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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 05.01.2024

05.01.2024 - Artikel

Reise der Außenministerin in den Nahen Osten und nach Südostasien; Nahostkonflikt

Fischer (AA)

Guten Tag auch von mir! Die Außenministerin wird am Sonntag zu einer zweiteiligen Reise aufbrechen, zunächst in den Nahen Osten und dann nach Südostasien.

Die Nahostreise beginnt in Israel, wo sie ihren neuen Amtskollegen Israel Katz sowie den israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog treffen wird. Die Ministerin wird auch in den palästinensischen Gebieten Gespräche führen, unter anderem mit dem Präsidenten der palästinensischen Behörde Mahmud Abbas und dem Außenminister Rijad al-Maliki.

Anschließend reist die Ministerin nach Ägypten weiter, wo sie ihren Amtskollegen Samih Schukri trifft. Zudem ist eine weitere Station in Libanon geplant. Im Zentrum der Gespräche werden die dramatische humanitäre Lage in Gaza, die Situation im Westjordanland sowie die äußerst volatile Lage an der israelisch-libanesischen Grenze stehen. Zudem wird es natürlich auch um die Bemühungen um die Freilassung der von der Hamas nach Gaza verschleppten Geiseln gehen. Für die, die sich für diese Dinge interessieren: Es ist die vierte Nahostreise der Ministerin seit den Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober.

Anschließend wird Außenministerin Baerbock nach Südostasien weiterreisen. Sie wird dort die Philippinen, Malaysia und Singapur besuchen. Im Fokus dieses Reiseteils steht die Vertiefung der Beziehung zu Schlüsselpartnern des ASEAN-Staatenverbundes und damit zu einer der wirtschaftlich dynamischsten Regionen der Welt. Dabei werden auch Fragen wie die Freiheit der Seewege und der maritimen Sicherheit in der Region sowie die Zusammenarbeit beim Thema des Klimaschutzes , bei der Energiewende und bei wirtschaftlicher Diversifizierung eine Rolle spielen. Nicht zuletzt wird es auch um die Zusammenarbeit im Fachkräftebereich gehen. Außenministerin Baerbock wird ihre Amtskollegen in diesen drei Ländern treffen. Ebenso sind Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft geplant. Die Rückkehr der Außenministerin ist für Sonntag, den 13. Januar, angedacht.

[…]

Frage

Zum Thema Nahost: Herr Fischer, wird die Ministerin die sogenannten freiwilligen Umsiedlungspläne für die Palästinenser in Gaza mit der israelischen Regierungsseite besprechen? Israelische Medien berichten, die israelische Regierung rede unter anderem mit Kongo und weiteren Ländern über sogenannte Umsiedlungspläne für die Palästinenser aus den Palästinensergebieten.

Fischer (AA)

Ich denke, Sie waren am Mittwoch nicht hier. Damals habe ich mich zu diesem Thema bereits eingelassen und gesagt, dass die betreffenden Äußerungen aus dem israelischen Kabinett, insbesondere der beiden Minister Ben-Gvir und Smotrich, von uns in aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden, wir sie in aller Schärfe verurteilen und sie für weder hilfreich noch sinnvoll halten. Ich habe dabei auch unsere Position noch einmal klargemacht, dass es in Gaza keine Vertreibung von Palästinensern und auch keine territoriale Verkleinerung des Gazastreifens geben darf und dass für uns die Zweistaatenlösung das einzige nachhaltige Modell für ein friedliches Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern bleibt.

Ich bin mir sicher, dass es bei der Reise der Außenministerin auch um das, was in der internationalen Diskussion „der Tag danach“ heißt, gehen wird. Dabei wird die Außenministerin selbstverständlich noch einmal auf unsere Vorstellungen hinweisen und darauf hinwirken, dass sich auch die israelische Regierung zu einer Zweistaatenlösung bekennt.

Zusatzfrage

Dass am Mittwoch die beiden Äußerungen der Minister Thema waren, weiß ich. Aber es geht um israelische Medienberichte, dass diese sogenannte freiwillige Umsiedlung jetzt israelische Regierungsagenda sei. Haben Sie Kenntnisse über Gespräche der Israelis unter anderem mit Kongo?

Fischer (AA)

Darüber habe ich keine Kenntnisse. Dafür müssten Sie die israelische Regierung fragen. Aber so, wie wir es wahrgenommen haben, spielten diese Themen in dem sozusagen für die Auseinandersetzung im Gazastreifen verantwortlichen Kriegskabinett keine Rolle.

Ich will es noch einmal deutlich machen: Die Vorstellung, die wir formuliert haben, die im Rahmen der G7 formuliert worden sind, lassen sich in den fünf Punkten zusammenfassen, dass von Gaza künftig keine terroristische Gefahr für Israels Sicherheit mehr ausgehen darf, dass die Palästinenser nicht aus Gaza vertrieben werden dürfen, dass es keine Besetzung oder keine erneute Besetzung von Gaza geben darf, sondern es den bestmöglichen internationalen Schutz geben muss, dass auch keine territoriale Reduzierung von Gaza angestrebt werden darf und dass es keine Lösung über den Kopf der Palästinenser hinweg geben darf. Das sind aus unserer Sicht Grundvoraussetzungen für dauerhaften Frieden und dauerhafte Stabilität in der Region. Denn am Ende müssen alle Palästinenser im Westjordanland und in Gaza ihre Belange selbstständig und selbstbestimmt repräsentieren können. Hierfür braucht es eine starke palästinensische Autonomiebehörde, was auch einer der Gründe ist, aus denen die Ministerin erneut ins Westjordanland fährt, um dort Gespräche zu führen.

