Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 15.05.2023

15.05.2023 - Artikel

Polizeistationen der VR China in Deutschland

FRAGE: Ich wiederhole die Frage zu China: Für wie gefährlich halten Sie die chinesischen Polizeistationen in Deutschland? Wieso finden Sie so wenige Stationen, obwohl in Medien viel mehr solcher Stationen offensichtlich auffindbar sind?

KALL (BMI): Die Sicherheitsbehörden haben diese Aktivitäten wie generell Aktivitäten ausländischer Staaten in Deutschland fest im Blick. Das gilt auch und gerade für diese sogenannten Übersee-Polizeistationen. Das sind meistens keine festen ortsgebundenen Büros, sondern mobile Einrichtungen. Soweit ich weiß, findet auch ein Austausch mit der chinesischen Regierung darüber statt, wie man damit weiter umgeht. Die Sicherheitsbehörden haben das im Blick. Das ist alles, was ich von hier aus dazu sagen kann. Übrigens haben wir Ihnen ja ausführlicher zu den Wahrnehmungen und Beobachtungen der Sicherheitsbehörden geantwortet.

ZUSATZFRAGE: In New York ist gerade so eine Polizeistation geschlossen worden. Die Männer sind verhaftet worden. Man hat in Deutschland nicht den Eindruck, dass es einen Verfolgungsdruck gegenüber diesen Männern gibt, die ja offenbar hoheitliche Aufgaben im Auftrag Chinas in Deutschland, in einem anderen Land, wahrnehmen.

KALL: Selbstverständlich gibt es in Deutschland auch einen Verfolgungsdruck, immer nach den rechtsstaatlichen Möglichkeiten. Das hängt von dem ab, was an diesen sogenannten Übersee-Polizeistationen tatsächlich geschieht, und nochmals: Das haben die Sicherheitsbehörden fest im Blick.

FRAGE: Hat das Auswärtige Amt sich mit dem Thema schon beschäftigt und steht in Kontakt mit den chinesischen Behörden?

SASSE (AA): Wir haben uns mit dem Thema in der Vergangenheit schon vielfach beschäftigt. Herr Kall hat es gerade angerissen: Es gibt natürlich auch einen Austausch mit der chinesischen Seite zu dem Thema. Wir haben am 3. November 2022 von der chinesischen Seite die Schließung solcher Stationen gefordert, die nicht im Einklang mit den Wiener Übereinkommen über diplomatische und über konsularische Beziehungen stehen. Das sind zwei Abkommen, die regeln, wie Staatsgewalt im Ausland ausgeübt werden darf. Herr Kall hat gerade zu den Erkenntnissen ausgeführt, die wir dazu haben. Ich kann ihnen als Update sagen, dass die chinesische Seite sich Anfang Februar auf unsere Verbalnote hin zurückgemeldet hat und gesagt hat, dass es keine solche Polizeistationen gibt. Etwaige Service-Stationen, wie es die chinesische Seite bezeichnet, seien geschlossen worden. Selbstverständlich stehen wir zu diesem Thema weiter in Austausch mit der chinesischen Seite. Nicht nur in New York gibt es ja derartige Fälle, sondern auch in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten gibt es eben Meldungen über solche Polizeistationen. Deswegen stimmen wir uns sehr eng mit unseren EU-Partnern und auch anderen Partnern, wie beispielsweise den USA, zu dem Thema ab und stehen weiterhin in Kontakt mit der chinesischen Seite.

ZUSATZFRAGE: Wenn die Chinesen jetzt sagen, dass etwaige Stationen geschlossen sind, können Sie das bestätigen, Herr Kall? Sind das auch Ihre Informationen, dass diese Stationen jetzt mittlerweile nicht mehr existieren? Ich nehme an, es bezieht sich auf diese mobilen Stationen.

KALL: Lassen Sie mich kurz nachsehen, was wir [bei der letzten Anfrage] geantwortet hatten. Aktuell gehen die Sicherheitsbehörden weiter davon aus, dass es zwei sogenannte Übersee-Polizeistationen in Deutschland gibt.

