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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 20.11.2023

20.11.2023 - Artikel

Öffentliche Auftritte von Vertretern der Taliban in Deutschland

Frage

Ich habe eine Frage an das Innenministerium. In der vergangenen Woche gab es einen Auftritt eines Talibanvertreters in Köln. Die Innenministerin hat daraufhin gesagt, niemand dürfe radikalen Islamisten eine Bühne bieten. Jetzt gibt es möglicherweise einen weiteren Auftritt eines Talibanvertreters, nämlich am 9. Dezember in Schwerte. Haben Sie Kenntnis davon? Wie wollen Sie darauf reagieren?

Beylage-Haarmann (BMI)

Ich darf zunächst noch einmal sagen, was Ministerin Faeser zu dem Auftritt in Köln gesagt hat. Der Auftritt des Talibanvertreters in Köln ist vollkommen inakzeptabel und scharf zu verurteilen. Niemand darf radikalen Islamisten in Deutschland eine Bühne bieten. Die Taliban sind für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Wir schützen in Deutschland viele Geflüchtete aus Afghanistan vor der Unterdrückungsherrschaft der Taliban. Deshalb haben Talibanfunktionäre absolut nichts in Deutschland zu suchen. Die zuständigen Behörden gehen diesem Fall intensiv nach. Von DITIB erwarten wir eine vollständige und sehr schnelle Aufklärung, wie es zu dem Auftritt in Köln kommen konnte.

Sie haben jetzt nach einem Auftritt in Schwerte gefragt. Können Sie das noch konkretisieren?

Zusatzfrage

Die Evangelische Akademie dort veranstaltet eine Konferenz zu Afghanistan. Im Programm steht, ein Vertreter der Taliban werde dabei an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Wie ich Ihrer Frage entnehmen, sind Sie darüber nicht in Kenntnis. Aber wie würden Sie darauf reagieren, ohne dass es nachher so aussieht, als seien es leere Worte von Frau Faeser?

Beylage-Haarmann (BMI)

Mein Stand ist, dass sich das Programm geändert hat.

Wagner (AA)

Ich kann vielleicht ergänzen. Das Stichwort Evangelische Akademie ist gefallen. Nur zur Einordnung: Über das Wochenende kursierte in den sozialen Medien ein Schreiben, mit dem die Bundesregierung sozusagen gewarnt worden sei. Zur Einordnung: Das bezog sich auf eine Veranstaltung, ein afghanisches Dialogforum, das aus der deutschen Zivilgesellschaft heraus organisiert wurde. Da war es, glaube ich, nicht die Evangelische Akademie Schwerte, sondern die Evangelische Akademie Villigst. Um das noch einmal klarzustellen: Diese Veranstaltung haben wir weder gutgeheißen, noch waren wir in irgendeiner Form an ihrer Organisation beteiligt. Diese Veranstaltung ist von den Organisatoren bzw. Initiatoren damals abgesagt worden.

Zu Schwerte liegen mir hier keine Erkenntnisse vor, zu denen ich irgendetwas sagen könnte.

Beylage-Haarmann (BMI)

Wir würden der Frage, ob es hierbei eine Veränderung gab, noch einmal nachgehen.

Frage

Meine Frage geht an das BMI und das AA. Gab es im Vorfeld bzw. vor der nun abgesagten Veranstaltung irgendwelche Erkenntnisse? Haben Sie in irgendeiner Weise darauf hingewirkt, dass diese Veranstaltung abgesagt wird?

Wagner (AA)

Ich schließe mich meiner Kollegin an. Das haben wir über das Wochenende sehr klar kommuniziert. Wir verurteilen den Auftritt des Talibanfunktionärs auf das Schärfste. Uns wurde dieser Auftritt, diese Reise nicht vorab angekündigt. Wir haben ja auch keine Botschaft in Kabul. Nachdem wir die Berichte gesehen haben, haben wir natürlich sofort überprüft, ob unter diesen Personendaten ein deutsches Visum erteilt worden ist. Das war nicht der Fall. Das niederländische Außenministerium hat sich ‑ so habe ich es zumindest aus dem Augenwinkel wahrgenommen ‑ zu dem Fall schon geäußert. Offensichtlich ist dieser Talibanfunktionär zu einer Konferenz in den Niederlanden gereist und hatte dafür bei der niederländischen Botschaft in Teheran ein Visum bekommen.

