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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 30.10.2023

30.10.2023 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Herr Fischer, es gab heute Morgen Meldungen, dass eine der deutschen Geiseln höchstwahrscheinlich tot ist. Die Frage ist: Können Sie diese Nachricht bestätigen und, wenn es möglich ist und soweit Sie das können, vielleicht einmal ausführen, was die Bundesregierung unternommen hat und unternimmt, um eine Freilassung der Geiseln zu erwirken?

Vorsitzender Feldhoff

Sie machen erst einmal eine Ankündigung „unter eins“ und gehen dann „unter drei“.

Fischer (AA)

Erst einmal zu dem Fall, den Sie angesprochen haben. Nach uns vorliegenden Erkenntnissen müssen wir den Tod einer weiteren Person mit deutscher Staatsangehörigkeit bestätigen. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu Einzelfällen grundsätzlich nicht äußern kann.

[...]

Vorsitzender Feldhoff

Wir sind wieder „unter eins“. Die Kameras können wieder eingeschaltet werden. - Herr Fischer, vielleicht können Sie den letzten Punkt noch ergänzen.

Fischer (AA)

Das will ich tun. - Es ist leider so, dass wir davon ausgehen müssen, dass eine einstellige Zahl deutscher Staatsangehöriger den Terroranschlägen der Hamas zum Opfer gefallen ist.

Es gab noch die Frage, was wir tun. Wie Sie wissen, haben wir direkt nach den furchtbaren Terroranschlägen der Hamas am 7. Oktober einen Sonderstab für die von der Hamas verschleppten Personen eingerichtet, der zum einen im engen Kontakt mit den Angehörigen steht. Parallel dazu stimmen wir uns sehr eng mit den Gesprächspartnern ab. Sie wissen, dass die Verschleppung bei den beiden Reisen der Außenministerin in die Region und auch bei ihren Telefonaten immer eine ganz wichtige Rolle gespielt hat. Wir nutzen alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle, um auf die Freilassung der Geiseln, aus unserer Sicht vor allem der deutschen Geiseln, hinzuwirken. Der Sonderbeauftragte hat mehrere Reisen in die Region unternommen und dort intensive Gespräche geführt. In dem Sonderstab, den wir gegründet haben, bündeln wir die Erkenntnisse, die wir unter den beteiligten Ressorts, aber auch mit den Sicherheitsbehörden haben. Wir sprechen dort auch mögliche weitere Schritte ab.

Frage

Ein anderer Aspekt, Herr Fischer: Die Gewalt in der West Bank eskaliert auch. In den letzten Tagen gab es mehrere Attacken seitens der Siedler. Vor Ort wird auch von Terror gesprochen. Die israelische Armee bzw. die befugten Behörden dort tun nichts. Wie ist Ihre Einschätzung der Lage in der West Bank?

Fischer (AA)

Wir haben ja schon öfter betont, dass Israel zum Schutz seiner eigenen Bevölkerung gegen den menschenverachtenden bewaffneten Terror der Hamas vorgehen muss. Hierzu gehört natürlich auch, gegen mögliche Hamas-Aktivitäten im Westjordanland vorzugehen, dort, wo Israel für die Sicherheit zuständig ist. Auch die palästinensischen Sicherheitsbehörden und die palästinensische Autonomiebehörde sind hier in der Pflicht.

Es ist aber auch klar: Wir verurteilen klar die Angriffe und die Gewalt von Siedlern auf palästinensische Gemeinden im C-Gebiet, die nun sogar zum Tod mehrerer Zivilisten geführt haben. Am Wochenende ist es in Kusra und Al-Sawiya zu schrecklichen Szenen gekommen.

Wir rufen Israel dazu auf, die Palästinenserinnen und Palästinenser vor Aktivitäten extremistischer Siedler zu schützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Israel als Besatzungsmacht im Westjordanland obliegt es, die Sicherheit und Unversehrtheit der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland sicherzustellen. Es muss gewährleistet sein, dass palästinensische Familien dort, wo sie seit Jahrzehnten ansässig sind, verbleiben können und nicht aus Angst um Leib und Leben gezwungen sind, ihre angestammten Wohnorte zu verlassen, so zum Beispiel in der Gemeinde Susya.

