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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 23.10.2023

23.10.2023 - Artikel

Reise der Bundesaußen­ministerin nach New York zur Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen

Fischer (AA)

Ich habe Ihnen eine Reise der Außenministerin anzukündigen. Die Außenministerin befindet sich, wie Sie wissen, gerade beim EU-Außenministerrat in Luxemburg. Direkt im Anschluss daran wird sie nach New York weiterfliegen. Dort wird sie morgen bei der vierteljährlichen Nahostdebatte im UN-Sicherheitsrat sprechen.

Kern der Debatte wird natürlich der brutale Terrorangriff der Hamas auf Israel sowie die damit einhergehende Lage in der Region sein. Die Reise reiht sich damit in die Krisendiplomatie der Außenministerin in der letzten Wochen ein und schließt auch nahtlos an den Kairoer Friedensgipfel von Samstag an. Am Rande der Sitzung des Sicherheitsrats wird Außenministerin Baerbock mehrere ihrer Amtskolleginnen und Amtskollegen treffen, die ebenfalls nach New York kommen. Aller Voraussicht nach wird die Delegation der Außenministerin am Dienstagabend nach Deutschland zurückkehren.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Fischer, können Sie bitte sagen, ob Sie eine Differenz zwischen den Staaten, die gerade zusammensitzen, den 27 EU-Staaten, sehen, was eine Waffenpause angeht. Denn Herr Borrell hat vor den Beratungen gesagt, er persönlich sei zum jetzigen Zeitpunkt für eine Waffenpause. Die Außenministerin habe ich so verstanden, dass sie Verständnis dafür habe, dass Israel weiterhin gegen Hamas vorgehe und man gleichzeitig den Menschen im Gazastreifen zivile Hilfe zukommen lassen müsse. Besteht da also ein Widerspruch? Sehen Sie eine Differenz zwischen den EU-Außenministern oder zwischen Frau Baerbock und dem EU-Außenbeauftragten, der sich möglicherweise auch in New York zeigen könnte?

Fischer (AA)

Ich kann dem Ergebnis der Beratungen in Luxemburg, die ja derzeit laufen, nicht vorgreifen. Ich kann nur noch einmal unterstreichen, dass es sehr große Übereinstimmung in dem Ziel gibt, die palästinensische Bevölkerung mit humanitären Hilfsgütern zu versorgen. Die EU hat ihre Zusagen für humanitäre Hilfe um 50 Millionen Euro erhöht. Wir als Bundesregierung haben das auch getan. Auch andere EU-Länder haben ihre Hilfen erhöht. Gleichzeitig setzen wir uns für geschützte Orte im Gazastreifen ein, wo diese Hilfe dann verteilt werden kann.

Wichtig ist aber ‑ auch darin sind wir uns in der EU sehr einig ‑, dass die Hilfe jetzt schnell die Menschen in Gaza erreicht und dass der Umfang der Hilfslieferungen, die ja am Samstag begonnen haben und am Sonntag fortgesetzt wurden, jetzt schnell erhöht wird. Denn das, was bis jetzt hineingekommen ist, reicht noch nicht aus.

Zusatzfrage

Ist sie für eine Feuerpause oder nicht?

Fischer (AA)

Ich habe gesagt, dass wir uns für humanitäre Hilfslieferungen einsetzen und davon überzeugt sind, dass es sichere Orte für die Menschen im Gazastreifen geben muss. Ansonsten kann ich, wie gesagt, den Beratungen in Luxemburg nicht vorgreifen.

Die Ministerin hat sich dazu auch in ihrem Statement vor Beginn des Außenministerrates und heute Morgen auch im Interview mit dem Deutschlandfunk geäußert. Darauf will ich Sie verweisen.

Frage

Der Gazastreifen und seine Vorräte sind angeblich total vernichtet. Unterstützt die Bundesregierung diese Politik?

Fischer (AA)

Ich habe die Frage akustisch nicht ganz verstanden. Aber wenn es um das israelische Recht geht, sich wie jedes andere Land der Welt im Rahmen des Völkerrechts selbst zu verteidigen und seine Bevölkerung vor Terror zu schützen, dann haben wir uns dazu schon mehrfach geäußert.

