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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 07.06.2023
Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine
FRAGE: Vor dem Hintergrund, dass der Bundeskanzler gestern in Bezug auf die Zerstörung des Staudamms in der Ukraine von einer „neuen Dimension“ gesprochen hat, richtet sich meine Frage mutmaßlich an das Verteidigungsministerium, natürlich auch an das Auswärtige Amt, aber auch an die Regierung als Ganzes: Was folgt denn daraus jetzt für Ihre Arbeit? Gibt es einen Aktionsplan? Gibt es eine Änderung im Vorgehen der Unterstützung für die Ukraine? Was hat diese „neue Dimension“, die der Kanzler beschrieben hat, für Konsequenzen?
HEBESTREIT (BReg): Ich glaube, die Beschreibung des Bundeskanzlers hat sich auf den Fall an sich bezogen, auf die Zerstörung des Staudamms und die Umweltfragen, die sich daraus ergeben, und natürlich auch, was den Schutz von Leib und Leben angeht. Das ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Staudämme, aber auch Atomkraftwerke und Ähnliches sind besonders geschützt. Ihre Zerstörung ist dort extra eigens als ein Delikt aufgeführt.
Unabhängig davon ist es natürlich so, dass wir in unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen. Ich könnte Ihnen jetzt noch einmal alles aufführen, was wir tun. Dabei bleibt es auch. Das hat der Bundeskanzler, das haben verschiedene Regierungsvertreter in den letzten 24 Stunden noch einmal deutlich gemacht. Bezogen auf Ihre Frage, was sich durch diesen Vorfall konkret ändert, gibt es aber nichts Konkretes. Wir haben das Angebot gemacht – das hat die Bundesinnenministerin gestern schon angekündigt ‑, dass das Technische Hilfswerk dort Hilfsleistungen liefern kann.
SASSE (AA): Ich kann gerne zur konkreten Unterstützung ergänzen, und das BMI kann vielleicht ein bisschen erläutern, was das THW angeht.
Es ist natürlich uns allen klar, dass es eine Katastrophe großen Ausmaßes ist. Man sieht die Bilder von den Überschwemmungen und sieht die akuten Folgen. Aber es gibt natürlich auch sehr tiefgreifende langfristige Folgen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, zum Beispiel Fragen der Bewässerung in der südlichen Ukraine. Dabei geht es ganz konkret auch um Fragen, dass Minen weggeschwemmt werden und möglicherweise eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen. Zu all diesen Fragen sind wir natürlich im engen Austausch mit der Ukraine, aber ebenso mit unseren internationalen Partnern.
Was die konkrete Unterstützung, die Sofortunterstützung, die wir leisten, angeht, haben wir uns ein Bild über den unmittelbaren drängenden Bedarf verschafft. Es ist so, dass die Ukraine selber den EU-Katastrophenschutzmechanismus ausgelöst und einen gewissen Bedarf in diesem Verfahren angemeldet hat. Auf dieser Grundlage leisten wir jetzt Unterstützung. Ich kann hier eine kleine Momentaufnahme liefern, was mit Mitteln des Auswärtigen Amtes auf den Weg gebracht wird. Das BMI kann, wie gesagt, sicher ergänzen. Es geht um Generatoren. Es geht um Drip Filter, die Wasserfilterung für Einzelhaushalte ermöglichen. Es geht um Hilfsgüter zur Notunterbringung geflohener Menschen, zum Beispiel durch Zelte, und es geht natürlich auch um ganz konkrete Projekte der humanitären Hilfe.
KALL (BMI): Da kann ich nur noch wenig ergänzen. Die Bundesinnenministerin hat sich gestern Abend dazu geäußert, was wir mit dem THW leisten können, um die Ukraine in dieser furchtbaren, zusätzlichen Katastrophe inmitten des russischen Angriffskriegs zu unterstützen. Vor allem wollen wir dabei helfen, evakuierte Menschen versorgen zu können, die ihr Haus, ihr Obdach verloren haben. Das THW hat deswegen gestern unmittelbar begonnen, die deutschen Hilfslieferungen vorzubereiten und auf den Weg zu bringen, damit diese sehr schnell in die Katastrophenregion kommen. Das Erste, was das THW aus den eigenen Beständen liefert, sind 5000 Wasserfilter, die jeweils die Versorgung einer Familie mit sauberem Wasser sicherstellen, was in solchen Katastrophengebieten sehr, sehr wichtig ist. Das ist sicherlich der Anfang.
Koordiniert wird das Ganze über das EU-Katastrophenschutzverfahren, sodass wir mit allen anderen EU-Staaten gemeinsam unsere Hilfe koordinieren, damit jeder sozusagen das Bestmögliche schnellstmöglich beitragen kann, was er leisten kann. Dabei geht es natürlich auch um Generatoren, Pumpen und vieles Weitere und auch darum, dass das so schnell wie irgend möglich in der Ukraine ankommt. Insgesamt kann ich sagen ‑ das haben wir mehrfach gesagt ‑, dass die humanitäre Hilfe für die Ukraine mit hunderten Hilfstransporten, die schon in die Ukraine gegangen sind, und mit Hilfsgütern im Wert von bisher mehr als 100 Millionen Euro, die wir zur Verfügung gestellt haben, der größte Logistikeinsatz in der Geschichte des Technischen Hilfswerks ist.
