Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 29.09.2023
Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft und informeller Europäischer Rat in Granada, Lage in Bergkarabach
Büchner (BReg)
[…]
Für Donnerstag und Freitag stehen folgende Termine an: Bundeskanzler Scholz wird am Donnerstag und Freitag, den 5. und 6. Oktober, nach Granada in Südspanien reisen.
Ab Donnerstagmittag wird er am Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) teilnehmen. Das ist das dritte Treffen der EPG. Auf Einladung des Ministerpräsidenten des Königreichs Spanien, Herrn Pedro Sánchez, und des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, werden die Staats- und Regierungschefinnen und ‑chefs der EU-Mitgliedstaaten sowie anderen europäischen Staaten außer Russland und Belarus zusammenkommen, um sich über Fragen von gesamteuropäischem Interesse auszutauschen. Die Führungsspitzen werden an die vergangenen Tagungen der EPG anknüpfen und erörtern, wie gemeinsam die Widerstandsfähigkeit und der Wohlstand in ganz Europa gefördert werden können.
Im Anschluss wird der Bundeskanzler am Freitag mit den EU-Staats- und Regierungschefinnen und ‑chefs zum informellen Europäischen Rat zusammenkommen. Der Präsident des Europäischen Rates hat noch keine Tagesordnung vorgelegt. Inhaltlich wird es aber voraussichtlich um erste Aussprachen über die Strategische Agenda 2024 bis 2029 sowie die Erweiterungsfähigkeit und die Reform der EU gehen. Schließlich werden sich die Staats- und Regierungschefs auch zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Migrationsfragen austauschen.
Frage
Herr Büchner, ich möchte zum einen gerne zur Europäischen Politischen Gemeinschaft fragen, nämlich wie die Bundesregierung diese weitere Runde auf europäischer Ebene bewertet. Sie wird ja von manchen Kritikern als eine Art Wartehalle oder Vorraum zur Europäischen Union angegriffen. Wie bewerten Sie die Effizienz und die Möglichkeiten dieser Runde, die ja einen inoffiziellen Charakter hat?
Das Zweite ist: Bei dem Treffen des informellen Europäischen Rates am Freitag geht es auch um die EU-Erweiterung. Der Bundeskanzler hat zuletzt immer wieder betont, dass dafür insbesondere die Mehrheitsentscheidungen bei mehreren Themen in der EU durchgesetzt werden müssen. Vielleicht könnten Sie dazu noch etwas näher sagen, mit welcher Agenda er dorthin fährt.
Büchner (BReg)
Zur EPG kann man sagen, dass wir sie für ein gutes und nützliches Forum halten. Ich habe ja ausgeführt, was dort erörtert werden soll, nämlich Widerstandsfähigkeit und Wohlstand in ganz Europa zu fördern. Das in diesem großen Kreis zu tun, ist auch im Hinblick auf die Stärkung des Multilateralismus, um die wir uns bemühen, sicherlich ein sinnvoller Ansatz. Ich weiß nicht, ob das AA hierzu noch ergänzen will.
Fischer (AA)
Ich kann gerne ergänzen. - Auch aus unserer Sicht ist die EPG ein gutes Gesprächsforum, in dem die Staats- und Regierungschefs zusammenkommen und sich über die drängenden Fragen austauschen können. Aber klar ist: Das ist keine Doppelstruktur zur EU und auch keine Alternative zur Erweiterung. Im Gegenteil: Wir setzen uns ja mit ganzer Kraft für die Erweiterung der Europäischen Union zum Beispiel um die Länder des westlichen Balkans ein. Insofern besteht dort nicht die von Ihnen beschriebene Gefahr.
Büchner (BReg)
Die andere Frage bezog sich auf Mehrheitsentscheidungen.
Zusatz
Auf den Europäischen Rat und die Frage der Agenda, insbesondere EU-Reform.
Büchner (BReg)
Da haben Sie ja den Bundeskanzler zitiert. Ich möchte jetzt nicht irgendwelchen Gesprächen vorgreifen, die in Spanien geführt werden. Damit macht man Gespräche auch nicht einfacher.
Zusatzfrage
Sie haben jetzt die Effizienz dieses Gremiums, der Gemeinschaft beschrieben. Andererseits ist das alles andere als eine Wertegemeinschaft. Da kommt ja eine sehr heterogene Staatengemeinschaft zusammen. Wie effizient können Gespräche vor diesem Hintergrund sein?
