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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 15.01.2024

15.01.2024 - Artikel

Wahlen in Taiwan

Frage

Eine Frage an Herrn Wagner: Es war am Wochenende Wahl in Taiwan. Das Auswärtige Amt hat gestern ein Glückwunschschreiben veröffentlicht, in dem weder der Name des neuen Präsidenten, Herrn Lai, genannt wurde, noch dessen Position. Warum wurde das weggelassen? Andere Partnerländer Deutschlands wie Japan, die USA, Großbritannien oder Litauen haben das ja deutlicher formuliert.

Wagner (AA)

Sie haben es erwähnt. Wir haben gestern eine Sprechererklärung veröffentlicht. Ich spare es, sie hier noch einmal in Gänze vorzulesen. Ich verweise die Kolleginnen und Kollegen gern auf den Text auf unserer Homepage, der im Einklang mit der Linie ist, die auch andere Partner in der EU, zum Beispiel auch die EU, vertreten haben. Sie kennen ja unsere Position zu Taiwan. Wir haben eine Ein-China-Politik. In diesem Rahmen haben wir gute Beziehungen unterhalb der völkerrechtlichen Ebene mit der Demokratie Taiwan.

Zusatzfrage

Im Mai wird Herr Lai ins neue Amt eingeführt. Plant die Bundesregierung, jemanden zu schicken?

Wagner (AA)

Ich führe es gern noch einmal aus. Ich habe es hier, glaube ich, öfter schon ausgeführt. Im Rahmen der Ein-China-Politik ist es gute Praxis, dass die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen mit Taiwan unterhält. Dieser Praxis entspricht es eben auch, dass wir keine Kontakte auf Ebene der souveränitätsrelevanten Ämter, wie wir das nennen, pflegen. Das betrifft die höchsten Staatsämter, Repräsentanten der Verfassungsorgane. Unterhalb dieser Schwelle der völkerrechtlichen Anerkennung unterhalten wir enge und gute Beziehungen zu Taiwan, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Frage

Gab es souveränitätsrelevante Reaktionen aus China?

Wagner (AA)

Das müssten Sie die chinesische Seite fragen. Ich meine, Medienberichte gesehen zu haben, dass sich die chinesische Regierung auch zu den Wahlen in Taiwan geäußert hat.

Zusatzfrage

Das heißt, es gab keine offizielle Protestnote oder Ähnliches bei Ihnen aufgrund Ihrer Verlautbarungen zur Wahl in Taiwan?

Wagner (AA)

Sie können davon ausgehen, dass es Kontakte mit unseren chinesischen Kolleginnen und Kollegen gibt. Ich müsste jetzt noch einmal nachhören, ob es spezifische Reaktionen auf unsere Sprechererklärung gab.

[…]

Wagner (AA)

Der Herr ist zwar mittlerweile gegangen, aber ich liefere gerne etwas nach. Dank an die Kolleginnen und Kollegen, die im Amt zuschauen! – Es ist so, dass das chinesische Außenministerium auf unsere Vertretung in Peking zugegangen ist und noch einmal die chinesische Haltung mitgeteilt hat. Wir haben das natürlich zum Anlass genommen, auch unsere Haltung noch einmal darzulegen, wie ich sie hier eben ja schon ausgeführt habe.

Verfahren gegen Israel vor dem Inter­nationalen Gerichtshof wegen des Vorwurfs des Völkermords

Frage

Ich wollte noch einmal zum Völkermordverfahren in Den Haag kommen. Herr Hebestreit, ich fand es bemerkenswert. Sie hatten ja am Freitag getwittert. Zum Ende des südafrikanischen Vortrags hat die Bundesregierung pauschal deren Vorwurf gegenüber Israel zurückgewiesen, weil der jeder Grundlage entbehre, als ob die südafrikanischen Juristen den ganzen Tag vorher nur Blödsinn geredet hätten und man gar kein IGH-Urteil abzuwarten bräuchte. Können Sie einmal erläutern, warum man die internationale Justiz nun missachtet und juristische Argumente ohne Prüfung zurückweist, obwohl die Bundesregierung sonst ja immer der große Unterstützer von internationaler Justiz ist? Warum hat sich die Bundesregierung diese Blöße gegeben?

