitäre Situation in Gaza deutlich zu verbessern. Er hat auch dazu aufgerufen, dass es keine Bodenoffensive auf Rafah geben soll. Er hat auch den Zugang humanitärer Hilfe über verschiedene Grenzübergänge angemahnt und das nicht nur öffentlich, sondern auch in den Gesprächen mit unseren israelischen Gesprächspartnern immer wieder deutlich gemacht. Wir sehen, dass die Situation in Gaza immer schlimmer wird, und haben uns jetzt entschieden, mit unseren Freundinnen und Freunden, auch mit der jordanischen Regierung zusammen zu diesem bestenfalls zweitbesten Mittel zu greifen, weil solche Hilfslieferungen, ob sie nun über den Seeweg oder über die Luft erfolgen, weder zielgerichtet sind, noch die Betroffenen in dem Maße erreichen können. Deswegen bleibt es bei unserem Plädoyer und unserer Aufforderung, dass Israel es ermöglicht, dass mehr substanzielle humanitäre Hilfe nach Gaza kommt. Gleichzeitig bleibt unser Aufruf an die Hamas, die noch mehr als 100 verbliebenen Geiseln, die dort seit über fünf Monaten in Geiselhaft genommen sind, endlich freizugeben, um damit auch den Weg für eine Waffenpause freizumachen, die dringend benötigt wird.

Zusatzfrage

Meine Frage war allerdings, ob angesichts der Ereignisse der letzten Wochen und Monate ‑ wir sind mittlerweile bei 13 000 getöteten Kindern, 9 000 getöteten Frauen, 125 getöteten Journalisten, die eigentlich auch einem besonderen völkerrechtlichen Schutz unterliegen, und zwei Dutzend Kindern, die ebenfalls laut UN-Angaben mittlerweile einen Hungertod gestorben sind ‑ der Kanzler weiterhin bei seiner Einschätzung bleibt, dass sich Israel bei seinem Vorgehen im Gazastreifen vollumfänglich an das Völkerrecht hält. Ihre Antwort diesbezüglich hat sich mir noch nicht vollumfänglich erschlossen.

Hebestreit (BReg)

Der Kanzler hat gesagt, er sei überzeugt, dass sich Israel an das Völkerrecht hält, und daraus gibt es keine veränderte Position.

Frage

Herr Fischer, können Sie etwas zu den deutschen Geiseln der Hamas in Gaza sagen? Wie viele sind es? Nach meinem Stand sind es 16. Können Sie das bestätigen?

Fischer (AA)

Bei den von der Hamas nach Gaza verschleppten Deutschen gehen wir von einer in der Tat niedrigen zweistelligen Zahl von deutschen Staatsangehörigen aus, die immer noch in den Händen der Hamas sind. Deshalb unterstützen wir auch die Gespräche über eine Waffenpause, darüber, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza kommt und dass vor allen Dingen die Geiseln endlich freikommen, die in den letzten Monaten auch in den Kellern der Hamas Unerträgliches durchgemacht haben.

Zusatzfrage

Können Sie die Zahl 16, die ich genannt habe, bestätigen oder dementieren? Wie viele von den deutschen Geiseln sind seit dem 7. Oktober eingebürgert worden?

Fischer (AA)

Das eine ist: Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe: eine niedrige zweistellige Zahl.

Was die Fragen von Einbürgerungen und anderen Dingen angeht, würde ich darauf verweisen, dass das Dinge sind, die die Personen selbst betreffen und über die diese, wenn sie es denn können, bzw. ihre Familien selbst Auskunft geben müssten.

Frage

Wir wollten fragen, ob Sie es so sehen, dass es für den Einsatz, für den Boris Pistorius jetzt anscheinend grünes Licht gegeben hat, einen Parlamentsvorbehalt gibt, dass er also einer Mandatierung durch den Bundestag bedarf.

Noch einmal die völkerrechtliche Frage ‑ es ging schon ein bisschen in die Richtung ‑: Wird durch die Bundesregierung die völkerrechtliche Verpflichtung anerkannt, dass Israel eigentlich die Zivilisten, die Menschen im Gazastreifen versorgen müsste? Gibt es andere Möglichkeiten, um auf die Regierung einzuwirken, sich dieser Verpflichtung auch anzunehmen?