FRAGE: Frau Sasse, wenn Sie die Schließung dieser sogenannten Polizeistationen gefordert haben: Wie viele Schließungen haben Sie denn da veranlasst?

SASSE: Es ist nicht an uns, die Schließungen zu veranlassen. Ich habe gerade versucht deutlich zu machen, dass es unsere Aufgabe ist, mit anderen Staaten darüber zu diskutieren, ob zum Beispiel Regelungen der Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und über konsularische Beziehungen eingehalten werden. Das war in diesem Fall aus unserer Sicht nicht der Fall. Deswegen haben wir hier in enger Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden gehandelt, und entsprechende Maßnahmen wurden ergriffen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie einschätzen oder uns sagen, wie groß die Gefahr durch diese Polizeistationen für chinesische Staatsbürger in Deutschland ist? Der Vorwurf ist ja, dass die Diaspora ausspioniert oder bedroht wird.

SASSE: Selbstverständlich kenne ich diesen Vorwurf. Ich kann ihnen allerdings zu den Aufgaben dieser Polizeistationen im Detail nichts sagen, weil da natürlich chinesische Regelungen greifen. Um hier Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um institutionelle Gebilde, wie wir sie mit Polizeistationen im engeren Sinne verbinden, sondern es geht um einzelne Personen, die für Polizeistationen in China Aufgaben übernehmen. Das sind aus unserer Sicht hoheitliche Aufgaben. Aus diesem Grund sind wir eingeschritten und haben mit dieser Verbalnote im November von der chinesischen Regierung die Schließung gefordert.

ZUSATZFRAGE: Frau Sasse, eine Nachfrage, weil ich es noch nicht so richtig verstanden habe. Sie haben die chinesische Seite aufgefordert, dass diese Polizeistationen geschlossen werden. Herr Kall sagte eben, die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass zwei noch existieren. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, was jetzt der nächste Schritt ist. Werden Sie jetzt wieder aktiv und sagen der chinesischen Seite: „Sorry, da sind immer noch zwei Polizeistationen!“, oder was ist der nächste Schritt?

SASSE: Zu den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden kann Herr Kall sicher besser Auskunft geben als ich.

KALL: Der Kern ist, dass es sozusagen eher um Personen als um Orte geht. Deswegen ist dieser Begriff „Schließung“ nicht so wörtlich zu nehmen. Es geht darum, dass diese Personen, die dort für chinesische Behörden und Dienste tätig waren, was die Sicherheitsbehörden hier im Blick haben, dies nicht mehr tun. Es geht nicht um Büros oder bestimmte Standorte, die man im physischen Sinne schließen könnte. Daher die Aufklärung.

SASSE: Noch mal: Es geht letztlich um Ausübung von fremder Staatsgewalt, ohne dass es sich im Rahmen dieser beiden Wiener Übereinkommen bewegt. Diese Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass das nicht passiert, obliegt dem Auswärtigen Amt.

ZUSATZFRAGE: Es gibt also nicht zwei Stationen, sondern zwei Personen, die ihre Arbeit einstellen sollen – korrekt?

KALL: Diese sogenannten Übersee-Polizeistationen sind an Personen und nicht an Orte gebunden. Das sind auch nicht immer chinesische Staatsangehörige, sondern es können auch deutsche Staatsangehörige sein, die da für chinesische Stellen tätig sind. Insofern geht es nicht um physische Orte, sondern es geht darum, dass Personen diese Tätigkeiten nicht mehr von Deutschland aus ausführen.

ZUSATZFRAGE: Aber wie viele Personen sind denn das pro Station, und sind diese Menschen, die da hoheitliche Aufgaben übernehmen, eigentlich Diplomaten, Spione, oder sind das nur deutsche Staatsbürger?

KALL: Ich kann Ihnen keine Personenzahl nennen. Das könnten wir ihnen aber in anderen Fällen auch nicht nennen, wo es um mögliche ausländische Aktivitäten geht. Das bewegt sich im Feld der Sicherheitsbehörden, der Nachrichtendienste, die das, wie gesagt, fest im Blick haben. Allein deshalb schon kann ich ihnen da keine genaue Zahl nennen.

