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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 08.01.2024

08.01.2024 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Herr Fischer, gibt es Pläne, einige der Schwerverletzten aus Gaza zu einer medizinischen Behandlung nach Deutschland zu bringen?

Fischer (AA)

Sie wissen, dass die Bundeswehr vor Kurzem Beatmungsgeräte und Brutkästen, die das Auswärtige Amt finanziert hat, für die Behandlung von Patienten aus Gaza, insbesondere von Babys, sowie Patientenmonitore nach Ägypten transportiert hat. Insofern kann ich Ihnen mitteilen, dass wir Ägypten mit medizinischen Materialien und Geräten im Wert von rund zwei Millionen Euro dabei unterstützen, Patienten, gerade kleine Kinder und Babys, aus Gaza zu versorgen. Ähnliches gilt für Jordanien, für das wir 400 000 Euro aufbringen, um Verletzte aus Gaza zu unterstützen. Die Gelder sind auch dafür bestimmt, die Beschaffung medizinischen Materials und weiterer Geräte für die Versorgung von Patienten aus Gaza zu ermöglichen, vor allem von Säuglingen und Kleinkindern.

Über die Frage, ob wir Patientinnen und Patienten in Deutschland aufnehmen, gibt es Gespräche im Ressortkreis.

[…]

Frage

Sie hatten es in der vergangenen Woche schon mehrmals diskutiert. Es gibt unglaublich viele Hinweise darauf, dass die israelische Regierung Pläne habe, die Zivilbevölkerung in Gaza umzusiedeln, entweder nach Ägypten oder in andere Länder, etwa in den Kongo. Davon war vergangene Woche die Rede. Sie haben auch deutlich gemacht, dass sich die Bundesregierung ganz dezidiert dagegenstellt. Führt das aber dazu, dass die Bundesregierung das Kriegsziel Israels noch einmal neu und anders bewertet, als es noch vor einigen Wochen der Fall war?

Fischer (AA)

Wir haben sehr klar auf die Äußerungen der beiden israelischen Minister reagiert. Wir haben sie verurteilt und erklärt, dass sie weder hilfreich sind noch die Dinge voranbringen, dass wir weiterhin an einer Zweistaatenlösung festhalten und diese aggressive Rhetorik alles andere als hilfreich finden. Die Außenministerin hat gestern in Jerusalem dazu noch einmal sehr deutlich gemacht, dass Gaza den Palästinenserinnen und Palästinensern gehört, dass sie aus Gaza nicht vertrieben werden dürfen und dass es keine erneute israelische Besatzung oder Besiedlung von Gaza geben darf. Ich denke, dabei sind wir klar.

Was die israelischen Ziele im Gazastreifen angeht, so werden sie vom Kriegskabinett in Israel definiert. Dem gehören diese beiden Minister nicht an.

Zusatz

Es ist die eine Sache, was nach außen kommuniziert wird. Es könnte eine andere Sache sein, was tatsächlich der Fall ist. Insofern kann die Bundesregierung auch eigenständig bewerten, wie sie auf dieses Ziel oder die militärische Vorgehensweise in Israel blickt.

Fischer (AA)

Auch dazu haben wir uns in den vergangenen Wochen in praktisch jeder Bundespressekonferenz geäußert und sehr deutlich gemacht, dass Israel zum einen im Rahmen des Völkerrechts das Recht auf Selbstverteidigung zusteht, wir aber zum anderen die katastrophale Lage der zivilen Bevölkerung in Gaza sehen, dass unsere Forderung fortbesteht, dass mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen hineinkommen müssen, um die Lage der Menschen, der Frauen und Kinder, der Männer, die derzeit dort unter unsäglichen Bedingungen leben, zu verbessern, und dass das auch bedeutet, dass Israel zu einer weniger intensiven Kriegsführung kommen muss.

Frage

Herr Fischer, Sie haben jetzt so betont und die Ministerin damit zitiert, Gaza gehöre den Palästinenserinnen und Palästinensern. Würden Sie sagen, dass auch das Westjordanland den Palästinenserinnen und Palästinensern gehört und dass deswegen möglicherweise die mittlerweile, so meine ich, 600 000 israelischen Siedler das Westjordanland so verlassen sollten, wie sie auch den Gazastreifen verlassen haben?

Fischer (AA)

Wir haben uns auch regelmäßig zum Westjordanland geäußert. Aus unserer Sicht verstoßen die Siedlungen im Westjordanland gegen das Völkerrecht bzw. gegen Resolutionen des VN-Sicherheitsrats, der VN-Generalversammlung.

