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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 10.11.2023

10.11.2023 - Artikel

Abendessen im Kanzleramt auf Einladung des Präsidenten des Europäischen Rates

SRS’in Hoffmann

Zunächst einmal guten Tag und herzlich willkommen auch von meiner Seite! Ich beginne mit den öffentlichen Terminen des Bundeskanzlers für die kommende Woche. […] Am Montagabend des 13. November wird der Bundeskanzler auf Einladung des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, an einem Abendessen teilnehmen. Das Treffen findet im Bundeskanzleramt ab etwa 19.25 Uhr statt.

Neben dem Bundeskanzler sind auch der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer, der belgische Premierminister Alexander De Croo, der Präsident der Republik Zypern Nikos Christodoulides, der Ministerpräsident Ungarns Viktor Orbán sowie der Staatspräsident der Republik Litauen Gitanas Nausėda eingeladen.

Aufbauend auf dem Austausch beim informellen Europäischen Rat in Granada möchte ER-Präsident Michel einen informellen Austausch in kleineren Gruppen zur Strategischen Agenda ermöglichen.

[…]

Frage Dr. Rinke

Ich würde gerne zu dem Abendessen und zu der strategischen Aufstellung nachfragen. Herr Orbán, der ungarische Ministerpräsident, hat heute gesagt, dass er ein positives Votum in Bezug auf die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine ablehnt. Wird das ein Thema sein, und wie ist die Haltung der Bundesregierung zu dieser Aussage von Herrn Orbán?

Hoffmann (BReg)

Die Frage, wie man auf diesen von der Kommission vorgelegten Fortschrittsbericht, den die Bundesregierung im Übrigen sehr begrüßt, reagiert, wird Teil des nächsten Europäischen Rates sein. Das ist ein anderer Prozess als die Strategische Agenda. Die Strategische Agenda ‑ ich zitiere das einmal ‑ ist das Fünfjahresprogramm des Europäischen Rates, in dem die politischen Leitlinien für den kommenden legislativen Zyklus nach der Europawahl im Juni 2024 festgelegt werden. Es wird um die Strategische Agenda und um die Erweiterung gehen. Die Reaktion auf den Fortschrittsbericht ist Thema im Europäischen Rat. Natürlich gibt es da überschneidende Fragen; das will ich gar nicht ausschließen. Aber dieses Thema ist schon noch einmal ein größeres und sehr viel weiteres.

Zusatzfrage Dr. Rinke

Darf ich nach diesem Thema nachfragen, vielleicht auch an das Auswärtige Amt? ‑ Am Mittwoch, als der Bericht vorgestellt wurde, hieß es, dass die Bundesregierung dies prüfen wird. Ist man bei dieser Prüfung jetzt weitergekommen?

Hoffmann (BReg)

Grundsätzlich kann ich sagen ‑ das habe ich eben schon gesagt ‑, dass die Bundesregierung diesen Bericht der Europäischen Kommission begrüßt, insbesondere auch die Fortschritte, die darin zur Sprache gekommen sind. Das sieht die Bundesregierung als sehr erfreulich an. Es ist ja bekannt, dass sich der Bundeskanzler und die Bundesregierung für eine Erweiterung der EU einsetzen. Aber auf einzelne Aspekte des Berichts will ich an dieser Stelle nicht eingehen.

Deschauer (AA)

Ich kann gerne ergänzen und die Zeitlinien darlegen. Der Bericht ist uns zugegangen. Üblicherweise beginnt dann die interne Koordinierung innerhalb der Bundesregierung, aber auch mit dem Bundestag und im Kreise der EU-Mitgliedstaaten. Die zeitliche Strecke sieht so aus, dass es einen Rat für allgemeine Angelegenheiten im Dezember geben wird; das ist der 12. Dezember. Das Thema Erweiterung, wie es die stellvertretende Regierungssprecherin schon gesagt hat, wird dann beim Europäischen Rat am 14. und 15. Dezember besprochen.