Hebestreit (BReg)

Ihre Interpretation ist Ihre. Die teile ich komplett nicht. Aber richtig ist, dass wir natürlich weiterhin zum Internationalen Gerichtshof stehen, und dieser Gerichtshof sieht dezidiert vor, dass man auch als Drittpartei an einem solchen Verfahren im Hauptverfahren teilnehmen kann. Von diesem Recht macht die Bundesregierung Gebrauch. Das hat sie angekündigt. Das habe ich in dem Tweet bzw. in der Stellungnahme am Freitag dargelegt. Wir sehen uns aufgrund unserer Vergangenheit, aufgrund des Holocaustes, besonders verpflichtet, bei diesem Thema sehr genau hinzuschauen, und wir sind nicht überzeugt, dass die Argumente, die dargelegt worden sind, diesen Vorwurf rechtfertigen. Deswegen haben wir gesagt, wir stellen uns an die Seite Israels in diesem Verfahren als Drittpartei und werden uns auch äußern. Klar ist aber, dass es ein Verfahren ist, das vor dem Internationalen Gerichtshof läuft und dort behandelt wird, und genauso, wie es Kläger gibt und Leute den Nachweis führen wollen, stehen wir an der Seite Israels und verteidigen es.

Zusatz

Ich habe mich gefragt, warum man Verfahren internationaler Justizsysteme offenbar missachtet und das schon vorher ohne jegliche Prüfung zurückweist.

Ich habe aber eine Frage, weil Sie auf ‑ ‑ ‑

Hebestreit (BReg)

Aber das ist keine Missachtung dieses Verfahrens, sondern es ist dezidiert im Verfahren vorgesehen, dass sich andere Länder auch als Drittparteien an die Seite stellen können, und von diesem Recht macht die Bundesregierung, macht die Bundesrepublik Gebrauch. Dann wird das dort vor Gericht verhandelt, und diese Verhandlung gilt es, abzuwarten.

Wagner (AA)

Ich kann vielleicht aus Sicht des Auswärtigen Amtes etwas ergänzen. Wie der Regierungssprecher ja auch schon gesagt hat, haben wir hohen Respekt und achten den Internationalen Gerichtshof. Die Kolleginnen und Kollegen in unserer Vertretung in Den Haag verfolgen dieses Verfahren ja auch und waren an beiden Verfahrenstagen als Beobachter zugegen.

Vielleicht noch einmal in der Sache: Es geht ja hierbei sozusagen um unsere Haltung in der Frage, zu der wir uns ja hier auch schon einmal eingelassen haben. Es gibt halt nach der Völkermordkonvention Voraussetzungen dafür, was man als einen Völkermord ansieht. Da setzt der Tatbestand des Völkermords die Absicht voraus, Angehörige einer nationalen ethnischen, rassischen und religiösen Gruppe wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten, und wir können beim besten Willen im israelischen Vorgehen diese Absicht nicht erkennen. Insofern positionieren wir uns so, wie wir uns positionieren.

Zusatzfrage

Das wird ja jetzt entschieden. Ich hatte ja darauf hingewiesen, dass es international so interpretiert wird, als ob die Bundesregierung sagt: Die Südafrikaner haben den ganzen Tag nur Blödsinn geredet.

Ich wollte aber zur namibischen Reaktion kommen, weil am selben Tag die Bundesregierung nichts zum 120. Jahrestag des Beginns des deutschen Völkermordes an den Herero und Nama auf dem Gebiet des heutigen Namibias gesagt hat. Das wundert mich, gerade weil Herr Hebestreit ja an die Völkermordgeschichte Deutschlands erinnert hatte. Warum haben Sie das nicht getan, und wie haben Sie die Kritik des namibischen Präsidenten aufgefasst, der ja ein vernichtendes Urteil über diese Haltung am Freitag geäußert hat, der seine tiefe Sorge über die deutsche Erklärung geäußert hat?

Wagner (AA)

Ich glaube, man muss hier zwei Dinge voneinander trennen, zum einen unsere Beziehung zu Namibia. Wir haben natürlich die Äußerungen des namibischen Staatspräsidenten zur Kenntnis genommen. Wir als Bundesregierung benennen im Übrigen die Verbrechen an den Herero, Nama, Damara und San als das, was sie sind. Sie waren ein Völkermord. Gerade deshalb sind wir ja der Aufarbeitung dieser Verbrechen und der historischen Verantwortung, zu einer deutsch-namibischen Aussöhnung zu kommen, so verpflichtet. Sie wissen ‑ das kann ich gerne noch einmal ausführen ‑, dass Deutschland und Namibia 2015 einen deutsch-namibischen Versöhnungsdialog eingeleitet haben und eine gemeinsame Erklärung entwickelt und ausgehandelt haben, die vor zwei oder mittlerweile drei Jahren ‑ im Mai 2021 ‑ paraphiert worden ist. Die Verhandlungen zu dieser gemeinsamen Erklärung dauern noch an. Das ist ein intensiver Prozess. Wir arbeiten im Übrigen mit Namibia sehr eng zusammen, zum Beispiel auch, wenn es darum geht, den Zukunftsgipfel der UN in New York vorzubereiten, bei dem wir ja beide Co-Initiatoren sind. Ich glaube also, das muss man davon getrennt sehen.