Collatz (BMVg)

Dann fange ich einmal mit der Mandatierung an. Gern nehme ich die Frage auf und weise noch einmal auf die eindeutigen Bestimmungen dazu hin. Das Parlament ist dann gefragt, wenn die Bundeswehr einen Auftrag erhält, der im Eventualfall nur mit Waffengewalt durchzusetzen ist. Dafür ist dann auf jeden Fall ein Mandat des Bundestages erforderlich. Das ist hier nicht der Fall. Es handelt sich um einen humanitären Hilfsfall, sozusagen in Amtshilfe auch auf Anfrage des Auswärtigen Amtes in Absprache mit unseren Partnern. Wir informieren dann natürlich das Parlament, aber eine Zustimmung ist dafür nicht erforderlich.

Es gibt noch einen Sonderfall. Dazu habe ich mich auch erkundigt. Auch dann, wenn man bestimmte Mindestflughöhen über einem fremden Staatsgebiet unterschreitet, ist eine Zustimmung des Bundestags erforderlich. Aber das ist in diesem Fall nicht so. Wir halten alle Bestimmungen ein. Deswegen ist das nicht mitbestimmungspflichtig für das Parlament.

Hebestreit (BReg)

Ich habe an dieser Stelle auch schon mehrfach auf unsere Mahnung an Israel verwiesen, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten. Darin sind alle Aspekte eingeschlossen, die es dazu zu beachten gilt.

Zusatzfrage

Heißt das, dass nicht mit anderen Mitteln eingewirkt wird, sondern es bei dieser verbalen Ermahnung bleibt?

Hebestreit (BReg)

Nicht nur von dieser Stelle, wir sprechen auch direkt mit unseren israelischen Freundinnen und Freunden. Die Außenministerin war mindestens viermal, vielleicht auch schon häufiger in der Region und hat dort vor Ort gesprochen. Der Bundeskanzler steht im regelmäßigen Kontakt mit dem israelischen Ministerpräsidenten, mit anderen Teilen des Kriegskabinetts und auch mit dem israelischen Präsidenten. Das sind alle unsere Gesprächspartner, mit denen wir das auch bereden.

Fischer (AA)

Wenn ich ergänzen darf: Die Außenministerin war, glaube ich, seit dem 7. Oktober mittlerweile fünf Mal in Israel.

Zu Ihrer Frage: Israel darf die Lieferung von humanitärer Hilfe in Gaza nicht willkürlich behindern, sondern ist im Rahmen des Völkerrechts tatsächlich dazu verpflichtet, die Versorgung der Zivilbevölkerung zu ermöglichen. Das ist das, was wir hier von dieser Stelle aus auch schon häufig gesagt haben, was die Außenministerin eingefordert und auch sehr klargemacht hat, dass die israelische Armee nach dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in weiten Teilen des Gazastreifens sicherstellen muss, dass die Verteilung von humanitärer Hilfe gelingen kann. Wir haben Israel mehrfach von dieser Stelle aus, aber auch die Außenministerin in ihrer Pressekonferenz, aber natürlich auch in ihren Gesprächen ‑ ‑ Sie war ja zuletzt vor etwas über zwei Wochen in Israel und hat dort unter anderem mit dem israelischen Ministerpräsidenten und dem Außenminister gesprochen und noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass Israel mehr humanitäre Hilfe zulässt und es ein funktionierendes System zur Koordinierung der humanitären Hilfe und auch der Sicherheit der humanitären Helfer vor Ort gibt. Daran arbeiten wir weiter.

Frage

Meine Frage geht an Herrn Collatz. Trifft es zu, dass für Lastenabwürfe mit der C-130 eine spezielle Zertifizierung nötig ist, über die die Bundeswehrsoldaten aber noch gar nicht verfügen, und sie deswegen, wenn man es bürokratisch sieht, gar nicht an der Mission teilnehmen dürften?

Collatz (BMVg)

Ich sehe, Sie sind schon gut vorinformiert. Ich möchte Ihre Recherche dahin gehend anreichern, dass ich zum einen bestätige, dass für das Lastenabsetzsystem noch keine deutsche Zertifizierung vorliegt. Aber das möchte ich um den Faktor ergänzen, dass es sich um Flugzeuge aus einer deutsch-französischen Einheit, einer Staffel in Évreux handelt. Die Franzosen haben sehr wohl schon Erfahrungen sowohl mit der Technik als auch mit dem Verfahren an sich. Wir freuen uns, dass wir davon profitieren können. Zum anderen kann der Inspekteur der Luftwaffe auf Basis der vorliegenden Fakten und Kenntnisse, auch ohne, dass ein formelles Prüfverfahren bereits abgeschlossen ist, die Erkenntnisse zusammenfügen und eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Das ist der Fall, und es kann sein, dass das auch so gezogen wird.