Frage

Herr Fischer, wird der Wirtschaftsminister auf seiner Reise vor allem im Westjordanland vom deutschen Botschafter begleitet, oder in welcher Form findet eine Absprache statt?

Fischer (AA)

Zu den Reiseplänen des Wirtschaftsminister müssten Sie die Kollegin fragen. Wir haben ein Vertretungsbüro in Ramallah. Ich gehe davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen den Wirtschaftsminister während seines Besuchs im Westjordanland betreuen werden.

Zusatzfrage

Dann habe ich noch eine Frage originär zu Gaza: Gaza wird de facto unbewohnbar gemacht, auch durch die Zerstörungen durch Angriffe. Wie stellt sich die Bundesregierung vor, dass dauerhaftes palästinensisches Leben in Gaza möglich sein soll, wenn die Wohn- und Lebensinfrastruktur faktisch zerstört ist?

Fischer (AA)

Ich denke, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen, dass die Hamas es in der Hand hat, jederzeit dafür zu sorgen, dass Israel sich nicht mehr selbst verteidigen muss. Wenn die Hamas ihre Waffen niederlegt, wird es möglich sein, zu einem normalen Leben im Gazastreifen zurückzukehren. Dazu gehören dann natürlich auch Anstrengungen für den Wiederaufbau.

Zusatzfrage

Bedeutet das, dass das materielle Ausmaß der Zerstörung, das wir derzeit sehen, von Ihnen nun doch als Ausdruck, als angemessener Ausdruck der Selbstverteidigung Israels gegen terroristische Angriffe angesehen wird? Das scheint mir im Widerspruch zu dem zu stehen, was Sie vorher gesagt haben.

Fischer (AA)

Ich sehe da keinen Widerspruch. Seit den furchtbaren Terroranschlägen des 7. Oktobers geht Israel gegen die Hamas im Rahmen des Selbstverteidigungsrechts vor. Die Hamas hat immer wieder betont ‑ sie tut dies auch weiterhin ‑, dass ihr Ziel die Zerstörung und die Vernichtung Israels ist. Weiterhin fliegen auch Raketen der Hamas in Richtung Israels. Insofern ist das Selbstverteidigungsrecht nicht erloschen. Im Rahmen dessen führt Israel seine Militäroperation durch.

Was wir gesagt haben, ist, dass der Kampf der Hamas gelten muss und nicht der Zivilbevölkerung und dass Israel vor diesem Hintergrund die Verpflichtung hat, das Völkerrecht einzuhalten. Wir haben auch mit Blick auf die Lage im Gazastreifen und vor allem mit Blick auf die Lage der zivilen Bevölkerung gesagt, dass dazu auch gehört, dass Israel seine militärischen Operationen weniger intensiv durchführt, als dies bislang der Fall war.

Frage

Sie haben es gerade schon gesagt: Die von der Regierung gestützte Siedlungsexpansion im Westjordanland ist völkerrechtswidrig. ‑ Zudem gibt es extrem viele Hinweise darauf, dass Israel auch in Gaza internationales Recht bricht. Das lässt sich jetzt nicht verifizieren. Wo es sich aber verifizieren lässt, ist zum Beispiel im Libanon oder auf der Westbank.

Führen diese Umstände dazu, dass die Bundesregierung ihre Beziehungen zu Israel neu bewertet?

Fischer (AA)

Ich verstehe nicht ganz, worauf Ihre Frage abzielt. Israel ist ein ‑ ‑ ‑

Zusatz

So viel Verstoß gegen internationales Recht und gegen Menschenrechte könnte ja dazu führen, dass die Bundesregierung im Sinne der wertegeleiteten Außenpolitik sagt: Unsere Beziehung zu Israel wird anders bewertet, als es gegenwärtig der Fall ist.

Fischer (AA)

Ihre Unterstellung mache ich mir in dieser Form nicht zu eigen. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir im Kampf gegen Hamas an der Seite Israels stehen. Gleichzeitig haben wir sehr deutlich gemacht, dass wir das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser im Gazastreifen sehen. Aber wir sehen es natürlich auch, wenn Siedlerinnen und Siedler im Westjordanland versuchen, die Situation jetzt auszunutzen. Auch dies haben wir verurteilt.

Zusatzfrage

Ich weiß nicht, von welchem Vorwurf Sie gesprochen haben. Es beantwortet aber nicht meine Frage. Verstehe ich es richtig, dass Sie die Beziehungen nicht anders bewerten als vorher?

