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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 20.10.2023

20.10.2023 - Artikel

Angriff auf Israel / Lage im Nahen Osten

Frage

Zum Thema Nahost: Herr Wagner, ich glaube die Bundesregierung fordert jetzt Deutsche, die im Libanon leben, auf, das Land zu verlassen. Können Sie uns über den Umfang, die Empfehlung und die möglichen weiteren Vorbereitungen der Bundesregierung einen Überblick geben?

Wagner (AA)

Ja, sehr gerne. Wir beobachten die Lage in der Region, die ja sehr volatil ist, natürlich genau und in enger Abstimmung mit anderen Ressorts. Ich habe ja hier schon mehrfach betont, und das kann ich jetzt auch wieder bestätigen, dass der Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt täglich tagt und dort auch immer wieder ein tagesaktuelles Lagebild erstellt wird. Es ist so, dass wir seit dem 8. Oktober entlang der sogenannten “blue line” im israelisch-libanesischen Grenzgebiet immer wieder militärische Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah beobachten müssen. Die Hisbollah beschießt Israel aus dem Libanon heraus und mittlerweile in Teilen auch aus Syrien. Diese Angriffe verurteilen wir auf das Schärfste.

Aus diesem Grund und auch aufgrund der öffentlichen Reaktion auf die jüngsten Ereignisse in Gaza hat der Krisenstab gestern eine Ausreiseaufforderung für den Libanon ausgesprochen. Das bedeutet, dass wir deutsche Staatsangehörige, die sich im Moment noch im Libanon aufhalten, dazu aufrufen, den Libanon zu verlassen und dazu die kommerziellen Angebote, die es ja weiterhin gibt ‑ nach meinen Informationen im Moment um die 30 bis 35 Flüge pro Tag aus Beirut heraus ‑, zu nutzen.

Es ist natürlich so, und Sie haben wahrscheinlich auch die Pressemitteilung gesehen, die wir vorhin gemeinsam mit dem BMVg herausgegeben haben, dass wir uns auch auf andere Eventualitäten vorbereiten. Wir haben die Lage im Blick und wollen halt auch im Falle einer weiteren Lageverschärfung handlungsfähig sein. Deshalb treffen wir Vorkehrungen, um auch für den Fall, dass sich die Lage weiter verschärft, reagieren zu können und andere Maßnahmen zu ergreifen.

Zusatzfrage

Um wie viele deutsche Staatsbürger handelt es sich in etwa? Sind dies dann auch wieder überwiegend Doppelstaatler, oder haben sie nur eine ‑ die deutsche – Staatsangehörigkeit?

Wagner (AA)

Auf unserer Krisenvorsorgeliste ELEFAND, die Sie ja jetzt auch gut kennen, glaube ich, sind seit den letzten Tagen ungefähr 1000 deutsche Staatsangehörige registriert, die sich dort registriert haben. Wir gehen davon aus, dass das zum großen Teil Doppelstaater sind, Menschen, die tief mit dem Land verwurzelt sind. Ich kann nur noch einmal, und ich werde ja nicht müde, das bei jeder Regierungspressekonferenz zu tun, alle deutschen Staatsangehörigen, die sich im Libanon aufhalten, dazu aufrufen, sich jetzt bei ELEFAND zu registrieren und, wenn eine Ausreise erfolgt ist, sich dort auch wieder auszutragen. Das ist für uns der wichtigste und beste Weg, direkt mit diesen Menschen zu kommunizieren und sie über die Angebote zur Ausreise, die es gibt, informiert zu halten.

Frage

Können Sie noch einmal erläutern, warum sich die Sicherheitslage für die Deutschen im Libanon jetzt verschlechtert hat? Sie hatten ja von der öffentlichen Reaktion im Libanon in Bezug auf Gaza gesprochen. Warum ist das jetzt so gefährlich für Deutsche? Können Sie das kurz erklären?

Wagner (AA)

Das ist sozusagen keine spezifische Gefährdungslage für deutsche Staatsangehörige. Sie haben ja auch gesehen, dass andere unserer Partnernationen gestern ebenfalls Reiseaufforderungen herausgegeben haben. Die Lage ist einfach sehr volatil, und wir müssen damit rechnen, dass sich die Lage auch jederzeit verschärfen kann. Insofern ist es eine Präventivmaßnahme, die wir jetzt für angezeigt halten, dass man, wenn man sich als deutscher Staatsangehöriger gerade im Libanon aufhält, jetzt noch die kommerziellen Angebote, die es gibt, nutzt, um das Land zu verlassen.