Zusatzfrage

Dann würde ich eine Vorinformation gerne auch an Herrn Fischer weitergeben. Schweden hat ja vor einigen Tagen Zahlungen an UNRWA wegen der katastrophalen humanitären Situation wieder aufgenommen. Erwägt die Bundesregierung, dies ebenfalls wieder zu tun?

Fischer (AA)

Wir haben unsere Unterstützung für UNRWA aufgrund der wirklich schwerwiegenden Vorwürfe gegen einzelne Mitarbeiter der Organisation, dass sie sich an den Terroranschlägen der Hamas am 7. Oktober gegen Israel beteiligt hätten, temporär ausgesetzt. Unsere Forderung ist, dass diese Vorwürfe gegen UNRWA schnell und umfassend aufgeklärt werden. Unserer weitere Unterstützung für UNRWA in Gaza werden wir vom Fortgang dieser Prüf- und Untersuchungsprozesse sowie den konkreten und sichtbaren Schritten abhängig machen, die die UNRWA unternimmt, um die Prüfergebnisse umzusetzen.

Aber wir setzen natürlich unsere humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen fort. Wir haben Sie vor Kurzem noch einmal um 20 Millionen Euro erhöht. Diese Mittel kommen anderen Organisationen wie dem World Food Programme oder dem Norwegian Refugee Council zugute.

Frage

Ich habe zwei Fragen zu Gaza. Herr Fischer, der EU-Außenbeauftragte hat Israel beschuldigt, den Hunger als eine Waffe gegen die palästinensische Zivilbevölkerung einzusetzen.

Die zweite Frage: Sie haben die Hilfsleistungen angesprochen. Wird es auch weiterhin Waffenlieferungen an Israel geben? Auf der einen Seite versucht Deutschland, das Leben der Palästinenser zu retten, aber auf der anderen Seite werden deutsche Waffen eingesetzt, um Palästinenser zu töten. Wie erklären Sie diesen zynischen Widerspruch?

Fischer (AA)

Wir nehmen die Äußerungen des Hohen Vertreters zur Kenntnis. Klar ist: Hunger darf niemals als Waffe eingesetzt werden. Sie kennen unsere Forderungen, die wir immer wieder erheben, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommen muss. Dabei bleiben wir, und das sehen wir so. Wir haben ‑ das habe ich vorhin schon erwähnt ‑ Israel aufgefordert, mehr zu tun, um eine sichere Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza zu ermöglichen, insbesondere mehr Grenzübergänge zu öffnen und die strikten Kontrollen und Vorgänge auf das Nötigste zu beschränken.

Wir sind ja mit einer Situation konfrontiert, in der immer noch zu wenige Hilfsgüter nach Gaza hineinkommen. Wir als internationale Gemeinschaft gehen davon aus, dass ungefähr 500 Lastwagenladungen pro Tag notwendig sind. Diese Menge erreichen wir derzeit bei Weitem nicht. Auch Israel hat es in der Hand, durch die Öffnung neuer Grenzübergänge und durch schnellere Kontrollen der Güter, die hineinkommen, mehr humanitäre Hilfe hineinzulassen. In der Tat hat es jetzt erstmals ein Pilotprojekt, wie Israel es nennt, gegeben, um gestern Hilfe nach Nordgaza zu bringen. Das war sicherlich ein wichtiger Schritt. Wir hoffen sehr, dass auch diese neue Route jetzt intensiver und häufiger genutzt wird. Denn es ist so, wie Steffen Hebestreit es gerade ausgeführt hat, dass das, was wir über den Seekorridor oder über den Abwurf von Hilfsgütern, woran wir uns schon länger beteiligen ‑ das Auswärtige Amt hat zum Beispiel Abwürfe des World Food Programme finanziert und unterstützt die jordanische Luftwaffe bei ihren Abwürfen ‑, aufzubauen versuchen, am Ende nur die zweitbeste Lösung ist oder, wie ich in der vorigen Regierungspressekonferenz gesagt habe, letztlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Zusatzfrage

Herr Fischer, der Vorwurf ist sehr erheblich. Das wäre ein Kriegsverbrechen. Noch einmal meine Frage: Stimmen Sie Herrn Borrells Äußerungen zu?

Fischer (AA)

Ich habe mich dazu gerade schon geäußert.

