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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 01.11.2023

01.11.2023 - Artikel

Europakonferenz im Auswärtigen Amt

Fischer (AA)

[…] Zunächst habe ich eine Ankündigung für eine Konferenz für Sie. Außenministerin Annalena Baerbock lädt für morgen, am 2. November, zu einer Europakonferenz ins Auswärtige Amt. Unter dem Titel „Larger, stronger EU, making the European Union fit for enlargement and future members fit for accession“ kommen hochrangige Gäste aus den EU-Mitgliedstaaten, aus den Staaten im Beitrittsprozess, aus den EU-Institutionen sowie aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammen.

Die künftige Rolle der Europäischen Union als global handlungsfähiger Akteur und als starke Stimme in der Welt wird maßgeblich davon abhängen, wie erfolgreich sich die EU reformiert und auf künftige Erweiterungsrunden vorbereitet. Die Frage ist inzwischen nicht mehr, ob eine EU-Erweiterung stattfinden wird, sondern wie und wann dies geschieht.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden über interne Reformen, die die Handlungsfähigkeit der EU stärken, genauso wie über notwendige Reformanstrengungen in Staaten, die den EU-Beitrittsprozess anstreben, diskutieren und beraten.

Die Europakonferenz wird in enger Abstimmung mit der spanischen EU-Ratspräsidentschaft organisiert und stellt eine weitere Etappe im beginnenden Reformprozess der EU dar. Die Konferenz bietet eine zusätzliche Plattform für den Austausch sowohl unter Außenministerinnen und Außenministern als auch unter EU-Expertinnen und ‑Experten.

Eröffnet wird die Konferenz um 11 Uhr mit einer Europarede von Außenministerin Baerbock. Ich kann ihren Worten natürlich nicht vorgreifen. Aber ich glaube, wir alle können davon ausgehen, dass sich die Außenministerin sowohl zur geopolitischen Rolle der EU als auch zu konkreten Reformvorschlägen äußern wird. Daran schließen sich unter anderem ein Experteninput und zwei Podiumsdiskussionen mit Außenministerin Baerbock und weiteren Außenministerinnen und Außenministern sowie der Staatsministerin für Europa und Klima, Anna Lührmann, mit weiteren Gästen an. Diese Teile der Konferenz sind presseöffentlich und können auch über die Twitter- bzw. X-Kanäle des Auswärtigen Amtes im Livestream verfolgt werden, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.

[…]

Frage

Herr Fischer, ich habe eine Frage zu der Europakonferenz: Hat sich die Außenministerin am Rande der Konferenz vielleicht auch Vermittlungsbemühungen zwischen Kosovo und Serbien vorgenommen? Der serbische Außenminister kommt ja nicht. Wie wird das gewertet?

Fischer (AA)

Sie wissen ja, dass wir in ständigen Gesprächen mit unseren serbischen und kosovarischen Partnerinnen und Partnern stehen. Wir nutzen natürlich jede Gelegenheit, um auf Fortschritte hinzuwirken.

Ich glaube, wir erwarten 17 Außenministerinnen und Außenminister. Elf Länder sind auf Ebene der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre vertreten. In manchen Ländern gibt es Gründe, warum man morgen nicht dabei sein kann. In Serbien ‑ das haben Sie selbst gesehen ‑ sind gerade Neuwahlen ausgerufen worden.

Frage

Herr Fischer, ich habe eine Frage zu den 17 Außenministerinnen und Außenministern. Vielleicht können Sie einige davon nennen. Sind die großen EU-Staaten da auch vertreten?

Fischer (AA)

Es sind viele EU-Staaten auf Außenministerebene vertreten. Viele Beitrittsstaaten sind auf Ebene der Außenministerinnen und Außenminister vertreten. Sie haben es teilweise schon gesehen: Beispielsweise der türkische Außenminister wird erwartet. Aus Frankreich wird die Staatssekretärin für Europa, Boone, erwartet, die zusammen mit Staatsministerin Lührmann ganz entscheidend den Prozess der deutsch-französischen Expertengruppe begleitet hat, die auch Reformvorschläge gemacht hat. Dieser Input ist eine wichtige Grundlage für die Konferenz. Insofern ist sie dafür die richtige Expertin.