Frage

Israel hat seit zwei Wochen zivile Infrastruktur im Gazastreifen bombardiert, Wohnhäuser, muslimische und christliche Gotteshäuser, Großbäckereien, Wasserinfrastruktur, teilweise auch Stützpunkte für die medizinische Versorgung. Laut UN-Angaben von gestern wurden auch 29 UN-Mitarbeiter und insgesamt weit über tausend Menschen getötet. Angesichts dieser Bilanz interessiert mich, ob die Bundesregierung, ob das Auswärtige Amt und der Kanzler weiterhin darauf bestehen, dass dieses Vorgehen vom Völkerrecht gedeckt sei.

Hoffmann (BReg)

Dann beginne ich. Wir variieren im Grunde eine Aussage, die Herr Fischer hier eben schon getroffen hat. Ich tue dies aber sehr gern auch noch einmal von meiner Seite. Ich würde dabei auch auf das Telefonat verweisen, das der Kanzler gestern mit dem amerikanischen Präsidenten und anderen Staats- und Regierungschefs der G7, von Frankreich, Kanada, Italien und Großbritannien, geführt hat und in dem noch einmal bekräftigt wurde, dass Israel angesichts der brutalen Terrorangriffe das Recht hat, sich dagegen zu verteidigen. Das ist es, was Israel im Moment tut.

Gleichzeitig ‑ darauf hat Herr Fischer ausführlich hingewiesen ‑ geht es auch um humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza, die jetzt zum Glück in Gang gekommen ist und auch fortgesetzt werden wird. Das ist ein wichtiger Fokus, der von den Staats- und Regierungschefs auch noch einmal betont wurde.

Zusatzfrage

Mir ging es um den völkerrechtlichen Aspekt. Jetzt liegt das interne Protokoll des EU-Koordinierungsrats in der Bundesregierung vom 16. Oktober vor. Er umfasst hochrangige Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Bundeskanzleramts und des Innenministeriums. Das BMZ war, meine ich, auch dabei. Darin wird eigentlich sehr deutlich eingeräumt, dass man das Vorgehen Israels gegen die Zivilbevölkerung als völkerrechtswidrig betrachtet.

Dazu würde mich interessieren, wieso das sozusagen intern in der Bundesregierung durchaus so gesehen und auch zum Ausdruck gebracht wird, aber nicht hier gegenüber der bundesdeutschen Öffentlichkeit?

Hoffmann (BReg)

Auch dazu hat sich der Bundeskanzler bereits mehrfach geäußert und vor allen Dingen darauf hingewiesen, dass sich Israel als Demokratie ganz klar auch zum Völkerrecht bekennt.

Frage

Herr Collatz, können Sie sagen, wie viele Bundeswehrkräfte sich mittlerweile auf Zypern aufhalten und welche Vorbereitungen Sie gegebenenfalls auch hinsichtlich Evakuierungen deutscher Staatsangehöriger aus der Region treffen?

Collatz (BMVg)

Hierzu würde ich gern auf meine Ausführungen von voriger Woche verweisen. Sie kennen die ungefähre Größenordnung eines Evakuierungsverbandes, der generell immer bereitgehalten wird und auch übt. Zu aktuellen Zahlen und Entwicklungen und Kräftekonfigurationen vor Ort kann ich auch aus Sicherheitserwägungen heraus nichts sagen.

Ich kann noch einmal unterstreichen, dass wir natürlich alle Optionen für mögliche militärische Evakuierungen, die noch nicht aktiviert sind, vorbereiten und uns vorbehalten. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Ich hatte vergangene Woche deutlich gemacht, dass wir zunächst unsere Planungs- und Führungsfähigkeit erhöht haben. Das ist abgeschlossen. Jetzt fangen wir an, das Kräftekontingent auch insgesamt so aufzubauen, dass wir alle Abholungsmöglichkeiten, sofern sie ‑ das unterstreiche ich noch einmal ‑ aktiviert werden sollten, unterstützen können. Das ist unabhängig davon, ob das auf dem Land-, dem Wasser- oder dem Luftweg erfolgen soll.

