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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 06.12.2023

06.12.2023 - Artikel

Beteiligung an der Sicherheits- und Verteidigungs­initiative der EU zur Unterstützung der westafrikanischen Staaten im Golf von Guinea

Hebestreit (BReg)

Für die westafrikanischen Küstenstaaten wird es immer schwieriger, sich vor den destabilisierenden Einflüssen aus dem Sahel zu schützen. Die Bundesregierung hat daher heute die Beteiligung von bis zu 15 Polizistinnen und Polizisten an der Sicherheits- und Verteidigungsinitiative der EU zur Unterstützung der westafrikanischen Staaten im Golf von Guinea beschlossen. Die Mission wird im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU erfolgen, auf ausdrückliches Ersuchen von Benin, Ghana, Togo und Côte d'Ivoire. Ziel der zunächst auf zwei Jahre mandatierten Mission ist es, die Kapazität der zivilen Sicherheits- und militärischen Verteidigungskräfte dort wieder aufzubauen. Dies soll dazu beitragen, dass sich die gefährdeten nördlichen Regionen in den genannten Staaten weiterhin gegen Terrorismus behaupten können. Der Schwerpunkt des deutschen Einsatzes liegt dabei auf Beratung und Ausbildung der zivilen Sicherheits- und militärischen Verteidigungskräfte sowie der Förderung der Rechtsstaatlichkeit und der verantwortungsvollen Staatsführung in den einzelnen Sicherheitssektoren.

[…]

Frage

An Herrn Fischer: Können Sie uns in diesem Zusammenhang noch einmal eine Lageeinschätzung geben? Herr Hebestreit hat ja darauf hingewiesen, dass das auch Teil der Bemühungen ist, das Überschwappen von Gewalt ‑ so habe ich es verstanden ‑ aus der Sahelzone auf weitere Staaten zu vermeiden. Wie schätzen Sie die Sicherheitslage in diesen westafrikanischen Staaten ein?

Fischer (AA)

Wie Herr Hebestreit schon gesagt hat, sehen wir die Mission als Beitrag der Europäischen Union, gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern ebendiese destabilisierenden Einflüsse aus dem Sahel einzudämmen. Wir haben ja gesehen ‑ mit den verschiedenen Putschen, die es gegeben hat, mit dem Ende der MINUSMA-Mission ‑, dass die Sahelregion in den letzten Wochen und Monaten nicht stabiler geworden ist. Insofern sehen wir die Entwicklung dort auch mit einiger Sorge. Deshalb geht es auch darum, andere Regionen abzuschirmen. Die destabilisierenden Einflüsse, die aus dem Sahel in diese Region hineinwirken, einzudämmen, ist eine klare Priorität dieser Mission. Sicherheitsrisiken für die Region, für Westafrika und Nordafrika, sind ‑ das wissen Sie ‑ transnationale Kriminalität und islamistischer Terrorismus, und all diese Dinge haben natürlich auch Rückwirkungen auf uns. Deshalb beteiligen wir uns auch an dieser Mission, an ihrem zivilen Pfeiler, mit Personal, insbesondere mit Polizistinnen und Polizisten.

Zusatzfrage

An das Verteidigungsministerium: War oder ist auch angedacht, dass Soldaten dorthin entsendet werden?

Routsi (BMVg)

Es ist ja so, dass die Bundeswehr in einem bestehenden Mandat vor Ort ist: Das ist das UNMISS-Mandat, das jüngst auch bis zum März 2024 verlängert wurde. Im Fokus stehen unter anderem der Schutz der Bevölkerung, das Wahren der Menschenrechte, Zugang zu humanitärer Hilfe und das Dokumentieren von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Obergrenze für die Beteiligung liegt bei 50 Soldatinnen und Soldaten. Weitere Informationen haben wir auf unseren Seiten für Sie zusammengestellt.

Frage

In dem Kontext: Ist die Bundeswehr noch in Niger? Ich glaube, da gibt es ja noch eine EU-Mission.

Routsi (BMVg)

Wir sind derzeit im Rahmen des MINUSMA-Mandates mit 120 Soldatinnen und Soldaten vor Ort.