Zusatzfrage

Beobachter vor Ort gehen davon aus, dass die Attacken jetzt zunehmen bzw. in den letzten Wochen seit dem 7. Oktober zugenommen haben. Ist das auch Ihre Beobachtung?

Fischer (AA)

Es gibt Hinweise darauf, dass es so ist, wie Sie es beschreiben. Deswegen verurteilen wir das auch in dieser Klarheit. Wir rufen Israel dazu auf, alles zu unternehmen, um die Palästinenserinnen und Palästinenser vor den Aktivitäten extremistischer Siedler zu schützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Frage

Herr Fischer, zurück zu der Frage des Kollegen Jung. Es gibt auch Berichte über ethnische Säuberungen, bei denen Palästinenser ihre Wohnungen unter Waffengewalt verlassen müssen. Wie sehen Sie die Situation?

Fischer (AA)

Wir haben gesehen, dass es Palästinenserinnen und Palästinenser gegeben hat, die aus Angst um Leib und Leben ihre angestammten Wohnorte verlassen haben.

Frage

Herr Fischer, können Sie sagen, dass sich Israel an das humanitäre Völkerrecht hält und dass es keine Kriegsverbrechen gibt?

Fischer (AA)

Vielleicht fangen wir noch mal von vorne an: Israel hat nach den furchtbaren Terroranschlägen des 7. Oktober das Recht zur Selbstverteidigung. Dieses Recht auf Selbstverteidigung kann Israel im Rahmen des humanitären Völkerrechts ausüben. Israel hat uns mehrfach versichert, dass es sein Selbstverteidigungsrecht im Rahmen des humanitären Völkerrechts ausübt.

Frage

Herr Fischer, welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Angriffe in Israel auf palästinensischstämmige israelische Staatsbürger? Die gibt es ja auch.

Fischer (AA)

Hierzu kann ich Ihnen derzeit nichts sagen. Aber wo es solche Vorfälle gibt, müssen die natürlich aufgeklärt werden.

Zusatzfrage

Haben Sie Kenntnisse darüber, dass die Polizei, die Minister Ben-Gvir untersteht, in solchen Fällen, die dokumentiert sind, nicht eingegriffen hat, um die israelischen Staatsbürger, die von israelischen Extremisten angegriffen werden, zu schützen?

Fischer (AA)

Das kann ich von hier aus nicht bestätigen.

Zusatzfrage

Zur UN-Resolution: Der Bundeskanzler hat ja erläutert, warum sich Deutschland enthalten hat. Die erste Frage dazu ist: Hätte Deutschland dieser Resolution zugestimmt, wenn der Hamas-Terror, der Angriff vom 7. Oktober im Text der Resolution als Ursache benannt worden wäre?

Büchner (BReg)

Deutschland hat daran gearbeitet und sich dafür eingesetzt, dass die Terrororganisation Hamas dort namentlich benannt wird, dass auch der Terror der Hamas benannt wird und dass auch das Recht Israels, sich gegen Terror zu verteidigen, dort erwähnt wird. Wenn es gelungen wäre, diese Punkte mit einzubringen, hätte Deutschland einer solchen Resolution auch zustimmen können.

Zusatzfrage

Es gibt sowohl aus der deutschen Politik als auch aus der Zivilgesellschaft, zum Beispiel vom Präsidenten des Zentralrats der Juden, Enttäuschung über die deutsche Enthaltung, verbunden mit der These, dass Deutschland damit die relativierende Haltung der Vereinten Nationen gegenüber dem Krieg und vor allem gegenüber den Palästinensern unterstütze. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Vereinten Nationen im Fall des Krieges relativieren?

Büchner (BReg)

Deutschland hat einen sehr klaren Standpunkt. Deutschland hat immer klargemacht, dass wir ohne Wenn und Aber an der Seite Israels stehen. Wir haben immer betont: Israel hat das Recht, sich gegen den barbarischen Terror der Hamas zu verteidigen. Wir haben diesen Standpunkt nicht nur für uns formuliert. Wir haben uns auch dafür eingesetzt ‑ das ist auch gelungen ‑, dass das zum gemeinsamen Standpunkt der EU geworden ist. Sie kennen die gemeinsame Erklärung nach dem Europäischen Rat.