Zusatzfrage

Sie sagten jetzt, Sie wollten nichts zu Zahlen sagen. Das verstehe ich in Bezug auf die Bundeswehr. Liegen Ihnen mittlerweile Zahlen oder Einschätzungen darüber vor, wie viele Menschen beispielsweise aus dem Libanon evakuiert werden sollten, sollte es zu einer solchen Evakuierungsmission kommen?

Collatz (BMVg)

Wir arbeiten hierbei im Grunde im Auftrag des Auswärtigen Amtes. Die Zahlen werden dort zusammengeführt und stehen natürlich allen, die dort Verantwortung tragen, zur Verfügung. Danach richten wir uns aus. Aber ich denke, dass ich nicht zu unterstreichen brauche, dass im Moment noch zivile Ausflüge möglich sind und deswegen all diese Optionen für den militärischen Bereich noch nicht aktiviert werden.

Fischer (AA)

Vielleicht kann ich ergänzen. Derzeit haben sich ungefähr 1100 deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger auf die Krisenvorsorgeliste ELEFAND eingetragen und sagen, dass sie sich im Libanon aufhalten. Sie wissen, dass wir in der vergangenen Woche eine Ausreiseaufforderung an die deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger herausgegeben haben. Wir bitten deshalb alle Deutschen, die sich im Libanon befinden, jetzt auszureisen. Allein heute hat es bis zum Beginn der Bundespressekonferenz 17 kommerzielle Flüge gegeben. Es wird noch mehr geben. Also stehen derzeit noch ausreichende kommerzielle Möglichkeiten zur Verfügung. Ich denke, es ist wichtig zu unterstreichen, dass die Lage ernst ist. Wer ausreisen kann, soll jetzt möglichst ausreisen. Ansonsten bitte ich diejenigen, die sich noch nicht auf unserer Krisenvorsorgeliste registriert haben, sich jetzt zu registrieren.

Frage

Herr Fischer, die Zahl der toten palästinensischen Zivilisten steigt rasant. Wir haben jetzt schon fast 5000 Tote, unter ihnen fast 2000 Kinder, in zwei Wochen. Was muss noch passieren, bevor die Bundesregierung angesichts dieser hohen Todeszahlen einen Waffenstillstand unterstützt?

Fischer (AA)

Vielleicht noch einmal: Wir sehen das Leid der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen, das Leid der Väter, der Mütter, der Kinder. Gleichzeitig ist es so, dass der Terror der Hamas dieses Leid über die Menschen gebracht hat. Der Auslöser für diesen Konflikt waren die furchtbaren Terroranschläge vom 7. Oktober. Gleichzeitig ‑ das muss man auch sagen; das hat die Außenministerin heute Morgen auch noch einmal unterstrichen ‑ ist es eine Quadratur des Kreises oder, wie israelische Gesprächspartner es beschreiben, ein Dilemma. Der Terror ist das Grundübel. Er muss bekämpft werden, weil es sonst keinen Frieden und keine Sicherheit in der Region geben wird, nicht für Palästinenserinnen und Palästinenser, aber auch nicht für Israelis. Andererseits wird ‑ darauf spielen Sie an ‑ neues großes Leid unter der Zivilbevölkerung in Gaza neuen Nährboden für neuen Terrorismus schaffen und auch gleichzeitig Annäherungsschritte mit den arabischen Nachbarn in Gefahr bringen. Es ist auch der Versuch, einen Spaltpilz in die internationale Gemeinschaft zu tragen und die arabischen Staaten von den Staaten des globalen Nordens zu spalten. Dieses terroristische Kalkül darf nicht aufgehen. Aber noch einmal: Für die Auslösung dieses Konflikts ist die Hamas verantwortlich.

Was Israel angeht: Es gibt das völkerrechtlich garantierte Recht auf Selbstverteidigung. Es ist ein Recht, aber es ist natürlich auch eine Pflicht, nämlich die Pflicht, sich an bestimmte Regeln und Rahmen zu halten. Dies betrifft den Schutz von Zivilisten, aber auch zum Beispiel die Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Zwecks, in diesem Falle die Wiederherstellung der Sicherheit Israels. Wir alle wissen, dass Israel weiterhin aus dem Gazastreifen angegriffen wird.