Ich möchte noch einmal klarstellen: Unsere Haltung zu dem De-facto-Regime in Kabul ist sehr klar. Wir haben in den letzten Jahren seit der Machtübernahme der Taliban immer wieder deutlich gemacht, dass wir die Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban, die ja einen Großteil, wenn nicht sogar die Hälfte ihrer Bevölkerung, nämlich vor allen Dingen die Frauen, aus dem öffentlichen Leben drängen wollen, nicht nur auf das Schärfste verurteilen, sondern dem auch Konsequenzen folgen lassen. Unter anderem auf deutsches Betreiben sind 2023 führende Taliban in der EU noch einmal sanktioniert worden, darunter, wenn ich es richtig zähle, fünf De-facto-Minister. Das sage ich ausdrücklich in Anführungszeichen. Denn wir erkennen das De-facto-Regime in Kabul politisch nicht an. Die Botschaft in Kabul ist, wie Sie wissen, seit dem 15. August 2021 geschlossen.

[…]

Frage

Um die Verwirrung aufzulösen: Die Akademie liegt in Villigst, und das ist ein Stadtteil von Schwerte. Von daher entnehme ich Ihrer Antwort, dass der Programmpunkt nach Ihren Kenntnissen abgesetzt wurde.

Wagner (AA)

Ich kann mich nur auf eine Veranstaltung beziehen, die uns im Vorfeld ‑ lassen Sie mich noch einmal genau nachschauen ‑ zuerst Ende Mai und dann noch einmal für Oktober angekündigt war, an der wir, wie gesagt, als Bundesregierung nicht als Organisatoren beteiligt waren und die wir auch nicht gutgeheißen haben. Zu diesen Zeitdaten waren die Veranstaltungen abgesagt.

Zusatzfrage

Okay. ‑ Die Frage meiner Kollegin wurde nicht beantwortet. Haben Sie darauf hingewirkt, dass dieser Talibanvertreter am 9. Dezember dort nicht auftreten kann?

Wagner (AA)

Wir nehmen diesen Fall jetzt natürlich zum Anlass, um diese Causa im EU-Kreis noch einmal zu besprechen, und stehen dazu natürlich auch mit den Innenbehörden in engstem Kontakt.

Zusatzfrage

Gab es Kontakt zu den Veranstaltern in Villigst?

Wagner (AA)

Das kann ich für das Datum, das Sie eben in den Raum gestellt haben, nicht kommentieren, weil ich es einfach nicht kannte. Aber das reiche ich gern nach.

Sie schließen aus unseren Äußerungen hier ja, wie die Bundesregierung zu Auftritten von Talibanvertretern in Deutschland steht.

Zusatzfrage

Sie können jetzt zwar Kontakt zu Veranstaltern aufnehmen, aber es kann ja immer wieder passieren, dass sich irgendeine Organisation überlegt, dass es interessant sei, mit den Taliban ins Gespräch zu kommen. Wie wollen Sie in Zukunft verhindern, auch organisatorisch, dass Vertreter des Talibanregimes nach Deutschland einreisen und hier öffentlich auftreten?

Wagner (AA)

Wie gesagt, werden wir das im EU-Kreis besprechen und entsprechende Konsequenzen ziehen.

Visaerteilung an ehemalige Ortskräfte und weitere Personen in Afghanistan

Frage

Ich habe eine Frage in einem etwas erweiterten Zusammenhang. Können Sie uns sagen, wie viele Visaanträge für Deutschland von ehemaligen Hilfskräften und deren Familien oder anderen bedrohten Personen inzwischen gestellt und wie viele davon positiv beschieden worden sind?

Wagner (AA)

Das tue ich sehr gern. Sie beziehen sich auf unsere Bemühungen, nicht nur Menschen, die für uns lange Jahre in Afghanistan gearbeitet haben, sogenannte lokal Beschäftigte, sondern auch Menschen, denen aufgrund dieser Tätigkeit oder darüber hinaus aufgrund ihres Einsatzes für Demokratie und Menschenrechte, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung Verfolgung droht, zu helfen.

Lassen Sie mich die Zahlen noch einmal nachschauen. Denn das bezieht sich nicht nur auf das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan. Insgesamt hat die Bundesregierung für mehr als 44 000 Afghaninnen und Afghanen eine Aufnahme erklärt. Über 25 000 davon sind ehemalige lokal Beschäftigte, knapp 19 000 sind weitere gefährdete Afghaninnen und Afghanen. Zwei Drittel davon, also etwas über 30 000 Personen, sind bereits nach Deutschland eingereist.

Zusatzfrage

Bedeutet das, dass das restliche Drittel zwar positive Bescheide hat, aber noch nicht eingereist ist, oder was bedeutet diese Charge?

Wagner (AA)

Sie wissen, dass wir weiterhin mit Hochdruck an der Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan arbeiten. Das ist auch im Kontext der Lage in Pakistan nicht einfach, aber wir sind da dran. Ich will die Zahlen dafür vielleicht noch einmal nennen, ergänzend zu denen, die ich eben vorgetragen habe: Mittlerweile konnten fast 800 positive Aufnahmeentscheidungen getroffen werden. Die ersten Ausreisen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms, das ja ein neues Programm ist, das es in der Form vorher noch nicht gab, haben schon stattgefunden.