Andererseits ist die Frage, die wir eben schon erörtert haben, eben die Frage, ob Israel nach der Völkermordkonvention in Gaza einen Genozid begeht. Dazu haben wir eine dezidierte Ansicht, die wir hier ja jetzt auch noch einmal dargelegt haben und die wir zuvor schon dargelegt haben. Wir weisen die historische Gleichsetzung der Shoa und des Holocausts mit dem Vorgehen in Gaza zurück.

Frage

Nun ist es aber so, dass mehr als drei Stunden lang erfahrene und hochkarätige Juristen und Juristinnen in Den Haag diese Anklage gegen Israel vorgetragen haben. Sie sagen selbst, dass Deutschland dezidiert sagt, dass das quasi Quatsch ist oder dass das jeglicher Grundlage entbehrt. Das muss doch Den Haag erst entscheiden! Was passiert, wenn Den Haag gegen Israel entscheidet? Sagt Deutschland dann weiterhin, dass entbehre jeder Grundlage, oder gibt es dann das Eingeständnis?

Wagner (AA)

Sie legen uns, wenn ich das einmal zurückweisen darf, Worte in den Mund, die wir nicht benutzen. Auch auf israelischer Seite gehen ja Juristen zu Werke, und Israel hat, glaube ich, dann am Freitag seine Position dort vertreten. In der Tat ist es so, dass das Gericht das jetzt prüft und sich das anschaut, und das beobachten wir natürlich. Es ist mitnichten so, dass wir behaupten, irgendetwas sei Quatsch. Wir haben eine Haltung zu der Frage, die ich ja eben hier dargelegt habe.

Hebestreit (BReg)

Das ist eine juristische Auseinandersetzung ‑ es ist üblich, dass man juristisch streitet und dass man unterschiedliche Positionen darlegt. In diesem Streit zwischen der israelischen Seite und den Anklägern aus Südafrika werden verschiedene Länder ihre Position beziehen ‑ die Position von Namibia haben Sie gerade gehört ‑, und Deutschland tut das auch. Dann muss dieser juristische Streit miteinander ausgetragen werden. Das geschieht in Den Haag vor dem Internationalen Gerichtshof, und dieser Gerichtshof wird am Ende ‑ am Ende dieses Streites, am Ende der Gewichtung aller Argumente ‑ zu einem Urteil kommen.

Zusatzfrage

Ich wiederhole meine Frage: Was passiert, wenn Den Haag gegen Israel entscheidet? Wie wird sich die Bundesregierung dazu dann positionieren?

Wagner (AA)

Ich glaube, wir spekulieren hier nicht. Der IGH wird nun schnellstmöglich den Antrag Südafrikas auf Erlass vorläufiger Maßnahmen entscheiden. Es ist jetzt schwer abzusehen und, glaube ich, auch nicht unsere Aufgabe, hier darüber zu spekulieren, wie der IGH entscheidet. Dann wird es ja auch ein Hauptsacheverfahren geben, und die Bundesregierung hat ja schon angekündigt ‑ das hat der Regierungssprecher eben noch einmal betont ‑, dass wir unsere Rechtsauffassung zur Auslegung der Völkermordkonvention auch in dem Hauptsacheverfahren noch einmal dort zu Protokoll geben werden, denn wir sind eben auch Partei bzw. Unterzeichner der Völkermordkonvention, und darin ist vorgesehen, dass man das kann.

Asylanträge russischer Kriegsdienst­verweigerer

Frage

Ich habe zwei Fragen an das BMI. Es geht um die russischen Deserteure bzw. Kriegsdienstverweigerer. Die Bundesregierung hat sich ja dazu bekannt, ihnen erleichterten Schutz zu gewähren. Bislang ist aber nur ein sehr geringer Anteil ‑ 2,6 Prozent, glaube ich ‑ der 3 500 Asylanträge positiv beschieden worden. Warum ist das so?