[…]

Frage

Herr Fischer, Sie haben eben gesagt, es müsse sichere Orte für Menschen in Gaza geben. Damit meinen sie die palästinensische Zivilbevölkerung, denke ich. Gibt es solche sicheren Orte in hinreichender Zahl für ungefähr 1,5 Millionen Menschen?

In der vergangenen Woche haben Sie UNRWA als Beispiel für sichere Orte genannt. Welche gibt es darüber hinaus, oder wer müsste diese schaffen?

Fischer (AA)

Wir sind zu all diesen Fragen in intensiven Gesprächen mit der israelischen Regierung, aber auch mit unseren Partnerinnen und Partnern in der Welt, zuletzt auch noch einmal intensiv auf der gerade zu Ende gegangenen Nahostreise der Außenministerin, die sie nach Aman, Tel Aviv, Beirut und dann zu dem Kairoer Friedensgipfel nach Kairo gebracht hat.

Im Vordergrund ‑ darüber sind wir alle uns einig ‑ steht jetzt zunächst einmal vor allen Dingen der Schutz der Zivilbevölkerung und auch die Lieferung humanitärer Güter in den Gazastreifen. Das, was bis jetzt erreicht wurde, ist noch nicht genug. Die 20 Lastwagen, die am Samstag starten konnten, und die 14, die am Sonntag starten konnten, reichen bei Weitem nicht aus. Unsere Anstrengungen sind darauf konzentriert, gemeinsam mit den UN-Organisationen, aber auch anderen Partnern die Zahl dieser Hilfskonvois zu erhöhen, damit die Menschen in Gaza mit Lebensmitteln, Medikamenten, aber letztlich zum Beispiel auch mit Treibstoff versorgt werden können, der notwendig ist, um Wasserpumpen und die Entsalzungsanlagen zu betreiben, gleichzeitig aber auch für die Generatoren der Krankenhäuser ganz dringend benötigt wird, damit sie weiterbetrieben werden können. Das ist wichtig.

Gleichzeitig arbeiten wir mit genau dieser Gruppe von Partnerinnen und von Partnern daran, größtmöglichen Schutz für die Zivilbevölkerung in Gaza zu gewährleisten.

Zusatzfrage

Die Schaffung sicherer Orte ist ohne die Verhinderung der Schaffung weiterer unsicherer Orte nicht denkbar. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Israel sehr dringlich aufgefordert, die Forderung der israelischen Regierung, Krankenhäuser im Norden des Gazastreifens zu evakuieren, zurückzunehmen, weil in diesen Krankenhäusern eine Vielzahl Patienten liege, Alte, Kinder, Transplantationspatienten, die einfach nicht transportfähig seien und für die eine Evakuierung im Grunde einem Todesurteil gleichkäme.

Unterstützt die Bundesregierung diese Aufforderung der WHO?

Fischer (AA)

Klar ist: Krankenhäuser dürfen in einem Konflikt nicht angegriffen werden. Das haben wir, denke ich, auch schon in der vergangenen Woche anhand des Beispiels des Al-Ahli-Krankenhauses hier diskutiert. Das gilt für alle Konfliktparteien.

Gleichzeitig möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Hamas die Menschen in Gaza als menschliche Schutzschilde missbraucht, dass sie ihre Einheiten und Kommandozentralen in Wohnhäusern, in Verwaltungsgebäuden, unter Schulen, aber möglicherweise eben auch unter Krankenhäusern betreibt, und dass das alle Beteiligten vor große Herausforderungen stellt. Aber klar ist: Krankenhäuser sind keine Kriegsziele.

Frage

Herr Fischer, Sie haben uns eben schon Zahlen für den Libanon genannt. Können Sie uns sagen, wie es aktuell bei den Zahlen, Israel betreffend, aussieht, wie viele bereits nicht mehr in Israel befindlich sind, wie viele sich bei ELEFAND eingetragen haben? Das wäre hilfreich.