Büchner (BReg)
Ich glaube, es ist richtig und wichtig, dass wir ein gutes Verhältnis und gute Gesprächsforen auch mit Ländern haben, die vielleicht nicht exakt so verfasst sind wie die Bundesrepublik Deutschland. Das war in der Vergangenheit wichtig und ist auch in der Zukunft wichtig, vielleicht noch wichtiger.
Frage
Herr Fischer, ich würde gern in dieselbe Richtung fragen, aber mit einem anderen Aspekt. Es gibt Themen wie die Migration, die eigentlich in einem Rahmen geregelt werden müssten, der über die EU hinausgeht. Deswegen hätte ich gerne gewusst, ob es Überlegungen gibt, dass man solche Fragen auch stärker in der EPG diskutiert, und ob man dann vielleicht auch dort Verabredungen findet.
Fischer (AA)
Wie Sie wissen, ist die EPG ein informeller Zusammenschluss auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Daher wird es dort sicher keine Beschlüsse geben, sondern einen Austausch, was natürlich nicht ausschließt, dass er dann im Weiteren auch zu gemeinsamen Ansätzen führt.
Was die Tagesordnung dieses EPG-Treffens angeht, müssten Sie Herrn Büchner fragen.
Zusatzfrage
Ich hätte ganz gerne gewusst, ob Sie sich wünschen ‑ diese Frage kann auch an Herrn Büchner gehen ‑, dass die EPG vielleicht doch einen etwas formelleren Charakter erhält, um zum Beispiel über solche Fragen wie die Migration zu reden, ohne jetzt in Konkurrenz zur EU zu treten. Aber das sind ja Fragen, die über die EU hinausgehen.
Büchner (BReg)
Ich kann nicht viel mehr sagen als das, was ich jetzt gesagt habe. Wir halten es in dieser Form für ein gutes und nützliches Forum. Ich glaube, es gibt momentan keine Überlegungen, an der Struktur etwas zu ändern.
Fischer (AA)
Das kann ich nur unterstreichen. Die EPG ist ein informelles Forum. Daraus, wenn man so will, zieht sie auch ihre Stärke. Für die Fragen der Migration gibt es bereits etablierte Foren, die die EU mit den Anrainerstaaten der EU aufgemacht hat und in denen regelmäßige Dialoge geführt werden und man sich bemüht, gemeinsam zu Verbesserungen zu kommen.
Büchner (BReg)
Ich möchte noch kurz auf Sie zurückkommen, was Mehrheitsentscheidungen angeht. Wie gesagt: Verhandlungen oder Gesprächen in dieser Hinsicht möchte ich auf keinen Fall vorgreifen. Aber ich wiederhole gern die Haltung des Bundeskanzlers. Er hat mehrfach darauf hingewiesen, dass Europa gerade mit Blick auf Erweiterungen nach außen und innen handlungsfähiger werden muss, auch durch effizientere Entscheidungsmechanismen. Er hat das zuletzt bei seiner Rede am 9. Mai vor dem Europäischen Parlament deutlich gemacht. Ich zitiere:
„Eine erweiterte Europäische Union muss eine reformierte EU sein.“
Bundeskanzler Scholz hat sich dabei insbesondere für Mehrheitsentscheidungen in Bereichen ausgesprochen, in denen heute noch Einstimmigkeit im Rat gilt. Ich zitiere:
„… mehr Ratsentscheidungen mit qualifizierter Mehrheit in der Außenpolitik und bei Steuern. Dafür werde ich weiter Überzeugungsarbeit leisten …
Nicht die Einstimmigkeit, nicht 100 Prozent Zustimmung zu allen Entscheidungen schafft größtmögliche demokratische Legitimität. Im Gegenteil! Es ist doch gerade das Werben und Ringen um Mehrheiten und Allianzen, das uns als Demokratinnen und Demokraten auszeichnet …“
Das vielleicht noch als Einordnung. Wie gesagt: Das soll nicht irgendwelchen Gesprächen vorgreifen.
Frage
Werden Armenien und Aserbaidschan wieder teilnehmende Staaten sein?