[…]

Frage

Eine Frage nach der Teilnahme des türkischen Außenministers ist schon halb beantwortet. Der zweite Teil: Wird auch die Ukraine vertreten sein und, wenn ja, in welcher Form?

Fischer (AA)

Wir gehen davon aus, dass die Ukraine vertreten sein wird, und rechnen mit dem ukrainischen Außenminister Kuleba.

Zusatzfrage

Ist beabsichtigt, auch über eine mögliche Vermittlungsrolle der EU im Nahostkonflikt zu sprechen?

Fischer (AA)

Es ist eine Europakonferenz, und es geht, wie ich gesagt habe, vor allen Dingen darum, wie wir die Handlungsfähigkeit der EU unter Erweiterungsbedingungen erhalten und stärken können.

Das schließt aber natürlich nicht aus, dass wie immer am Rande solcher internationaler Konferenzen, auf denen viele Außenministerinnen und Außenminister zusammenkommen, auch andere Themen eine Rolle spielen. Es ist keine Überraschung, dass auch der Nahostkonflikt dazugehören wird. Es wird zum Beispiel auch ein bilaterales Gespräch der Außenministerin mit ihrem türkischen Amtskollegen geben, wie es es bereits vor Kurzem in Kairo gegeben hat. Ich bin mir ganz sicher, dass dabei auch der Nahostkonflikt eine Rolle spielen wird, weil ja auch die Türkei über gute Kanäle in die Region verfügt.

Frage

Herr Fischer, ich habe eine Frage zur Teilnahme des türkischen Außenministers. Zunächst hieß es, er wolle auf der Konferenz auch eine Rede halten. Jetzt hieß es, diese Rede werde nicht stattfinden und sei abgesagt. Können Sie diesbezüglich für Aufklärung sorgen?

Fischer (AA)

Mir ist nicht bekannt, dass der türkische Außenminister während der Konferenz eine Rede hält. Aber ich denke, dass er, wenn ich es richtig verfolgt habe, heute Abend eine Rede beim Nah- und Mittelost-Verein halten wird. ‑ Sie schütteln den Kopf? Dann habe ich das ‑ ‑ ‑

Zuruf

Das ist offenbar abgesagt!

Fischer (AA)

Okay. ‑ Zu den Terminen des türkischen Außenministers müssen Sie am Ende natürlich meine türkischen Kolleginnen und Kollegen fragen. Aber eine eigenständige Rede auf der Konferenz wird es nicht geben.

[…]

Fischer (AA)

Noch einmal kurz zum türkischen Außenminister: Es war von Anfang an nicht geplant, dass er dort eine Rede hält. Insofern weiß ich nicht, woher Sie die Information haben.

Frage

Sie sagen, dass der türkische Minister keine eigenständige Rede halten werde. Wird er im Panel sprechen?

Fischer (AA)

Es gibt sozusagen Paneldiskussionen; es gibt auch noch Workshops, an denen die Ministerinnen und Minister teilnehmen; es gibt die bilateralen Gespräche. Der türkische Außenminister wird an einem der Workshops teilnehmen. Er wird ein bilaterales Gespräche mit unserer Ministerin haben. Ich bin sicher, dass er auch noch andere Programmpunkte hat. Aber dazu müssten Sie, wie gesagt, die türkische Seite fragen.