Zusatzfrage

Haben Sie denn Erkenntnisse darüber, dass es vielleicht auch zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Libanon kommen kann und daraufhin die Sicherheit gefährdet ist?

Wagner (AA)

Ich möchte darüber nicht spekulieren. Aber wir sagen schon seit Beginn dieser Krise, dass der Terrorangriff der Hamas auf Israel das Potenzial dazu hat, auch regional zu destabilisieren, dass es Gruppen gibt ‑ Sie haben die Hisbollah angesprochen ‑, die vielleicht durchaus an einer Eskalation interessiert sind. Ich habe gesagt, es gibt Beschuss der Hisbollah aus Libanon heraus auf Israel. Insofern müssen wir die Lage eng beobachten und uns auf alle Eventualitäten vorbereiten.

Frage

Wenn ich recht informiert bin, gibt es im Libanon nach wie vor die Arbeit von Mitarbeitern von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit. Libanon ist ein Ort, in dem es auch viele palästinensische Flüchtlingslager, formelle und informelle, gibt. Ich glaube, es gibt auch Kooperationen oder Arbeiten im Zusammenhang von UN-Hilfsorganisationen. Können Sie uns einen Überblick darüber geben, wie das im Moment aussieht? Geht das weiter? Ist das behindert? Wird auch da an einen Abzug deutscher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedacht?

Koufen (BMZ)

Vielen Dank für die Frage. Die Antwort müsste ich Ihnen leider nachreichen.

Frage

Es geht um die deutschen Geiseln in Gaza. Gibt es Neuigkeiten, die wir erfahren können?

Es gab vorgestern Meldungen, wonach ein 66-jähriger Deutsch-Israeli gestorben sei. Eine Familienangehörige hat dies dem ZDF bestätigt. Die Umstände kennt man nicht. Haben Sie darüber weitere Informationen?

Wagner (AA)

Vielen Dank für die Frage. Ich kann leider über das hinaus, was ich hier gesagt habe ‑ ich denke, es war am Mittwoch ‑, nichts Weiteres oder Neues verkünden.

Zusatzfrage

Auch nicht über die Zahl der Geiseln?

Wagner (AA)

Nein.

Zusatz

Es soll um acht Fälle gehen.

Wagner (AA)

Ich habe ja gesagt, dass wir von einer einstelligen Zahl von Fällen ausgehen, wobei noch einmal zu präzisieren ist, dass Fall nicht gleich Person ist. Aber darüber hinaus kann ich nichts weiter ausführen. Sehen Sie es uns nach, dass das einfach eine sehr sensible Causa ist, in der wir mit Blick auf Persönlichkeitsschutzrechte, aber auch mit Blick auf unsere Bemühungen, die man nicht alle in der Öffentlichkeit ausbreiten kann, hierzu nicht weiter ausführen.

Zuruf

Können Sie etwas zu den Bemühungen sagen?

Wagner (AA)

Auch dazu verweise ich Sie auf meine Ausführungen von Mittwoch. Da war ich ja relativ explizit.

Frage

Ich beziehe mich jetzt auf einen Bericht der „New York Times“. Darin heißt es, dass die Geiseln in Gaza nicht Geiseln von exklusiv einer terroristischen Gruppe, nämlich der Hamas, seien, sondern von verschiedenen Gruppen. Ist das auch Ihr Stand? Das würde die Verhandlungen mit den Playern dort vielleicht komplizierter machen.

Wagner (AA)

Sehen Sie es mir nach, dass ich Ihnen dazu hier keine Erkenntnisse mitteilen kann.

Frage

Die Außenministerin ist in einem erkennbar intensivierten Modus dessen, was man Pendeldiplomatie nennt. Können Sie uns sagen, Herr Wagner, ob es da über die Tatsache hinaus, dass mit ganz vielen Akteuren an ganz vielen Orten gesprochen wird, eine erkennbare Strategie gibt? Gibt es Monitoring? Gibt es Kriterien dafür, wo Erfolge, die über Pressekonferenzen und Statements hinausgehen, tatsächlich zu registrieren sind? Im Moment sehen wir immer nur diese Bilder und hören diese Töne. Aber wie sieht eine inhaltliche Bewertung, Auswertung, Planung aus? Können Sie dazu etwas sagen?

Wagner (AA)

Es ist richtig, dass die Außenministerin gerade im Nahen Osten unterwegs ist. Sie ist gerade heute in Israel und wird dann in den Libanon weiterreisen. Sie hat auch entschieden, ihre Reise zu verlängern, und wird am Abend nach Kairo weiterreisen, wo Sie morgen an dem von Ägypten einberufenen und organisierten Gipfel teilnehmen wird.