Büchner (BReg)
Darüber ist mir nichts bekannt. Das ist möglich.
Zusatzfrage
Das waren sie nach bisherigem Stand. Darum würde mich interessieren, ob man versucht, Herr Fischer, die beiden Vertreter ‑ ich weiß jetzt nicht, ob Alijew oder der armenische Regierungschef dort sein wird ‑ zusammenzubringen, um die Aggression zu beenden.
Fischer (AA)
Vielleicht ein historischer Rückblick, soweit er bei der EPG möglich ist: Bis jetzt haben Armenien und Aserbaidschan immer an den EPG-Treffen teilgenommen. Ich würde jetzt auch nicht sehen, warum das bei dem Treffen in Granada nicht der Fall sein sollte.
Sie wissen ja, dass es zumindest beim letzten EPG-Treffen ein Gespräch zwischen dem Bundeskanzler, dem französischen Präsidenten und den beiden Staats- und Regierungschefs aus Armenien und Aserbaidschan unter der Ägide von EU-Ratspräsident Charles Michel gegeben hat. Wir haben am Mittwoch darüber gesprochen, dass es hierzu ein vorbereitendes Treffen in Brüssel auf Ebene der Politischen Direktoren gegeben hat mit dem Ziel, solch ein Treffen wieder am Rande der EPG zu veranstalten.
Zusatzfrage
Was ist am Mittwoch dabei herausgekommen?
Fischer (AA)
Es hat Gespräche über Fragen eines Friedensvertrags, der Konnektivität und der Grenzverläufe gegeben. Dies diente der Vorbereitung des Gesprächs der Staats- und Regierungschefs in Granada.
Zusatzfrage
Ist jetzt davon auszugehen, dass man die beiden Staaten in Granada zusammenbringt? Ist das das Ziel Ihrer Regierung?
Fischer (AA)
Warten wir ab, was in Granada passiert. Das ist ein Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Ich habe es immer so verstanden, dass es das Ziel des von Charles Michel vermittelten Prozesses ist, in Granada ein Treffen zu veranstalten. Sie sehen daran, dass auch der politische Berater des Bundeskanzlers an dem Treffen in Brüssel teilgenommen hat, dass wir dieses Ziel vollumfänglich teilen.
[…]
Frage
Ich habe noch einmal eine Frage an Herrn Fischer zum Thema Aserbaidschan/Armenien, aber nicht im EPG-Kontext, sondern, was diese Krise angeht. Zunächst hätte ich gerne gewusst, ob Sie Zahlen darüber haben, wie viele Menschen eigentlich die Region Bergkarabach mittlerweile verlassen haben. Es kursiert, dass das mittlerweile schon drei Viertel der Menschen sein sollen, die dort gelebt haben.
Fischer (AA)
Lassen Sie mich trotzdem vorher noch einmal kurz auf die Fragen Ihres Kollegen eingehen. Ich habe noch einmal geschaut. Es gibt ein „readout“ zu dem Treffen der Politischen Direktoren in Brüssel, das ich vorhin erwähnt habe. Darin wird von einem möglichen Treffen am Rande der EPG-Treffens gesprochen, wenn ich das auf Deutsch übersetze, und davon, dass die Teilnehmer Kenntnis von dem gemeinsamen Interesse Aserbaidschans und Armeniens genommen haben, von der Möglichkeit dieses Treffens Gebrauch zu machen. Das vielleicht abschließend dazu.
Jetzt zu Ihrer Frage: Ich hatte ja Mittwoch schon einmal dargestellt, dass wir bislang keinen eigenen Zugang zu Bergkarabach haben. Das heißt, wir haben keinen vollständigen Überblick über die dortige Lage. Es kursieren auch unterschiedliche Zahlen darüber, wie viele Menschen tatsächlich in den letzten Monaten noch in Bergkarabach gelebt haben. Die Zahlen von armenischer Seite, die wir heute noch einmal erhalten haben, sagen, dass mittlerweile fast 75 000 Menschen aus Bergkarabach nach Armenien geflüchtet sind.