Frage

Herr Collatz, Minister Pistorius hat heute Morgen erklärt, der Einsatz sei nicht ungefährlich. Können Sie beschreiben, worin die Gefahren liegen, und sagen, wie sicher der Luftraum dort ist? Vielleicht kann auch Herr Fischer etwas dazu sagen.

Collatz (BMVg)

Ich denke, dass sich der Minister im Wesentlichen auf die technischen Gefahren des Einsatzes bezog. Dabei wird im Flug der Flugzeugrumpf geöffnet, und dann bewegen sich schwere Lasten hinaus. Wir haben am Wochenende ja verfolgt, dass es unten zu schweren Schäden führen kann, wenn das am falschen Ort einschlägt. Auf diese Gefahren will er hinweisen.

Mir liegen derzeit keine Anzeichen oder Lagebewertungen vor, die besagen würden, dass sich die Flugzeugbesatzung selbst einer militärischen Gefahr ausgesetzt sähe.

Zusatzfrage

Wo sind die Abwürfe geplant, an der Küste oder über Land?

Collatz (BMVg)

Über einem möglichst sicheren Gebiet.

Frage

Herr Fischer, immer mehr Palästinenser in Gaza versuchen, auf illegalem Weg, zum Beispiel über Schleuser, auszureisen. Ist Ihnen diese Problem bekannt?

Plant das Auswärtige Amt auf nationaler Ebene oder vielleicht auch als Teil einer europäischen Initiative angesichts der Notlage der Palästinenser in Gaza, Flüchtlinge von dort aufzunehmen?

Fischer (AA)

Ob es Schleusungsaktivitäten gibt, kann ich Ihnen nicht bestätigen. Das ist möglicherweise nicht völlig von der Hand zu weisen, aber mir liegen dazu keine konkreten Informationen vor. Was wir getan haben, ist, unsere Ortskräfte und deutsche Staatsangehörige, soweit es möglich war, aus dem Gazastreifen herauszuholen. Daran beteiligen wir uns. Gleichzeitig gibt es aber auf palästinensischer Seite nicht den Wunsch, dass es zu großen Flüchtlingsströmen aus Gaza heraus kommt, weil dort das Trauma der Nakba, der Vertreibung, mitschwingt. Von daher ist das, denke ich, eine wichtige Antwort auf Ihre Frage.

Zusatzfrage

Heißt das, dass es im Moment keinerlei Überlegungen oder Bemühungen des Auswärtigen Amtes gibt, solchen Flüchtlingen bei der Ausreise in irgendeiner Form behilflich zu sein?

Fischer (AA)

Wir unterstützen diejenigen bei der Ausreise, bei denen es einen Bezug zu Deutschland gibt, also zum Beispiel diejenigen, die einen Aufenthaltstitel für Deutschland haben oder die für deutsche Organisationen, die deutsche Botschaft gearbeitet haben.

Frage

Herr Fischer, ich will auf die Frage des Kollegen zurückkommen. Sie hatten sie nicht beantwortet. Gab es das in der außenpolitischen Geschichte Deutschland schon einmal, dass man die eine Seite mit Waffen beliefert, aber die andere Seite mit Essen? Ist das ein Novum?

Fischer (AA)

Ich würde die Unterstellung in Ihrer Frage zurückweisen. Israel ist Opfer eines brutalen Terroranschlags am 7. Oktober geworden, gegen den Israel das völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstverteidigung zur Verfügung steht. Israel wird weiterhin aus dem Gazastreifen auch mit Raketen der Hamas angegriffen. Es ist die Hamas, die dieses Leid mit ihren Angriffen auf Israel über die palästinensische Bevölkerung gebracht hat. Ich denke, es ist auch an der Hamas, zu überlegen, ob jetzt nicht der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um die Geiseln freizulassen und die Waffen niederzulegen. Denn dann wäre das Leiden der palästinensischen Bevölkerung sofort beendet.

Zusatzfrage

Das war nicht die Frage nach der Ursache. Ihre Sicht darauf kennen wir ja. Die Frage war ‑ ‑ ‑

Fischer (AA)

Das ist nicht nur unsere Sicht. Ich denke, das ist die Ursache.

Zusatzfrage

Ich kenne Ihre Sicht. Die Frage war, ob es das schon einmal gab, dass Deutschland die eine Seite mit Waffen und die andere Seite mit Essen beliefert hat.

Ist das aus Ihrer Sicht tatsächlich noch Selbstverteidigung Israels, jetzt, nach fünf Monaten, fünf Monate später? In Gaza werden gerade Fakten geschaffen. Das ist für jeden offensichtlich. Dort werden von Israel Straßen gebaut. Gaza soll militärisch wiederbesetzt werden. Es gibt mittlerweile tatsächliche Pläne für die Besiedlung des Nordens Gazas. Ist das noch Selbstverteidigung?

