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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 26.02.2024

26.02.2024 - Artikel

Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine

Frage

Es gab am Wochenende Äußerungen von Herrn Selenskyj anlässlich des zweiten Jahrestags des Angriffsbeginns, die so interpretiert wurden, dass er doch bereit sei, mit der russischen Regierung in direkte Friedensverhandlungen zu treten. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung, und spielt sie bei den Gesprächen in Paris eine Rolle?

Hoffmann (BReg)

Für uns ist und bleibt das Prinzip wichtig, dass die Ukraine als souveräner Staat von Russland überfallen und angegriffen wurde und dass es eben auch an der Ukraine ist, zu entscheiden, ob und worüber mit dem russischen Aggressor verhandelt wird, und dass es nicht an uns ist, das zu beurteilen oder da gar irgendwelche Vorgaben zu machen.

Zusatzfrage

Deswegen frage ich ja auch. Ausgehend davon, dass Herr Selenskyj solche Äußerungen gemacht hat, die die Bundesregierung sicherlich zur Kenntnis genommen hat: Spielt diese Perspektive eine Rolle bei den Gesprächen in Paris?

Hoffmann (BReg)

Wie Sie sagen, wir nehmen das natürlich zur Kenntnis, wenn sich da der ukrainische Staatspräsident äußert. Aber für uns ist maßgeblich, dass die Ukraine das entscheidet.

Frage

Laut einer Analyse von PRO ASYL und Connection e. V. sind seit Februar 2022 mindestens 250 000 Männer im wehrdienstfähigen Alter aus Russland geflohen, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Die geflohenen Menschen halten sich aber überwiegend in Drittstaaten auf, wo sie keine langfristige Perspektive haben. Trotz Versprechen, die gemacht wurden, gibt es zwei Jahre nach Beginn des Krieges keine sicheren legalen Fluchtwege nach Deutschland und Europa, und es gibt keine Aussicht auf Flüchtlingsschutz hier. Woran hakt es bei dieser Frage? Inwiefern wird sich die Bundesregierung vielleicht auch in Paris mit der Frage auseinandersetzen?

Hoffmann (BReg)

Wie gesagt, ob die Einzelheiten und alle diese Aspekte in Paris zur Sprache kommen werden, dazu möchte ich mich jetzt hier nicht einlassen. Die konkrete Fragestellung würde ich vielleicht an den Kollegen vom BMI abgeben.

Dr. Ata (BMI)

Sehr gerne. - Dazu kann ich sagen, dass jeder in Deutschland aufhältige Ausländer das Recht hat, Asyl zu beantragen. Das gilt auch für Deserteure, die sich an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nicht beteiligen wollen. Deserteure, die sich an dem Angriffskrieg nicht beteiligen wollen und in Deutschland Asyl beantragen, dürften regelmäßig internationalen Schutz erhalten. Das BAMF hat seine Entscheidungspraxis hierzu nach Kriegsbeginn angepasst.

Letztlich bleibt die Erteilung von Asyl aber immer eine Einzelfallentscheidung. Es gibt auch keine Statistiken zu Asylgründen. Deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle auch keine Statistiken nennen, wie viele Deserteure Asyl bekommen haben.

Ich weise vielleicht noch darauf hin, dass für russische Staatsangehörige, die sich noch im Ausland aufhalten und die aufgrund ihres Einsatzes gegen den Krieg sowie für Demokratie und Menschenrechte oder die wegen einer regimekritischen Tätigkeit in Russland besonders gefährdet sind, ein Aufenthaltstitel nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik erteilt werden kann, wenn sie für ein Visum zu einem anderen Zweck, also zum Beispiel Erwerbstätigkeit, nicht in Betracht kommen.

Zusatz

Gut. Aber das Hauptproblem ist ja, dass es keine legalen Fluchtwege nach Europa gibt. Das wäre eine Sache, die auf EU-Ebene geregelt werden müsste. Die Bundesregierung könnte sich ja dafür einsetzen, dass es solche legalen Fluchtwege für russische Deserteure gibt.

Frage

Ich möchte noch einmal zu dem Arbeitstreffen fragen: Ist dieses Treffen solch ein „gegebener Zeitpunkt“ bzw. die gegebene Gelegenheit, zu der eine Erklärung zu Taurus abgegeben wird? Würden Sie ausschließen, dass es heute in Paris um einen Ringtausch zu Taurus geht?