Zusatzfrage
Sie haben vorhin mit Blick auf diese Gespräche der Politischen Direktoren erwähnt, dass auch über den Grenzverlauf geredet worden ist. Nun gibt es aus der SPD schon Forderungen danach, dass die EU Sanktionen gegen Aserbaidschan beschließen solle, wenn sich dieser Konflikt jetzt auch auf armenisches Staatsgebiet ausweite. Haben Sie Hinweise darauf, dass die Aserbaidschaner auch Teile des armenischen Staatsgebietes angreifen könnten oder aneignen könnten?
Fischer (AA)
Es ist so, dass der Grenzverlauf in einigen Teilen zwischen den beiden Staaten umstritten ist. Vor diesem Hintergrund hat ja auch die Europäische Union eine Beobachtermission an die Grenze geschickt, um das zu beobachten. Natürlich ist es auch so, dass wir im EU-Kreis laufend über angemessene Reaktionen beraten. Da gibt es zum einen den Verhandlungstrack, über den wir hier vorhin schon gesprochen haben. Aber natürlich gibt es auch die entsprechenden Beratungen im Kreis der 27 in Brüssel. Dort gehören auch Sanktionen zu den Themen, über die beraten wird. Es hängt jetzt natürlich vor allen Dingen davon ab, dass Aserbaidschan zum einen seiner Verantwortung für die noch in Bergkarabach lebende Zivilbevölkerung nachkommt und diese zuverlässig und umfassend schützt, und natürlich auch davon, dass die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität Armeniens gewahrt bleiben.
Frage
Sie hatten vor ein paar Tagen auch die russischen Truppen vor Ort in die Verantwortung gezogen. Was ist aus Ihrer Sicht daraus geworden?
Fischer (AA)
Das gilt weiter fort. Selbstverständlich sind sie weiterhin in der Verantwortung. Aber wir sehen ja, dass die Fluchtbewegung dadurch nicht aufgehalten wurde. Ich habe hier am Mittwoch die Forderung der Außenministerin wiederholt, dass wir Transparenz über die Dinge brauchen, die in Bergkarabach passieren, und dass wir Augen und Ohren internationaler Beobachterinnen und Beobachter vor Ort brauchen. In dieser Hinsicht gibt es erste positive Geräusche. Wir sollten den weiteren Verlauf des Tages abwarten, aber es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass wir in dieser Hinsicht im Laufe des Tages noch neue Nachrichten zu verkünden haben.
Zusatzfrage
Können Sie uns sagen, in welche Richtung das gehen soll?
Fischer (AA)
Es geht darum, mit Beobachterinnen und Beobachtern in der Region aktiv zu sein.
Zusatzfrage
Gibt es eine Reaktion darauf, dass die armenische Seite die Auflösung der Republik Arzach zum Januar 2024 beschlossen hat? Das soll eine Kapitulationsbedingung der Aserbaidschaner gewesen sein.
Fischer (AA)
Diese sogenannte Republik war von niemandem außer Armenien anerkannt. Insofern ist es ein Gebilde gewesen, das wir nicht anerkannt haben. Wichtig ist, dass die Rechte der Menschen, der Karabacharmenier und ‑armenierinnen, die in Bergkarabach wohnen, gewahrt bleiben. Wir sehen jetzt eine große Fluchtbewegung. Das ist das eine. Wir hoffen aber, dass in Zukunft Bedingungen herrschen, unter denen die Karabacharmenierinnen und ‑armenier weiter- bzw. wieder leben können.
Zusatzfrage
Ist die Ministerin für Sanktionen gegen Aserbaidschan? Ihr Parteikollege und der Leiter des Europaausschusses, Hofreiter, fordert jetzt schon ein Gasembargo gegen den Aggressor.
Fischer (AA)
Ich hatte mich zu der Sanktionsfrage schon geäußert. Im Zusammenhang damit, dass Aserbaidschan militärisch interveniert hat, um Bergkarabach wieder unter Kontrolle zu bringen, gab es Beratungen auf EU-Ebene, bei denen auch das Thema der Sanktionen eine Rolle gespielt hat. Wir wären damals dazu bereit gewesen. Aber dafür gab es keine Einstimmigkeit im EU-Kreis. Sie haben gesehen, dass es damals auf EU-Ebene nicht einmal gelungen ist, eine gemeinsame Erklärung zu verabschieden ‑ das heißt, der Hohe Vertreter musste sich in seinem Namen äußern ‑, weil sich ein Mitgliedsstaat dem entgegengestellt hat.