Der Kanzler war in der Region, der Verteidigungsminister war in der Region. Es kommt jetzt darauf an ‑ das haben wir hier auch immer wieder gesagt ‑, alle Gesprächskanäle zu nutzen, um eine regionale Ausweitung und weitere Destabilisierung zu verhindern und sich gleichzeitig für unsere Geiseln in Gaza, aber beispielsweise auch den humanitären Zugang zu Gaza einzusetzen. Diese Themen thematisieren wir in diesen Gesprächen.

Zusatzfrage

Es gibt eine Kritik von Human Rights Watch ‑ ich glaube, sie ist von heute ‑, die sich in besonderer Weise um die Situation der palästinensischen Zivilbevölkerung bekümmert. Die Organisation wirf pauschal westlichen Regierungen vor, dass sie auf der einen Seite sehr scharf den Hamas-Terror verurteilen, aber zu zurückhaltend, zu zögerlich mit der Kritik an israelischen Aktionen seien, die zum Teil auch den Charakter kollektiver Vergeltung hätten.

Nehmen Sie so etwas zur Kenntnis? Überprüfen Sie die Positionierung der Bundesregierung, namentlich der Außenministerin? Wie reagieren Sie auf solche Vorwürfe, die es ja tatsächlich sind?

Wagner (AA)

Ich denke, die Position der Bundesregierung und auch die Position der Außenministerin dazu ist sehr klar. Ich verweise Sie noch einmal auf die Pressekonferenz, die sie gestern in Jordanien gegeben hat. Unsere Solidarität gilt weiterhin Israel im Kampf gegen den Terror der Hamas. Aber wir sehen natürlich auch das Leid der palästinensischen Bevölkerung. Die Hamas repräsentiert die Zivilbevölkerung nicht. Auch deswegen setzen wir uns dafür ein, dass es humanitären Zugang gibt. Wir haben unsere humanitäre Hilfe jetzt noch einmal aufgestockt. Insofern ist, denke ich, unsere Positionierung sehr deutlich und sehr klar.

Frage

Herr Müller, Herr Wagner hat ausgeführt, dass es präventiv Überlegungen gebe, deutsche Staatsangehörige aus dem Libanon zu evakuieren. Der Minister hat gesagt, dass das für die Militärkontingente nicht gelten würde. Bleibt es bei dieser Einschätzung, oder haben Sie auch präventiv Überlegungen, bei einer Verschärfung der Situation anders zu entscheiden?

Müller (BMVg)

Bundesminister Pistorius war gestern im Libanon bei der Truppe, beim Kontingent. Er wollte sich persönlich ein Bild vor Ort machen, wollte mit den Menschen, mit den Soldatinnen und Soldaten, sprechen und auch ein Gefühl dafür bekommen, was sie bewegt und wie die Situation vor Ort ist. Er hat gesagt, dass es aktuell kein Thema ist, den deutschen Kontingentanteil oder Einsatzanteil zu beenden, und dass es sowohl für die libanesischen Streitkräfte als auch für Israel aktuell ein falsches Zeichen wäre, jetzt die deutschen Truppen abzuziehen.

Das gilt weiterhin. Natürlich wird bei einer Lageveränderung eine enge Abstimmung mit der UN und mit unseren Partnern und dann eine weitere Bewertung stattfinden.

Frage

Wie sieht die militärische Hilfe Deutschlands für Israel konkret aus? Ich habe von Sanitätsausrüstung gehört. Können Sie dazu etwas sagen?

Müller (BMVg)

Der Minister hat sich gestern Abend auch zu diesem Thema geäußert. Er hat gesagt, dass militärische Unterstützung aktuell kein Thema sei. Das ist nicht neu. Wir haben diese Woche bereits hier vor Ort besprochen, dass bei den engen Abstimmungen zwischen Deutschland und Israel auch das Thema sanitätsdienstlicher Unterstützung Thema ist. Aber ich habe hierüber keine Details mitzuteilen.

Zusatzfrage

Gibt es darüber hinaus weitere Hilfen, militärische Hilfen?

Müller (BMVg)

Wie der Minister gesagt hat, ist weitere militärische Unterstützung aktuell kein Thema. Wir stehen aber im engen Austausch mit der israelischen Seite. Der Minister hat auch gesagt: Wir unterstützen, wenn der Bedarf aufkommt, und wir stehen an der Seite Israels.

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