Hoffmann (BReg)

Ich möchte mich wirklich nicht auf die Einzelheiten dessen, worum es heute in Paris gehen wird, einlassen. Allgemein habe ich dazu ja etwas gesagt. Wir warten aber üblicherweise ab, was dann tatsächlich Gegenstand eines solchen Treffens ist. Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass das ja eine Zusammenkunft auf Initiative des französischen Präsidenten ist. Der Bundeskanzler ist dazu eingeladen und reist dahin. Aber wie gesagt: Worum es da konkret gehen wird, kann ich Ihnen jetzt hier noch nicht sagen.

Zusatzfrage

Noch einmal zu dem „gegebenen Zeitpunkt“: Wäre das Arbeitstreffen solch ein Anlass, wenn gesagt wird, der Bundeskanzler werde zum gegebenen Zeitpunkt erklären, warum er Taurus nicht liefert? Ich verstehe noch nicht, was das für ein Anlass sein kann.

Hoffmann (BReg)

Da würde ich jetzt bei der Formulierung „zum gegebenen Zeitpunkt“ bleiben wollen.

Frage

Ich habe noch eine Nachfrage zu den russischen Staatsbürgern. Laut Medienberichten sollen sich ungefähr 1 900 russische Staatsbürger in Deutschland aufhalten, die sich in Russland gegen den Ukraine-Krieg ausgesprochen oder engagiert haben. Können Sie diese Zahl bestätigen oder dementieren? Welchen besonderen Schutz brauchen vielleicht gerade diese Menschen, damit sie dann in Deutschland nicht vom russischen Staatsapparat attackiert werden können?

Dr. Ata (BMI)

Das kann ich insoweit bestätigen, als es quasi den zweiten Themenkomplex betrifft, den ich angesprochen habe, also russische Staatsangehörige, die wegen ihres Einsatzes gegen Krieg sowie für Demokratie und Menschenrechte besonders gefährdet sind. Dazu hatten das BMI und das AA ein beschleunigtes Verfahren der Aufnahme verabredet. Im Rahmen dieses beschleunigten Verfahrens sind seit März 2022 etwa 1 900 Aufnahmen zugunsten russischer Staatsangehöriger erklärt worden. Ich kann noch hinzufügen, dass sich die Bundesinnenministerin am Wochenende zu diesem Thema geäußert hat und erklärt hat, dass die Sicherheitsbehörden selbstverständlich genau im Blick haben, welche Gefährdungen es gibt, und auch mit Blick auf den jüngsten Fall mit den spanischen Behörden im Austausch stehen.

Frage

Herr Dr. Ata, Sie sagen also, die russischen Staatsbürger, Kriegsdienstverweigerer oder Deserteure haben das Recht, können, dürfen usw. Wie erklären Sie sich dann, dass die Zahl der Vergaben von Asyl oder anderem Schutz bei männlichen Russen im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 45 Jahren bei mickrigen 4,3 Prozent liegt?

Dr. Ata (BMI)

Ich habe ja bereits ausgeführt, dass Asylgründe statistisch nicht erfasst werden. Die Zahl, die Sie jetzt genannt haben, betrifft eine Altersgruppe, aber daraus kann nicht abgeleitet werden, dass es sich dabei jeweils um Kriegsdienstverweigerer oder Deserteure handelt. Zur Entscheidungspraxis des BAMF habe ich mich ja geäußert. Die wurde angepasst. In der Regel dürften diese Personen Schutz erhalten.

Frage

Setzen sich denn das Auswärtige Amt und Annalena Baerbock auf EU-Ebene dafür ein, dass legale Fluchtwege für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland geschaffen werden?

Wagner (AA)

Der Kollege des BMI hat ja relativ umfangreich zu dem Sachverhalt ausgeführt. Natürlich ist das eine ganz schwierige Situation für diese Menschen in Russland. Das ist ja ganz klar. Deshalb ist es auch so, dass man beobachtet, dass sehr viele von diesen Menschen in Gebiete und Anrainerstaaten flüchten, in die man mehr oder weniger leichter reisen kann als nach Europa, um dorthin vor dem Einzug zu fliehen. Der Kollege hat auch ausgeführt, dass wir in dem Rahmen, in dem es uns möglich ist, Maßnahmen ergriffen haben, um Menschen, die wegen ihrer politischen Ansichten und wegen ihrer Einstellung zu diesem Krieg in Russland verfolgt werden, Aufnahmezusagen auch in Deutschland zu ermöglichen. Darauf würde ich Sie verweisen.