Zu allen anderen Ihrer Fragen müssten Sie in der Tat die israelische Regierung fragen. Aber wenn ich es richtig im Blick habe, hat die israelische Regierung bestritten, dass es solche Gespräche mit Kongo geben soll.

Frage

Herr Fischer, es gibt Klagen darüber, dass Hilfslieferungen nicht in den Norden des Gazastreifens gelangen könnten und die dort verbliebenen Menschen abgeschnitten würden. Teilen Sie diese Sorgen? Haben Sie diesbezüglich möglicherweise eigene Erkenntnisse? Wirken Sie auf die israelische Regierung ein, dass Hilfslieferungen auch nach Norden wieder möglich werden?

Fischer (AA)

Sie wissen, dass wir uns in den letzten Wochen sehr intensiv und sehr stark für die Erhöhung humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen eingesetzt haben. Diese Forderung besteht fort. Es hat einzelne Fortschritte gegeben. Der Grenzübergang Kerem Schalom wurde geöffnet. Es gibt anders als zu Beginn Treibstofflieferungen. Auch die humanitäre Versorgung konnte grundsätzlich auf eine stabilere Basis gestellt werden.

Gleichzeitig nehmen wir die Einschränkungen natürlich immer wieder wahr. Das, wovon Sie berichtet haben, wurde uns auch von UNOCHA, der zuständigen UN-Organisation, berichtet. Natürlich ist es aus unserer Sicht notwendig, dass die Hilfslieferungen auch den Norden des Gazastreifens erreichen. Denn dort sind immer noch Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Winter steht vor der Tür. Seuchen breiten sich aus. Umso wichtiger ist es, dass die humanitäre Versorgung im gesamten Gazastreifen für die Menschen funktioniert.

Zusatzfrage

Ich fragte speziell nach dem Norden, weil es den Verdacht oder das Misstrauen gibt, dass die israelische Regierung möglicherweise Palästinenser daran hindern möchte, und zwar dauerhaft, in den Norden zurückzukehren. Sehen Sie diese Motivlage hinter dem Agieren der Israelis?

Fischer (AA)

Ich werde mich nicht zu der Motivlage äußern. Unsere Haltung dazu ist klar. Es darf keine Vertreibungen aus dem Gazastreifen oder innerhalb des Gazastreifens auf lange Frist geben. Das heißt, die Menschen, die aus dem Norden Gazas stammen, müssen die Möglichkeit haben, zurückzukehren. Wie gesagt, ist es unser Ziel, dass das Leid der Menschen im Gazastreifen gelindert wird. Dazu braucht es auch erneute humanitäre Pausen, für die wir uns einsetzen.

Klar ist: Sollte es eine Blockade von Hilfslieferungen in den Norden geben, müsste sie so schnell wie möglich aufgehoben werden.

Frage

Südafrika hat Israel bei seinem Vorgehen Völkermord vorgeworfen und eine Klage beim Internationalen Gerichtshof eingereicht. Angesichts dessen, dass in Gaza durch das israelische Vorgehen mehr Kinder gestorben sind als im Ukrainekrieg, möchte ich fragen: Unterstützt die Bundesregierung diese Klage?

Fischer (AA)

In der Tat hat Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof eine Völkermordklage eingereicht. Wir haben den Antrag zur Kenntnis genommen. Es ist nun am Internationalen Gerichtshof, diesen zu prüfen.

Sie kennen die Völkermordkonvention. Darin wird der Tatbestand des Völkermords definiert. Er setzt die Absicht voraus, Angehörige einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten. Aber ein gezieltes Vorgehen gegen bewaffnete Angreifer, also Kämpfer in einem bewaffneten Konflikt, ist gerade kein Handeln in der Absicht, eine Volksgruppe zu vernichten.

Zusatzfrage

Hat die Bundesregierung selbst solch eine Prüfung vorgenommen?

Fischer (AA)

Wir haben uns dazu hier schon in der Vergangenheit geäußert und sehr deutlich gemacht, dass unserer Auffassung nach die Behauptung, Israel begehe im Gazastreifen einen Völkermord, falsch und nicht durch die Konvention gedeckt ist.

Frage

Der neue israelische Außenminister Israel Katz hat bei der Amtsübernahme erklärt, Israel befinde sich derzeit in einem dritten Weltkrieg gegen den radikalen Islam, sowohl gegen Hamas als auch gegen den Iran, und kämpfe darin an vorderster Stelle für die gesamte Welt. Bedeutet das, dass Israel mit seiner Art der Kriegsführung derzeit auch aus Sicht der Bundesregierung in einem dritten Weltkrieg auch für die Interessen Deutschlands kämpft?