ZUSATZFRAGE: Herr Kall, Sie sprechen von zwei Personen. Allein für die Stadt Lishui wissen wir von fünf Personen. Andere Journalisten haben für andere Regionen Personen identifiziert. Wurden die jetzt von Sicherheitsbehörden, vom Staatsschutz angesprochen, dass sie damit aufhören sollen? Wird das überprüft? Für wie gefährlich halten Sie die Tätigkeit hinsichtlich der Menschenrechte von Chinesen, die hier in der Demokratie Schutz suchen?

KALL: Ich habe von zwei Stationen gesprochen, nicht von zwei Personen, und davon, dass diese Stationen eben keine physischen Orte sind, sondern Personen, die da tätig sind. Im Übrigen möchte ich gerne auf das verweisen, was wir Ihnen ausführlich geantwortet haben. Daraus geht ja auch hervor, wie die Sicherheitsbehörden dieses Phänomen beobachten. Wie die Bundesregierung dort aktiv geworden ist und von der Volksrepublik China ja auch die Einstellung dieser Aktivitäten fordert, hat ja Frau Sasse dargelegt.

Präsidentschaftswahl in der Türkei

FRAGE: In der Türkei sieht es bei der Präsidentschaftswahl jetzt nach einer Stichwahl und somit nach zwei weiteren Wochen Wahlkampf aus. Was heißt das aus Ihrer Sicht für die internationalen Beziehungen, auch mit Blick auf die Entscheidungen über die NATO-Erweiterung?

HEBESTREIT (BReg): Ich glaube, niemand hat etwas dagegen, dass demokratische Prozesse ablaufen. Wir sind es gewohnt, wie alle anderen Länder auch, dass es immer wieder Wahlen gibt. Diese Wahlen bedürfen Zeit, und da gibt es auch Situationen, in denen Länder dann vor allem mit diesen Wahlen und dem Wahlkampf beschäftigt sind. Wir sehen da im Augenblick keine Beeinflussung oder Verzögerung für wichtige internationale Entscheidungen. Das ist ein übliches Standardverfahren in Demokratien, und das finden wir erst mal gut.

FRAGE: Apropos Standardverfahren: Wie sind denn Ihre Erkenntnisse, was die Einhaltung demokratischer Standards bei dieser Wahl betrifft?

SASSE (AA): Zum einen hat ja die sehr hohe Wahlbeteiligung, die zu verzeichnen ist, gezeigt, dass gerade die türkischen Bürgerinnen und Bürger diese demokratischen Standards sehr schätzen und auch von ihnen Gebrauch machen. Was ihre Frage nach der Wahlbeobachtung angeht, gibt es eine Wahlbeobachtungsmission der OSZE, vom ODIHR, auf die die Kollegen in der vergangenen Woche, soweit ich weiß, auch schon eingegangen sind. Die Ergebnisse und den Bericht dieser Wahlbeobachtungsmission warten wir natürlich jetzt erst mal ab.

FRAGE: Herr Hebestreit, die Bundesregierung ist dagegen, dass die türkische Seite hier in der Bundesrepublik Deutschland Wahlkampagnen führt. Ich habe vor der Wahl mitbekommen, dass viele Parteien und auch Politiker doch Wahlempfehlungen für die Opposition abgegeben haben. Als Erdoğan vor einigen Jahren empfohlen hatte, dass man in der Bundesrepublik Deutschland eine Partei wählt, wurde er sehr hart kritisiert. Wie beurteilen Sie es, dass die deutschen Parteien beziehungsweise Politiker sich einmischen, was die Wahl in der Türkei betrifft?

HEBESTREIT: Wie Sie wissen, äußere ich mich hier grundsätzlich nicht zu Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum. Die Bundesregierung gibt keine Wahlempfehlung ab und hat auch keine Wahlempfehlung abgegeben. Insofern habe ich da auch keinen Punkt zu kommentieren.

FRAGE: Wie hat denn der Kanzler gestern Nacht die Wahl verfolgt? Sitzt er da gespannt vor dem Fernsehen und verfolgt die staatliche Nachrichtenagentur oder unabhängige Nachrichtenagenturen zu den Wahlergebnissen?

