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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 05.06.2023
- Festnahme einer Umweltaktivistin in Vietnam
- Konflikt zwischen Kosovo und Serbien
- Proteste in Polen gegen die geplante Einrichtung einer Untersuchungskommission in Hinsicht auf eine mögliche russische Einflussnahme
- Mögliche Erweiterung der Gruppe der sogenannten BRICS-Staaten
- Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
Festnahme einer Umweltaktivistin in Vietnam
FRAGE: Meine Frage geht an das Auswärtige Amt. Vor Kurzem wurde die Umweltaktivistin Hoàng Thị Minh Hồng in Vietnam festgenommen. Die UNO sagt, sie sei schon die fünfte Umweltaktivistin, die in den vergangenen zwei Jahren wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen worden sei. Die Bundesregierung hat sich für eine Energiewendepartnerschaft mit Vietnam, eine sogenannte JETP, starkgemacht.
Wie sieht die Bundesregierung die anhaltenden Repressionen gegen Umweltaktivistinnen in Vietnam?
Erwartet man irgendwelche Menschenrechtszusagen von den Partnern, bevor die Milliarden fließen?
SASSE (AA): Ich müsste diesem Fall erst einmal nachgehen und würde Ihnen die Antwort nachreichen.
Konflikt zwischen Kosovo und Serbien
FRAGE: Herr Büchner, Frau Sasse, ich wollte zu dem Thema Kosovo nachfragen. Was ist nach dem Vierergespräch am Rande des EPG-Gipfels für diese Woche als Follow-up geplant? Das wurde in Moldau so in Aussicht gestellt.
SASSE (AA): Wenn Herr Büchner zu Moldau ergänzen möchte, würde ich ihm die Antwort überlassen.
Was die Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien angeht, haben Sie die Entwicklungen der letzten Tage verfolgt. Die Lage im Grenzgebiet ist weiterhin sehr volatil. Der EU-Sonderbeauftragte Lajčák wird heute noch einmal Gespräche mit den Beteiligten führen. Sie wissen auch ‑ das haben Sie vielleicht verfolgt, weil er ein Interview in einem Ihnen bekannten Medium gegeben hat ‑, dass der Sonderbeauftragte der Außenministerin, Herr Sarrazin, in der vergangenen Woche in der Region war und dort viele Gespräche geführt hat. Insgesamt bemühen sich alle Beteiligten im Moment darum, die Lage zu deeskalieren.
Wir müssen noch einmal ganz klar sagen ‑ das hat Herr Sarrazin in seinem Interview auch deutlich gemacht ‑, dass beide Seiten, sowohl Kosovo als auch Serbien, aufgefordert sind, unverzüglich die Gespräche fortzusetzen, die Lage zu deeskalieren und ganz konkret weiter an der Umsetzung des Normalisierungsabkommens zu arbeiten.
ZUSATZFRAGE: Eine Einschaltung des Kanzlers in dieser Woche ist nicht geplant?
BÜCHNER (BReg): Das ist mir nicht bekannt.
FRAGE: Frau Sasse, Herr Büchner, in der ersten Einschätzung dieses Konflikts hatte man eindeutig die Kosovaren für diesen Gewaltausbruch verantwortlich gemacht. Kürzlich klang der Kanzler in Moldawien ein bisschen unentschiedener. Sehen Sie eigentlich immer noch die Hauptschuld beim Kosovo, oder sehen Sie beide Seiten in der Verantwortung?
BÜCHNER: Ich möchte da gar keine Einordnung vornehmen. Der Bundeskanzler hat mehrfach ausgedrückt, dass es jetzt darum geht, diese Lage zu deeskalieren und wieder auf einen Pfad zurückzukommen, dass man dort zu einer guten Verständigung kommt, die im Interesse beider Seiten und dann auch im Interesse der Europäischen Union ist.
SASSE: Was die Position der Europäischen Union insgesamt angeht, darf ich ergänzen, dass es am 3. Juni eine Erklärung des Hohen Gesandten für die Außenpolitik der EU, Josep Borrell, gegeben hat, in der er noch einmal sehr deutlich gemacht hat, dass auch die EU beide Seiten zur Deeskalation auffordert.
Proteste in Polen gegen die geplante Einrichtung einer Untersuchungskommission in Hinsicht auf eine mögliche russische Einflussnahme
FRAGE: Herr Büchner, Frau Sasse, macht die Bundesregierung sich angesichts der „Lex Tusk“ Sorgen um den Zustand und die Zukunft der polnischen Demokratie? Wie bewerten Sie die Massendemonstrationen in Polen am Wochenende gegen die Regierung?