Zweite Frage: Warum wird eigentlich nur denen, die aus dem Krieg heraus desertieren, Schutz gewährt, und nicht Menschen, die bereits einen Einberufungsbefehl bekommen haben, ähnlich wie das bei den Syrern der Fall ist?

Kall (BMI)

Die Asylgewährung ist am Ende immer eine Einzelfallentscheidung, man muss sich also immer die Umstände im Einzelfall und die Verfolgungsgründe anschauen. Das macht es dann wiederum schwierig, das statistisch zu erfassen; deswegen werden Schutzgründe auch nicht statistisch erfasst. Insofern ist, glaube ich, die Zahl, die Sie genannt haben, so auch nicht belastbar, denn wir wissen gar nicht, wie viele der russischen Staatsangehörigen, die einen Asylantrag stellen, Deserteure oder Kriegsdienstverweigerer sind. Meines Wissens lässt sich das jedenfalls nicht genau aus den BAMF-Statistiken herauslesen.

Richtig ist, dass das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, gesagt hat: Im Regelfall ist das ein Grund, internationalen Schutz zu gewähren. Das setzt voraus, dass diese russischen Staatsangehörigen auch in Deutschland sind oder nach Deutschland gekommen sind, sodass sie hier einen Asylantrag stellen können. Außerdem setzt das voraus, dass diese Personen sehr genau überprüft wurden ‑ auch darauf, ob sie schon im russischen Militär gedient haben und ob sie an irgendeiner Art von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt waren. Das würde einen Schutz in Deutschland natürlich ausschließen.

Zusatzfrage

Die Zahl 2,6 Prozent stammt aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken.

Kall (BMI)

Okay, dann müsste ich das selber nochmal recherchieren, weil mir die Antwort hier jetzt nicht vorliegt. Aber wie gesagt, in den BAMF-Statistiken werden die Schutzgründe nicht erfasst.

Frage

Nun ist es so, dass die Beantragung von Schengen-Visa aus Russland heraus faktisch unmöglich ist; das funktioniert nur noch über wenige deutsche Botschaften bzw. Konsulate, und die anderen europäischen Länder sehen das genauso. Das heißt, faktisch gesehen haben russische Deserteure gar keine Chancen, nach Deutschland zu kommen. Ist es denn so, dass das politisch nicht gewollt ist?

Kall (BMI)

Aus dem, was Ihre Kollegin gerade in ihrer Frage gesagt hat, geht ja hervor, dass wir durchaus auch Asylanträge von Deserteuren in Deutschland haben. Wie wir damit umgehen, habe ich gerade gesagt. Es gibt also erkennbar schon Möglichkeiten. Was Botschaften und Auslandsvertretungen angeht, müsste der Kollege aus dem Auswärtigen Amt weiterhelfen. Ich habe ja die Einschränkung genannt, dass man Asyl dann nur in Deutschland beantragen kann.

Wagner (AA)

Ich habe dem nicht viel hinzuzufügen, aber weil Sie es angesprochen haben: Es ist tatsächlich so, dass wir bei der Präsenz in Russland anpassen mussten. Das hatte ja eine Ursache darin, dass die russische Seite uns da eine Obergrenze auferlegt hat. Insofern sind da Konsulate geschlossen worden. Aber wir sind natürlich weiterhin ansprechbar, und Visaanträge sind einreichbar.

Zusatzfrage

Würde man in den deutschen Auslandsvertretungen beispielsweise in Kasachstan, Armenien, Georgien oder anderen Staaten, über die die Ausreise für russische Staatsbürger ja leichter ist, Schengen-Visa an die eigentlich als russisch gemeldeten Staatsbürger austeilen?

Wagner (AA)

Das müsste ich nachreichen, weil ich das jetzt im Detail nicht drauf habe. Das machen wir aber gern.

[…]

Wagner (AA)

Ich habe noch eine Nachreichung zu der Frage nach den Visa. Es ist grundsätzlich natürlich so, dass Visa bei der Auslandsvertretung beantragt werden müssen, wo der Wohnort ist. Ich habe vorhin schon gesagt, dass es diesbezüglich in Russland im Moment Beschränkungen gibt. Insofern kann das im Einzelfall auch schwierig sein, aber dann findet man auch individuelle Lösungen.

Nur damit das klar ist ‑ Max Kall hat es auch schon gesagt ‑: Asylanträge können natürlich nur in Deutschland gestellt werden, nicht an Auslandsvertretungen.

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