Wir, wie auch die USA, tun alles dafür, dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen kommt und dass die verschleppten Menschen, die Geiseln freigelassen werden, und zwar bedingungslos. Das ist unsere Position. Deutschland setzt sich in allen Gremien stets dafür ein, dass das eine mehrheitsfähige Position ist, dass das so beschlossen wird. Natürlich hätten wir auch angestrebt, dass genau diese Position die Sprache der Erklärung ist, die in den Vereinten Nationen verabschiedet wurde.

Wie Sie wissen, hat sich Deutschland in der Vergangenheit mehrfach entweder enthalten oder abgelehnt, wenn dort israelkritische Resolutionen vorgelegt wurden. Auch in diesem Fall hat sich Deutschland intensiv darum bemüht, dass das eine gute Resolution wird und dass dort, sagen wir mal, keine noch unfreundlichere Sprache enthalten ist.

Es ist leider nicht gelungen, die zuletzt zur Debatte stehende Beschlussfassung, also den Entwurf der jordanischen Regierung ‑ darauf haben wir hingearbeitet ‑, so zu verändern, wie Sie gerade schon gefragt haben, nämlich dass zusätzlich klargemacht wird, dass der Terror der Hamas verurteilt wird und dass Israel ein Recht hat, sich dagegen zu verteidigen. Deshalb hat sich die Bundesregierung, hat sich Deutschland enthalten. Da auch viel gelungen ist, weil an dem Resolutionsentwurf gearbeitet wurde und negative Dinge verhindert wurden, gab es die Entscheidung, ihn nicht abzulehnen. Das ist ein komplizierter Prozess, den man auch einmal erklären muss.

Ich möchte noch einmal sagen: Die Haltung der Bundesregierung, unser Standpunkt, unsere absolute Klarheit, dass wir an der Seite Israels stehen, stehen überhaupt nicht infrage.

Frage

Herr Fischer, vielleicht können Sie uns noch etwas erklären. Die Israelis und auch die Amerikaner oder die Ungarn haben deutlich mit Nein gestimmt. Gab es da keine Abstimmung mit den Partnern?

Fischer (AA)

Es gab eine intensive Abstimmung zwischen allen Partnern, sowohl im EU-Kreis als auch im G7-Kreis. Sie haben ja gesehen, dass es auf der EU-Seite einen sogenannten „three-way split“ gab. Die große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat, genau wie wir, mit Enthaltung votiert. Eine kleine Gruppe hat mit Nein gestimmt. Eine kleine Gruppe hat mit Ja gestimmt. Ähnlich war die Abstimmung auch im G7-Kreis. Da haben zum Beispiel die Amerikaner mit Nein gestimmt. Unsere G7-Partner wie Großbritannien und Italien haben sich, genau wie wir, enthalten. Frankreich hat mit Ja gestimmt.

Zusatzfrage

Gab es mit den Amerikanern einen Austausch, dass man sie vielleicht auch zu einer Enthaltung bringen wollte, oder haben die Amerikaner Druck auf die Bundesregierung gemacht?

Noch eine Verständnisfrage: Wäre es nicht möglich gewesen, eine eigene Resolution einzubringen, in der genau die Punkte gestanden hätten, die man sich gewünscht hätte, sodass die Bundesregierung mit Ja hätte stimmen können?

Fischer (AA)

Es gab intensive Diskussionen, Beratungen und Verhandlungen über den jordanischen Resolutionsentwurf. Wie der stellvertretende Regierungssprecher schon deutlich gemacht hat, haben wir uns da mit ganzer Kraft eingebracht. Wir haben ja auch wichtige Verbesserungen erreicht, nämlich dass darin eine klare Verurteilung der Terrorakte seit dem 7. Oktober enthalten ist, dass es zumindest einen Ruf nach Freilassung der Geiseln gibt, was ja auch in Israels Sinne war, und dass die Resolution eine Zweistaatenlösung enthält.

Klar ist auch, dass bestimmte Dinge in der Resolution weiterhin nicht in der Klarheit enthalten sind, dass der Hamas-Terror nicht klar beim Namen genannt wird, dass die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug gefordert wird und dass das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigt wird.

Wir haben gemeinsam mit unseren kanadischen Freunden an einem sogenannten Amendment gearbeitet, das Kanada dann eingebracht hat, in dem diese Punkte klar herausgearbeitet worden sind. Dieses Amendment ist mit 88 Stimmen knapp gescheitert. 90 Stimmen wären notwendig gewesen, damit es Eingang in die Resolution findet.