BÜCHNER (BReg): Die Europäische Kommission hat sich zu diesem Gesetzesvorhaben in Polen letzte Woche im Rahmen ihrer Funktion als Hüterin der Verträge geäußert. Aus Sicht des Bundeskanzlers ist es auch richtig so, wie die EU sich dazu äußert.
Grundsätzlich kann man für die Bundesregierung sagen: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind unabdingbare Voraussetzungen, auf denen die EU insgesamt fußt. Sie sind das Fundament der Europäischen Union. Das ist in Artikel 2 des EU-Vertrags als Verpflichtung für alle EU-Mitgliedstaaten festgehalten. Dazu gehören natürlich insbesondere freie und faire Wahlen als Eckpfeiler der Demokratie.
FRAGE: Herr Büchner, vielleicht können Sie uns sagen, was die Konsequenzen sein werden, wenn das Gesetz verabschiedet wird. Die Bundesregierung hat auch in anderen Fällen Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission befürwortet. Wäre das in diesem Fall auch der Fall?
BÜCHNER: An der Stelle möchte ich jetzt nicht spekulieren. Das ist eine der schönen Was-wäre-wenn-Fragen. Da halten wir uns mal zurück und hoffen, dass die Dinge in eine Richtung gehen, die all solche Fährnisse dann gar nicht nötig machen.
ZUSATZ: Sie haben ja gerade eben beschrieben, dass das Ihrer Meinung nach nicht mit den EU-Regeln übereinstimmt. Es wäre keine hypothetische Frage, sondern eigentlich ein logischer Schluss, dass dann, wenn die polnische Regierung darauf besteht, dieses Gesetz nun faktisch EU-Recht widerspricht und dementsprechend gehandelt werden müsste.
BÜCHNER: Diese Einordnung können Sie gerne vornehmen. Ich würde trotzdem nicht gerne darüber spekulieren, was dann die nächsten Schritte sein können.
[…]
FRAGE: Ich würde dieselbe Frage an das Auswärtige Amt stellen, was die Außenministerin zu diesem Vorfall denkt, also Vertragsverletzungsverfahren. Wie kritisch sieht sie diese Entwicklung in Polen?
SASSE (AA): Ich würde zum einen gerne auf die Äußerungen von Herrn Burger am vergangenen Freitag verweisen. Er hat unter anderem ‑ Herr Büchner sprach es an ‑ noch einmal die Rolle der EU als Hüterin der Verträge sehr deutlich gemacht und auch auf die Äußerungen von EU-Kommissarin Frau Jourová verwiesen, die gesagt hat, dass man sich die Entwicklung in Warschau genau ansehen wird und sich die Kommission gegebenenfalls weitere Maßnahmen vorbehält. Ich denke, das geht auf Ihre Frage nach künftigen Schritten ein.
ZUSATZFRAGE: Gibt es denn direkte Kontakte zwischen dem Auswärtigen Amt und der polnischen Regierung, wo man vielleicht neben der EU-Kommission diese Bedenken noch einmal vorbringt?
SASSE: Das geht jetzt auf Umwegen noch einmal auf die Frage ein, die Sie vorher Herrn Büchner gestellt haben. Auch ich werde in meiner Stellungnahme hier an dieser Stelle nicht über das hinausgehen, was Herr Burger am Freitag schon zu den Entwicklungen gesagt hat.
Um auf Ihre Frage nach dem Kontakt zu der polnischen Regierung einzugehen: Der besteht natürlich und ist sehr eng. Wir stehen mit der polnischen Regierung in einem regelmäßigen Kontakt zu allen möglichen Fragen, einschließlich der Entwicklung in Polen selbst.
FRAGE: Frau Sasse, wer die Hüterin der Verträge ist, ist klar. Aber man kann ja trotzdem eine Bewertung abgeben. Ist Polen aus Sicht der Außenministerin noch eine Demokratie?
SASSE: Das ist jetzt eine sehr weit gefasste Frage, die man an dieser Stelle so pauschal sicherlich nicht beantworten sollte und auch nicht kann. Es geht hier ganz konkret um ein Gesetzesvorhaben in Polen. Dazu hat Herr Burger am Freitag Stellung genommen. Er hat deutlich gemacht, dass wir, ebenso wie unsere Partner in Brüssel und Washington, die Entwicklung genau und mit Sorge betrachten. Er hat darauf verwiesen, dass sich sowohl die EU-Kommissare dazu geäußert haben als auch verschiedene andere Akteure.