Nahostkonflikt

Frage

An das Auswärtige Amt: Können Sie genau sagen, wie viele Geiselfälle man aktuell noch bearbeitet, wie da der aktuelle Stand ist, und noch einmal ein Update geben, was die Verhandlungen betrifft?

Wagner (AA)

Sehr gern. Ich habe hier ja schon mehrfach dazu ausgeführt, was unsere Bemühungen angeht. Wir haben einen Sonderstab im Auswärtigen Amt, der daran mit Hochdruck arbeitet, und das war natürlich auch Thema bei der jüngsten Nahostreise der Ministerin. Ich habe hier aber auch schon öfter ausgeführt, dass wir hier zu der Causa Geiseln aus gutem Grund, nämlich aus dem Grund der Sicherheit, keine Details nennen. Ich kann aber gern wiederholen, was wir gesagt haben, nämlich dass es eine niedrige zweistellige Anzahl deutscher Staatsangehöriger gibt, die sich unter den von der Hamas Verschleppten befinden.

Frage

Auch zum Thema Nahost: Was ist der Kenntnisstand der Bundesregierung bezüglich eines Abkommens, das eine mögliche Freilassung der Geiseln beinhaltet?

Wagner (AA)

Da kann ich nahtlos an das anknüpfen, was ich eben gesagt habe: Wir stehen mit all unseren Partnern und den relevanten Akteuren in Kontakt, aber ich kann hier an dieser Stelle keine Details dazu nennen.

Zusatzfrage

Dann habe ich eine Frage an Herrn Hebestreit: Ihr Amtsvorgänger, der jetzige deutsche Botschafter in Israel, hat an einem Marsch der Angehörigen von Geiseln, die deren Freilassung fordern, teilgenommen. Er hat dort, glaube ich, auch gesprochen. Ist so etwas mit der Bundesregierung abgesprochen oder kann er das aus eigener Amtsauffassung machen?

Wagner (AA)

Das kann ich vielleicht beantworten, da Herr Seibert Botschafter in unserem Amtsbereich ist. Wir fordern ‑ das haben wir ja mehrfach auch schon öffentlich getan; das hat der Kanzler getan, das hat die Außenministerin getan, das haben andere Mitglieder dieser Bundesregierung getan ‑ die sofortige Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln. Insofern gibt Herr Seibert dem sozusagen Echo vor Ort.

Hebestreit (BReg)

Ich kann das vielleicht auch noch ergänzen. Herr Seibert macht da eine großartige Arbeit und ist immer ansprechbar für die Angehörigen der Geiseln mit deutschem Bezug, die es dort gibt, und er sorgt auch dafür, dass deren Belange hier in der Bundesregierung sehr genau gehört werden. Insofern steht es uns, glaube ich, gut an, dass Deutschland auch bei dieser Demonstration Gesicht gezeigt hat.

Zusatzfrage

Die Frage war auch nicht als Kritik an Herrn Seibert oder seiner Amtsauffassung gemeint, sondern es war eine reine Lernfrage.

Herr Wagner, ein Mitglied des israelischen Kabinetts, Frau Gamliel, hat vorgeschlagen, dass nach dem Ende des Krieges Gaza nicht mit internationaler Hilfe wieder aufgebaut werden solle, sondern dass man doch lieber dafür sorgen solle, dass Palästinenser andere Aufnahmeländer finden. Das ist also die Vision eines palästinenserfreien Gazastreifens. Sie hat in diesem Kontext auch die Palästinenserhilfsorganisation UNRWA als gescheitertes Projekt bezeichnet. Sind das Positionen, die die Zustimmung der Bundesregierung finden?

Wagner (AA)

Ich kommentiere diese Äußerung hier nicht. Sie kennen aber unsere Haltung, die ja sehr klar ist und die ich hier letzte Woche auch noch einmal ausgeführt hatte. Die Außenministerin hat diese Haltung ja schon beim G7-Treffen in Tokio sehr klar gemacht. Einer der fünf Punkte, die sie dort als ganz wesentlich für die Zukunft auch Gazas angab, ist, dass es keine Vertreibungen geben kann. Das ist eine Position, die auch von unseren amerikanischen Partnern vertreten wird ‑ jüngst noch einmal am vergangenen Wochenende in einem Beitrag des US-Präsidenten, glaube ich, in einer prominenten amerikanischen Zeitung.

Zu UNRWA kann ich Ihnen sagen, dass UNRWA einen ganz wichtigen Beitrag zur humanitären Versorgung der Menschen in den palästinensischen Gebieten, im Westjordanland genauso wie in Gaza leistet und insofern auch ein wichtiger Partner für unsere humanitäre Hilfe und für die internationalen Organisationen, die diese Hilfe leisten, ist.

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