Die grundsätzliche Positionierung für die Bundesregierung ist: Dass wir voll und ganz zu der Beitrittsperspektive der Länder im Erweiterungsprozess stehen, hatten wir, glaube ich, hier schon in der Vergangenheit erläutert, so auch die Außenministerin auf einer Europakonferenz in der vergangenen Woche. Sie hat sich just dem Thema gewidmet, dass die Beitrittsperspektive für entsprechende Kandidaten besteht, dass aber auch die EU ihrerseits Mechanismen und Prozesse anstoßen muss, um erweiterungsfähig zu sein. Die Außenministerin hat sich am Tag der Veröffentlichung des Kommissionsberichts auf X entsprechend geäußert. Darauf möchte ich verweisen.

Hoffmann (BReg)

Lassen Sie mich noch ein Wort zur Ukraine sagen, weil sie immer besonders im Fokus steht und auch nach der Veröffentlichung des Berichts besonders im Fokus gestanden hat. Die Bundesregierung sieht, dass die Ukraine bei der Umsetzung der Reformen großes Engagement und Entschlossenheit gezeigt hat und zeigt. Diese Fortschritte hält sie für beeindruckend für ein Land, das sich im Krieg befindet. Die Ukraine verdient insofern unsere Anerkennung. Das werden wir bei der Prüfung des Berichts, die, wie gesagt, noch aussteht, berücksichtigen.

Nahostkonflikt

Frage

Frau Deschauer, ich habe eine Frage zu Gaza. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat das israelische Vorgehen in Gaza scharf kritisiert. Er hat vor dem Hintergrund hoher ziviler Opfer von unverhältnismäßigen Angriffen gesprochen. Stimmt die Bundesregierung dem zu?

Herr Türk hat sich auch für ein Ende der israelischen Besatzung ausgesprochen. Unterstützen Sie diese Forderung?

Deschauer (AA)

Ich erläutere gerne noch einmal die Position der Bundesregierung, wie sie hier schon in den vergangenen Wochen dargestellt wurde. Zu Ihrem Fragenkomplex: Sie kennen unsere Haltung. Israel hat im Rahmen des Völkerrechts das Recht, sich zu verteidigen. Wir haben hier aber auch immer klar und deutlich betont: Der Kampf gegen die Hamas muss mit größtmöglicher Rücksicht auf die humanitäre Situation und auf all die Menschen vor Ort ‑ unschuldige Frauen, Kinder und Männer ‑ geführt werden. Wir sehen das große Leid der Zivilbevölkerung in Gaza. Es ist natürlich insofern auch das Kalkül der Terroristen, durch entsprechendes Leid einen neuen Nährboden für Terrorismus zu schaffen, indem sie sich ebenfalls hinter zivilen Strukturen und Infrastrukturen, seien es Krankenhäuser, Schulen oder zivile Einrichtungen, verstecken.

Um es noch einmal klarzumachen: In jedem Konflikt müssen die Regeln des humanitären Völkerrechts geachtet werden. Gleichzeitig erkennt dies militärische Notwendigkeiten an, uns insbesondere muss gleichzeitig der bestmögliche Schutz der Zivilbevölkerung aller Konfliktparteien zum Ziel gesetzt sein. Das ist in der Sache die Position der Bundesregierung, die wir hier schon mehrfach vorgetragen haben.

Zusatzfrage

Und die Besatzung?

Deschauer (AA)

In der vorletzten Sitzung ‑ ich glaube, am 1. November ‑ hat der Kollege Fischer sich ausführlich dazu geäußert, und darauf möchte ich gerne verweisen.