Zusatzfrage
Verstehe ich es richtig, dass Sie für die Sanktion eines Gasembargos gewesen wären, dass es dafür aber keine Mehrheit gegeben hat?
Fischer (AA)
Sie haben allgemein nach Sanktionen gefragt. Als ‑ ‑
Zusatz
Nein, zum Gasembargo!
Fischer (AA)
Lassen Sie mich doch ausreden! Als die Frage des Umgangs mit der aserischen Militärintervention in Bergkarabach auf EU-Ebene eine Rolle spielte, stand auch die Frage von Sanktionen im Raum, erst einmal unspezifiziert. Aber es zeigte sich sehr schnell, dass es dafür im EU-Kreis keine Einstimmigkeit gibt.
Auseinandersetzungen zwischen kosovarischen Sicherheitskräften und serbischen Paramilitärs in Kosovo
Frage
Herr Fischer, im Norden Kosovos kam es in den letzten Tagen zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen kosovarischen Sicherheitskräften und serbischen Paramilitärs. Der kosovarische Ministerpräsident hat nun Sanktionen gegen Serbien gefordert. Wie steht die Bundesregierung dazu?
Fischer (AA)
Die Außenministerin hat sich zu den tödlichen Attacken dieser Terrorgruppe geäußert. Für uns ist klar, dass sich jeder, aber natürlich insbesondere auch Präsident Vučić, seiner Rolle für den Frieden in der Region bewusst sein und dass jetzt alles für eine Deeskalation getan werden muss. Dass es beispielsweise einen Trauertag gab, der aus serbischer Sicht die Täter ehren soll, trägt gewiss nicht dazu bei. Deshalb rufen wir auch Serbien unzweideutig dazu auf, zum Gewaltverzicht aufzurufen. Das hat die Außenministerin bereits vor ein paar Tagen per Twitter getan.
Zusatzfrage
Und die Frage Sanktionen?
Fischer (AA)
Momentan ist noch relativ viel unklar, was den Tathergang und die Hintergründe angeht. Wichtig ist jetzt erst einmal, dass vollständig aufgeklärt wird, woher die Waffen kamen ‑ es sind ja sehr umfangreichen Waffenfunde gemacht worden ‑, ob es sich zum Beispiel um welche aus Schmuggel aus Serbien handelte und welchen Zweck diese Waffen gehabt haben.
Es ist schon klar, dass das ein sehr ernster Vorgang ist. Es fahren ja nicht überall Bewaffnete mit gepanzerten Fahrzeugen und einem riesigen Waffendepot herum. Sie wissen auch, dass es durchaus Verwicklungen serbischer Kreise in Strukturen der organisierten Kriminalität in Nordkosovo gibt.
Wichtig ist jetzt vor allem, dass es zu einer Deeskalation kommt. Die Aufklärung der Vorgänge trägt sicherlich dazu bei. Gleichzeitig haben wir es als irritierend empfunden, wenn der serbische Präsident terroristische Täter zu Opfern stilisiert. Die Täter müssen als Täter benannt und die Schuldigen verfolgt und bestraft werden. Wir haben Serbien in diesem Zusammenhang deutlich zur Mitarbeit bei den Ermittlungen aufgerufen.
Migration
Frage
An das AA und vielleicht an das BMI zum Thema Migration: Wir hatten in dieser Woche einen Reporter in der Slowakei, der dort festgestellt hat, dass viele Menschen gerade aus Syrien quasi einfach nach Deutschland weiter gewunken werden. Die werden dort von Schleusern abgeholt und nichts wird unternommen. Ist Ihren Ministerien das Problem bewusst? Ist man dazu im Austausch mit der Regierung in der Slowakei?
Fischer (AA)
Wir sind natürlich immer mit unseren Partnerinnen und Partnern in der EU zum Thema Migration im Austausch. Das betrifft sicherlich auch die slowakische Regierung. Gestern hat, wie Sie wissen, der Innenrat in Brüssel stattgefunden, an dem die deutsche Innenministerin teilgenommen hat. Was die Fachfragen des Austausches betrifft, würde der Kollege Kall sich wahrscheinlich berufener fühlen, sich dazu zu äußern.