HEBESTREIT: Der Bundeskanzler hat sich gestern im Laufe des Abends über das Verfahren und die ersten Ergebnisse informieren lassen.

ZUSATZFRAGE: Von wem?

HEBESTREIT: Von seinem außenpolitischen Berater, Jens Plötner.

ZUSATZFRAGE: Wie hat der sich informiert?

HEBESTREIT: Durch eine ganze Reihe von Quellen, die offen und weniger offen sind. Wenn Sie die Sorge haben, dass es nur staatliche Quellen und die staatliche Nachrichtenagentur wären: Wir sind in der Türkei auch konsularisch vertreten. Wir haben natürlich all die offenen Quellen, die es so gibt, ausgewertet, und letztlich gab es auch Einschätzungen von Fachleuten.

ZUSATZFRAGE: Schauen sie angesichts des knappen Ergebnisses auf eine mögliche Polarisierung in der Türkei, auch mit Sorge, was dann die Beziehungen Deutschlands mit der Türkei angeht?

HEBESTREIT: Da kommen wir wieder an den Punkt, dass es eine demokratische Wahl ist. Da halten wir uns raus, das ist in allen Ländern üblich. Wir finden demokratische Wahlen per se sehr begrüßenswert. Das sollte es geben, und auch Wahlkampf gehört zu Wahlen. Dass das natürlich immer im Rahmen der Fairness abläuft, ist ein Wunsch, den wir gerne äußern. Aber jetzt haben wir 14 Tage bis zur Stichwahl. Bis dahin werde ich mich weiterhin aus diesen Fragen heraushalten. Das wird beobachtet, und dann gehen wir mit dem Ergebnis um, das es nach 14 Tagen gibt.

Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

FRAGE: Vielleicht ‑ ich nehme an, an Frau Sasse ‑ die Frage: Aus China wird ja ein “special envoy” erwartet, der in dieser Woche verschiedene europäische Länder bereisen soll und über eine Friedensmöglichkeit in der Ukraine diskutieren soll. Können Sie dazu etwas sagen? Wann wird er in Berlin erwartet? Wie wird die Öffentlichkeit informiert? Welches Programm steht da an? Können Sie dazu schon etwas sagen?

SASSE (AA): Nein, diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten, weil das ein chinesischer “envoy” ist, dessen Programm wir natürlich nicht gestalten, sondern das ist die chinesische Seite, an die sie sich da wenden müssen. Ich kann gern nachhaken und Ihnen gegebenenfalls Termine, soweit sie das Auswärtige Amt betreffen, nachreichen.

Was die chinesische Rolle in Vermittlungsbemühungen angeht, hat der Regierungssprecher, glaube ich, in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht, worum es hier geht, dass es in diesem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht an Vermittlern an sich mangelt, auch wenn wir natürlich Vermittlungsbemühungen jeder Art begrüßen. Aber letztlich hat es genau eine Person in der Hand, diesen russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden, und das ist der russische Präsident Putin, der jederzeit seine Truppen zurückziehen kann.

FRAGE: Eine kurze Nachfrage dazu an Herrn Hebestreit: Wissen Sie schon, ob auch ein Termin im Kanzleramt geplant ist? Beim letzten Besuch ‑ das war der chinesische Außenminister ‑ hat es ja dann sogar ein Treffen mit dem Kanzler gegeben. Ist so etwas jetzt auch denkbar?

HEBESTREIT (BReg): Dazu liegen mir keine Informationen vor. Ich würde auch sagen: In der Regel sind das Routinebegegnungen auf Arbeitsebene, über die wir auch nicht groß informieren ‑ es kam ja die Frage, wie die Öffentlichkeit informiert wird ‑, weder vorher noch hinterher. Insofern habe ich da wenig Neues zu bieten. Aber ich kann mich gerne kundig machen. Das war eine eher zufällige Begegnung des Bundeskanzlers mit dem Außenminister Chinas, über die wir im Anschluss auch informiert haben.