Reise der Außenministerin in die Ukraine

Frage

Die Frage zu der Ukraine-Reise der Außenministerin am Wochenende richtet sich ebenfalls an Herrn Wagner oder an Herrn Collatz. Hat das Auswärtige Amt oder das Verteidigungsministerium eigene Erkenntnisse über die Aufklärungsdrohne, die dort den Konvoi begleitet haben soll, oder stützen Sie sich da komplett auf ukrainische Aufklärung? Wie bewerten Sie diesen Vorfall?

Wagner (AA)

Ich darf vielleicht anfangen, und dann kann Herr Collatz ergänzen. ‑ Vielleicht noch einmal zur Einordnung: Wir sprechen über den zweitägigen Besuch der Außenministerin im Süden der Ukraine, in Odessa und dann in Mykolajiw. Da kam es dann am Sonntag beim letzten Programmpunkt zu diesem Zwischenfall. Es ist so, dass es bei den Reisen der Außenministerin gerade auch in so sensiblen Sicherheitsbereichen vorab eine enge Abstimmung der jeweiligen Sicherheitsteams gibt. Insofern kann ich jetzt für das Auswärtige Amt nur sagen, dass unsere Erkenntnisse von dem herrühren, was uns die ukrainischen sowie die deutschen Sicherheitsteams mitgeteilt haben. Als diese russische Aufklärungsdrohne gesichtet worden ist, ist eben entschieden worden ‑ das haben Sie ja auch den Medienberichten entnommen ‑, den Besuch zu verkürzen und sich mit der Kolonne wieder in Bewegung zu setzen. Das ist ein normales Vorgehen ‑ so würde ich es jetzt einmal nennen ‑, wenn man in solch einem Konfliktgebiet unterwegs ist. Ich kann noch einmal daran erinnern, dass wir da an einer Stelle waren, die 50 Kilometer, glaube ich, von der Front entfernt war. Darüber hinaus habe ich keine weiteren Erkenntnisse, die ich mitteilen kann. Wir sind da bei der Organisation solcher Besuche aber natürlich vor allen Dingen auch in der Hand unserer ukrainischen Partnerinnen und Partner. ‑ Vielleicht kann Herr Collatz darüber hinausgehend noch etwas sagen. Das kann ich mir aber kaum vorstellen.

Collatz (BMVg)

Konkret zu dem Anlass vom Wochenende kann ich hier keine Angaben machen, sondern nur den Hinweis geben, dass wir natürlich nicht nur über eigene Erkenntnisse verfügen. Wir stützen uns auch nicht nur auf ukrainische Hinweise, sondern für die Aufklärung gilt immer, dass das ein Lagebild ist, das gemeinschaftlich ist und im Austausch mit allen Partnern, die Sensoren oder Informationsträger vor Ort haben, entsteht. Das ist unabhängig vom Einzelfall immer so zu werten. Mehr kann ich hier auch nicht sagen.

Wagner (AA)

Ich kann vielleicht noch ergänzen: Ich glaube, der Vorfall ist auch Ausdruck dessen, was der Alltag der Menschen in dieser Region ist, nämlich täglich nicht nur Aufklärungsdrohnen, sondern auch täglicher Beschuss. Insofern zeigt das, glaube ich, noch einmal sehr deutlich, mit welcher Kriegsrealität die Menschen in Mykolajiw und in den umliegenden Gebieten jeden Tag zu tun haben.

Zusatzfrage

Ich würde gerne noch nach Ihrer Bewertung fragen, Herr Wagner: Ist das aus Ihrer Sicht oder aus Sicht des Ministeriums ein besonders unfreundlicher Akt gegenüber der deutschen Außenpolitik, der auch Konsequenzen im Sinne eines diplomatischen Vorgehens ‑ etwa eine Einbestellung des Botschafters ‑ haben könnte? Mich würde also interessieren, wie Sie den Vorfall als solchen bewerten, weil er sich ja gezielt gegen einen Besuch der Außenministerin gerichtet hat.