Fischer (AA)

Die Zahlen für Israel sind momentan relativ stabil. Nach den Sonderflügen der Lufthansa, der Evakuierung über den Land- und den Seeweg und der schnellen Abholung durch die Bundeswehr haben wir derzeit rund 2700 Personen, die angeben, sich in Israel aufzuhalten. Wir gehen davon aus, dass die Deutschen, die jetzt noch in Israel sind, vorhaben, zumindest kurzfristig vor Ort zu bleiben, weil es weiterhin kommerzielle Flüge gibt und auch die Auslastung der letzten schnellen Luftabholung durch die Bundeswehr nur gering war.

Zusatzfrage

In der vergangenen Woche gab es sehr viel Aufregung in Brüssel ‑ in diesem Kontext ist die Außenministerin gerade ‑ um die Positionierung von Frau von der Leyen.

Übt die Außenministerin ihrerseits ebenfalls Kritik an der, wie man in den Kreisen dort zumindest teilweise sagte, einseitigen Parteinahme?

Wie wird der Brief, der innerhalb der EU-Kommission zirkuliert, gesehen? Waren daran Ihres Wissens auch deutsche entsandte Beamte beteiligt?

Fischer (AA)

Zu dem Brief in der EU-Kommission kann ich nichts sagen, weil ich ihn schlichtweg nicht kenne. Ich kann nur betonen, dass die EU eine einheitliche und gemeinsame Haltung in der Frage dieses Konfliktes vertritt. Sie wurde auch auf dem Sonderrat des Europäischen Rates deutlich, von dem es ja eine gemeinsame Erklärung gibt, die für alle EU-Vertreterinnen und ‑Vertreter verbindlich ist.

Frage

Frau Hoffmann, ich habe eine Frage zum Joint Statement von gestern von Herrn Biden, Herrn Trudeau, Herrn Macron, Herrn Scholz, Frau Meloni und Herrn Sunak. Sie alle sind Regierungschefs in Staaten, die Teil der G7 sind. Warum fehlt Japan bei diesem Statement?

Hoffmann (BReg)

Dazu kann ich nichts sagen. Es war der amerikanische Präsident, der zu dieser telefonischen Zusammenkunft eingeladen hat. Es ist kein offizielles G7-Statement, sondern ein Statement derer, die daran teilgenommen haben.

Zusatzfrage

In Ihrer Antwort auf die Frage zum Völkerrecht und zu Israel hatten Sie vorhin betont, dass sich Israel zum Völkerrecht bekenne. Warum ist in diesem Statement neben dem Verteidigungsrecht Israels, das erwähnt wird, die Aufforderung, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten und Zivilisten zu schützen, enthalten, wenn sich Israel eh daran hält?

Hoffmann (BReg)

Es spricht nichts dagegen, dass man erwähnt, dass das humanitäre Völkerrecht gilt.

Zusatzfrage

Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass sich daran nicht gehalten wird, sodass man die israelischen Partner dazu auffordern muss?

Hoffmann (BReg)

Wir sagen, dass es so ist, dass man sich in allen bewaffneten Konflikten vonseiten aller Kriegsparteien an das humanitäre Völkerrecht hält.

Frage

Ich habe eine Frage an das Außenministerium. Wie viele deutsche Staatsbürger befinden sich im Gazastreifen?

Fischer (AA)

Wir gehen davon aus, dass sich derzeit eine niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Gaza aufhält. Das sind zumindest diejenigen, die sich auf unserer Krisenvorsorgeliste registriert haben. Was die palästinensischen Gebiete insgesamt angeht, gehen wir von knapp 500 Personen aus, die sich registriert haben.

Auch an dieser Stelle wiederhole ich den Appell an unsere Landsleute in den palästinensischen Gebieten, sich bitte auf dieser Krisenvorsorgeliste registrieren zu lassen. Denn das ist der Weg, über den wir in all diesen Ländern unsere Informationen an die Deutschen vor Ort verteilen, per Landsleutebrief, aber teilweise auch per SMS, zumindest was den Gazastreifen angeht.