Vielleicht noch einen Satz, den der Bundeskanzler gestern in der Pressekonferenz mit Herrn Selensky auch noch einmal deutlich gemacht hat: Jede Friedenslösung muss die Ukraine zwangsläufig beinhalten, und auch die Position der Ukraine. Das ist ein Krieg, der auf ukrainischem Territorium stattfindet. Es ist ein Angriffskrieg, der völkerrechtswidrig vom Zaun gebrochen wurde und betrieben wird. Insofern ist es, glaube ich, wichtig, dass die Ukraine und die ukrainischen Positionen auch in all diesen Lösungsvorschlägen, die da entstehen mögen, immer berücksichtigt werden.

FRAGE: Herr Hebestreit, Sie haben ja gerade diese Pressekonferenz angesprochen. Ich habe auch ein paar Fragen dazu. Unter anderem hat ja der ukrainische Präsident die Hoffnung geäußert, dass Deutschland seine Bemühungen um eine Kampfjetkoalition unterstützt. Wird die Bundesregierung diesem Wunsch nachkommen?

HEBESTREIT: Ich glaube, der Bundeskanzler hat sich dazu in dieser Pressekonferenz auch eingelassen. Ich würde seine Einlassung als zurückhaltend bewerten.

ZUSATZFRAGE: Der Bundeskanzler wurde auch nach einem “membership plan” für den NATO-Beitritt der Ukraine gefragt. Er hat für meine Begriffe etwas unverständlich mit dem Satz geantwortet: Alles andere ist existierende Beschlusslage aus Bukarest. ‑ Was meint er damit?

HEBESTREIT: Ich glaube, Sie verführen mich jetzt nicht dazu, die Worte des Bundeskanzlers zu interpretieren. Ich verweise aber gern auf das gemeinsame Kommuniqué, das die ukrainische Seite und die deutsche Seite im Anschluss an das Treffen veröffentlicht haben. Der allerletzte Punkt betrifft das künftige Verhältnis der Ukraine zur NATO. Da können Sie, glaube ich, alles nachlesen, was Sie an Antworten suchen.

FRAGE: Eine kurze Verständnisfrage, entweder an Frau Krüger oder an Herrn Hebestreit: Was genau wird Deutschland jetzt in diesem neuen Paket liefern? Ursprünglich war anscheinend von Leopard-1-Panzern die Rede. Der Kanzler hatte aber, glaube ich, getwittert, dass es um Leopard-2-Panzer geht. Deswegen, nur um sicherzugehen, die Frage: Welche Art von Kampfpanzern bekommt die Ukraine jetzt?

HEBESTREIT: Ich überlege gerade, ob ich einen Tweet mit Leopard-2-Panzern gesehen habe. Ansonsten müsste das ein Fehler bei uns sein.

Also, ich weiß von Leopard-1-Panzern, die aus Industriebeständen ertüchtigt abgegeben werden sollen. Es gibt da eine sehr gute Pressemitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung ‑ und die ist in diesen Fällen einschlägig, würde ich behaupten.

ZUSATZFRAGE: Also keine Leopard 2, sondern Leopard 1?

HEBESTREIT: Es geht um Leopard-1-Panzer, es geht um Schützenpanzer Marder und um anderes.

FRAGE: Frau Krüger, warum gab es jetzt überhaupt eine unvollständige Liste Ihrerseits? Also warum haben Sie uns nicht eine vollständige Liste gegeben?

Und warum ist unklar, was von dieser Liste, die Sie uns jetzt gegeben haben, bereits vorher angekündigt war und was jetzt neu ist? Können Sie uns einmal sagen, was jetzt neu ist, was wir vorher nicht kannten?

KRÜGER (BMVg): Natürlich kann ich dazu kurz ein paar Sätze sagen.

Wie Sie der Pressemitteilung, die Herr Hebestreit gerade schon angesprochen hat, entnehmen können, ist es eine beispielhafte Aufzählung. Das können Sie durchaus nachlesen. In dem Paket sind verschiedene Dinge enthalten.

Zu der Zeitlinie, die Sie ansprechen: Es gibt Dinge, die in dem Paket enthalten sind ‑ es sind schon Verträge geschlossen; das ist richtig ‑, und es gibt aber auch Dinge, die jetzt neu hinzukommen. Herr Hebestreit hat es gerade schon gesagt: Es sind Dinge, die nicht aus der Bundeswehr kommen, sondern aus der Industrie. Dabei möchte ich es auch belassen.