Kall (BMI)
Was die Bekämpfung der Schleusungskriminalität betrifft, die wir an der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Grenze ja verstärkt wahrnehmen, kann ich insgesamt sagen, welches Bündel von Maßnahmen wir dazu inzwischen getroffen haben. Vielleicht haben Sie auch unsere Pressemitteilung gesehen, die um 11.30 Uhr zu den weiteren Vereinbarungen mit Polen und Tschechien herausgegangen ist. Darin heißt es, dass wir jetzt gemeinsame Kontrollen mit gemeinsamen Polizeistreifen auf polnischem und auch auf tschechischem Staatsgebiet vornehmen. Mit Tschechien ist das schon Anfang der Woche vereinbart worden, und mit Polen gestern in einem Gespräch, sodass jetzt auf polnischer und tschechischer Seite auch mit Kräften der Bundespolizei und der dortigen Grenzpolizeien kontrolliert wird, um Schleuserbanden zu erkennen und aufzugreifen und irreguläre Migration so auch zu begrenzen.
Zusätzlich gibt es ‑ das hat die Bundesinnenministerin am Mittwoch gesagt, und das findet mit starken Kräften der Bundespolizei, unterstützt vom Zoll, auch schon statt ‑ Schwerpunktkontrollen entlang der Schleuserrouten, und zusätzlich haben wir schon seit Monaten die Schleierfahndung stark hochgefahren, um im gesamten Grenzgebiet präsent zu sein. All diese Maßnahmen treffen wir ja aufgrund der hohen Zahl unerlaubter Einreisen, und ein Großteil dieser unerlaubten Einreisen, die eben durch Schleusungskriminalität erfolgen.
Insofern kann ich Ihre Frage wie folgt beantworten: Ja, wir haben das im Blick. Jeder in der Europäischen Union muss auch seinen Verpflichtungen nachkommen und muss kontrollieren, registrieren und die Grenzen auch überwachen. Wir haben unsere grenzpolizeilichen Maßnahmen in Absprache mit Polen und Tschechien wirklich stark hochgefahren.
Frage
Herr Kall, Sie haben gerade ausführlich dargelegt, wie Sie das machen wollen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter sagt, dafür sei eigentlich gar nicht das nötige Personal vorhanden. Wie lange können Sie diese Maßnahmen also durchführen, und woher kommen eigentlich all die Polizisten, die dort jetzt eingesetzt werden?
Kall (BMI)
Die kommen unter anderem daher, dass wir die Bundespolizei in den letzten Jahren mit jeweils 1000 Stellen pro Jahr verstärkt haben und auch im aktuellen Haushalt weitere 1000 Stellen für die Bundespolizei vorsehen. Trotz des Konsolidierungskurses, trotz des Sparkurses dieser Bundesregierung, wird an dieser Stelle also gerade nicht gespart; vielmehr stärken wir die Bundespolizei ganz massiv. Wenn Sie sich anschauen, wie groß die Kräftestärke der Bundespolizei vor ein paar Jahren war und wie sie jetzt ist, dann sehen Sie, dass sie ganz deutlich gestärkt worden ist. Das ermöglicht es eben auch, zusätzlich zu der Schleierfahndung, bei der wir ja schon in den letzten Monaten weitere Hundertschaften eingesetzt haben, jetzt auch weitere starke Kräfte an der deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen Grenze für diese mobile Kontrollen, die Schwerpunktkontrollen, von denen ich gesprochen habe, und auch für die gemeinsamen Maßnahmen mit Polen und Tschechien einzusetzen.
Zusatzfrage
Die Ministerin hat in dieser Woche mehrfach auf die Bedeutung der Bekämpfung der Schleuser hingewiesen. Wie viele Schleuser muss man denn festnehmen, damit das Problem geringer wird? Gehen die irgendwann aus?
Kall (BMI)
Es geht darum, die Wege abzuschneiden, die Routen zu schließen, das Geschäft der Schleuser zu zerschlagen, indem man die Ermittlungen zusammenführt und die Verbindungen zwischen Schleuserbanden erkennt. Deswegen bilden wir zusammen mit Tschechien und Polen auch eine Taskforce unter dem Dach von Europol und bündeln all diese Ermittlungen, um so eben dieses Geschäft der Schleuser zu zerschlagen. Das wird auch Effekte haben.
