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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 14.04.2023

14.04.2023 - Artikel

Vergabe von Visa an russische Staatsbürger

FRAGE: Ich habe eine Frage zur Praxis der Visavergabe des deutschen Konsulats an russische Staatsbürger. Es mehren sich Fälle, dass die Anträge mit dem Hinweis abgelehnt werden, dass die Russen im wehrfähigen Alter sind und es deswegen den Verdacht gibt, dass sie bei einer Einreise nach Deutschland oder in ein anderes EU-Land nicht wieder zurückfahren. Mich würde interessieren, ob diese Praxis mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt ist und was das Bundesinnenministerium dazu zu sagen hat.

SASSE (AA): Vielleicht ordne ich das zunächst einmal grundsätzlich ein. Sie wissen, dass es ein Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Russland gab, das die EU-Kommission im vergangenen Jahr ausgesetzt hat. Dieses Abkommen wurde, wie gesagt, ausgesetzt. Die EU-Kommission hat in der Folge Leitlinien herausgegeben, die für alle Schengenstaaten erläutern, wie mit Visaanträgen für ein Schengenvisum umgegangen werden muss. Diese Leitlinien, die die EU-Kommission herausgegeben hat, wenden all unsere Auslandsvertretungen konsequent an. Das betrifft insbesondere natürlich unsere Botschaft in Moskau.

Zu den Voraussetzungen, die für jeden Visumsantrag oder jeden Antrag auf Erteilung eines Schengenvisums von unseren Auslandsvertretungen zu prüfen sind, zählt die Rückkehrbereitschaft. Das ist eine Voraussetzung, die immer geprüft werden muss und die, wie gesagt, für alle Schengenvisaanträge gilt. Natürlich kommt es bei der Rückkehrbereitschaft auch darauf an, zu prüfen, wie die Gesamtumstände in dem Herkunftsland sind. Auch das gilt für Visaanträge auf Schengenvisa weltweit.

Es ist so, dass unsere Kolleginnen und Kollegen natürlich jeden einzelnen Visumsantrag entsprechend der geltenden Rechtslage prüfen. Das betrifft unter anderem die Leitlinien, die ich gerade erwähnt habe. In diesem Jahr wurden bislang rund 5000 Schengenvisa für russische Staatsangehörige ausgestellt. Wie gesagt, das betrifft die Schengenvisa. Sie wissen, dass diese für einen begrenzten Zeitraum gelten, nämlich 90 Tage. Wenn es um einen dauerhafteren Aufenthalt geht, gibt es andere Visa, die dafür einschlägig sind. Das betrifft auch die Frage nach Asyl, auf die sicher die Kollegen genauer eingehen können.

KOCK (BMI): Ich kann mich dem nur anschließen, was die Kollegin gerade ausgeführt hat und zu den Asylantragstellungen in Deutschland genauer ausführen. Es ist so, dass Deserteure, die sich nicht an dem russischen Angriffskrieg beteiligen wollen, in Deutschland Asyl beantragen können. Sie dürften auch regelmäßig internationalen Schutz erhalten. Wie wir bereits schon mehrfach ausgeführt haben, hat das BAMF seine Entscheidungspraxis hierzu nach Kriegsbeginn angepasst. Gleichwohl bleibt die Erteilung von Asyl in jedem Fall eine Einzelfallentscheidung. Im Rahmen dieser Einzelfallentscheidung findet auch eine Sicherheitsüberprüfung sowie eine Prüfung des Vorliegens von Ausschlusstatbeständen statt. Das könnte beispielsweise die Beteiligung an Kriegsverbrechen gewesen sein. Diejenigen, die in die Armee eingezogen werden sollen und den Kriegsdienst verweigern, können ebenfalls hier in Deutschland Asyl beantragen.

ZUSATZFRAGE: Mich würde schon interessieren, wie Sie das machen können, wenn sie für Deutschland kein Visum bekommen. Ich zitiere aus dem Brief der Konsularabteilung: „Zweifel an Ihrer Rückkehrbereitschaft in Ihr Heimatland ergeben sich auch daraus, dass Sie als russischer Staatsangehöriger im wehrpflichtigen Alter zu dem Personenkreis gehören, der in Russland potenziell von der Teilmobilisierung für die russischen Streitkräfte betroffen ist.“ Das heißt, alle jungen Russen im wehrfähigen Alter bekommen jetzt kein Visum, um zum Beispiel in Deutschland ihre Verwandten zu besuchen oder aus irgendeinem anderen Grund?

SASSE: Noch einmal ganz deutlich: Man kann in diesem Fall nicht alles über einen Kamm scheren. Wie gesagt, es geht erstens um unterschiedliche Kategorien von Visa. Sie hatten nach den Schengenvisa gefragt. Das sind gerade nicht Visa für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland. Der Fall, über den Sie gerade sprechen, deutet eher daraufhin, dass der Antragsteller oder die Antragstellerin möglicherweise einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland sucht. Dafür gelten andere Visaregelungen.

Wie die Kollegin aus dem BMI ausgeführt hat, haben wir gerade als Bundesregierung – BMI und Auswärtiges Amt gemeinsam – schon im vergangenen Jahr ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren für solche Personen geschaffen, die aufgrund ihres Einsatzes gegen den Krieg, für Demokratie und Menschenrechte oder wegen regimekritischer Tätigkeit besonders gefährdet sind. Das ist wiederum ein anderes Verfahren. Da gilt es, ganz genau zu unterscheiden. Sie können sich aber sicher sein, dass in jedem Einzelfall unsere Kolleginnen und Kollegen, die an der Botschaft und in unseren Auslandsvertretungen mit solchen Fällen betraut sind, das ganz genau prüfen und auch prüfen müssen, weil das eben die rechtlichen Voraussetzungen sind.

FRAGE: Frau Dr. Kock, gab es in der Vergangenheit Fälle, in denen diese touristische Visavergabe tatsächlich nicht zu einer Rückkehr oder zu auffälligen Zahlen geführt hat?

KOCK: Dazu ist mir nichts bekannt.

FRAGE: In diesem Brief, der uns vorliegt, geht es gerade um ein Schengenvisum, um einen Besuch bei der Schwester eines jungen Russen, der zwischen 18 und 27 Jahre alt ist. Auf die Meldung darüber haben sich viele Russen gemeldet, die genau das gleiche Schreiben mit diesem Motiv bekommen haben. Sie haben Angst, sodass sie sich als mögliche Mobilisierungsverweigerer nicht zurück nach Russland bewegen wollen.

SASSE: Ich muss Sie um Verständnis dafür bitten, dass ich hier von dieser Position aus nicht auf einen Einzelfall, dessen Details ich nicht kenne, eingehen kann. Sie können uns gern die Informationen des Falles, um den es konkret geht, schicken. Dann werde ich dem gern nachgehen und das, wenn Sie mögen, bilateral mit Ihnen aufnehmen. Die grundsätzlichen Voraussetzungen und Regelungen haben wir gerade erschöpfend dargestellt.

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