Das zu den Mehrheitsverhältnissen und zu unserem Engagement, die Resolution in eine noch bessere Richtung zu bringen.

Frage

Vielleicht an Herrn Büchner und auch an Herrn Fischer: Sie haben jetzt die Kriterien benannt, die sich die Bundesregierung zu eigen gemacht hat, nämlich das Selbstverteidigungsrecht Israels und die Verurteilung der Terroranschläge. All das ist in der Resolution nicht so klar enthalten, wie Sie es sich gewünscht haben; das haben Sie selbst auch eingeräumt. Wäre vor dem Hintergrund der Positionen, die die Bundesregierung formuliert hat, eine Ablehnung nicht geradezu zwingend gewesen?

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass der wichtigste Verbündete Deutschlands in Europa, nämlich Frankreich, hinter eine gemeinsam gefundene Position auf dem EU-Gipfel zurückgetreten ist und dieser Resolution zugestimmt hat?

Büchner (BReg)

Wir haben gerade versucht, Ihnen den Prozess zu schildern, wie es zu dieser Resolution gekommen ist. Herr Fischer hat gerade ausgeführt, dass es gelungen ist, dort zu wesentlichen Verbesserungen beizutragen. Insofern stand am Ende die Entscheidung, sie nicht komplett abzulehnen, weil man ja Verbesserungen mit herbeigeführt hat, sondern sich zu enthalten.

Noch einmal: Die ganz große Mehrheit in der EU hat sich genauso verhalten wie wir. Insgesamt haben sich 15 Staaten enthalten. Es ist ja nicht so, dass es keine klare Haltung in Europa gibt. Auch in ganz Europa wird der Terror der Hamas verurteilt. Auch in ganz Europa wird das Recht von Israel betont, sich selbst zu verteidigen.

Ich kann gern die Erklärung aus der letzten Woche zitieren ‑ da Sie alle sie kennen, muss ich sie Ihnen nicht vortragen ‑, in der wir beide Seiten betonen: einerseits die völlig unzweideutige und völlig klare Verurteilung des Terrors der Hamas und das Recht Israels, sich dagegen zu verteidigen, und zugleich, dass es nicht nur Deutschland, sondern dass es Europa, der EU wichtig ist, dass es zu einer Bereitstellung dringend benötigter humanitärer Hilfe kommt und dass die bedürftigen Zivilpersonen im Gazastreifen in Abstimmung mit den Partnern weiter unterstützt werden. Das ist die gemeinsame europäische Haltung. Es ist gelungen, dass daraus letzte Woche eine Resolution des Europäischen Rates geworden ist. Aus unserer Sicht hätte diese Resolution nahegelegt, eher so zu agieren wie Deutschland und nicht wie diejenigen, die nicht zugestimmt haben. In dem Fall waren das Belgien, Frankreich, Irland, Luxemburg, Portugal, Spanien, Slowenien und Malta.

Fischer (AA)

Von mir noch ergänzend: Eines der Ziele der Hamas ist, einen Keil des Hasses in die internationale Gemeinschaft und unsere Gesellschaft zu treiben. Dieses Drehbuch des Terrors dürfen wir nicht zulassen.

Gleichzeitig müssen wir auch über den Tag danach nachdenken. Es ist ja das erklärte israelische Ziel, die Hamas militärisch zu schlagen. Dann ergeben sich daraus aber weitere Fragen, zum Beispiel: Wer sorgt für die Sicherheit im Gazastreifen? Wer verwaltet den Gazastreifen, wenn es die Hamas zu Recht nicht machen kann? - Israel hat erklärt, dass es dafür nicht zur Verfügung steht. Dafür gibt es sehr gute Gründe.

Wenn man über die Zukunft des Gazastreifens nachdenkt, brauchen wir auch die Staaten in der Region. Vor diesem Hintergrund sind wir doch diejenigen, für die die Sicherheit Israels nicht verhandelbar ist. Insofern brauchen wir weiterhin auch Gesprächskanäle in die arabische Welt. Mit Blick auf die Sicherheit Israels, die die Prämisse unseres Handelns ist, müssen wir daran mitwirken, dass es für den Gazastreifen eine Zukunft nach der Hamas geben kann. Auch diese Erwägungen sind in unsere Entscheidung eingeflossen.