Er hat auch darauf verwiesen‑ das sollte nicht in Vergessenheit geraten ‑, dass es auch in Polen selber sehr viele kritische Stimmen gibt. Eingangs dieses Themas wurde auf die Proteste verwiesen. Wir haben natürlich auch diese Proteste in Polen am Wochenende zur Kenntnis genommen und beobachtet. Auch diese Proteste haben gezeigt, dass viele Menschen in Polen selber mit dem Gesetz nicht einverstanden sind.
ZUSATZFRAGE: Es ist natürlich interessant, wenn das Auswärtige Amt nicht mal mehr pauschal sagen kann, dass ein Nachbarstaat eine Demokratie ist.
Herr Büchner, wie sieht das der Kanzler? Ist Polen noch ein Rechtsstaat, eine Demokratie? Möchte man sich auch nicht pauschal äußern?
BÜCHNER: Das ist ja eine polemische Frage. Selbstverständlich ist Polen eine Demokratie. Auch in Demokratien gibt es hin und wieder Themen, bei denen man schauen muss, dass sozusagen alle Elemente, die für eine Demokratie wichtig sind, auch gewahrt bleiben. Das ist in dem Fall der Fall. Deshalb diskutieren wir darüber mit unseren polnischen Freunden.
Mögliche Erweiterung der Gruppe der sogenannten BRICS-Staaten
FRAGE: An Herrn Büchner und Frau Sasse zu den BRICS-Staaten: Am Wochenende hat ja ein Außenministertreffen stattgefunden, und es zeichnet sich ab, dass dieser Club ‑ so nenne ich ihn jetzt einmal ‑, dem unter anderem Russland und China angehören, weiter wachsen wird, und zwar ausgerechnet um Länder, um die sich die Bundesregierung auch erheblich bemüht hat. Argentinien und Indonesien waren Gast in Elmau, wollen jetzt aber ganz gerne bei den BRICS-Staaten mitmachen. Wie besorgt sind sowohl das Auswärtige Amt als auch der Kanzler bei diesem Thema?
BÜCHNER (BReg): Ich habe dazu keine aktuellen Informationen. Frau Sasse, wollen Sie das einordnen?
SASSE (AA): Ich kann das gerne kommentieren. Zum einen müssen wir natürlich erst einmal abwarten, ob es tatsächlich zu den Beitritten weiterer Staaten kommt, und müssen auch abwarten, was genau diese Beitritte dann genau für die BRICS und auch für die Politik dieses Verbandes bedeuten. Grundsätzlich ist mehr Multilateralismus ja erst einmal eine positive Sache ‑ zumindest, wenn das auf dem Boden der UN-Charta stattfindet. Man darf bei diesen Entwicklungen vom Wochenende aber auch nicht vergessen, dass es sich um eine sehr ungleiche Gruppe von Staaten handelt. Diese Staaten haben jeweils sehr unterschiedliche Interessen und sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine Ordnung aussehen soll. Deswegen muss man auch da abwarten, wie sich das Ganze in der Praxis darstellt. Man kann aber auch sagen, dass der Zusammenhalt ‑ das kann man, glaube ich, jetzt schon sagen ‑ eher begrenzt ist. Hinzukommt, dass dieses Format nicht von festen Institutionen untermauert ist, wie das bei anderen Formaten der Fall ist.
ZUSATZFRAGE: Trotzdem muss dieses Format ja irgendwie attraktiv sein, weil sich Länder ‑ zwei habe ich genannt ‑ aktiv darum bewerben, dort Mitglied zu sein. Irgendetwas muss daran also attraktiv sein. Die BRICS-Staaten selber präsentieren sich ja mittlerweile als G7-Gegenentwurf. Deswegen zielte die Frage darauf, ob das nicht eigentlich die Versuche der Bundesregierung unterminiert, Länder wie Argentinien und Indonesien zwar nicht an die Seite des Westens zu bekommen, aber bei diesen Ländern zumindest um mehr Verständnis für die Positionen des Westens zu werben.
SASSE: Zum einen möchte ich wiederholen: Es sind sehr, sehr unterschiedliche Staaten mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen, die sich in dem BRICS-Verbund zusammengefunden haben. Insofern sehe ich da keine ganz einheitliche Position, wie Sie sie gerade andeuten.