Fischer (AA)

Wie ich vorhin schon gesagt habe, setzt die Hamas ihre Raketenangriffe auf Israel fort. Insofern gibt es allein schon aus diesem Grund weiterhin ein Recht auf Selbstverteidigung, solange diese Angriffe fortgesetzt werden.

Gleichzeitig haben wir uns gegen jegliche Wiederbesetzung des Gazastreifens ausgesprochen. Das haben nicht nur wir getan; das haben wir im G7-Rahmen getan. Wir haben dort fünf Punkte definiert, zu denen unter anderem gehört, dass wir eine Besatzung, eine Wiederbesiedelung nicht akzeptieren, dass die Zukunft der palästinensischen Gebiete von den Palästinensern bestimmt werden muss und dass es auch keine territoriale Verkleinerung des Gazastreifens geben darf.

Frage

Herr Fischer, ich hatte Anfang Februar ‑ ich meine, es sei am 7. Februar gewesen ‑ ihre Kollegin gefragt, ob die entsprechende Verbalnote aus Nicaragua schon ihren Weg ins Auswärtige Amt gefunden habe. Mittlerweile hat Nicaragua auch offizielle Schritte gegenüber dem IGH eingeleitet und wirft Deutschland unter anderem einen Bruch der Genozidkonvention vor.

Ist diese Verbalnote mit der entsprechenden Aufforderung an Deutschland, die Waffenlieferungen an Israel zu unterlassen, mittlerweile angekommen?

Fischer (AA)

Wie Sie wissen, hat Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof ein Verfahren angestrengt, das wir für haltlos halten. Wir werden unsere Argumente darlegen und sind davon überzeugt, dass sie Widerhall finden werden.

In diesem Zusammenhang hat uns Nicaragua in der Tat einige Zeit nach der Bundespressekonferenz, auf der Sie die Kollegin gefragt haben, auch eine Verbalnote übermittelt. Warum das auf nicaraguanischer Seite so lange gedauert hat, hat sich uns nicht recht erschlossen. Nicaragua hatte ja bereits per Pressemitteilung angekündigt, uns die Verbalnote zu übermitteln. Dann passierte tage- und wochenlang nichts. Aber zu guter Letzt ist diese Verbalnote doch eingetroffen.

Zusatzfrage

Noch eine Verständnisfrage; ich denke, sie geht auch an das AA und unter Umständen an das BMJ: Der Axel-Springer-Konzern unterhält in Israel das größte kommerzielle Kleinanzeigenportal yad2. Darauf werden zu Tausenden Wohnungen und Häuser auf der völkerrechtswidrig besetzten Westbank angeboten.

Wie ist die rechtliche Handhabung in Deutschland, wenn ein deutsches Unternehmen Geld mit der Vermarktung von Häusern und Wohnungen macht, die zumindest völkerrechtlich als illegal gelten?

Fischer (AA)

Ich denke, dass Sie zu Rechtsfragen und Fragen des Unternehmensrechts in der Tat die Kollegen aus den anderen Ressorts fragen müssten.

Folgt:

Dr. Zimmermann (BMJ)

Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie eine Auskunft zur Rechtslage erbitten?

Zusatz

Ich wollte fragen, wie es sein kann, dass ein deutsches Unternehmen, nämlich die Axel Springer SE, sozusagen mit der Vermarktung von als völkerrechtlich illegal geltenden Wohnungen Geld macht.

Dr. Zimmermann (BMJ)

Ich glaube, wir können das abkürzen: Wenn Sie eine Auskunft zur Rechtslage erbitten, dann können Sie einen Anwalt beauftragen; der kann ihnen diese Auskunft geben.

[…]

Frage

Ich habe noch eine Frage zu Gaza. Herr Fischer, Sie bezeichnen das jetzt ja immer als Tropfen auf den heißen Stein. Wenn ich es richtig verstanden habe, geschieht diese ganze Aktion mit dem Absetzen letztendlich auch mit auf Ihren Wunsch hin. Ich wüsste gerne noch besser, wie groß oder klein dieser Stein ist. Wir lesen, dass es 18 Tonnen oder so sein können. Was kommt den Menschen in Gaza denn im besten Fall zugute?