Zusatzfrage

Lassen Sie mich noch zu dem Amendment, das 88 Stimmen bekommen hat, nachfragen. Die arabischen Staaten haben fast geschlossen ‑ ich glaube, mit Ausnahme Iraks ‑ dagegengestimmt, was ja nur den Rückschluss zulässt, dass sie eben nicht bereit sind, den Hamas-Terror eindeutig zu verurteilen. Was heißt das für die Einbindung dieser Staaten in eine Lösung für die Zeit nach der Hamas im Gazastreifen, wie Sie sie jetzt beschrieben haben?

Fischer (AA)

Wir haben bei den Gesprächen in der Region festgestellt, dass es zumindest hinter verschlossenen Türen ein differenzierteres Bild gibt, als es in der UN-Abstimmung zum Ausdruck gekommen ist.

Wie gesagt: Für uns ist klar, dass die Sicherheit Israels nicht verhandelbar ist. Wir agieren von diesem Standpunkt aus und arbeiten an einer nachhaltigen Lösung für den Nahostkonflikt.

Gleichzeitig sehen wir, dass das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung dazu beiträgt, dass uns viele Staaten in der Welt als „global north“, wenn man so sagen will, wegzubrechen drohen. Da braucht es Gesprächskanäle, da braucht es Brücken, und da braucht es die Zusammenarbeit. Vor diesem Hintergrund haben wir uns in die Resolution eingebracht, mit Jordanien gearbeitet und auch Verbesserungen erreicht. Im Ergebnis sind wir dann zu dem Schluss gekommen, dass wir uns enthalten werden.

Frage

Es gibt mehrere Berichte israelischer Medien, darunter auch „Haaretz“, über ein geleaktes Dokument des israelischen Geheimdienstes. Aus dem soll hervorgehen, dass es seitens Israels Pläne gibt, die Bevölkerung Gazas nach Ägypten umzusiedeln, und zwar permanent. Sind Ihnen zum einen diese Pläne und ist Ihnen zum anderen dieser Leak bekannt?

Fischer (AA)

Diese Pläne sind uns nicht bekannt. Auch diesen Leak habe ich noch nicht gesehen. Das ist auch nicht das, was unsere israelischen Gesprächspartner uns sagen. Die sagen sehr eindeutig, ihr Kampf gilt der Hamas und nicht der palästinensischen Zivilbevölkerung.

Frage

Herr Büchner, Sie haben vorhin gesagt, es sei gelungen, eine ‑ das war Ihr Begriff ‑ noch unfreundlichere Sprache in der Resolution zu verhindern. Dieser Komparativ macht ja nur Sinn, wenn man feststellt, dass es schon eine unfreundliche Sprache gibt. Sonst kann man keine noch unfreundlichere Sprache verhindern. Bestätigt das nicht doch die Einschätzung von Kritikern, die den Vereinten Nationen eine relativierende Position gegenüber Israel vorwerfen?

Büchner (BReg)

Nein. Ihrer Kommentierung schließe ich mich jetzt nicht an. Herr Fischer hat ja aufgezählt, welche Verbesserungen gelungen sind. Das habe ich damit gemeint.

Zusatzfrage

Dann eine zweite Frage: Sie haben vorhin, wenn ich Sie recht verstanden habe, angedeutet, dass Deutschland, wenn die Hamas als klarer Urheber des aktuellen Krieges genannt worden wäre, der Resolution wohl hätte zustimmen können. Bedeutet das ‑ ein Kernpunkt ist ja eine sofortige Waffenruhe ‑, Deutschland ist dann für eine Waffenruhe, wenn benannt wird, dass die Hamas als Terrororganisation Urheber der Kriegssituation ist?

Büchner (BReg)

Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass es, wenn die beiden Punkte, die Herr Fischer gerade noch einmal genannt hat, nämlich den Terror der Hamas beim Namen zu nennen, die Terrororganisation zu benennen und das Selbstverteidigungsrecht Israels, dort enthalten gewesen wären, Deutschland dann möglich gewesen wäre, dieser Resolution zuzustimmen.