FRAGE: Herr Kall, können Sie denn beziffern, wie hoch das Hilfsvolumen in diesem konkreten Fall sein wird oder welches Finanzvolumen sich für den Einsatz abzeichnet?
Kann und wird das Technische Hilfswerk in einem Kriegsland überhaupt selbst aktiv werden oder wird das praktisch ausgegliedert?
KALL: Zum finanziellen Volumen: Was insgesamt durch das THW beschafft und geliefert wurde ‑ das habe ich gerade gesagt ‑, hat einen Warenwert von über 100 Millionen Euro, zum allergrößten Teil vom Auswärtigen Amt finanziert, soweit ich weiß. Vielleicht kann Frau Sasse zu den aktuellen Hilfslieferungen schon etwas sagen.
Wir stehen da natürlich am Anfang. Ich habe gesagt: 5000 Wasserfilter für jeweils eine Familie sind das Erste, was jetzt wegen dieser konkreten Katastrophe aufgrund des zerstörten Staudamms erfolgt ist. Ich kann darüber hinaus noch keine Zahlen nennen. Meines Wissens waren immer wieder Logistiker des THW vor Ort mit im Einsatz, um in Logistik-Hubs zu koordinieren. Aber ein Großteil der Transporte erfolgt über Speditionen.
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ZUSATZFRAGE: Frau Sasse, können Sie noch etwas zum Finanzvolumen sagen?
SASSE: Herr Kall hat ja gesagt, dass wir am Anfang stehen, was die Unterstützung in dieser zusätzlichen Katastrophe für die Ukraine angeht. Ich kann Ihnen sagen, dass es heute im Laufe des Tages noch einmal ein Treffen geben wird, im Rahmen dessen sich unsere Kolleginnen und Kollegen im Auswärtigen Amt mit den Nichtregierungsorganisationen zusammensetzen werden, die bereits in der Ukraine aktiv sind ‑ das sind ja doch einige, auch das hat Herr Kall deutlich gemacht; wir leisten ja durchgehend humanitäre Hilfe. Ich würde vorschlagen, dass wir dieses Treffen abwarten und ich dann am Freitag gerne noch einmal ein Update zu den Zahlen gebe.
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Europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik
ZUSATZFRAGE: Frau Sasse, eines dieser Themen wird ja das Thema Migration und Flüchtlinge sein. Gerade hat sich auch noch einmal die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye mit dem dringenden Appell an Frau Baerbock gewendet, dabei zu unterstützen, dass die Festsetzung von Schiffen aufgehoben wird. Bewegt sich da etwas, und wie schwierig ist die Zusammenarbeit mit Italien gerade auf dem Gebiet der Migrationspolitik?
SASSE (AA): Ich würde einmal mit dem Thema Seenotrettung anfangen, weil Sie die beiden Schiffe angesprochen haben. Sie kennen unsere grundsätzlichen Positionen, was die Frage der Seenotrettung angeht; die haben wir an dieser Stelle ja schon sehr häufig dargestellt. Ich kann Ihnen auch noch einmal sagen, dass wir natürlich auch zu diesen beiden Schiffen in Kontakt mit der italienischen Seite und auch mit den Organisationen hinter diesen Schiffen stehen und uns da um eine Klärung bemühen.
Was Ihre Frage nach der europäischen Migrations- und Asylpolitik insgesamt angeht, so wissen Sie ja, dass auf Brüsseler Ebene im Vorfeld des JI-Rates, zu dem Herr Kall sicherlich noch mehr Auskunft geben kann, sehr intensive Gespräche laufen, um da zu einer Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems zu kommen. Da diese Gespräche insbesondere heute noch sehr intensiv laufen, würde ich Sie auf diese Gespräche verweisen wollen und dazu nicht weiter im Detail Stellung nehmen ‑ es sei denn, Herr Kall möchte das.
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FRAGE: Ich habe noch zwei Fragen zu Italien.
Erstens zu den Schiffen der NGOs: Was hat das AA jetzt genau vor? Wird das Auswärtige Amt zwischen italienischen Behörden und NGOs vermitteln?
Zweitens: Gibt es inzwischen eine Einigung zwischen Italien und Deutschland über das Asylverfahren an den Außengrenzen?
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SASSE: Zu den Schiffen vielleicht noch einmal grundsätzlich: Wir verfolgen das Geschehen im Mittelmeer sehr intensiv. Das gilt auch für den Einsatz der privaten Seenotretter, und wir sind sowohl mit diesen Organisationen als auch mit den italienischen Behörden zu den aktuellen Entwicklungen in Kontakt. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Schiffe schnell wieder ihre lebensrettende Aufgabe wahrnehmen können. Dafür setzen wir uns gegenüber der italienischen Seite ein und haben auch Gespräche mit den italienischen Behörden dazu geführt.
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