Zusatzfrage

Haben Sie Informationen darüber, dass vielleicht auch deutsche Staatsbürger durch die Bombardierung durch Israel getötet worden sind?

Fischer (AA)

Solche Informationen habe ich nicht.

[…]

Frage

Sie haben ja noch einmal betont, Israel habe ein völkerrechtbasiertes Recht auf Selbstverteidigung. Gleichzeitig haben Sie auch immer wieder von den Terrorangriffen gesprochen. Jetzt ist ja das allgemeine Verständnis zumindest in Bezug auf Artikel 51 der UN-Charta, dass das ausschließlich Bezug auf den Angriff staatlicher Akteure nimmt. Mich würde interessieren: Sieht die Bundesregierung dieses von Ihnen erwähnte Selbstverteidigungsrecht in Bezug auf Artikel 51, oder greifen angesichts dessen, dass es sich bei der Hamas und dem Gazastreifen ja nicht um einen staatlichen Akteur gehandelt, um ein anderes Kapitel oder einen anderen Artikel in der UN-Charta?

Fischer (AA)

Ich glaube, es ist unbestritten, dass dieser umfassende Terrorangriff, den die Hamas mit mehr als 1400 Toten, deutlich mehr als 100 Verschleppten und vielen, vielen Verletzten gegen Israel geführt hat, völkerrechtlich das Recht auf Selbstverteidigung auslöst. Diese Selbstverteidigungsrecht muss natürlich im Rahmen des Völkerrechts ausgeübt werden. Ich habe in den letzten Tagen auch niemanden gesehen, der das in irgendeiner Weise bestritten hätte.

Zusatzfrage

Zum einen gibt es zahlreiche Völkerrechtler, die tatsächlich hinterfragen, ob zumindest Artikel 51 in diesem Fall eines nichtstaatlichen Akteurs greift.

Eine weitere Frage: Sowohl Ihr Kollege als auch Frau Hoffmann haben bei meiner letzten Frage diesbezüglich gesagt, dass die Bundesregierung nach wie vor den Gazastreifen, Ostjerusalem und auch die Westbank als von Israel besetztes Gebiet bezeichnet. Jetzt sieht das Völkerrecht für Gewaltanwendung durch die Besatzungsmacht noch weit stärkere Limitationen vor. Da würde mich auch interessieren: Sieht das AA Israel als Besatzungsmacht im Gazastreifen an und in Folge davon auch die vom Völkerrecht etablierten, weit stärkeren Begrenzungen, was den Gewaltansatz angeht, auch im Falle einer Selbstverteidigung?

Fischer (AA)

Ich glaube, diese Frage ist hier jetzt schon mehrmals diskutiert worden, und ich habe ihr nichts hinzuzufügen.

Frage

Herr Fischer, Sie haben eben erwähnt, als wir über Hilfslieferungen gesprochen haben, dass Sie erwarten oder fordern, dass jetzt zusätzlich zu den bisherigen, unzureichenden Lieferungen von humanitären Gütern auch Treibstoffe in den Gazastreifen geliefert werden, die man ja für Meerwasserentsalzungsanlagen und Generatoren braucht. Nun war die Haltung von Israel bisher ja immer, dass man das auf keinen Fall zulassen wolle, weil man damit rechne, dass das dann von der Hamas für militärische Zwecke genutzt wird. Haben Sie Erkenntnisse darüber, dass sich diese israelische Haltung jetzt geändert hat oder ändern wird?

Fischer (AA)

Genau über diese Fragen stehen wir, aber zum Beispiel auch die Amerikaner und andere Partner im Gespräch mit Israel. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage ist es wichtig, dass es möglichst viele humanitäre Güter ‑ Nahrung, Medikamente, Wasser, aber eben auch Treibstoff ‑ in den Gazastreifen kommen, weil das wirklich Fragen von Leben und Tod sind. Es geht darum, dass die Krankenhäuser weiterbetrieben werden können, dass beispielsweise Brutkästen weiterbetrieben werden können. Es geht nicht nur um die Wasserentsalzungsanlagen, sondern es geht auch um die Tiefbrunnen, die mit Wasserpumpen betrieben werden, um die Wasserversorgung aufrechtzuerhalten. Das sind alles drängende Fragen, über die wir im Gespräch sind, und wir setzen darauf, dass es dafür Lösungen geben wird.