Fischer (AA)

Wir haben uns auch dafür eingesetzt ‑ um das zum Thema Waffenstillstand zu sagen ‑, dass der Text die Sprache des Europäischen Rates übernimmt, nämlich humanitäre Pausen.

Frage

Herr Fischer, das Hilfswerk Save the Children hat berichtet, dass jetzt in Gaza mehr Kinder ums Leben gekommen sind als in allen militärischen Konflikten seit 2019. Bleibt die Bundesregierung bei ihrem Nein zur Feuerpause angesichts dieser erschreckend hohen Todeszahlen, die wir in Gaza jeden Tag sehen?

Fischer (AA)

Sie kennen ja die Entschließung des Europäischen Rates vom letzten Freitag. Da setzt sich der Europäische Rat, also die Staaten der Europäischen Gemeinschaft einschließlich Deutschlands, für humanitäre Pausen ein, in denen die Bevölkerung in Gaza, deren Lage katastrophal ist, mit humanitären Gütern versorgt werden kann. Genauso setzen wir uns ‑ und auch das ist Beschlusslage des Europäischen Rates ‑ für humanitäre Korridore ein.

Vielleicht noch einmal ganz grundsätzlich: Wenn es ein Kriegsverbrechen gibt, dann ist das doch das Verbrechen, dass sich die Hamas hinter Zivilisten versteckt, dass sie Zivilistinnen und Zivilisten, dass sie Kinder als menschliche Schutzschilde benutzt, dass sie ihre Kommandozentralen unter Supermärkten aufbaut, dass sie sich in ihren Tunneln unter Schulen und auch unter Krankenhäusern versteckt. Es ist also die Hamas, die die Menschen in Gaza einer tödlichen Gefahr aussetzt ‑ nach ihrem barbarischen Terrorüberfall auf Israel.

Zusatzfrage

Das heißt, Sie halten die Hamas für verantwortlich für die toten Kinder? Wenn jetzt auf Wohnsiedlungen geschossen wird, Wohnsiedlungen bombardiert werden, dann halten Sie da die Hamas für verantwortlich ‑ für jedes Kind, das Israel tötet?

Fischer (AA)

Die Hamas hat ‑ das steht, glaube ich, außer Frage ‑ diesen Gewaltzyklus mit ihren brutalen Terroranschlägen eingeleitet und versteckt sich jetzt feige hinter der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Sie wissen, dass Israel die Hamas bekämpft, nicht die palästinensische Zivilbevölkerung ‑ das habe ich schon einmal gesagt ‑, und dass wir Israel gegenüber darauf drängen, größtmögliche Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen, die leidet. Dazu gehört unter anderem auch Zugang zu humanitärer Hilfe.

Gleichzeitig ist es aber so, dass es die perfide Strategie der Hamas ist, tote palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten zu produzieren, um damit dann selber wieder Propagandaerfolge zu erzielen. Das ist sozusagen auch das Dilemma, das uns auch israelische Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner beschrieben haben: dass sie in einer Lage sind, in der sie die Hamas bekämpfen müssen, weil es ja nicht ausgeschlossen ist, dass diese Terroranschläge sich wiederholen, die Hamas es gleichzeitig aber so einrichtet, dass sie Zivilisten in Gefahr bringt. Das ist etwas, was wir sehen, und das ist auch etwas, was die israelische Seite sieht und sich deshalb auch darum bemüht, größtmögliche Rücksicht zu nehmen.

[…]

Frage

Herr Fischer, noch einmal zu Gaza, weil Sie gerade die größtmögliche Rücksicht auf die Zivilbevölkerung angesprochen haben: Von Freitag auf Samstag waren die Menschen in Gaza mindestens 24 Stunden lang von der Außenwelt abgeschnitten. Es gab weder Strom noch Wasser noch Kommunikationswege, also kein Internet, weil die entsprechende Infrastruktur durch israelische Luftangriffe ausgefallen war. Gehört das zur größtmöglichen Rücksicht auf die Zivilbevölkerung? Infolge des Ausfalls war es zum Beispiel den internationalen Hilfs- und Gesundheitsorganisationen nicht mehr möglich, ihre Mitarbeiter zu erreichen, es konnten keine Krankenwagen mehr gerufen werden usw. usf.