ZUSATZFRAGE: Warum ist man da so unklar? Ich habe zwei konkrete Sachen:

Zum einen schreiben Sie von 100 gepanzerten Gefechtsfahrzeugen. Was heißt das genau?

Dann geht es um die vier Flugabwehrsysteme IRIS-T. Sind darin die bereits zugesagten zwei IRIS-T-Systeme schon enthalten, die die Bundesregierung im Vorfeld versprochen hatte? Oder sind das vier weitere, also damit insgesamt sechs? Die Kommunikation ist unglücklich.

KRÜGER: Das kann ich gern aufklären. Die vier zuvor schon im Raum stehenden Systeme sind dazuzurechnen. Insgesamt wären es dann acht. Zwei sind schon geliefert, eins steht an, und dann im Grunde noch weitere vier, plus eins noch offen ‑ fünf. Insgesamt acht.

ZUSATZFRAGE: Und sind die 100 gepanzerten Gefechtsfahrzeuge Panzer?

KRÜGER: Gepanzerte Gefechtsfahrzeuge. Dabei möchte ich es gern belassen. Da müssten Sie die Industrie befragen.

HEBESTREIT: Aber ich kann inzwischen die Frage von vorhin aufklären, weil wir nachgesehen haben. Wir haben das Problem, das der Kollege auch ausgesprochen gut Englisch spricht. Der deutsche Tweet sei korrekt. Da ist es Leopard 1. In dem englischen Tweet ist aus der 1 eine 2 geworden. Das korrigieren wir jetzt. Insofern versuchen wir da, auf allen Sprachen korrekt zu antworten. Aber vielen Dank für den Hinweis. Mir ist das auch noch nicht aufgefallen.

FRAGE: Eine Frage zu Rheinmetall, entweder an Frau Krüger, Frau Ungrad oder Herrn Hebestreit: Braucht die Firma generell eine Genehmigung, um wie geplant Wartungs- und Produktionskapazitäten für Panzer in der Ukraine aufzubauen?

HEBESTREIT: Ich glaube, faktisch müsste das Wirtschaftsministerium das beantworten können. Ich weiß nicht, ob Sie es können.

UNGRAD (BMWK): Genau. Das Wirtschaftsministerium reicht das nach.

FRAGE: Die Briten haben ja Marschflugkörper und jetzt auch Drohnen mit einer sehr hohen Reichweite von 200 Kilometern geliefert. Ich hätte ganz gern gewusst, weil das gestern in der Pressekonferenz ein bisschen unklar blieb, was die Gründe dafür sind, dass die Bundesregierung immer noch keine Waffensysteme mit sehr großen Reichweiten liefert. Ist das die Sorge, dass russisches Gebiet angegriffen werden könnte?

HEBESTREIT: Ich glaube, die gestrige Pressekonferenz hat sehr ausführlich dargelegt, wie hochzufrieden der ukrainische Präsident über die umfangreichen Waffenlieferungen ist, die Deutschland tätigt. Das heißt nicht, dass alle immer alles liefern können. Wir haben gesagt, dass wir uns entlang dessen weiter engagieren werden, was wir machen. Das hat viel mit Flugabwehr, mit Luftverteidigung, zu tun und mit all den anderen Dingen, die Sie jetzt alle schon auf Ihren Listen haben. Es gibt andere Länder, die an anderen Stellen deutlich weniger tun, aber da ihren Schwerpunkt hinlegen. Insofern ist das Teil einer Arbeitsteilung und einer Unterstützung, die ja auch nachhaltig und sinnvoll ist, damit die Ukraine da kalkulieren kann. Da würde ich jetzt nichts hineingeheimnissen wollen, Sie sicherlich auch nicht.

ZUSATZFRAGE: Dann stelle ich die Frage noch einmal anders. Hat die Bundesregierung Sorge, dass die Ukraine westliches Militärmaterial verwenden könnte, um direkt in Russland Positionen oder Ziele anzugreifen?