Reise der Außenministerin nach Armenien und Aserbaidschan

Fischer (AA)

Dann habe ich noch eine Reiseankündigung. Die Außenministerin wird am Freitagmorgen nach Armenien und Aserbaidschan aufbrechen. Sie reist am Freitagmorgen zunächst nach Eriwan. Dort wird die Ministerin ihren Amtskollegen Mirsojan zu einem Gespräch treffen. Weitere Termine in Armenien sind unter anderem ein Besuch der zivilen europäischen Beobachtungsmission EUMA sowie ein Besuch eines Aufnahmezentrums für Menschen, die aus Bergkarabach geflüchtet sind. Sie wissen, über 100 000 Menschen haben in Armenien Zuflucht gesucht und gefunden, darunter viele Kinder und auch vulnerable Personen.

Am späten Samstagvormittag reist die Ministerin dann weiter nach Baku. Dort wird sie ihren Amtskollegen Bayramov zu einem Gespräch treffen. Weitere Termine sind unter anderem ein Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der aserbaidschanischen Zivilgesellschaft sowie Gespräche mit der UNO-Koordinatorin vor Ort und der IKRK-Leiterin.

Deutschland setzt sich für einen nachhaltigen Frieden, politische sowie wirtschaftliche Diversifizierung der Region und enge und gute Beziehungen mit Europa ein. Vertrauensaufbau und Aussöhnung in der Region sind ganz entscheidend. Ziel ist eine verhandelte, umfassende Friedenslösung, damit Armenier und Aserbaidschaner in ihren staatlichen Grenzen in Frieden und Sicherheit leben können. Wir unterstützen dazu die baldige Wiederaufnahme der trilateralen Gespräche unter Vermittlung des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel.

Für die Spezialisten unter Ihnen: Das ist die erste Reise der Außenministerin nach Armenien und Aserbaidschan und die zweite Reise in den Südkaukasus nach einer Reise nach Georgien im Frühjahr 2022.

Das wäre es von mir.

[...]

Frage

Sie hatten als einen Termin, den die Außenministerin wahrnehmen werde, einen Besuch bei Flüchtlingen in Armenien bekanntgegeben und betont, dass Sie auf ein friedliches Miteinander dringen würden. Ist die deutsche Erwartung, dass das eine Rückkehrmöglichkeit genau dieser Flüchtlinge nach Bergkarabach beinhaltet?

Fischer (AA)

Sie wissen, dass die aserbaidschanische Seite mit Blick auf die Rückkehr von Bewohnerinnen und Bewohnern aus Bergkarabach bereits wichtige Zusagen gemacht hat. Das begrüßen wir. Allerdings stellen wir fest, dass bislang noch nicht das notwendige Vertrauen aufgebaut ist, damit die Geflüchteten wieder zurückkehren. Wir vermuten, dass das Zeit brauchen wird. Aber wichtig ist vor allen Dingen, dass es für rückkehrwillige Armenierinnen und Armenier eine glaubwürdige Rückkehrperspektive gibt.

Zusatzfrage

Gibt es dafür konkrete Zusicherungen, die Sie der aserbaidschanischen Seite abringen wollen?

Fischer (AA)

Wie gesagt, hat die aserbaidschanische Seite schon wichtige Zusagen, was die Sicherheit der Karabacharmenier angeht, gemacht. Das haben wir, wie ich gesagt habe, begrüßt. Diese Zusagen müssen natürlich eingehalten werden, wenn es eine Rückkehrbewegung gibt. Aber wir stellen fest, dass wir noch nicht da sind, weil bislang noch Vertrauen fehlt. Man muss gemeinsam daran arbeiten, dieses Vertrauen aufzubauen.

Frage

Herr Fischer, Sie haben im Zusammenhang mit dem Besuch in Armenien die EU-Beobachtungsmission an der Grenze erwähnt. Es gibt immer noch die Besorgnis, dass die Aserbaidschaner möglicherweise mit Truppen auch auf armenisches Gebiet vorgehen, um umstrittene Gebiete zu erobern. Befürworten Sie eine Aufstockung dieser EU-Beobachtungsmission? Stellt die Bundesregierung dafür Personal zur Verfügung?