Fischer (AA)

Das sind Dinge, die ich nicht abschließend beurteilen kann, weil mir das Ziel der Internetabstellung nicht bekannt war. Möglicherweise ging es darum, Kommunikation der Hamas zu unterbinden. Von daher kann ich das nicht abschließend beurteilen. Was wir aber sehen, ist, dass die Internetverbindungen wiederhergestellt sind und der Kontakt mit den Menschen in Gaza wieder funktioniert.

Zusatzfrage

Aber ist Ihnen bekannt, ob es völkerrechtlich überhaupt legal ist, Kommunikation in die Außenwelt abzuschneiden?

Fischer (AA)

Ich habe Ihnen ja gesagt, dass das von hier aus nicht abschließend zu beurteilen ist, und ich habe Ihnen auch die Gründe dafür dargelegt, glaube ich.

Frage

Ich stelle die Frage des Kollegen noch einmal ein bisschen anders: Sind Ihnen konkrete israelische Maßnahmen zum Schutz der palästinensischen Bevölkerung in Gaza oder in der Westbank bekannt?

Fischer (AA)

Das steht ja auch gelegentlich in der Presse: Es gibt durchaus immer wieder Vorwarnungen vor Anschlägen, es gibt Hinweise, in welchen Gebieten Angriffe stattfinden werden. Insofern gibt es immer wieder Hinweise. Ob diese ausreichen und ob das in jedem Einzelfall erfolgt, kann Ihnen nicht abschließend beantworten.

Klar ist, dass wir das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser sehen und dass die humanitäre Lage für sie furchtbar ist. Deshalb setzen wir uns ja mit ganzer Kraft auch weiterhin dafür ein, dass es zum Beispiel mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen gibt und dass es humanitäre Pausen gibt, in denen eben nicht geschossen wird, damit diese Hilfslieferungen auch von UN-Mitarbeiterinnen und UN-Mitarbeitern in den Gazastreifen begleitet werden können, damit die Menschen diese Hilfslieferungen in Empfang nehmen können, ohne Angst haben zu müssen, in Gefahr zu geraten.

Insofern sehen wir das, und wir setzen uns auch dafür ein, dass wieder verstärkt Wasser in den Gazastreifen kommt. Jetzt hat Israel die zweite Wasserleitung wieder aufgemacht. Gleichzeitig braucht es aber Treibstofflieferungen ‑ auch darüber haben wir hier schon mehrfach gesprochen ‑, um die Tiefwasserpumpen wieder in Gang zu setzen, um die Wasserentsalzungsanlagen weiter betreiben zu können und um die Generatoren der Krankenhäuser weiter betreiben zu können. Gleichzeitig ist es so, dass nach unserem Kenntnisstand auch die Hamas über Vorräte verfügt, nämlich über Treibstoffvorräte, die sie offensichtlich der Zivilbevölkerung nicht zur Verfügung stellt ‑ was ja auch wieder dafür spricht, dass der Hamas die palästinensische Bevölkerung egal ist.

Im Übrigen ist es tatsächlich so, dass es über die Warnungen hinaus auch Flugblätter, SMS und solcherlei Informationen durch die israelische Seite gibt.

Zusatzfrage

Über die Warnung vor Bombardierungen hinaus sind Ihnen also keine Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bekannt?

Büchner (BReg)

Die haben wir ja alle aufgezählt.

Fischer (AA)

Genau, ich glaube, ich habe eine Menge Dinge aufgezählt. Wenn man sagt „A könnte beschossen werden“ und die Menschen sich dort dann von A nach B weg entfernen, dann ist das ja eine Warnung, die sehr konkrete lebensrettende Wirkung hat.

Zusatzfrage

Aber die Warnung gab es Berichten zufolge ja nicht für jeden einzelnen Beschuss.

Büchner (BReg)

Ich glaube, wir müssen wirklich noch einmal festhalten ‑ wenn ich das ergänzen darf ‑: Ein Sieg von Israel über diese Terrororganisation, die Zerschlagung dieser Terrororganisation, ist nicht nur in einem vitalen Interesse Israels, sie ist auch im vitalen Interesse der Palästinenser und in einem vitalen Interesse mit Blick auf eine Zukunft, in der Israel und Palästina als zwei Staaten friedlich in dieser Region miteinander leben können.