Fischer (AA)

Das war meine Antwort.

Mögliche Eurofighterverkäufe an Saudi-Arabien

Frage

Herr Fischer, Außenministerin Baerbock hat am Wochenende gesagt, die Bundesregierung sei offen für den Verkauf weiterer Eurofighter an Saudi-Arabien. Im Koalitionsvertrag war das bisher ausgeschlossen. Können Sie kurz erläutern, wie es zu dieser Kehrtwende gekommen ist?

Herr Hebestreit, teilt Bundeskanzler Scholz diese Einschätzung? Unterstützt Scholz die Äußerung, dass sich Berlin solche Waffenverkäufe an Saudi-Arabien vorstellen kann?

Hebestreit (BReg)

Ich kann es relativ kurz machen. Ja, der Bundeskanzler teilt diese Einschätzung. Ich kann Sie auch darauf verweisen, dass die Bundesregierung im Sommer des vergangenen Jahres das, was als Jemenklausel bekannt geworden ist, im Lichte der Entwicklungen der letzten Monate und Jahre im Konflikt im Jemen neu bewertet hat und, was sowohl die Rolle der Vereinigten Arabischen Emirate als auch die Rolle Saudi-Arabiens anbetrifft, eine Neubewertung vorgenommen hat.

Im Lichte dieser Neubewertung und auch der Entwicklungen, die wir seit dem 7. Oktober erleben, in denen Saudi-Arabien Israel gegenüber eine sehr konstruktive Haltung einnimmt ‑ ‑ ‑ Das muss man auch sagen: Die Attentäter des 7. Oktobers hatten ein Ziel, nämlich die Wiederannäherung Saudi-Arabiens an Israel zu verhindern. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Die israelische Regierung und auch die Regierung Saudi-Arabiens sind in einem guten Miteinander. Saudi-Arabiens Luftwaffe hat ‑ das hat die Außenministerin gestern, glaube ich, auch mit den Worten, bezeichnet, es sei ein offenes Geheimnis ‑ auch mit Eurofightern Raketen der Huthi, die auf dem Weg nach Israel waren, abgeschossen. Im Lichte all dieser Entwicklungen ist die Positionierung der Bundesregierung, was die Eurofighter anbetrifft, zu sehen. Das ist innerhalb der Bundesregierung eng abgestimmt.

Fischer (AA)

Ansonsten würde ich Sie bitten, sich den Wortlaut dessen, was die Ministerin gesagt hat, genau anzuschauen.

Für den Kontext: Es gibt eine saudische Ausschreibung und auf britischer Seite Überlegungen, sich daran zu beteiligen. Die Ministerin hat sich dazu gestern Abend in Tel Aviv auf Nachfrage geäußert und deutlich gemacht, dass wir uns diesen britischen Überlegungen nicht entgegenstellen würden. Ich kann nicht erkennen, dass Sie konkret von einer Lieferung oder auch einer Genehmigung gesprochen hat, die nämlich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht ansteht.

Frage

Herr Hebestreit, Sie haben gerade die Jemenklausel für uns noch einmal interpretiert, die Verständigung vom vergangenen Sommer. Der Bundeskanzler hat damals explizit darüber gesprochen, dass es dabei in erster Linie um Dinge gehen würde wie die A400M. Er sagte damals auch, eine Entscheidung über Eurofighterlieferungen in Richtung Saudi-Arabiens stehe absehbar nicht an.

Jetzt sagen Sie uns aber gerade, wenn ich das richtig verstanden habe, dass es jetzt doch eine Änderung daran gibt, die auch der Bundeskanzler so sieht. Was hat sich denn konkret in Bezug auf Saudi-Arabien, jetzt nicht auf Israel, geändert, dass man sagen kann, Saudi-Arabien sollte diese Kampfjets bekommen können?

Hebestreit (BReg)

Jetzt enttäuschen Sie mich ein bisschen, weil ich dachte, die Frage hätte ich schon beantwortet. Der 7. Oktober war am 12. Juli nicht absehbar, und das Verhalten Saudi-Arabiens seit dem 7. Oktober ist Teil der Gleichung, die Sie jetzt versuchen aufzulösen.

Wie Sie ja wissen ‑ und für die, die es nicht wissen, erkläre ich es ‑, gibt es bei Rüstungsexportentscheidungen ein zweistufiges Verfahren. Das erste ist die Voranfrage, also ob sich ein Unternehmen überhaupt um den Export eines Rüstungsprojektes bewerben kann. Darum geht es in dieser Frage, also ob sich das Konsortium, das von Großbritannien geführt wird, um eine Ausschreibung in Saudi-Arabien bewerben kann. Da gibt es verschiedene Anbieter. Eines wäre dann der Eurofighter.