Zusatzfrage

Und daran ändert sich sozusagen in absehbarer Zeit auch nichts, das bleibt so, wie es ist?

Routsi (BMVg)

Das ist ein Sachstand, den ich Ihnen jetzt mitteilen kann, Herr Jessen. Ich kann ja nicht die Zukunft vorherschauen, und das möchte ich auch nicht, aber Sie wollen von mir ja auch Fakten haben. Im Moment sind das rund 120 Frauen und Männer.

Zusatz

Es hat ja einen Hintergrund, dass wir fragen: Es gab ja einen Putsch; insofern können sich mit Blick auf die Stationierung dann ja auch Positionen ändern.

Routsi (BMVg)

Zu den politischen Rahmengegebenheiten würde ich gerne an das Auswärtige Amt abgeben wollen, aber im Rahmen von MINUSMA ist das der Sachstand.

Fischer (AA)

Dem habe ich eigentlich gar nichts hinzuzufügen. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten sind vor Ort, und Sie wissen ja, dass ein Teil des MINUSMA-Abzugs über Niger gelaufen ist, und ein anderer Teil über andere Orte in Afrika. Insofern gibt es da derzeit keinen neuen Stand, den ich Ihnen berichten könnte.

Klimaaußenpolitikstrategie

Hebestreit (BReg)

Die Bundesregierung hat heute außerdem die Klimaaußenpolitikstrategie beschlossen. Es ist die erste Strategie dieser Art. Die Strategie ist Leitschnur für das internationale klimapolitische Handeln der Bundesregierung. Sie bündelt ressortübergreifend die deutschen Anstrengungen zur Bekämpfung der Klimakrise. Damit unterstreicht sie unseren Anspruch, im internationalen Klimaschutz mit voranzugehen, damit die Ziele des Übereinkommens von Paris erreicht werden können.

Die Klimaaußenpolitik der Bundesregierung ist europäisch und multilateral verankert. Sie bindet auch nichtstaatliche Akteure wie Wirtschaft und Zivilgesellschaft aktiv ein. Wir wollen die Transformation in eine klimaneutrale Zukunft sozial gerecht und wirtschaftlich erfolgreich umsetzen und aktiv mitgestalten. Sinn und Zweck der Strategie ist es, Strukturen und Instrumente auf diese Ziele hin auszurichten. Den Kern bilden dabei sechs Handlungsfelder, darunter die weltweite Energiewende, Solidarität mit den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern und eine klimafreundliche Finanzwirtschaft. Diese werden mit konkreten Prioritäten, Zielen und Aktivitäten unterlegt. Deutschland will in diesen Handlungsfeldern international als treibende Kraft vorangehen.

[…]

Frage

Herr Fischer, ich habe einmal in das Papier, das Sie vorgelegt haben, hineingeguckt: Das Thema planetare Grenzen, das auch vom BMU anerkannt wird ‑ ‑ ‑

Fischer (AA)

Entschuldigung, welches Thema?

Frage

Planetare Grenzen. Der Klimawandel ist ja nur eine der planetaren Grenzen. Diese planetaren Grenzen werden von der Menschheit ja mehrheitlich überschritten. Warum ist das überhaupt kein Thema in der Klimaaußenpolitik? Die habe ich in Ihrem Papier überhaupt nicht gefunden.

Fischer (AA)

Es geht darum, dass wir uns dafür einsetzen, die internationalen Vereinbarungen im Bereich des Klimaschutzes einzuhalten, und da geht es zunächst einmal darum, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.

Was die planetaren Grenzen angeht, so gibt es da welche, die viel Klimabezug haben, aber es gibt auch welche beim Thema Biodiversität oder beim Thema Rohstoffe. Das ist sozusagen eine allgemeine internationale Umweltfrage, aber geht dann über den Bereich des Klimaaußenpolitik hinaus.

Zusatzfrage

Das wundert mich, denn Klimawissenschaftler können Klimapolitik und Klimawissenschaft nie ohne die anderen planetaren Grenzen denken. ‑ Sie setzen immer viel auf Wachstum. Warum ist wirtschaftliches Wachstum für die Bundesregierung in Sachen Klimapolitik immer noch ein Thema? Wir wissen ja: Mehr Wachstum bedeutet mehr Emissionen weltweit.