Fischer (AA)

Ich denke, wir sollten erst einmal den Besuch der Außenministerin abwarten. Sie wird sich ein eigenes Bild der EU-Beobachtermission verschaffen. Was die Fragen angeht, die Sie stellen, werden wird im Anschluss dann sicherlich ein klareres Bild haben.

Neuwahlen in Serbien

Zusatzfrage

Ich würde gerne noch eine Frage zu Serbien anschließen. Herr Fischer, Sie selbst haben es ja eben schon erwähnt: Herr Vučić hat jetzt Neuwahlen ausgerufen. Ist das ein Schritt, den Sie mit Sorge sehen, auch gerade mit Blick auf die Gespräche in Bezug auf Serbien und Kosovo, oder ist das ein notwendiger Schritt, um innenpolitisch eine Klärung über den Regierungskurs in Belgrad zu erreichen?

Fischer (AA)

Ich würde das in dieser Hinsicht gar nicht kommentieren, sondern nur darauf hinweisen, dass der Schritt ja nicht überraschend kommt, weil Herr Vučić schon Mitte Oktober oder vor zwei Wochen angekündigt hat, dass es zu vorgezogenen Parlaments- und Lokalwahlen im Dezember kommen soll. Der Termin, der damals ins Auge gefasst wurde, war der 17. Dezember. Es war immer klar, dass dafür das Parlament spätestens am 2. November aufgelöst werden muss. Das ist nun geschehen. Die Wahlen werden dann im Dezember stattfinden.

Wichtig ist aus unserer Sicht vor allem, dass die serbische Regierung die Empfehlungen des ODIHR, des Office for Democratic Institutions and Human Rights, zur letzten Wahl 2022 umsetzt. Zu den damaligen Kritikpunkten gehörte unter anderem ein ungleicher Zugang zu den Medien der politischen Kandidaten.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Fischer, gestern hat Israel das Flüchtlingslager in Dschabaliya bombardiert, mit Hunderten von Toten und Verletzten. Verurteilt die Bundesregierung dieses Vorgehen? Sind diese Aktionen überhaupt noch verhältnismäßig?

Fischer (AA)

Wir haben diesen Angriff ebenfalls in den Medien verfolgt. Die Informationslage, was beispielsweise die Opferzahlen angeht, ist noch unklar. Sie wissen, dass wir keine eigenen Beobachterinnen oder Beobachter vor Ort haben. Nach israelischen Angaben war das Ziel des Angriffs ein ranghoher Hamas-Führer, der sich in dem Flüchtlingslager oder in dem darunter gelegenen Tunnelsystem aufgehalten habe.

Wir haben an dieser Stelle mehrfach betont, dass Israel im Rahmen des Völkerrechts das Recht hat, sich nach dem bewaffneten Angriff, den fiesen, brutalen Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober zu verteidigen. Wir haben gleichzeitig auch gesagt, dass wir die Lage in Gaza genau beobachten und die äußerst schwierige Lage der Zivilbevölkerung dort mit großer Sorge sehen. Bei der legitimen Verteidigung Israels gegen die Terrororganisation Hamas und gegen deren fortgesetzte Angriffe, zu der Israel im Rahmen des Völkerrechts berechtigt ist, muss auch der Schutz der Zivilbevölkerung im Vordergrund stehen. Es ist essenziell, dass im Kampf gegen die Hamas mit der notwendigen Verhältnismäßigkeit vorgegangen wird.

Gleichzeitig ist es so, dass natürlich wieder einmal eingetreten ist, was wir immer gesagt haben, dass sich die Hamas mit ihren Militärstrukturen, mit ihren Führungsstrukturen hinter der Zivilbevölkerung versteckt, diese als menschliche Schutzschilde nutzt und im Zweifelsfall opfert. Klar ist auch, dass jedes Todesopfer in diesem Konflikt ein Todesopfer zu viel ist.