Frage

Frau Deschauer, nun hat Herr Türk seine jüngsten Äußerungen vorgestern gemacht, nachdem er sich in Rafah über die Situation informiert hat, und er hat dort aktuell gesagt ‑ und da bitte ich auch um eine aktuelle Stellungnahme ‑, sowohl die terroristischen Angriffe der Hamas vom 7. Oktober als auch die andauernde Geiselnahme seien Kriegsverbrechen. Er sprach dann davon ‑ in Kenntnis der Situation ‑, dass aber auch die Kollektivbestrafung, die Israel im Moment gegenüber den Palästinensern vornehme, den Charakter von Kriegsverbrechen habe. Das war also eine sehr präzise Benennung, die Herr Türk in seiner offiziellen Eigenschaft als Hochkommissar für Menschenrechte gemacht hat. Wie nehmen Sie diese Äußerung und Bewertung zur Kenntnis? Können Sie sie nachvollziehen?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. ‑ Das ist ja, die gleiche Frage, die der Kollege gerade gestellt hatte. Ich verweise ‑ und hoffe auf Ihr Verständnis ‑ auf meine eben schon dazu getätigte Einordnung und Aussage.

Zusatzfrage

Nein, das ist nicht die gleiche Frage. Ich habe extra darauf hingewiesen: Die Einschätzung von Herrn Türk, der Begriff „Kriegsverbrechen“, fiel vor zwei Tagen nach seinem Besuch, und er war nicht Inhalt der Frage des Kollegen. Deswegen bitte ich Sie um eine aktuelle Einschätzung: Ist eine Kollektivbestrafung, die ein Hochkommissar dort derzeit in der israelischen Reaktionen, in dem Vorgehen gegen die Hamas sieht, nach Auffassung der Bundesregierung das, was man ein Kriegsverbrechen nennt?

Deschauer (AA)

Wir haben die Äußerungen zur Kenntnis genommen, und die Position der Bundesregierung ist wie eben vorgetragen. Ich trage sie gerne noch einmal vor: Israel hat im Rahmen des Völkerrechts das Recht, sich zu verteidigen. Der Kampf gegen die Hamas muss mit größtmöglicher Rücksicht auf die humanitäre Situation, auf unschuldige Frauen, Kinder und Männer geführt werden. Wir sehen das große Leid der Zivilbevölkerung in Gaza, und wir bewerten das ebenfalls dahingehend, dass es ein Kalkül der Terroristen ist, sich just hinter ziviler Infrastruktur und hinter diesen unschuldigen Frauen, Männern und Kindern zu verstecken.

Entsprechend habe ich auf die Regeln des humanitären Völkerrechts hingewiesen, die in Konflikten gelten und die auch militärische Notwendigkeiten anerkennen, aber auch den bestmöglichen Schutz der Zivilbevölkerung durch alle Konfliktparteien fordern. Das tun wir auch in unseren Gesprächen. Wir haben auch darüber informiert, dass die Außenministerin sich derzeit auf dem Weg in die Region befindet und sich intensiv im Rahmen ihrer Krisendiplomatie engagieren wird.

Das ist die Position der Bundesregierung, und dem habe ich im Moment nichts hinzuzufügen.

Frage

Frau Deschauer, Sie haben gerade noch einmal die Reise der Bundesaußenministerin in die Region angesprochen. Da hat sie ja wieder für eine Zweistaatenlösung plädiert. Sehen Sie seitens Israel den ernsthaften Willen für eine Zweistaatenlösung, sehen Sie irgendwelche Hinweise?

Deschauer (AA)

Die Bundesregierung sieht im Moment eine besonders komplexe und schwierige Situation, die die Erreichung dieses Ziels, das wir als das einzig versprechende erachten, um ein Leben für Israelis und Palästinenserinnen und Palästinenser in Frieden zu ermöglichen, besonders erschwert. Nichtsdestotrotz ist das das Ziel, auf das hingearbeitet werden sollte. Das ist die Einschätzung für den Moment.

Im Rahmen der Krisendiplomatie geht es jetzt erst einmal unmittelbar darum, einer Lösung näherzukommen, und dies tut die Außenministerin im Rahmen von vielfältigen Gesprächen. Lassen Sie mich hinzufügen, dass natürlich im Mittelpunkt all dieser Gespräche auch die humanitären Notlagen der Zivilbevölkerung in Gaza, aber natürlich auch Ausreisen von deutschen Staatsangehörigen und von verschleppten Personen stehen.