Fischer (AA)

Wir sind ja gerade dabei, das weltweite Wirtschaftsmodell zu transformieren und umweltfreundlicher zu gestalten, mit Blick darauf, dass wir die 1,5-Grad-Grenze einhalten wollen. Da sind wir auf dem Weg, unter anderem mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Steigerung der Klimaeffizienz. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Sie den Ausbau der erneuerbaren Energie erreichen wollen, ohne zum Beispiel neue Windkraftanlagen und Solaranlagen aufzubauen, die ja alle zum Wachstum beitragen.

Frage

An das Auswärtige Amt: Hält die Bundesregierung das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch für erreichbar?

Fischer (AA)

Unser Ziel ist ‑ das steht auch in der Klimaaußenpolitikstrategie ‑, dass wir das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite halten. Das heißt, wenn möglich, wollen wir es mit den Instrumenten, die wir haben, erfüllen. Daran arbeiten wir mit ganzer Kraft und hoffen, dass es uns gelingt. Sie wissen aber, dass das nicht allein von der Bundesregierung abhängt.

Zusatzfrage

Ich interpretiere das so, dass Sie das 1,5-Grad-Ziel noch für erreichbar halten.

Fischer (AA)

Es wäre, glaube ich, fahrlässig, das 1,5-Grad-Ziel aufzugeben, denn die verschiedensten Studien zeigen, dass die 1,5 Grad sozusagen gerade noch der Punkt sind, an dem wir als globale Weltgemeinschaft mit Anpassungsmaßnahmen durchkommen können. Wenn die Temperaturen darüber steigen, kann es in einigen Regionen zu sehr dramatischen Folgen kommen. Wir haben die Technologie und das Geld, das zu erreichen. Was wir brauchen, ist der politische Wille, und im Rahmen der COP arbeiten wir jetzt daran, dass dieser politische Wille von der Weltgemeinschaft noch einmal konstatiert wird, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch einmal bestätigt werden und dass der Weg dorthin noch einmal genauer vorschattiert wird.

Frage

Sie kennen doch aber auch den Bericht des IPCC aus diesem Sommer, der zu dem Ergebnis kommt, dass das 1,5-Grad-Ziel faktisch nicht mehr erreichbar sei. Mit Verlaub, wie können Sie sagen „Wir halten aber daran fest“, wenn die Wissenschaftler, die nun relativ lange berechnet haben und darauf hingewiesen haben, wie die verschiedenen Wege sind, sagen: Dieses Ziel kann nicht mehr erreicht werden?

Fischer (AA)

Das zeigt ja nur, dass wir unsere Anstrengungen als Weltgemeinschaft intensivieren müssen und noch intensiver an der Einhaltung und Nichtüberschreitung des 1,5-Grad-Ziels arbeiten müssen.

Frage

Herr Fischer, sind die Sorgen bei Ihnen eigentlich gestiegen, was die Abschlusserklärung der COP angeht? In den letzten Tagen gab es ja Berichte, dass mit neuen Formeln möglicherweise der geplante Ausstieg aus fossilen Energien ein bisschen abgeschwächt wird. Ist die Formulierung “unabated fossil fuels” ein Weg, den Sie kategorisch ablehnen, oder würden Sie sagen, dass das für Sie auch noch akzeptabel ist?

Fischer (AA)

Wir sind ja in einem normalen Verhandlungsprozess, und da bringen alle möglichen Staaten ihre Positionen ein. Für uns ist klar: Die COP28 muss ein Wendepunkt werden und die Weichen für eine klimaneutrale Zukunft stellen, in der wir alle sicher leben können. Deshalb setzen wir uns für ein globales Ziel ein, die erneuerbaren Energien bis 2030 mindestens zu verdreifachen und die jährliche Energieeffizienzrate zu verdoppeln. Deshalb benötigen wir auch ein Bekenntnis der Vertragsparteien zum Ausstieg aus fossilen Energien, zuallererst aus der Kohle. Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben, aber schon 123 Staaten haben sich zu diesem Ziel einer Verdreifachung der erneuerbaren Energien und Verdopplung der Energieeffizienz bekannt. Das ist eine Forderung, die wir als Deutschland mit als Erste beim Petersberger Klimadialog gestellt haben, und in diese Richtung arbeiten wir und wird die Außenministerin, sobald sie in Dubai eingetroffen ist, weiterarbeiten.