Wagner (AA)

Ich beteilige mich da nicht an Spekulationen. Ich habe eben gesagt: Das ist leider trauriger Alltag der Menschen in der Ukraine und gerade in diesen Gebieten, die jeden Tag russischen Luftangriffen ausgesetzt sind und die jeden Tag mit solchen Aufklärungsdrohnen, die im Normalfall dann auch Luftangriffe nach sich ziehen, zu tun haben. Insofern ist das Ziel all unserer Bemühungen und all unserer Arbeit ‑ das schließt, glaube ich, auch an das an, was die stellvertretende Regierungssprecherin hier gesagt hat ‑, die Ukraine in ihren Bemühungen zu unterstützen, sich gegen diese russische Aggression zu verteidigen.

Frage

Meine Frage bezieht sich auch auf die Drohne. Herr Wagner, üblicherweise werden bei solchen Reisen die verschiedenen beteiligten Parteien informiert. War Russland über den Besuchsplan der Außenministerin informiert?

Wagner (AA)

Sehen Sie es mir nach, dass ich bei solchen Reisen, die eine solche Sensibilität haben ‑ das ist ja auch eine Reise, die wir hier aus gutem Grund nicht vorab angekündigt haben ‑, hier nicht en détail darlegen werde, welche Sicherheitsmaßnahmen wir ergreifen. Das hat einfach damit zu tun, dass dies der Sicherheit solcher Reisen dient und wir gut daran tun, nicht öffentlich Details auszulegen, welche Maßnahmen wir vor Ort ergreifen, wie die Abstimmung mit den Ukrainern ist etc. In diese Kategorie würde ich jetzt auch Ihre Frage packen.

Zusatzfrage

Ich habe gefragt, weil es bei solchen Reisen das übliche Vorgehen ist, dass dann auch die andere Seite informiert wird. Das möchten Sie nicht beantworten. Da die Drohne aber offenbar direkt dem Konvoi folgte, ist das dann doch eine andere Kategorie als die, die Sie eben angesprochen haben, dass nämlich die Realität der Ukrainer auch die tägliche Bedrohung durch russische Drohnen ist. Ich möchte dann doch noch konkret fragen: Haben Sie diese offenbar gezielte Verfolgung der Kolonne der Außenministerin als einen demonstrativen Akt Russlands wahrgenommen?

Wagner (AA)

Auch da kann ich mich jetzt nur auf das stützen, was uns an Informationen von unseren Sicherheitsteams, aber auch den ukrainischen Sicherheitsteams vorliegt. Insofern war es wohl so, dass diese Drohne kurzzeitig der Kolonne gefolgt ist. Aber auch hier kann ich jetzt nicht spekulieren, aus welchen Gründen und warum dann weiter nicht. Es ist einfach so, dass die Beurteilung der Sicherheitslage offensichtlich so war, dass man das tut, was auch der gute Menschenverstand gebietet: Man setzt sich in einer solchen Situation in einer geschützten Kolonne in Bewegung. Aber darüber, was jetzt die tieferen Beweggründe der russischen Kräfte dahinter waren, mag ich hier jetzt nicht spekulieren.

Frage

Können Sie vielleicht ein paar Sachen über diese Drohne sagen? Wie sah sie aus? War sie groß oder klein? Hatte sie irgendein russisches Zeichen? Wie kommen Sie zu dem Schluss, dass das unbedingt eine russische Drohne war?

Wagner (AA)

Ich war bei dieser Reise nicht dabei. Ich habe die Drohne also nicht selbst gesehen. Ich weiß auch nicht, ob mein Kollege, der als Sprecher dabei war, die Drohne gesehen hat. Ich habe am Anfang ja gesagt: Wir haben uns auf die Sicherheitseinschätzungen unserer Sicherheitsteams und der ukrainischen Sicherheitsteams verlassen. Insofern habe ich zu dieser Drohne keine Erkenntnisse, die ich hier mit Ihnen teilen könnte.

Nahostkonflikt

Frage

An Herrn Wagner zum Thema UNRWA/Gaza: Es ist ein Monat her, dass der letzte Lebensmittelkonvoi von UNRWA nach Gaza hineingelassen wurde. In der vergangenen Woche hat das World Food Programme angekündigt, es werde seine Lebensmittellieferung nach Nordgaza wegen der unsicheren Bedingungen einstellen. Dort droht eine Hungersnot. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die israelische Regierung Hilfstransporte und vor allem Lebensmitteltransporte nach Gaza hineinlässt?