Zusatzfrage

Herr Fischer, der Bundeskanzler hat gesagt, dass die Bundesregierung des Glaubens sei, dass die humanitären Prinzipien eingehalten würden. Wenn es angesichts von mehr als 8000 Toten ‑ ‑ ‑ Wir stehen jetzt jeden Morgen auf und sehen, dass es durchschnittlich weitere 300 bis 400 Tote sind. Hält sich Israel aus Ihrer Sicht an das internationale Völkerrecht?

Fischer (AA)

Sie kennen die Aussagen des Bundeskanzlers.

Zuruf

Ja, klar. Aber jetzt! Das war vor ein paar Tagen.

Fischer (AA)

Für den Bundeskanzler würde Herr Hebestreit sprechen.

Hebestreit (BReg)

Das ist im Augenblick eine sehr herausfordernde Situation. Das gebe ich sofort zu. Aber klar ist auch: Die Hamas setzt ihre Angriffe fort. Sie ist weiterhin nicht bereit, Geiseln freizulassen. Das muss man sich einfach klarmachen. Sie sind seit dem 7. Oktober verschleppt, brutal misshandelt, zur Schau gestellt worden. Viele sind dabei auch auf menschenverachtende, bestialische Weise umgebracht worden. Der Terrorangriff der Hamas wird fortgesetzt. Herr Fischer hat noch einmal deutlich gemacht, wie sich die Hamas-Attentäter verschanzen und die eigene Zivilbevölkerung in Gaza als menschliche Schutzschilde miss- und gebrauchen.

Natürlich ist eine Verhältnismäßigkeit immer notwendig. Wir haben auch die Berichte, die wir nicht eigenständig überprüfen können. Wir haben in unseren Gesprächen mit Israel immer unserer Überzeugung Ausdruck verliehen, dass sich Israel als einzige Demokratie in dieser Region selbstverständlich an all die Bedingungen, die das humanitäre Völkerrecht auch vorbringt, hält.

Frage

Am Grenzübergang Rafah soll es ausländischen Staatsangehörige wohl erstmalig möglich sein, den Gazastreifen zu verlassen. Was ist Ihr diesbezüglicher Kenntnisstand? Inwieweit haben Sie Kenntnisse darüber, dass sich auch deutsche Staatsangehörige in dieser Gruppe befinden?

Fischer (AA)

Wir kennen die Berichte über eine mögliche Öffnung des Grenzübergangs zunächst für verletzte Palästinenserinnen und Palästinenser natürlich und hoffen, dass die Grenze auch für weitere Ausreisen geöffnet wird. Daran arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern. Wir hoffen auch, dass heute ein Anfang gemacht werden kann. Deshalb haben wir den auf der Krisenvorsorgeliste ELEFAND registrierten Deutschen heute mittels eines Landsleutebriefs, aber auch per SMS unseren aktuellen Kenntnisstand mitgeteilt und sie über die mögliche Öffnung des Grenzübergangs auch für ausländische Personen, die sich im Gazastreifen aufhalten, informiert. Ein Team unserer Botschaft ist nach Rafah entsandt und bereitet sich dort auf die Betreuung von möglicherweise ausreisenden Deutschen vor. Diese ausreisenden Deutschen werden dann von uns konsularisch und psychologisch betreut, wenn sie in Rafah eintreffen. Wir arbeiten in den Ressorts eng zusammen, um eine bestmögliche Betreuung zu gewährleisten. Aber selbst wenn der Grenzübergang heute für eine begrenzte Anzahl von Personen geöffnet wird, arbeiten wir weiterhin intensiv daran, dass der Grenzübergang auch in den nächsten Tagen offen bleibt, sodass dann alle deutschen Staatsangehörigen und ihre Familienangehörigen die Möglichkeit erhalten, aus Gaza auszureisen.