Zusatzfrage

Wenn ich da konkret nachfragen darf: Mir ging es um den Ausdruck, also darum, was ein Ausstieg aus fossilen Energien eigentlich genau bedeutet. Da gibt es jetzt eben diesen Vorschlag, dass man die Formulierung des „ungehinderten Ausstoßes“ von CO2 aus fossilen Energien aufnimmt. Ist das für Sie ein akzeptabler Weg oder würden Sie sagen, dass vor diesen Ausstieg aus fossilen Energien kein Zusatz kommen darf?

Fischer (AA)

Lassen Sie es mich so sagen: Ich werde von der Seitenlinie, von hier aus, nicht einzelne Verhandlungsvorschläge kommentieren. Die Verhandlungen laufen in Dubai, und was unsere Ziele sind, habe ich hier ja sehr klar benannt.

Frage

Noch einmal zu der 1,5-Grad-Grenze, vielleicht auch an Frau Kleinschmidt vom BMU: Laut der Wissenschaft ist das 1,5-Grad-Ziel ja nur noch theoretisch erreichbar, und zwar dann, wenn sämtliche fossilen Aktivitäten global sofort eingestellt werden würden, was dann aber auch zu einem globalen wirtschaftlichen Crash führen würde. Ist das die Vorstellung der Bundesregierung? Denn Sie halten das 1,5-Grad-Ziel ja für erreichbar.

Fischer (AA)

Ich habe gesagt: Wir halten dieses Ziel für in Reichweite.

Vielleicht noch zur Frage des Kollegen: Wir setzen uns für den vollständigen Ausstieg aus fossilen Energien ein; das habe ich ein paar Mal gesagt. Insofern ist das unsere klare Haltung. Einzelne Studien, die mir hier auch nicht vorliegen, werde ich von dieser Stelle aus nicht bewerten.

Zusatzfrage

Das sind ja keine einzelnen Studien, sondern das ist die herrschende Meinung in der Klimawissenschaft. Wenn Sie das 1,5-Grad-Ziel für in Reichweite halten und für den Ausstieg aus den fossilen Energien sind, dann kann das ja nur bedeuten, dass Sie für den sofortigen fossilen Ausstieg sind. Aber das macht ja keinen Sinn. Frau Kleinschmidt, können Sie noch etwas dazu sagen?

Kleinschmidt (BMUV)

Ich kann nicht viel ergänzen. Ich würde auf jeden Fall sagen, dass aus unserer Sicht natürlich die 1,5 Grad die absolute Schmerzgrenze für unseren Planeten sind, und die müssen wir weiterhin ernst nehmen. Mehr würde ich da gar nicht ergänzen wollen.

Reise der Bundesaußenministerin zur UN-Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai

Fischer (AA)

Ich möchte Ihnen eine Reise ankündigen. Morgen, am Donnerstag, wird die Außenministerin zur Weltklimakonferenz COP28 nach Dubai in die Vereinigten Arabischen Emirate reisen. Die Außenministerin wird dort die Verhandlungen für Deutschland führen und die deutsche Delegation leiten. Sie übernimmt, wie Sie wissen, von der Staatssekretärin und Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan, die schon seit Beginn an bei der COP ist und dort Deutschland und die Ministerin vertritt.

Im Rahmen der Verhandlungen wird die Außenministerin zahlreiche Gespräche führen und verhandeln. Leider kann ich Ihnen aufgrund der sehr dynamischen Terminplanung, die sich oft auch erst vor Ort ergibt, keine weiteren Details dazu nennen. Seien Sie aber versichert: Es wird eine Unzahl an Gesprächen zu diesem Thema geben, aber vermutlich auch zum Thema Nahost.