HEBESTREIT: Ich glaube, auch das ist in der Pressekonferenz gestern thematisiert worden, und ich habe keinerlei solche Sorgen wahrgenommen.

FRAGE: Herr Hebestreit, einen Tag vorher hat die „Washington Post“ mehr zu den Discord-Leaks veröffentlicht, also zu US-Erkenntnissen über die ukrainische Regierung. Dort heißt es unter anderem, dass der ukrainische Präsident mit seiner stellvertretenden Premierministerin Svyrydenko darüber geredet hat, dass man die Druschba-Pipeline, die Ungarn mit Öl aus Russland versorgt, zerstören könnte. War das ein Thema zwischen Herrn Selensky und Herrn Scholz oder im Sicherheitskabinett?

HEBESTREIT: Sie wissen, dass ich über solche Gespräche grundsätzlich sehr, sehr zurückhaltend informiere. Mir ist das nicht als Thema bekannt geworden. Im Sicherheitskabinett war ich dabei; insofern wäre es mir dann aufgefallen.

Ansonsten würde ich auch immer sagen, dass Sie, wenn Sie so etwas zitieren, den Konjunktiv benutzen sollten: Er soll das gesagt haben. Sie sind ja auch sonst sehr skeptisch, wie man das so sein muss. Das wäre die einzige Korrektur, die ich da anbringen würde. Ansonsten habe ich da keine eigenen Erkenntnisse, und ich habe auch keinerlei Erkenntnisse, dass das gestern in den Gesprächen eine Rolle gespielt haben soll.

ZUSATZFRAGE: Wie bewertet die Bundesregierung diese Berichterstattung zu den Discord-Leaks? Halten Sie die für relevant, für glaubwürdig?

HEBESTREIT: Wir nehmen sie zur Kenntnis.

FRAGE: Herr Hebestreit, eine atmosphärische Frage. Mir ist aufgefallen, dass die beiden gestern per du waren. Ist das neu oder sind sie schon länger per du?

HEBESTREIT: Ich glaube, zumindest beim letzten Treffen, das wir vor einigen Monaten ‑ am 9. Februar ‑ in Paris hatten, war das schon per du. Da hatten sie allerdings, glaube ich, nur eine sehr kurze Pressebegegnung. Gestern gab es erst einmal ein langes Vieraugengespräch, dann eine gemeinsame Pressekonferenz, eine Sitzung des Sicherheitskabinetts, im Anschluss einen Hubschrauberflug und einen gemeinsamen Flug mit dem Airbus nach Geilenkirchen. Insofern hatten sie da auch sehr viel Zeit miteinander und auch nicht immer nur Zeit, in der man wichtige Dinge per Tagesordnung besprechen muss, sondern in der man sich auch persönlich ‑ ich hätte fast gesagt: näherkommen ‑ besser kennenlernen kann. Ich glaube, davon haben beide leidlich Gebrauch gemacht, und man merkte eine sehr gute Stimmung zwischen dem ukrainischen Staatspräsidenten und dem Bundeskanzler, aber auch unter den Teams.

Man hat sich aber auch schon häufig bzw. häufiger getroffen. Ich erinnere mich an Treffen in Brüssel kurz nach Amtsübernahme des Bundeskanzlers. Dann waren wir kurz vor Kriegsbeginn in Kiew. Herr Selensky war dann wenige Tage vor Kriegsbeginn noch einmal bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Wir haben ihn ‑ ich glaube, es war im Juni ‑ in Kiew getroffen. Dann gab es eine Begegnung im Februar in Paris, und jetzt gab es eben dieses Treffen. Das sind für einen ausländischen Staatschef dann schon vergleichsweise häufige Treffen.

Ich glaube, was der Präsident gestern bei seinen verschiedenen Auftritten immer wieder deutlich gemacht hat, ist das hohe Maß an Wertschätzung für die Position der Bundesregierung, für die große Unterstützung, die die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands für die Ukraine leisten, für die etwa eine Millionen registrierten Ukrainerinnen und Ukrainer, die bei uns sind und die Schutz und Unterkunft gefunden haben, die hier Schule und Kindergärten besuchen, die eine Ausbildung machen können oder die einfach arbeiten. Hinzu kommen auch noch die militärischen Unterstützungsleistungen und auch die finanziellen Hilfen, und ich glaube, es war dann dieses Gesamtpaket, das auch für große Dankbarkeit gesorgt hat.

