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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 27.03.2023

27.03.2023 - Artikel

Geplante Justizreform in Israel

FRAGE: Ans AA, Geschehnisse in Jerusalem und Tel Aviv, Frau Sasse! Ministerpräsident Netanjahu hat seinen Verteidigungsminister gestern entlassen, weil dieser die sogenannte Justizreform verschieben wollte. Es gibt Massenproteste deswegen. Wie nimmt die Bundesregierung, also der Kanzler, diese Proteste wahr, und was können Sie uns von vor Ort sagen, Frau Sasse?

HEBESTREIT (BReg): Als enge Freunde Israels mischen wir uns natürlich nicht in die inneren Angelegenheiten dieses Staates ein. Trotzdem blicken wir natürlich mit Sorge auf das, was sich in den letzten Tagen und vor allem Stunden in Israel zugetragen hat. Der israelische Präsident hat sehr eindrucksvolle Appelle an die dort Regierenden gerichtet. Dieser Appell muss und wird, denke ich, sehr ernst genommen werden.

Der Bundeskanzler hat sich vor knapp zwei Wochen mit dem israelischen Premierminister Netanjahu ausgetauscht. Das wissen Sie. Herr Netanjahu war hier zu Besuch. Es gab intern ein sehr offenes und gründliches Gespräch. Auch auf der Pressekonferenz hat der Bundeskanzler noch einmal zum Ausdruck gebracht, wie wichtig eine unabhängige Justiz für eine Demokratie ist und dass er auch darauf hingewiesen hat, dass ein breiter gesellschaftlicher Rückhalt in solchen Reformfragen immer etwas sehr Wichtiges ist. Ich denke, mit diesen Punkten blicken wir jetzt auf Israel und hoffen, dass sich dort in sehr absehbarer Zeit eine gütliche Einigung abzeichnet.

SASSE (AA): Ich kann den Ausführungen des Regierungssprechers hier nur wenig hinzufügen, und schließe mich ihnen natürlich vollkommen an. Auch der Außenministerkollege von Außenministerin Baerbock war vor Kurzem in Berlin. Die Pressekonferenz haben sie verfolgt, dementsprechend auch die Äußerungen der Außenministerin zu den Plänen in Israel.

Jetzt wird es darauf ankommen, mit Besonnenheit auf die sehr angespannte Lage zu reagieren, damit sich auch die Gräben in der israelischen Gesellschaft nicht weiter vertiefen. Herr Hebestreit hat schon auf die Vorschläge von Präsident Herzog hingewiesen. Auch dem schließe ich mich natürlich noch einmal ausdrücklich an.

ZUSATZFRAGE: Solidarisieren sich die Ministerin oder der Kanzler mit der Protestbewegung?

HEBESTREIT: Ich denke, dass wir hier sehr deutlich gemacht haben, dass wir uns in solchen Fällen in die inneren Angelegenheiten nicht einmischen. Aber wir haben, denke ich, unsere Position in dieser Frage auch gegenüber Ministerpräsident Netanjahu unzweideutig deutlich gemacht.

Medienberichte über eine bevorstehende Ausweisung mehrerer russischer Diplomaten aus Deutschland

FRAGE: Ich habe eine Frage zur geplanten Ausweisung von 30 russischen Diplomaten aus Deutschland. Wie ist der Zeitpunkt zu erklären? Warum geschieht diese Ausweisung jetzt? Was ist der Grund dafür? Nach welchen Kriterien wurden die Listen zusammengestellt? Wie viele russische Diplomaten sind momentan in Deutschland insgesamt stationiert?

SASSE (AA): Ich denke, dass ich die Gelegenheit zur Klarstellung nutzen muss. Eine solche Maßnahme, über die am Wochenende berichtet wurde, ist im Moment nicht vorgesehen. Sollte es entsprechende Entscheidungen geben, würden wir die Öffentlichkeit darüber zu gegebenem Zeitpunkt informieren.

ZUSATZFRAGE: Stimmt der Bericht des „FOCUS“ also nicht?

SASSE: Wie gesagt, ist eine solche Maßnahme derzeit nicht vorgesehen.

FRAGE: Sie sagten so explizit, eine „solche“ Maßnahme. Sind derzeit denn andere Maßnahmen vorgesehen?

SASSE: Sie kennen unsere diesbezügliche Haltung. Wir spekulieren nicht. Ich habe sehr deutlich gemacht, dass ich mich hier bei meiner Antwort auf die Berichte vom Wochenende beziehe und dass eine solche Maßnahme, wie sie in den Berichten dargestellt wurde und wie sie der Kollege gerade beschrieben hat, derzeit nicht vorgesehen ist.

ZUSATZFRAGE: Sind andere Maßnahmen vorgenommen worden, in der Vergangenheit? Dann könnten sie darüber berichten.

SASSE: Darüber habe ich Ihnen heute an dieser Stelle nichts zu berichten.

Ankündigung der Verbringung taktischer Nuklearwaffen nach Weißrussland durch den Präsidenten der Russischen Föderation

FRAGE: Der russische Präsident hat am Wochenende auch angekündigt, dass taktische Nuklearwaffen nach Weißrussland gebracht würden. Beunruhigt das den Kanzler? Was sagt die Außenministerin?