Fischer (AA)

Wir haben die Äußerungen des neuen Außenministers zur Kenntnis genommen. Ich würde sie von dieser Stelle aus nicht kommentieren wollen. Aber die Außenministerin wird den israelischen Außenminister in Kürze treffen. Dann wird es die Möglichkeit geben, sich auch über dieses Thema auszutauschen.

Zusatzfrage

Nach Auskunft oder Einschätzung des Chefökonomen des World Food Programme leben von fünf Menschen, die weltweit derzeit vom Hungertod bedroht sind, vier in Gaza, also 80 Prozent. Das ist eine gewaltige Marge. Ist das für die Bundesregierung nicht doch Anlass, über einen längerfristigen, dauerhaften Waffenstillstand nachzudenken?

Fischer (AA)

Wie Sie wissen ‑ das habe ich vorhin schon ausgeführt ‑, ist die Lage im Gazastreifen auch aus unserer Sicht katastrophal. Die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln ist nicht ausreichend. Es gibt Hunger. Es besteht die Gefahr, dass sich Seuchen ausbreiten. Diese Dinge nehmen wir natürlich auch mit Israel auf. Wir haben dabei sehr deutlich gemacht haben, dass es notwendig ist, mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen. Wir setzen uns ‑ das wissen Sie ‑ auch dafür ein, dass es humanitäre Pausen gibt, in denen die Menschen im Gazastreifen noch besser mit humanitärer Hilfe versorgt werden können und die möglicherweise auch ein Fenster dafür öffnen, dass weitere Geiseln ausgetauscht werden können.

Frage

Herr Fischer, ich will noch einmal nach den verbliebenen Deutschen im Libanon fragen, nachdem es nun die Gefahr einer Eskalation gibt. Sie haben erwähnt, dass die Außenministerin auch in den Libanon reist. Können Sie uns noch einmal den aktuellen Stand sagen? Denn das Auswärtige Amt hat jetzt noch einmal verschärft alle Deutschen aufgefordert, das Land zu verlassen.

Fischer (AA)

Wir verfolgen die Lage an der Grenze zwischen Israel und Libanon natürlich sehr genau. Die Gefahr einer Eskalation ist leider sehr real. Aus diesem Grund hat der Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt am Mittwoch getagt. Auch heute hat der Krisenbeauftragte zu einer erneuten Krisenstabssitzung ins Auswärtige Amt eingeladen.

Was Ihre Frage angeht, gehen wir davon aus, dass sich derzeit rund tausend Deutsche im Libanon aufhalten. Wir haben in der Tat im Anschluss an die jüngste Krisenstabssitzung noch einmal aktiv alle deutschen Landsleute dazu aufgefordert, den Libanon zu verlassen. Aber das ist am Ende keine Veränderung, weil wir das seit dem 19. Oktober tun. Seit dem 19. Oktober besteht eine Ausreiseaufforderung für den Libanon. Diese haben wir am 3. Januar angesichts der jüngsten Entwicklung allen Deutschen im Libanon noch einmal in Erinnerung zu rufen versucht. Sie gilt auch weiterhin. An dieser Stelle werde ich das auch noch einmal tun: Wir bitten alle Deutschen, die sich derzeit im Libanon befinden, das Land schnellstmöglich zu verlassen.

Frage

Herr Fischer, hat die Bundesregierung Kenntnisse über Deutsche in Gaza, denen der Hungertod droht?

Fischer (AA)

Wir haben Kenntnis von Deutschen im Gaza. Wir wissen, dass die humanitäre Lage auch für diese Deutschen prekär ist. Sie wissen, dass es uns über die letzten Wochen gelungen ist, rund 700 Deutschen einschließlich ihrer Familienangehörigen die Ausreise zu ermöglichen. Wir arbeiten weiterhin intensiv daran, dass der Grenzübergang Rafah für solche Ausreisen geöffnet bleibt, und haben derzeit Kenntnis von einer zweistelligen Zahl von Deutschen, die sich noch im Gazastreifen aufhalten.

Frage

Herr Fischer, können Sie beziffern, welchen Erfolg die mehrfachen Ausreiseaufforderungen aus dem Libanon bisher gehabt haben, sprich, wie viele Deutsche bisher das Land schon verlassen haben?

Fischer (AA)

Die Zahlen schwanken. Zu Beginn des Krieges waren die Zahlen im Libanon höher. Aber in den letzten Wochen sind sie eine Zeit lang auf rund 900 gefallen. Nach der jüngsten Ausreiseaufforderung, die ja mit der Aufforderung einherging, sich auf die Krisenvorsorgeliste ELEFAND einzutragen, sind die Zahlen wieder auf tausend gestiegen. Das heißt, die Deutschen, die im Libanon sind, sehen zumindest den Ernst der Lage so, dass sie sich bei der Botschaft melden.

Aber in vielen Fällen handelt es sich um Deutsch-Libanesen, die seit Längerem im Libanon wohnhaft sind und sozusagen zu ihrer eigenen Gefahreneinschätzung kommen, die sich offensichtlich von unserer Gefahreneinschätzung unterscheidet.

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