Frage

Herr Fischer, die Israelis sowie die Hamas haben bestätigt, dass israelische Truppen jetzt im Gazastreifen agieren. Ist das aus Ihrer Sicht der Beginn der Invasion?

Fischer (AA)

Das kann ich von hier aus nicht beurteilen. Ich habe Berichte darüber gesehen, dass zum Beispiel ein israelischer Soldat im Gazastreifen gefallen ist. Aber ob das nun der Beginn der Bodenoffensive oder eine Aufklärungsmaßnahme ist, kann ich von hier aus nicht beurteilen.

Zusatzfrage

Hat sich die Bundesregierung darum bemüht, dass es zu keiner Bodenoffensive kommt?

Fischer (AA)

Wir stehen mit all unseren Partnern, aber auch mit Israel über alle Aspekte dieser Auseinandersetzung im Gespräch. Noch einmal: Das Grundübel ist der Terror der Hamas, und sozusagen ohne die Bekämpfung der Hamas wird es auch nicht gelingen, Frieden und Sicherheit für Palästinenserinnen und Palästinenser, aber auch für Israelis im Gazastreifen herzustellen.

[…]

Frage

Herr Fischer, noch einmal zum Umfang der Hilfslieferungen: Am Sonnabend waren es, glaube ich, 20 Lkws, die über Rafah nach Gaza gekommen sind, gestern 17.

Fischer (AA)

14.

Zusatzfrage

14. Das ist ja noch nicht einmal ein Fünftel der Menge, die die Vereinten Nationen als dringend notwendig ansehen. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Vereinten Nationen, dass eigentlich pro Tag 100 Lkw-Ladungen durchkommen müssten, um die Not zu lindern?

Wer ist hauptverantwortlich dafür, dass sie nur in so geringer Zahl durchkommen? Ist es Ägypten?

Fischer (AA)

Wir setzen uns ‑ das habe ich ja hier schon mehrmals deutlich gemacht ‑ gemeinsam mit den Vereinten Nationen, gemeinsam mit unseren Partnern in der EU und gemeinsam mit unseren Partnern in den USA intensiv dafür ein, dass es umfangreichere Grenzöffnungen gibt und dass deutlich mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen geliefert wird. Hierzu stehen wir in intensiven Gesprächen mit Israel und Ägypten, aber natürlich müssen auch die Voraussetzungen vor Ort in Gaza geschaffen sein. Wir setzen diese Gespräche mit Hochdruck auf allen Ebenen fort und hoffen, dass es uns gemeinsam mit den Genannten gelingt, die Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Auch bei den Gesprächen in Israel war klar ‑ das haben alle Gesprächspartner deutlich gemacht ‑, dass der Kampf der Hamas gilt, nicht der palästinensischen Zivilbevölkerung.

Zusatzfrage

Ja, Sie haben darauf mehrfach hingewiesen. Aber meine Frage haben Sie ‑ „sorry to say“ ‑ nicht beantwortet. Die Frage war: Teilt die Bundesregierung zahlenmäßig die Einschätzung der Vereinten Nationen, dass eigentlich 100 Lkw-Ladungen pro Tag nötig wären?

Die zweite Frage war: Ist Ägypten der Hauptverantwortliche dafür, dass es so wenige sind?

Fischer (AA)

Ich glaube, ich habe sehr klar gesagt, dass wir der Überzeugung sind, dass wir deutlich mehr Hilfe in den Gazastreifen bringen müssen. Ob das nun 100 Lastwagen pro Tag sind oder 200, kann ich hier nicht abschließend beantworten. Aber es müssen deutlich mehr werden, und die Hilfstransporte müssen verstetigt werden, sie müssen ausgebaut werden.