Fall Julian Assange

Frage

Herr Fischer, Frau Baerbock hatte im Wahlkampf 2021 sehr öffentlich und auch sehr explizit die sofortige Freilassung von Julian Assange gefordert. In diesem Monat am 8. Dezember haben wir das zweijährige Jubiläum von Frau Baerbock als Außenministerin. Könnten Sie kurz eine Zwischenbilanz ziehen, welche konkreten Schritte Frau Baerbock in den letzten zwei Jahren unternommen hat, um dieser damaligen Forderung nach der sofortigen Freilassung bei den Partnern in Washington und London entsprechend Nachdruck zu verleihen?

Fischer (AA)

Sie können sich sicher sein ‑ das haben wir hier auch schon gelegentlich gesagt ‑, dass Frau Baerbock das Thema regelmäßig angesprochen hat. Was sie dazu gesagt hat, gilt natürlich weiterhin.

Zusatz

Meine Frage war ja die Frage nach konkreten Schritten in den letzten zwei Jahren, und ob Sie die kurz aufzählen könnten.

Fischer (AA)

Wir haben das Thema mit unseren Partnerinnen und Partnern in Großbritannien und in den USA regelmäßig auf den verschiedensten Ebenen aufgenommen. Gleichzeitig läuft aber noch ein Gerichtsprozess vor den unabhängigen britischen Gerichten, der sich mit dieser Frage beschäftigt, und die Unabhängigkeit dieser Gerichte müssen wir respektieren.

Wir haben ein anderes Verständnis von Pressefreiheit, als das in den USA definiert würde. Bei uns wären die Dinge, die Herr Assange getan hat, nicht strafbewehrt. Das ist in den USA anders. Damit gehen wir um, auf dieser Grundlage treten wir in das Gespräch mit unseren Partnern ein, und das hat die Außenministerin regelmäßig getan. Dass der Gerichtsprozess noch läuft, müssen wir aber einfach zur Kenntnis nehmen.

[…]

Frage

Herr Hebestreit, nur zum grundsätzlichen Verständnis, was die Perspektive des Kanzlers im Fall von Julian Assange angeht: Sieht er die Veröffentlichung von ihm über US-Kriegsverbrechen als relevant für die Öffentlichkeit an und betrachtet er ihn als politischen Gefangenen?

Hebestreit (BReg)

Dazu hat sich der Bundeskanzler meines Wissens nie eingelassen, und das werde ich von dieser Stelle auch nicht tun. Ich glaube auch nicht, dass es an uns ist, eine solche Einschätzung vorzunehmen.

Fall Alexej Nawalny

Frage

Ich würde gerne die gleiche Frage in Bezug auf Alexej Nawalny stellen: Hat das Außenministerium Bemühungen unternommen, um seine Freilassung zu erwirken?

Fischer (AA)

Wir stehen auch zu Alexej Nawalny regelmäßig in Kontakt mit Russland. Ich weiß nicht, wie oft Sie uns hier verfolgen, aber auch von dieser Stelle haben wir regelmäßig seine Freilassung gefordert, und zwar seine umgehende Freilassung. Das kann ich gerne auch wiederholen: Die Bundesregierung fordert die umgehende Freilassung von Alexej Nawalny.

Zusatzfrage

Es gibt in Russland festsitzende Deutsche. Gibt es Bemühungen, da in irgendeiner Art und Weise einen Austausch zu erwirken?

Fischer (AA)

Ich weiß nicht genau, wie Sie sich das vorstellen, dass wir Deutsche, die in Russland festsitzen, gegen Herrn Nawalny austauschen. Das erschließt sich mir logisch nicht.

Haushaltsverhandlungen

Frage

Herr Hebestreit, beeinflusst die Haushaltssituation möglicherweise auch die mittelfristige Finanzplanung in der EU? Auf Deutsch gesagt: Wenn es in Deutschland weniger Geld gibt oder Sie sparen müssen, müssen Sie dann auch an EU-Mitteln sparen?

Diese Frage geht auch an das Finanzministerium, weil der Minister ja nach Brüssel geht.