Fischer (AA)

Um einmal so anzufangen: Jedes Hilfspaket hilft, und jedes Hilfspaket trägt dazu bei, die Lage in Gaza ein ganz klein wenig weniger katastrophal zu gestalten.

Wenn es um die Mengen geht, was die Flugzeuge angeht, kann Kollege Collatz wahrscheinlich besser Auskunft geben als ich. Aber was zum Beispiel das Hilfsschiff angeht, das jetzt auf dem Weg nach Gaza ist: Das hat ungefähr 200 Tonnen Hilfsgüter geladen. Das sind sozusagen nur wenige Lkws. Wenn man sich vorstellt, was man mit LKWs einbringen kann, dann ist das halt deutlich, deutlich mehr. Ähnlich gilt das letztlich auch für Flugzeuge.

Ich würde gerne, wenn ich darf, ganz kurz noch einmal auf die Frage der ZDF-Kollegin reagieren, wie wir Menschen dabei unterstützen, aus dem Gazastreifen zu kommen. Neben den Deutschen ‑ ich weiß nicht, ob Sie das verfolgt haben ‑ haben wir ja dazu beigetragen und es unterstützt, auch Kinder aus dem SOS-Kinderdorf zu evakuieren, was Sie ja möglicherweise gestern haben verfolgen können. Das war eine Bitte der Organisation „SOS-Kinderdörfer weltweit“, die sich mit dieser Bitte Mitte November an die Außenministerin gewandt hat. Seitdem haben wir daran mit den palästinensischen Behörden, den israelischen und den ägyptischen Behörden gearbeitet, um zu gewährleisten, dass die Kinder und ihre Betreuer und Betreuerinnen vom Gazastreifen ins Westjordanland reisen können, nach Bethlehem, wo sie gestern angekommen sind, was uns sehr froh gemacht und erleichtert hat. Rechtzeitig ist es aber so, dass Sie möglicherweise die Debatte in Israel verfolgt haben, die es darüber gab, auch unter der palästinensischen Bevölkerung. Da gibt es dann halt tatsächlich immer die Sorge, dass es zu einer Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern aus Gaza kommen kann. Deshalb haben wir auch immer sehr deutlich gemacht, dass es sich hierbei nur um eine temporäre Evakuierung handelt, dass die Kinder und auch das SOS-Kinderdorf nach Gaza zurückkehren werden, wenn sich die Lage in ihrer Heimat verbessert hat. Dies also einfach noch einmal zur Einordnung der Diskussion um Evakuierungen und Ausreisen aus dem Gazastreifen.

Collatz (BMVg)

Sie haben es ja schon richtig erwähnt: 18 Tonnen pro Flugzeug ist das Maximalmaß. Daran sehen Sie schon, dass so ein Luftabsetzverfahren nur eine Notmaßnahme sein kann, nämlich dann, wenn andere Wege nicht zur Verfügung stehen. Aber es ist so, dass es um maximal 18 Tonnen pro Flugzeug geht. Zwei Flugzeuge stellen wir zur Verfügung. Dieses Maß gilt auch nur, wenn alle anderen Faktoren eben auch zutreffen. Das muss die richtige Größe haben, damit es hinten aus der Laderampe abgesetzt werden kann. Die Laderampe hat auch ein begrenztes Maß und kann eben auch nur halb geöffnet werden. Dabei spielen viele technische Faktoren eine Rolle. Das muss absatzgeeignet sein. Insofern können Sie sich auch vorstellen, dass, wenn das Flugzeug mit Windeln vollgemacht wird, die 18 Tonnen nicht zustande kommen werden. Es gibt also viele Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Aber grundsätzlich ist es so: 18 Tonnen pro Anflug können abgesetzt werden. Das kann auch pro Anflug komplett abgesetzt werden. Dann muss aber eben zurückgeflogen werden, wieder neu geladen werden, die Crew muss sich an ihre Flugzeiten und an alles Weitere halten. Deswegen sind die Umlaufzeiten begrenzt und können nicht mit anderen Transportmitteln konkurrieren.

[…]

Frage

Herr Collatz, vielleicht können Sie noch einmal konkret sagen, wie viele Bundeswehrsoldaten oder -soldatinnen denn an diesem Lufteinsatz in Gaza beteiligt sein werden.

Collatz (BMVg)

Da kann ich Ihnen noch keine aktuellen Zahlen nennen. Ich müsste mir das von der Luftwaffe zuliefern lassen, oder Sie fragen dort am besten selbst nach.

Zusatzfrage

Aber zwei Crews?

Collatz (BMVg)

Zwei Flugzeuge, ja.

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