FRAGE: Können Sie uns über irgendwelche Meinungsunterschiede berichten, zu denen es gestern gekommen ist, Herr Hebestreit?

HEBESTREIT: Wenn es um Meinungsunterschiede in dem Sinne geht, dass man nicht auf alles gleich blickt: Ich glaube, wenn Sie aufmerksam die Pressekonferenz verfolgt haben, ist deutlich geworden, dass es gewisse Positionen gibt, bei denen die ukrainische Seite sich noch mehr wünschen könnte und die deutsche Seite ihre Position deutlich macht. Mir ist aber nicht aufgefallen, dass in den Gesprächen irgendetwas Ungewöhnliches oder Überraschendes zutage getreten wäre.

FRAGE: An Herrn Hebestreit und Frau Ungrad zu den neuen Sanktionspaketen, die gerade in der EU und im G7-Rahmen diskutiert werden: Die US-Regierung möchte anscheinend, dass Exporte nach Russland generell verboten werden. Es soll dann quasi eine Art Positivliste mit den Sachen, die davon ausgenommen werden, geben; das wäre dann eine Art Systemwechsel. Was ist die Position der Bundesregierung dazu? Unterstützt die Bundesregierung einen solchen Systemwechsel bei den Sanktionen?

HEBESTREIT: Die Bundesregierung hält wahnsinnig viel davon, dass man solche Gespräche in den dafür nötigen Gremien und mit der nötigen Vertraulichkeit führt, sodass es dann ein gutes und einhelliges Ergebnis gibt. Ich glaube, auf EU-Ebene sind wir in der elften Sanktionsrunde. Wenn man die amerikanische Seite und die G7 noch mit betrachten würde, habe ich jetzt nicht die genaue Zahl, aber auch da hat es schon mehrere Sanktionsrunden gegeben. Man muss das immer wieder überprüfen; denn es geht um die Wirksamkeit solcher Sanktionen. Es bleibt aber auch dabei, dass man immer wieder sagen muss: Die Sanktionen dürfen nicht uns allen mehr schaden, als sie der russischen Seite schaden sollten. Das ist ein Aspekt, den wir immer auch mit betrachten.

Jetzt machen wir uns am Mittwoch auf in Richtung G7-Gipfel in Hiroshima, der am Freitag beginnt und dann über das Wochenende laufen wird. Ich glaube, das sind Diskussionen, die dann dort geführt werden.

UNGRAD: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Frau Ungrad, ich hätte noch eine Frage zu einem anderen Aspekt im Zusammenhang mit den Sanktionen: Es gibt einen deutsch-japanischen Maschinenbauer, der jetzt entschieden hat, dass er in alle Maschinen, die er ausliefert, eine Einrichtung einbaut, mit der man diese Maschinen stoppen und lahmlegen kann, wenn sich herausstellt, dass sie für die Waffenproduktion verwendet werden. Dieser Hersteller hat alle Kunden aufgefordert, damit einverstanden zu sein, und hat explizit gesagt, dass das mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zusammenhängt. Befürwortet das Wirtschaftsministerium, dass deutsche Maschinen generell eine solche Einrichtung erhalten, wenn sie in andere Länder exportiert werden?

UNGRAD: Mir liegt das jetzt nicht vor; da müssten wir uns erst noch anschauen, wie wir darauf reagieren. Prinzipiell hat sich der Minister ja zum Thema Sanktionen geäußert. Wir haben uns meines Wissens auch schon in einer Regierungspressekonferenz Mitte April ‑ ich glaube, am 21. April ‑ prinzipiell zu dem Thema Sanktionen geäußert, und darauf würde ich erst einmal verweisen. Zu diesem speziellen Fall liegen mir keine Erkenntnisse vor.

ZUSATZ: Es wäre nett, wenn Sie da vielleicht noch etwas nachliefern könnten.

UNGRAD: Ich frage noch einmal nach, ja.

Schlagworte

nach oben