Frage
In der Berichterstattung wird ja immer deutlich, dass es sich bei diesen sogenannten Schleuserbanden um organisierte Kriminalität in Ungarn, in der Slowakei und in anderen Ländern handelt. Die machen dann quasi das, was ohnehin im Interesse ihrer Regierungen liegt, nämlich die Leute weiter zu schicken. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Regierungen etwas gegen diese organisierte Kriminalität tun, wenn das ja in deren Interesse ist?
Zweitens: Welche Rolle spielt Rassismus bei diesem Thema? Gerade syrische Geflüchtete sind ja Muslime. Die Slowakei, Ungarn und auch Polen sind ja in der Vergangenheit dadurch aufgefallen, dass sie keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen wollen.
Kall (BMI)
Das Letztere will ich von hier aus nicht bewerten, weil wir sozusagen nicht von dieser Bank aus das Handeln anderer Staaten bewerten. Das machen Menschenrechtsorganisationen, das machen internationale Beobachter, und die können das auch unabhängig tun. Ich habe ja gesagt, welche Maßnahmen wir treffen, gerade auch zusammen mit unseren Nachbarländern ‑ mit Polen und Tschechien sowie auch mit anderen, etwa mit Österreich und der Schweiz. Die Bundesinnenministerin hat immer auch ganz klar gesagt, was die nachhaltigen Lösungen sind: einerseits Schleuser zu bekämpfen und irreguläre Migration zu begrenzen, andererseits unsere Kommunen zu entlasten. Das sind die europäischen Lösungen, über die die Ministerin gestern auch in Brüssel weiter sehr intensiv verhandelt ‑ sozusagen mit dem letzten Puzzlestück, das zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem noch fehlte, nämlich der Krisenverordnung als letztem Baustein des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Das wird ja insgesamt dazu führen, dass an den Außengrenzen jeder kontrolliert, jeder überprüft, jeder registriert werden muss und damit schon von den Außengrenzen aus gesehen dieses Durchwinken nicht mehr erfolgen kann.
Zusatzfrage
Aber das von mir genannte Problem, dass die organisierte Kriminalität in Form der Schleuser in diesen Ländern im Interesse der Regierung handelt, damit die Länder diese Geflüchteten nicht aufnehmen müssen, sehen Sie nicht?
Herr Fischer, sehen Sie antimuslimischen Rassismus bei dieser Politik der Länder?
Kall (BMI)
Sie haben es ja gesagt: Die Schleuser machen sich sozusagen das Durchwinken, also die Tatsache, dass Geflüchtete bzw. Migranten nicht registriert sind, zunutze, und ich habe ja gesagt, was aus Sicht der Bundesregierung die Lösungen für dieses Problem sind. Deswegen setzen wir uns ja so stark für das gemeinsame Asylsystem ein.
Fischer (AA)
Wir gehen davon aus, dass alle EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage der EU-Verträge agieren und weder rassistische noch sonst wie diskriminierende Politik verfolgen. Das ist das, was das gemeinsame Verständnis innerhalb der EU ist, das ist das, was wir von unseren Partnerinnen und Partnern in der EU auch erwarten, und das ist das, was die Kommission als Hüterin der Verträge auch einfordert.
Frage
Die zusätzlichen Kontrollen finden zugegebenermaßen erst seit wenigen Tagen statt. Herr Kall, können Sie trotzdem schon einmal sagen: Was bringt das jetzt? Gibt es nach diesen wenigen Tagen schon Hinweise darauf, dass das sinnvoll ist? Haben Sie bereits Schleuser festnehmen können?
Kall (BMI)
Die Bundespolizei nimmt so gut wie jeden Tag Schleuser fest und hat ‑ ich glaube, das war auch am Mittwoch oder am Dienstag ‑ sozusagen einen ganzen Schleuserring nach sehr großangelegten Ermittlungen aufgedeckt und da fünf syrische Schleuser festgenommen. Das können sie den aktuellen Mitteilungen der Bundespolizei entnehmen. Daraus geht auch schon hervor, wo jetzt überall Maßnahmen intensiviert worden sind.
Es ist wirklich noch ein bisschen zu früh, um schon Zahlen zu nennen. Wir haben die Maßnahmen in dieser Woche ja wirklich noch einmal deutlich verstärkt.