Hebestreit (BReg)

Den Konnex, den Sie bringen, sehe ich so nicht. Allerdings hat der Bundeskanzler bereits in den vergangenen Monaten ‑ ich meine, es war auf einem Gipfel im Oktober ‑ angekündigt, dass die Bundesregierung damals schon einen ausgeglichenen Haushalt für 2024 aufgestellt habe und es nicht sein könne, dass man einerseits in Deutschland Einschnitte vornehme und dass andererseits eine Repriorisierung innerhalb der EU völlig ausgeschlossen sei.

Insofern stehen wir in der nächsten Woche vor schwierigen Verhandlungen in Brüssel über das sogenannte “midterm review”, also die mittelfristige Finanzplanung. Die Aufforderung erging insbesondere an die Kommission und die EU-Ratspräsidentschaft, für den zweiten Teil der siebenjährigen Finanzperiode, die zum 1. Januar 2024 in Kraft treten wird, diese Priorisierung hinzunehmen und nicht darauf zu setzen, dass die einzelnen Nationalstaaten ‑ es sind ja nicht so viele, die dann noch zusätzliches Geld zuschießen können ‑ das einfach tun. Einzige Ausnahme davon ‑ auch das wurde immer gesagt ‑ ist die Unterstützung für die Ukraine.

Zusatz

Ich frage deswegen auch in Richtung des Finanzministeriums, weil, wenn ich mich richtig entsinne, der Finanzminister sagte, man könne möglicherweise bei außenpolitischen Themen sparen, Frau Kalwey.

Dr. Kalwey (BMF)

Das, was Herr Hebestreit gerade gesagt hat, gilt. Die Verhandlungen über die mittelfristige Finanzplanung werden jetzt beginnen. In dem Zuge wird man die Position natürlich einbringen. Aber ich kann dem jetzt nicht vorgreifen und sagen, an welchen Stellen im Einzelnen man sich wie positioniert. Zurzeit ist einfach alles Gegenstand der Verhandlungen. Das hat dann natürlich wiederum Auswirkungen auf die mittelfristige Finanzplanung.

Fischer (AA)

Als Vertreter des federführenden Ressorts für den mehrjährigen Finanzrahmen will ich kurz etwas dazu sagen. Die Gespräche laufen seit einiger Zeit. Unsere spanischen Freunde haben gerade eine fünfte Verhandlungsbox vorgelegt, über die im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in Brüssel beraten wird. Die Gespräche sind intensiv, wie Herr Hebestreit es dargestellt hat. Wir hoffen natürlich, dass sie gegebenenfalls beim ER einen guten Abschluss finden.

Amtseinführung neuer Botschafter in Moskau

Frage

Am Montag kamen neue Botschafter nach Russland, offiziell entsandt, darunter auch der deutsche. Im Georgssaal im Kreml, wo diese Zeremonie stattfand, sind ja mehrere Lambsdorffs verewigt, darunter auch ein direkter Vorfahre, der Infanteriegeneral war. Ein anderer war Außenminister im russischen Imperium.

Vorsitzende Wefers

Vielleicht können wir das mit der Historie mit Blick auf die Uhrzeit ein bisschen abkürzen!

Zusatz

Ganz kurz! Ich komme zum Schluss.

Vorsitzende Wefers

Eine Frage wäre super!

Zusatzfrage

Herr Lambsdorff ist zweifelsohne sehr kompetent. Aber spielte bei der Ernennung auch eine Rolle, dass sein Geschlecht mit dem russischen Imperium verbunden ist? Hat man irgendwelche Erwartungen in dieser Hinsicht?

Fischer (AA)

Das spielt keine Rolle. Die Benennung ist allein nach Eignung und Befähigung erfolgt.

Verhängung von Einreise­beschränkungen gegen israelische Siedler durch die USA

Frage

Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt, Herr Fischer, zum Thema der Sanktionen gegen jüdische Siedler. Die USA haben gestern Einreisesperren gegen gewalttätige Siedler verhängt. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob sich die Bundesregierung diesen Schritten anschließt oder sich dafür einsetzt, dass sich die EU diesen Sanktionen anschließt.