Eine konkrete Ankündigung, dass erste Deutsche ausgereist seien, habe ich noch nicht zu machen. Aber sobald das geschehen sein wird, werden wir Sie informieren.

Frage

Sie haben eben von psychologischer Betreuung gesprochen. Organisiert die Bundesregierung dann auch eine mögliche Rückreise von diesem Grenzübergang aus nach Deutschland, oder wie ist das logistisch vorgesehen? Möglicherweise mit Hilfe der Bundeswehr?

Fischer (AA)

Der erste Schritt ist, dass die deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger von unserem Konsularteam an der Grenze in Empfang genommen werden. Dann werden wir sie nach Kairo bringen ‑ so der aktuelle Plan ‑, um ihnen dort medizinische Hilfe zukommen zu lassen, so dies notwendig sein wird, sie zu registrieren und die nächsten Schritte gemeinsam mit den Ausgereisten vorzubereiten.

Frage

Herr Fischer, Sie sind in Ihren Ausführungen zur Ausreise über den Grenzübergang Rafah sehr allgemein geblieben. Nun kursieren konkrete Meldungen. Es soll zum Beispiel ein Abkommen geben, das zwischen Ägypten, Katar und der Hamas geschlossen worden sein soll. Es ist auch von 500 Personen die Rede, die dieses Abkommen betreffe. Können Sie das so bestätigen, auch in dieser konkreten Form?

Fischer (AA)

Das würde ich in dieser konkreten Form so nicht bestätigen. Sie wissen, dass wir in engem Kontakt mit allen Seiten stehen und gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern an der Öffnung dieses Grenzübergangs gearbeitet haben. Wir wissen gleichzeitig, dass allein Deutschland eine niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsbürger und Staatsbürgerinnen im Gazastreifen hat, die sich dort aufhalten. Das betrifft andere Nationen natürlich genauso. Das heißt, dass derzeit vermutlich mehrere tausend ausländische Staatsangehörige in Gaza aufhältig sind. Wir arbeiten daran, dass alle diese Menschen, so sie es denn wollen, ausreisen können. Das wird nicht an einem Tag geschehen sein. Hinzu kommen natürlich noch das UN-Personal und andere Vertreterinnen und Vertreter von zum Beispiel Hilfsorganisationen.

Zusatzfrage

Herr Fischer, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie jetzt zeitnah mit einer möglichen Ausreise rechnen und dass Sie auch damit rechnen, dass in der ersten Welle von Ausreisenden, ausländischen Staatsbürgern aus dem Gazastreifen‑ so nenne ich es einmal ‑ auch deutsche Staatsbürger dabei sein werden?

Fischer (AA)

Wie gesagt, haben wir ein Konsularteam an die Grenze entsandt, um gegebenenfalls ausreisende Deutsche betreuen zu können. Ich würde mich aber erst dann dazu einlassen, ob Deutsche ausgereist sind oder nicht, wenn sie tatsächlich ausgereist sind. Denn wir alle wissen, dass das ein sehr komplizierter, sehr aufwändiger Vorgang ist, der in einer Situation stattfindet, in der im Gazastreifen gekämpft wird und in der die Grenze jederzeit wieder geschlossen werden kann.

Insofern will ich hier auch keine falschen Hoffnungen schüren. Ich will darauf hinweisen, dass wir umfassend vorbereitet sind und daran arbeiten, den im Gazastreifen befindlichen Deutschen bei der Ausreise zu helfen.

[…]

Frage Jung

Herr Fischer, zunächst eine Lernfrage: Ist ein Flüchtlingslager Teil ziviler Infrastruktur?

Fischer (AA)

Was ist Ihre Lernfrage?

Zusatzfrage

Ob ein Flüchtlingslager, zum Beispiel in Gaza, zur zivilen Infrastruktur gehört, die man ja nicht bombardieren darf.