Klar ist auch, dass es eine komplexe Gemengelage gibt, in der die Lastwagen von ägyptischer Seite losfahren müssen, dann kontrolliert werden müssen, damit niemand Güter für die Hamas in den Gazastreifen schmuggelt und hereinfahren kann. Das ist eine komplexe Aufgabe, der sich die UN da gestellt haben und an der wir jetzt gemeinsam mit allen Beteiligten intensiv weiterarbeiten.

Frage

Ich würde einfach nur gerne wissen, ob Deutschland in irgendeiner Form etwa Röntgengeräte für Lkws und Ähnliches angeboten oder konkret zur Verfügung gestellt hat. Ich weiß nicht, ob das eher das BMF mit dem Zoll oder das BMI betrifft oder ob das alles über Herrn Fischer läuft.

Fischer (AA)

Diese Antwort müssten wir nachreichen. Ich glaube, momentan geht es vor allen Dingen darum, dass die Hilfe schnell fließt, und ich fürchte, bis so ein Röntgengerät installiert ist, das Lkws kontrollieren kann, vergeht dann doch noch ein bisschen Zeit. Aber wir prüfen diese Frage sehr gerne.

Vergabe von Visa in der Türkei zur Einreise nach Deutschland

Frage

Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Es gibt Berichte und anscheinend Ärger darüber, dass die Visavergabe zur Einreise nach Deutschland in der Türkei aktuell sehr lange dauern soll, teilweise monatelang. Können Sie das bestätigen? Können Sie vielleicht einmal ausführen, woran das liegt und was Sie gegebenenfalls tun, um das zu beheben?

Fischer (AA)

Wir arbeiten daran, die Visavergabe in der Türkei so gut wie möglich zu organisieren und die Visa, so sie denn erteilt werden können, so schnell wie möglich auszustellen. Ich bitte aber zu beachten, dass wir in der Vergangenheit aufgrund des Erdbebens eine Reihe von sehr bedürftigen, sehr rasch zu bearbeitenden Fällen zusätzlich bearbeitet und humanitäre Visa für mehr als 17.000 Personen ausgestellt haben. Wenn ich sage, dass diese prioritär bearbeitet worden sind, dann sind natürlich in dem Zeitraum Visa, die normalerweise bearbeitet worden wären, zurückgestellt worden. Das heißt in der Tat: Es gibt einen Nachholbedarf oder die Erwartung, dass wir die Visa, die schon vor einiger Zeit beantragt worden sind, jetzt schnell bearbeiten. Dieser Aufgabe stellen wir uns, und wir bemühen uns darum, die Visa so gut und so schnell wie möglich zu prüfen.

Zusatzfrage

Nur gerne noch einmal zur Klarstellung: Heißt das, beispielsweise einen Vorwurf, dass diese Visa bewusst langsamer bearbeitet werden, würden Sie zurückweisen?

Fischer (AA)

Ich glaube, diesen Vorwurf kann man klar zurückweisen. Der Ausgangspunkt ist, dass wir uns nach dem Erdbeben ja entschlossen hatten, Visa für Personen auszustellen, die von dem Erdbeben betroffen waren, und diesen die Möglichkeit zu geben, nach Deutschland zu reisen. Das waren Visa für insgesamt knapp 17.000 Personen, die von dem Erdbeben betroffen waren, und wenn man 17.000 Visaanträge priorisiert und zusätzlich bearbeitet, dann heißt das natürlich, dass andere Visaanträge nicht in der gewohnten Geschwindigkeit bearbeitet werden können. Der Auslöser für die Verzögerung war also die Erdbebenkatastrophe in der Türkei, und wir arbeiten jetzt mit ganzer Kraft daran, diesen Rückstau an Visaanträgen abzuarbeiten.

Frage

Heißt das, Herr Fischer, das hat nichts damit zu tun, dass wir bis Ende September dieses Jahres bereits 35.000 Asylerstanträge aus der Türkei zu verzeichnen hatten?

Fischer (AA)

Wir prüfen alle Visa nach den vorgegebenen Kriterien, zu denen natürlich auch die Frage der Rückkehrwilligkeit gehört, aber diese Unterstellung würde ich zurückweisen.

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