Wagner (AA)

Ja.

Zusatzfrage

In welcher Form tut sie das? Bleibt es bei verbalen Appellen?

Wagner (AA)

Ich glaube, alle, die die Regierungspressekonferenzen in den letzten Wochen verfolgt haben ‑ und das tun Sie ja ‑, wissen, dass wir immer wieder betont haben, wie sehr das ein prioritäres Anliegen unsererseits ist. Weil Sie UNRWA angesprochen haben: Sie wissen, dass dort schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen, die gerade Gegenstand von mehreren Untersuchungen sind. Die Außenministerin hat aus diesem Grund auch letzten Freitag in New York ihre ehemalige französische Amtskollegin Catherine Colonna getroffen, die unter anderem mit einer solchen Untersuchung der Vorwürfe beauftragt ist. Diese Untersuchungen sind jetzt angelaufen.

Sie kennen die Haltung der Bundesregierung: Wir haben immer wieder betont, dass wir jetzt schnell Ergebnisse dieser Untersuchungen brauchen, um über unser fortgesetztes Engagement bei UNRWA entscheiden zu können. Zugleich tun wir natürlich alles, um zu schauen, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt ‑ zum einen, indem wir unsere Unterstützung für andere Organisationen, die humanitäre Hilfe in Gaza leisten, noch einmal erhöht haben, und zum anderen natürlich auch, indem wir mit unseren israelischen Partnern thematisieren, wie mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommen kann. Es sind zum Teil sehr konkrete Fragen, die da erörtert werden. Sie können sich sicher sein, dass das für uns ein wichtiges Anliegen ist, weil die Lage in Gaza, wie Sie richtig unterstrichen haben, katastrophal ist.

Frage

Herr Wagner, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat heute bekräftigt, dass er Rafah angreifen wird. Nun haben die internationalen Hilfsorganisationen vor solch einer Katastrophe gewarnt. Ich hätte gerne eine Reaktion der Bundesregierung dazu.

Wagner (AA)

Sie kennen unsere Haltung zu solchen Berichten und mit Blick auf etwaige Operationen in Rafah ‑ ich glaube, der Kanzler hat sich dazu eingelassen, aber vor allen Dingen auch die Außenministerin. Insofern würde ich das alles hier jetzt nicht wiederholen wollen.

Zusatzfrage

Vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophe in den Gebieten und auch vor dem Hintergrund, dass wir den islamischen Ramadan, den Fastenmonat. Sind Sie darüber besorgt, dass so ein Angriff zu dieser Zeit stattfinden soll?

Wagner (AA)

Wir haben mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass wir die Berichte darüber mit Sorge sehen. Sie sagen zu Recht, dass die humanitäre Lage in Gaza und natürlich auch in Rafah schon jetzt katastrophal ist. Wir haben hier mehrfach unterstrichen, wie schwierig das Operationsgebiet in Gaza ist. Es geht ja um ein sehr dicht besiedeltes Gebiet, in dem sehr viele Menschen auf wenig Platz leben und in dem insofern die Versorgungslage schwierig ist. Deshalb haben wir hier schon oft deutlich gemacht ‑ und das machen wir auch direkt gegenüber unseren israelischen Partnern ‑, dass die Operationsführung entsprechend angepasst werden sollte.

Was Pläne einer großflächigen Operation in Rafah angeht, haben wir mehrfach unsere Sorge zum Ausdruck gebracht.

Frage

An Frau Hoffmann und an Herrn Wagner: UN-Experten und internationale Menschenrechtsorganisationen fordern den Stopp von Waffenlieferungen an Israel, weil die Länder, die diese Waffen an Israel liefern, an Kriegsverbrechen mitschuldig werden könnten. Ein Gericht in Holland hat deswegen vor wenigen Wochen Waffenexporte nach Israel untersagt. Würde Deutschland sich einer solchen Forderung, keine Waffen nach Israel zu liefern, anschließen bzw. auch in Erwägung ziehen, keine Waffen zu liefern?

Hoffmann (BReg)

Ich kann gerne anfangen und noch einmal auf unser Prinzip verweisen, dass wir über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte nach sorgfältiger Prüfung und jeweils auch im Einzelfall und situationsabhängig entscheiden und dass wir dabei außen- und sicherheitspolitische Erwägungen in Betracht ziehen, aber dass die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bei diesen Entscheidungen ebenfalls berücksichtigt werden.