In einem zweiten Schritt, wenn Saudi-Arabien dazu käme, den Zuschlag zu erteilen, die Eurofighter bestellen zu wollen, gäbe es eine abermalige Befassung des Bundessicherheitsrates in Deutschland mit der Frage, ob man unter den konkreten Kautelen und unter der konkreten auch machtpolitischen Konstellation und Situation vor Ort einem solchen Export zustimmen würde oder nicht.

Es handelt sich bei dieser Voranfrage um die erste Stufe, und darauf bezog es sich.

Zusatzfrage

Der Hintergrund der sogenannten Jemen-Klausel im Koalitionsvertrag war ja auch, dass die innersaudischen Verhältnisse und das Verhalten gegenüber Nachbarstaaten das eigentlich nicht hergeben. Was hat sich aus Sicht der Bundesregierung ganz konkret an innersaudischen Verhältnissen geändert?

Hebestreit (BReg)

Die Reaktion seinerzeit ‑ ich glaube, fünf Jahre ist es inzwischen her ‑ ist in der heutigen Situation neu bewertet worden. Das haben wir im Sommer letzten Jahres vorgenommen. Das kann ich jetzt hier nicht ad hoc eins zu eins nachvollziehen und aufbereiten. Aber es hat Entwicklungen gegeben, sowohl was die Unterstützung der Huthi angeht als auch den Umgang mit den Nachbarn. Wir erinnern uns, es gab da auch eine Konfliktsituation mit Katar, es gab gewisse regionale Spannungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das hat sich deutlich verändert, seitdem die Jemen-Klausel seinerzeit noch von der schwarz-roten Regierung erlassen worden ist.

Frage

In welchem Zeitfenster kommt es dann zu einer abschließenden zweiten Entscheidung? Wie läuft das also normalerweise ab? Man stellt sich einer Voranfrage nicht entgegen, die kann jetzt gestellt werden. Und wann tagt dann der Bundessicherheitsrat, um eine endgültige Entscheidung zu fällen?

Hebestreit (BReg)

Erst einmal hängt das davon ab, wie die saudi-arabische Entscheidungsfindung läuft. Da gibt es eine Ausschreibung. Die Fristen kenne ich nicht, bis wann das laufen soll. Das sind in der Regel mehrere Monate; bis zu Jahren kann das dauern. Dann gibt es einen Zuschlag, und dann müssen die Flugzeuge produziert werden bzw. man muss in die Produktion einsteigen. Und erst dann ‑ insofern reden wir wahrscheinlich von mehreren Jahren ‑ kann es zu einer Lieferung kommen. Diese Lieferung müsste noch einmal im Bundessicherheitsrat beschlossen werden.

Fischer (AA)

Um es zu ergänzen: Das Verfahren liegt dann in diesem Fall in saudischer Hand. Dort müssen ja die entsprechenden Entscheidungen gefällt werden.

[…]

Frage Jessen

Herr Hebestreit, Ihre Hinweise auf die Stufigkeit der Entscheidungsverfahren ändert ja nichts daran, dass insofern eine fundamentale Positionsveränderung vorgenommen wurde. In der der Vergangenheit, die sich auch immer auf abgestufte Entscheidungsverfahren bezog, wurde klar gesagt: „Wir werden Waffenlieferungen an Saudi-Arabien nicht zustimmen.“ Und jetzt wird signalisiert: „Wenn die Anfrage kommt, dann werden wir uns dem nicht verweigern.“ Das ist eine inhaltlich fundamental andere Position. Die Frage ist: Ist das eine Art Belohnung für die Rolle, die Saudi-Arabien im aktuellen Nahostkonflikt einnimmt?

Hebestreit (BReg)

Ich dachte, die Frage sei bereits diskutiert und beantwortet worden, die Sie gerade stellen. Die Einschätzung, welchen Grad diese Entscheidung hat, ist Ihre Aufgabe und nicht meine. Wir haben dargelegt, was uns zu dieser Entscheidung gebracht hat und dass wir in einem zweistufigen Verfahren sind. Das ist genau so, wie ich es gesagt habe.

Zusatzfrage

Das bedeutet also, die Rolle Saudi-Arabiens, die wir, wenn man so will, als Stabilitätsanker in der Region ansehen, wiegt bei der Abwägung schwerer als die nach wie vor bestehende Kritik an den Verhältnissen, auch an den Menschenrechtsverhältnissen, innerhalb Saudi-Arabiens? Ist das richtig aufgefasst?