Insgesamt kann ich noch hinzufügen, dass die Außenministerin sich sehr eng mit internationalen Partnern abstimmt und dass es in all diesen Anliegen Einigkeit im Rahmen der G7 ‑ sie kommt ja gerade aus Tokio; Sie haben die Erklärung gesehen ‑, aber auch im Kreise der EU gibt.

Frage

Frau Deschauer, zur besetzten Westbank hatten Sie sich ja schon letzte Woche Montag geäußert; Sie hatten die Angriffe der extremistischen Siedler verurteilt und auch die Besatzungsmacht Israel aufgerufen, die palästinensische Zivilbevölkerung zu schützen. Seitdem hat sich die Lage weiter verschlechtert. Es eskaliert von Tag zu Tag, es gibt mehr Morde, mehr Vertreibungen. Allein seit dem 7. Oktober sind durch die Siedler mehr palästinensische Dörfer quasi entleert worden als in den letzten drei Jahren zuvor. Sind Ihre Verurteilung und Ihre Aufforderung in Israel nicht angekommen?

Deschauer (AA)

Ich kann die Aufforderung noch einmal wiederholen. An dieser klaren Aufforderung hat sich nichts geändert, und auch nicht an der klaren Benennung, dass der Siedlungsbau, zu dem wir schon regelmäßig eine klare Position abgegeben haben, völkerrechtswidrig ist.

Zusatzfrage

Aber die Situation hat sich jetzt ja verändert, es ist noch schlimmer geworden. Sie wollen nichts Neues dazu sagen?

Deschauer (AA)

Ich sage Ihnen, was die Haltung der Bundesregierung ist ‑ nach der fragen Sie mich ja ‑, und das mache ich sehr gerne. Die Einschätzung ist insofern, dass wir weiter dazu aufrufen, und die Einordnung hat sich nicht geändert.

Zusatzfrage

Beobachten Sie denn die Verschlimmerung der Lage seit dem letzten Montag, als wir das zuletzt thematisiert haben?

Deschauer (AA)

Wir beobachten die Lage kontinuierlich und unser Appell bleibt.

Frage

Frau Deschauer, sehen Sie, dass irgendwie Druck auf Israel ausgeübt werden müsste, was das Westjordanland angeht? Denn die Israelis schaffen jetzt ja gewissermaßen Fakten, indem Palästinenser aus den Häusern vertrieben werden und es zu Massenvertreibungen kommt.

Es kam auch zu Massenverhaftungen von mehreren palästinensischen Politikern, unter anderem der ehemaligen palästinensischen Knesset-Abgeordneten Hanin Soabi. Ich hätte gerne eine Reaktion dazu.

Deschauer (AA)

Sehen Sie mir nach, dass ich Einzelfälle nicht in Gänze kommentieren kann oder hier parat habe. Ich beziehe mich gerne noch einmal auf das, was unsere Kollegen hier bereits in der vergangenen Woche kommentiert haben, ich wiederhole den Appell, und wir sind uns sicher, dass unsere Appelle an Israel auch gehört werden. Die Ministerin ist in Gesprächen, ist zu Gesprächen aufgebrochen, wird weiter Gespräche führen. Das ist der Stand der Dinge.

Frage

Von wem werden die in Jerusalem gehört?

Deschauer (AA)

Ich wiederhole gerne noch einmal, was sie gesagt hat: in Israel.

Zusatzfrage

Nee.

Deschauer (AA)

Ich kann Ihnen sagen, mit wem die Ministerin spricht: Das ist üblicherweise ihr Counterpart. Ich bin mir sicher, dass die ganze Bandbreite der Themen, die wir hier auch besprechen, in den Gesprächen zum Tragen kommen. Darüber hinaus können wir hier vielleicht nächste Woche noch gemeinsam zur Reise rekapitulieren.

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