Fischer (AA)

Das alles ist weniger einfach, als Sie es darstellen, weil die israelische Seite zum Beispiel sagt, sie habe in diesem Flüchtlingslager eine militärische Kommandozentrale und Hamas-Führer angegriffen. Das heißt, dass sich dabei wieder zeigt, was wir öfter sehen, dass sich die Hamas nämlich hinter Zivilistinnen und Zivilisten versteckt und diese als menschliche Schutzschilde nutzt, wie wir hier schon mehrmals gesagt haben. Insofern befanden sich nach israelischer Auffassung dort militärische Objekte.

Zusatz

Aber die IDF haben schon zugegeben, dass sie trotz dem Wissen, dass dort Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Zivilisten vor Ort sind, zur Bombardierung angesetzt und es bombardiert haben. Das kann also nach Ansicht der Bundesregierung trotzdem ein legitimes Ziel sein.

Fischer (AA)

Ich denke, ich würde mich nicht darauf einlassen, einzelne Ziele zu bewerten, weil mir dafür letztlich die Kenntnis des Einzelziels und die Kenntnis der militärischen Notwendigkeit im Vergleich zu anderen Aspekten, die bei solch einem Angriff einbezogen werden müssen, fehlen. Aber was wichtig ist, ist, dass im Kampf gegen die Hamas mit der notwendigen Verhältnismäßigkeit vorgegangen wird.

Wir alle wissen, dass der Kampf der Hamas gilt und nicht der palästinensischen Zivilbevölkerung. Wir haben das hier auch schon mehrmals ausgeführt. Die Hamas hat mit ihren furchtbaren Terroranschlägen vom 7. Oktober den neuen Gewaltzyklus ausgelöst und beschießt Israel weiterhin.

Frage

Herr Fischer, wem der Kampf gilt, ist eine Frage. Wen die Maßnahmen treffen, ist eine andere. Premierminister Netanjahu hat gestern Abend wörtlich erklärt: Wir lassen ein Höllenfeuer auf die Hamas regnen. Wir haben bereits Tausende von Terroristen getötet, und das ist erst der Anfang.

Können Sie einschätzen, auf welchem Kenntnisstand die Angabe „Tausende von Terroristen“, die Netanjahu gemacht hat, basiert? Wie konnte er das feststellen? Haben Sie einen Eindruck davon, was es bedeutet, wenn er sagt: „und das ist erst der Anfang“? Wie viele Tausende werden es noch sein, und wie kann man sicher sein, dass es sich dabei jeweils um Terroristen handelt?

Fischer (AA)

Ich werde die Äußerungen von Herrn Netanjahu von hier aus nicht kommentieren können.

Zu seinem Kenntnisstand müssen Sie wahrscheinlich die israelische Regierung befragen, die ihn offensichtlich informiert haben wird.

Frage

Herr Fischer, am Montag haben Sie in Bezug auf das Westjordanland gesagt, dass es Israel als Besatzungsmacht obliege, die Sicherheit und Unversehrtheit der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland sicherzustellen. Nach Auffassung der Bundesregierung, der UN, der EU, der USA ist Israel auch in Gaza Besatzungsmacht. Gelten diese Worte auch für die Sicherheit und Unversehrtheit der palästinensischen Bevölkerung in Gaza?

Fischer (AA)

Wir haben bereits darüber gesprochen, dass auch Gaza für uns zu den besetzten Gebieten gehört. Allerdings gelten dort Besonderheiten, weil Israel im Gazastreifen bislang nicht selbst präsent war oder dort Kontrolle ausgeübt, sondern nur die Grenzen kontrolliert hat. Es war also keine Besatzung im herkömmlichen Sinne.

Gleichzeitig ist es so, dass die Regelungen des Besatzungsrechts seit dem Angriff der Hamas durch die Regelungen für den bewaffneten Konflikt überlagert werden. Derzeit handelt sich eben nicht um eine stabilisierte Besatzungssituation, in der es um die Frage der Beziehungen zwischen der Besatzungsmacht und der Bevölkerung im besetzten Gebiet gehen kann. Aktuell handelt es sich um einen bewaffneten Konflikt, der von massiven Kampfhandlungen geprägt ist. Das überlagert die Regelungen des Besatzungsrechts.