Fischer (AA)

Wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung immer sehr klar in ihrer Haltung gegenüber Siedlungen und insbesondere gegenüber Siedlergewalt gezeigt. Die Außenministerin hat dies gestern auch noch einmal bei einer Pressekonferenz in Slowenien getan. Unsere Haltung ist sehr klar: Wir lehnen den Ausbau von Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten ausdrücklich ab. Er steht in eindeutigem Widerspruch zu einer verhandelten und gerechten Zweistaatenlösung und verschärft die ohnehin schon angespannte Sicherheitslage.

Gleichzeitig verurteilen wir die Gewalt von Siedlerinnen und Siedlern gegen palästinensische Gemeinden. Diese hat ‑ das habe ich hier schon einmal vor einigen Wochen gesagt ‑ in letzter Zeit ein so erschreckendes Ausmaß angenommen, dass viele Familien ihr Zuhause aus Angst verlassen haben und es zu mehreren Todesfällen gekommen ist. Das ist völlig inakzeptabel. Wir rufen Israel immer wieder dazu auf, Palästinenserinnen und Palästinenser vor den Aktivitäten extremistischer Siedler zu schützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Palästinensische Familien müssen in ihren angestammten Wohnorten und auf ihrem Land ohne Angst leben können. Insofern begrüßen wir, dass die USA in ihrer Haltung genauso klar wie wir sind und nun konkrete Maßnahmen in Form von Einreisebeschränkungen angehen werden.

Es ist aus unserer Sicht wichtig, diese Debatte auch auf europäischer Ebene voranzutreiben. Wir tun dies, und wir bringen uns in diese Diskussion mit Blick auf den EU-Außenrat am Montag aktiv ein.

Zusatzfrage

Es gibt noch eine zweite Debatte, nämlich die Verschärfung der Sanktionen gegen die Hamas. Auch das wird auf europäischer Ebene besprochen. Jetzt ist Frankreich gestern vorgeprescht und hat einen Hamas-Führer im Gazastreifen selbst auf eine Sanktionsliste gesetzt. Ist das ein Weg, den die Bundesregierung auch gehen möchte?

Fischer (AA)

Ich glaube, zu den europäischen Bemühungen, einzelne Hamas-Mitglieder zu listen ‑ die Hamas als solche ist ja bereits als Terrororganisation verboten ‑, habe ich mich am Montag schon geäußert. Wir arbeiten daran, auf europäischer Ebene voranzukommen, und befinden uns dazu derzeit und weiterhin in engster Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten und unseren weiteren internationalen Partnern.

Zusatzfrage

Also keine nationalen Maßnahmen, sondern europäische?

Fischer (AA)

Wir arbeiten mit Blick auf den EU-Außenrat am Montag, werden schauen, was wir dort erreichen können, und dann im Anschluss die Lage analysieren.

Frage

Herr Fischer, können israelische Siedler denn trotz ihrer völkerrechtswidrigen Aktivitäten bislang ohne Probleme in die EU einreisen?

Fischer (AA)

Nach meiner Kenntnis benötigen Israelis, und darum dürfte es sich ja bei den Betroffenen in der Mehrzahl handeln, kein Visum für Einreisen nach Deutschland. Für etwaige Einreisesperren wäre das Bundesinnenministerium zuständig.

Zusatz

Nun geht es ja nicht um Israelis, die in Israel leben, sondern es geht um Israelis, die in der besetzten Westbank leben und dort nicht leben dürfen.

Fischer (AA)

Na ja, es sind israelische Staatsbürgerin und Staatsbürger, und ich denke einmal, im konkreten Einreisefall würde den Grenzbeamten sozusagen schon einmal die konkrete Kenntnis darüber fehlen, wo diese Menschen überhaupt leben und woher sie kommen. Insofern behandeln wir diejenigen, die einen deutschen Pass haben, die einen amerikanischen Pass haben, die einen kanadischen Pass haben, die einen israelischen Pass haben, wie Deutsche, Amerikaner, Kanadier, Israelis. Wenn diese einreisen und das auch ohne Visum tun können, dann können sie einreisen. Wenn es darüber hinaus spezielle Einreisesperren gibt, dann wird ihnen natürlich die Einreise untersagt. Aber in welchen Fällen das so ist, ist sozusagen in der Tat ein Thema des Bundesinnenministeriums.

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