Hebestreit (BReg)

Das ist Ihre Beurteilung. Es steht Ihnen an, das zu beurteilen, wie Sie das möchten.

Frage

Sie hatten gerade gesagt, dass sich die Rolle Saudi-Arabiens nach dem 7. Oktober geändert hat. Was sich aber auf keinen Fall geändert hat, ist zum einen die Tatsache, dass Saudi-Arabien im Jemen jahrelang unfassbares Leid verursacht hat, zum anderen aber auch nachweislich ‑ da könnte ich jetzt viele Menschenrechtsorganisationen zitieren ‑ internationales Recht gebrochen hat. Das passiert auch weiterhin, zum Beispiel an der saudischen Außengrenze gegenüber Migranten und Migrantinnen. Da gab es vor einigen Monaten einen öffentlichen Fall.

Entspricht das den Werten, die Annalena Baerbock mit ihrer wertegeleiteten Außenpolitik in die Welt tragen möchte, an eine sich offensichtlich nicht an die Menschenrechte haltende Regierung Waffen zu liefern?

Fischer (AA)

Wie gesagt, erst einmal geht es ja nur darum, dass wir uns den britischen Überlegungen nicht entgegenstellen. Das hat Herr Hebestreit ja auch mit dem zweistufigen Verfahren ausgeführt.

Dann ist es so, dass sich die Lage im Jemen seit April 2022 beruhigt hat, seitdem es dort eine Waffenruhe gibt. Die Zahl der zivilen Opfer ist seitdem signifikant zurückgegangen. Auch nach dem Auslaufen der Waffenruhe im Oktober hat es nach unserer Erkenntnis keine Militäroperationen ausländischer Staaten gegen die Huthi-Rebellen mehr gegeben, auch nicht aus Saudi-Arabien. Saudi-Arabien hat sich glaubhaft von dem Ziel einer militärischen Lösung des Konflikts verabschiedet und unterstützt nun seit bald drei Jahren gemeinsam mit den Vereinten Nationen die Bemühungen für eine politische Beilegung.

Sie wissen vielleicht ‑ wenn nicht, dann ist es vielleicht wichtig zu wissen ‑, Saudi-Arabien und die Huthis haben sich zuletzt in direkten Gesprächen auf den Beginn eines politischen Prozesses geeinigt, und jetzt wird versucht, gemeinsam mit den Vereinten Nationen dessen Umsetzung zu organisieren. Es gibt da also deutliche Fortschritte in Richtung eines politischen Prozesses, der ohne die konstruktivere Rolle Saudi-Arabiens in diesem Dossier nicht möglich geworden wäre.

Auch die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran hat dazu beigetragen, Spannung in der Region zu reduzieren. Wie die Ministerin gesagt hat, war der 7. Oktober eine Zäsur für die Region. Ich glaube, viele von uns hätten sich in der Vergangenheit nicht vorstellen können, dass Saudi-Arabien einmal auf Israel gerichtete Raketen und Drohnen abfängt.

Zusatzfrage

Verstehe ich das richtig, dass aus Sicht der Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen, die über Jahre ausgeübt wurden, dann irgendwann verjähren?

Fischer (AA)

Diese Unterstellung würde ich mir nicht zu eigen machen.

Frage

Es bleibt aber tatsächlich fast dabei. Der Hintergrund der Jemen-Klausel war unter anderem die Ermordung von Jamal Khashoggi. Daran werden Sie sich sicherlich noch gut erinnern. Hat sich denn der Aufklärungswunsch der Bundesregierung an diesen saudi-arabischen Partner, Counterpart, in irgendeiner Form ‑ ja, wie will ich es sagen? ‑ auflösen lassen? Die Frage richtet sich an Herrn Fischer oder Herrn Hebestreit; ich weiß nicht, wer von Ihnen das sagen kann.

Fischer (AA)

Sie können sicher sein, dass wir die menschenrechtlichen Fragen, die Sie ansprechen, immer wieder mit der saudischen Seite erörtern und auch unabhängige, transparente und umfassende Aufklärung einfordern. Und von saudischer Seite ist uns zugesichert worden, diesen Vorwürfen nachzugehen.

Zusatzfrage Steiner

Daraus schließe ich, dass das bislang noch nicht abschließend erfolgt ist. Ist das soweit korrekt?

Fischer (AA)

Den letzten Stand müsste ich mir noch einmal geben lassen.

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