Es ist eine furchtbare Situation, in der wir sind. Es ist eine furchtbare Situation, für die allein die Hamas die Verantwortung trägt, mit ihrem barbarischen Terrorüberfall mit vielen hundert bzw. weit über tausend Toten. Jetzt sind wir in der Situation, dass Israel gegen diese Terrororganisation kämpfen muss, und wir bleiben dabei: Israel ist ein demokratischer Rechtsstaat, der versichert, dass er sich an die Regeln des humanitären Völkerrechts hält, und wir haben Vertrauen in unseren Partner in dieser Region, dass dies auch geschieht.

Fischer (AA)

Es entspricht auch unserer Erwartung, dass Israel sich an das humanitäre Völkerrecht hält.

[…]

Frage

Herr Fischer, Sie wollten das Abschalten von Internet und mobiler Kommunikation nicht bewerten, mit dem Hinweis, Sie wüssten ja nicht, ob nicht vielleicht das Ziel gewesen sei, Kommunikationsmöglichkeiten der Hamas zu unterbinden. In dieser Situation hatte Elon Musk angeboten, Hilfsorganisationen über Starlink zu Kommunikation zu verhelfen. Er hat das in der Ukraine ja auch schon getan, als infolge des russischen Angriffs dort Kommunikation zusammengebrochen ist. Ist so etwas eine sinnvolle Nothilfemaßnahme, um Hilfsorganisationen die Arbeit dann doch zu ermöglichen?

Fischer (AA)

Ich glaube, das müssen Sie nicht mich fragen, sondern die Hilfsorganisationen.

Zusatzfrage

Ich frage es Sie deswegen, weil Sie ja vorhin diese Einschränkung gemacht haben, und ich frage vor dem Hintergrund, dass der israelische Kommunikationsminister nach dem Angebot Musks gesagt habe, so etwas würde Israel auf jeden Fall sofort unterbinden ‑ obwohl es sich ja dann doch nur um eine gezielte Hilfe für die Hilfsorganisationen gehandelt hätte. Das ist dann doch ein anderer Sachverhalt, oder?

Fischer (AA)

Ich kenne die Äußerungen nicht, deshalb kann ich sie nicht kommentieren. ‑ Ich habe ja früher selber einmal für eine Hilfsorganisation gearbeitet, und wir hatten natürlich unsere Kommunikationsinstrumente, die auch unabhängig vom Mobilfunknetz funktioniert haben. Insofern ist es tatsächlich nicht an mir, von hier aus zu beurteilen, was in einer bestimmten Situation für Hilfsorganisationen das beste Kommunikationsmittel ist. Das müssen die Hilfsorganisationen selber entscheiden, und das können sie auch, weil sie dafür den professionellen Hintergrund haben.

[…]

Europakongress im Auswärtigen Amt

Frage

Herr Fischer, am Donnerstag findet im Auswärtigen Amt ein Europakongress statt. Können Sie schon sagen, welche Minister sich zu diesem Treffen angekündigt haben?

Fischer (AA)

Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, weil die Liste noch im Fluss ist. Wir werden Sie darüber vor der Konferenz informieren.

Türkische Staatsangehörige als größte Gruppe unter den Asylantragsstellern im Oktober

Frage

Vielleicht an das BMI, vielleicht mag das AA auch etwas dazu sagen: Im Oktober ist es, wenn ich richtig informiert bin, nach den Zahlen der Behörden hier in Deutschland das erste Mal so, dass Menschen aus der Türkei die größte Gruppe unter den Asylbewerbern stellen.

Wie bewerten Sie diese Tatsache angesichts der Tatsache, dass die Türkei ein NATO-Verbündeter ist und auch immer noch ein EU-Beitrittsprozess läuft?

Was heißt das auch für das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Zahl der Rückführungen zu erhöhen?

Dr. Kock (BMI)

Ich kann lediglich die Zahlen bestätigen. Es ist so. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlicht monatlich die sogenannte Asylstatistik. Darin stehen im Oktober erstmalig die türkischen Staatsangehörigen an erster Stelle.

Fischer (AA)

Wir haben hier schon ein paarmal gesagt, dass wir die Entwicklung der Menschenrechtslage in der Türkei mit Sorge betrachten und dass wir von der Türkei erwarten, dass sie, da sie genau wie wir Mitglied des Europarats ist, die Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention einhält.

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