Zum anderen kann ich Sie auf die laufende Lateinamerika-Reise der Außenministerin verweisen. Sie bereist heute bzw. in den nächsten Tagen unter anderem Brasilien ‑ Herr Burger hatte das am Freitag angekündigt und ausgeführt ‑, und bei Brasilien handelt es sich ja gerade um einen BRICS-Staat. Wir werden natürlich in den Gesprächen in Brasilien auch unterschiedliche Themen und Positionen Brasiliens genau erörtern.
[…]
FRAGE JORDANS: Frau Sasse, Sie sagten, dass der Zusammenhalt zwischen den BRICS-Ländern oder den BRICS-Ländern und den möglichen neuen Mitgliedern nicht besonders stark sei. Woran machen Sie das fest?
SASSE: Ich habe, glaube ich, zuerst geschildert, dass die Interessen dieser Länder sehr unterschiedlich sind und dass man deswegen noch nicht abschätzen kann, wie genau sich da eine einheitliche Position eines Verbundes wie der BRICS insgesamt herauskristallisiert. Wir stellen fest, dass die Positionen sehr unterschiedlich sind. Wir sind natürlich mit allen BRICS-Staaten im Gespräch. Mehr kann ich dazu an dieser Stelle im Moment nicht sagen.
ZUSATZFRAGE: Entschuldigung, Sie haben gesagt: „… dass der Zusammenhalt ‑ das kann man, glaube ich, jetzt schon sagen ‑ eher begrenzt ist.“
SASSE: Genau, aber dem vorangestellt hatte ich eine Schilderung, dass die Interessen dieser Staaten, die sich im BRICS-Verbund zusammengeschlossen haben, sehr unterschiedlich sind.
FRAGE: Frau Sasse, weil Sie gerade mehrfach gesagt haben, es gebe unterschiedliche Vorstellungen und Interessen der BRICS-Staaten: Vielleicht habe ich in den letzten Jahren nicht aufgepasst, aber das gemeinsame Interesse aller BRICS-Staaten ist ja, die westliche Hegemonie einzudämmen bzw. gegen die westliche Hegemonie zu sein. Das erkennen Sie gar nicht an? Ist das etwas Neues für Sie?
SASSE: Das ist Ihre Interpretation. Wir stellen fest ‑ auch aus Gesprächen, die wir führen, und aus Reisen, die unterschiedliche Regierungsmitglieder einschließlich der Außenministerin und des Bundeskanzlers unternehmen ‑, dass die Staaten im BRICS-Verbund, in dem sich Staaten wie Südafrika, Brasilien, Indien und andere zusammengeschlossen haben, sehr ungleich sind und unterschiedliche Interessen und Vorstellungen haben.
ZUSATZFRAGE: Aber dass die alle gemeinsam in ihren Kommuniqués die westliche Hegemonie anprangern, haben Sie bisher nicht feststellen können?
SASSE: Ich habe dazu alles gesagt.
Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
FRAGE: Frau Sasse, afrikanische Staaten unter der Leitung von Südafrika starten ja gerade eine Friedensinitiative und sprechen sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland. Wie viel Hoffnung setzen Sie in diese Friedensinitiative?
SASSE (AA): Wir sind an dieser Stelle schon verschiedentlich auf Friedensinitiativen eingegangen; ich verweise deswegen zum einen auf unsere Äußerungen in der Vergangenheit.
Zum anderen möchte ich noch einmal deutlich machen, dass bei jeglichen Gesprächen über Frieden, den wir ‑ ebenso wie die Ukrainerinnen und Ukrainer selber ‑ natürlich durchaus dringendst anstreben, das Grundprinzip sein muss, dass keine Entscheidung über Frieden ohne die Ukraine selber getroffen werden kann und dass Grundlage eines jeglichen Friedens natürlich der Rückzug der russischen Truppen sein muss. Das haben wir schon in der Vergangenheit sehr deutlich gemacht.
Aber noch einmal in aller Deutlichkeit: Frieden an sich ist natürlich etwas, was die Ukrainerinnen und Ukrainer mehr als alles andere wollen, und wir natürlich auch.
ZUSATZFRAGE: Diese afrikanischen Staaten reden ja mit beiden Seiten, insofern müssten Sie das dann ja entsprechend gutheißen?
SASSE: Soweit ich weiß, steht die Reise dieser Gruppe von afrikanischen Staaten, auf die Sie sich beziehen, noch an. Ich kann nur sagen, dass wir alle ernsthaften Vermittlungsbemühungen selbstverständlich unterstützen.