Wagner (AA)

Weil Sie auch danach fragen, was jetzt notwendig ist: Notwendig ist jetzt eine humanitäre Feuerpause. Sie wissen ja, dass sozusagen „as we speak“ Verhandlungen darüber laufen. Sie wissen auch, dass die Bundesregierung ‑ das hat die Außenministerin auch mehrfach zum Ausdruck gebracht ‑ die Notwendigkeit sieht, dass es jetzt schnell zu einer humanitären Feuerpause kommt, eben um die restlichen Geiseln aus Gaza herauszubekommen auch mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinzubekommen.

Zusatzfrage

Trägt Deutschland Verantwortung für Waffen, die es in andere Länder liefert, also dafür, wie diese Waffen benutzt werden, wie sie verwendet werden? Wie ist das rechtlich?

Hoffmann (BReg)

Wie gesagt, wenn wir darüber entscheiden, ob wir Rüstungsexporte genehmigen, dann spielen dabei immer sowohl außen- und sicherheitspolitische Erwägungen eine Rolle als auch das humanitäre Völkerrecht.

Frage

Laut libanesischen Medienberichten soll Israel vor einigen Stunden Ziele in Baalbek, also nordöstlich von Beirut und nicht mehr nur im Süden, angegriffen haben. Wie bewertet die Bundesregierung die drohende Eskalation in Libanon und inwiefern wirkt sie darauf hin ‑ vor allem in Gesprächen mit Israel, aber natürlich ist auch Hisbollah an dieser drohenden Eskalation beteiligt ‑, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt.

Wagner (AA)

Ich kann die spezifischen Berichte, die Sie da zitieren, jetzt nicht kommentieren, weil ich sie noch nicht gesehen habe. Sie wissen aber, dass uns die Sorge über eine regionale Eskalation des Konfliktes dort im Norden umtreibt. Es ist ja so, dass die Hisbollah weiterhin Israel eingreift. Das ist natürlich immer Gegenstand von Gesprächen der Bundesregierung gewesen ‑ vor allen Dingen auch Gesprächen der Außenministerin, die in der Region kürzlich auch zu Besuch war. Insofern treibt uns das natürlich um, und wir rufen alle Seiten auf, so zu handeln, dass es nicht zu einer weiteren größeren regionalen Eskalation kommt.

Zusatzfrage

Welche Möglichkeiten schaffen Sie denn über Appelle hinaus, um dem entgegenzuwirken? Es ist ja eigentlich genau die gleiche Frage wie zum Thema Gaza. Was machen Sie also über diese Appelle hinaus?

Wagner (AA)

Sie haben ja richtig benannt, dass ein wesentlicher Akteur in der Geschichte die Hisbollah im Libanon ist. Insofern ist es natürlich auch an der libanesischen Regierung, deren Teil die Hisbollah ja ist, auf diesen Akteur einzuwirken und sicherzustellen, dass von der Hisbollah keine Gefahr für Israel ausgeht. Insofern sind das natürlich auch Themen, die bei diplomatischen Gesprächen auf der Tagesordnung stehen.

Parlamentswahlen in Belarus

Frage

Herr Wagner oder Frau Hoffmann, vielleicht können Sie zum Schluss noch kurz die Parlamentswahlen in Belarus bewerten.

Hoffmann (BReg)

Ich habe schon Mühe mit dem Wort Wahlen. Aus unserer Sicht war diese gestrige Wahl wie schon die Präsidentschaftswahl im August 2020 nur eine Scheinwahl. Sie war nicht frei, sie war nicht fair und hat demokratische Standards oder sogar Mindeststandards in keiner Weise erfüllt. Es gab keine externe unabhängige Wahlbeobachtung. Es herrschte ein Klima der Einschüchterung und Angst. Es gibt eine Vielzahl von politischen Gefangenen in Belarus, deren Freilassung wir fordern. Insofern kann ich nur sagen: Ja, es war eine Scheinwahl.

Wagner (AA)

Ich kann mich dem nur voll umfänglich anschließen. Das Auswärtige Amt hat sich ja gestern auch auf X dazu eingelassen und die systematische Repression bei diesen Scheinwahlen verurteilt.

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