Zusatz

Das heißt, die Sicherheit und Unversehrtheit der palästinensischen Bevölkerung in Gaza ist nicht die Aufgabe der israelischen Armee.

Fischer (AA)

Ich habe Ihnen dazu gesagt, was ich zu sagen habe. Was dort momentan gilt, sind die Regeln des bewaffneten Konfliktes, über die wir in den vergangenen Regierungspressekonferenzen ausführlich gesprochen haben.

Frage

Herr Fischer, zwei Fragen:

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat den Internationalen Strafgerichtshof aufgefordert, gegen israelische Kriegsverbrechen zu ermitteln, nachdem mehrere arabische Journalisten in den Bombardierungen getötet worden sind, unter anderem auch Al-Jazeera-Korrespondenten.

Die zweite Frage: Die Organisation „amnesty international“ hat Beweismittel dafür, dass Israel im Südlibanon mit weißem Phosphor bombardiert hat.

Fischer (AA)

Ich denke, zur zweiten Frage habe ich keine eigenen Erkenntnisse beizusteuern.

Zur ersten Frage: Ermittlungen sind Ermittlungen. Wenn ich es richtig verstanden habe, war Herr Khan vor Kurzem an der Grenze zu Gaza und hat gesagt, er schaue sich die Lage an und würde dann gegebenenfalls Ermittlungen in alle möglichen Richtungen eröffnen. Ich denke, man muss erst einmal abwarten, was das Ergebnis seiner Reise war.

Drohende Abschiebungen von afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan

Frage

Herr Fischer, es geht um die Lage in Pakistan. Es ist quasi eine Massenabschiebung von afghanischen Flüchtlingen angedroht. Tausende von afghanischen Flüchtlingen sind in ihr Heimatland zurückgekehrt. Wie bewerten Sie diese Lage?

Haben Sie Kenntnis davon, wie viele frühere deutsche Ortskräfte noch in Pakistan sind, die betroffen sind bzw. eine Aufnahmezusage für Deutschland haben?

Fischer (AA)

Wir betrachten die angekündigten Abschiebungen mit Sorge, insbesondere im Hinblick auf die bereits jetzt schon katastrophale humanitäre Lage in Afghanistan, die sich durch den sich einsetzenden Winter noch einmal verstärken wird. Vor diesem Hintergrund haben wir als Auswärtiges Amt dem UNHCR 2023 für humanitäre Hilfe in Afghanistan und den Nachbarländern bisher 20 Millionen Euro an Unterstützung in Aussicht gestellt. Damit werden afghanische Binnenvertriebene, Flüchtlinge, aber auch Rückkehrende unterstützt.

Sie wissen, dass die Menschenrechtslage in Afghanistan uns in den letzten Jahren immer große Sorge gemacht hat, insbesondere nach der Machtübernahme der Taliban, und dass viele Afghaninnen und Afghanen seit 2021, also seit dem Fall von Kabul, Schutz in Pakistan gesucht haben. Wir befinden uns über das Thema in einem ständigen Austausch mit der pakistanischen Seite. Wir befinden uns auch in einem engen Austausch mit den pakistanischen Behörden mit Blick auf möglicherweise betroffene Afghaninnen und Afghanen aus dem Bundesaufnahmeprogramm, die wir bei ihrer Ausreise aus Pakistan unterstützen. Die pakistanischen Behörden haben uns gegenüber bestätigt, dass Personen, die für das Aufnahmeprogramm eines Drittstaats vorgesehen sind ‑ also die Fallgruppe, die Sie angesprochen haben ‑, von Ausweisungen ausgenommen sein werden.

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