SASSE (AA): Das gibt mir Gelegenheit, dazu noch einmal Stellung zu nehmen. Wir hatten am Wochenende auch schon auf einige Presseanfragen geantwortet und deutlich gemacht, dass wir die russische Ankündigung als einen weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung begreifen und diese Rhetorik natürlich für unverantwortlich halten und ausdrücklich zurückweisen. Wir werden uns in unserem Kurs, die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen, dadurch selbstverständlich nicht beirren lassen.

FRAGE: Herr Collatz, verändert sich durch die Ankündigung bezüglich Belarus’ irgendetwas in der sicherheitspolitischen oder verteidigungspolitischen Einschätzung der Bedrohungslage durch das BMVg gegenüber jetzt in Kaliningrad stationierten Systemen?

COLLATZ (BMVg): Das verändert an unserer Lagebewertung und auch an unserem Festhalten an der nuklearen Teilhabe in keiner Weise etwas.

FRAGE: Frau Sasse, warum ist diese Ankündigung nur Rhetorik? Ist sie dann nicht mehr nur Rhetorik, wenn auf die Ankündigung tatsächlich die Stationierung folgt, oder wie ist das zu verstehen?

SASSE: Sie nehmen auf ein Interview Bezug, das der russische Präsident gegeben hat. Da er sich darin wörtlich geäußert hat, ist es zunächst einmal Rhetorik. Wir werden natürlich genauestens verfolgen, ob der Ankündigung, die Herr Putin am Wochenende gemacht hat, auch Taten folgen werden, und wir werden darauf entsprechend reagieren.

HEBESTREIT (BReg): Vielleicht muss man noch einmal in Erinnerung rufen, dass es Russland ist, das mit seinen Truppen die Ukraine überfallen hat und seit bald 14 Monaten mit einer unerbittlichen Härte versucht, sich Teile der Ukraine unter den Nagel zu reißen. Dieser Teil ist Grundlage für all das, was uns miteinander im Augenblick beschäftigt. Deswegen sind es auch eskalatorische Schritte, die jetzt seitens der russischen Seite zumindest rhetorisch im Augenblick weiter geführt werden.

Die Ursache für diesen Konflikt, die Verantwortung für diesen Konflikt liegt einzig und allein in Moskau.

ZUSATZFRAGE: Danke für den Hinweis! Genau das ist der Hintergrund meiner Frage. Rhetorik bedeutet ja im Grunde in der allgemeinen Wahrnehmung: Na ja, der will nur mit Worten spielen. ‑ Hat diese Rhetorik, die Ankündigung des Präsidenten, den Charakter einer Drohung, Frau Sasse?

SASSE: Ich habe den Ausführungen, die ich eben gemacht habe, nichts hinzuzufügen. Ich habe Ihnen unsere Einschätzung mitgeteilt. Ich habe Ihnen mitgeteilt, dass es sich um einen weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung handelt. Das ist unsere klare Position in dem Moment.

FRAGE: Es gab bislang ja mehr oder weniger immer die Verabredung, dass man die nukleare Teilhabe nicht jenseits des früheren westlichen Bündnisgebietes erweitert. Jetzt wäre natürlich eine Möglichkeit, entsprechende Veränderungen auch vorzunehmen. Nun ist Deutschland ja nicht selber im Besitz von Nuklearwaffen ‑ zumindest nicht Eigentümer von Nuklearwaffen; so muss ich es, glaube ich formulieren. Sieht die Bundesregierung diese alte Zusage, dass man es im NATO-Bündnis nicht unterstützen würde, Nuklearwaffen auf früherem Warschauer-Pakt-Gebiet zu stationieren, noch als valide an?

HEBESTREIT: Ich glaube, darüber würde ich jetzt im Augenblick gar nicht spekulieren. Im Augenblick ist es so, dass wir diese Ankündigung vom Wochenende von Herrn Putin zu hören bekommen haben. Da ändert sich insoweit nicht so wahnsinnig viel, als es schon ein gerütteltes Maß an auch taktischen Nuklearwaffen aus Russland, die auf Europa gerichtet sind, gibt. Das vielleicht noch abschließend zu der einen Frage.

Zu der anderen Frage, welche Reaktion womöglich daraus folgt, mag ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren. Auch da muss man jetzt erst einmal über die Rhetorik, also über die wörtliche Ankündigung einer Maßnahme, abwarten, ob dem auch Dinge folgen, und dann müsste das innerhalb des NATO-Bündnisses sehr genau miteinander diskutiert werden. Da sehe ich im Augenblick aber nichts, was ich von dieser Stelle aus beizutragen hätte.

SASSE: Ich kann vielleicht noch ergänzend hinzufügen, dass der Vergleich zur nuklearen Teilhabe der NATO, den Präsident Putin da gezogen hat, natürlich komplett irreführend ist. In der nuklearen Teilhabe der NATO übernehmen die Alliierten gemeinsame Verantwortung für den Einsatz von Nuklearwaffen im Konfliktfall, und ein Verstoß gegen den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag kann das schon deswegen nicht sein, weil die nukleare Teilhabe ja bereits bestand, als dieser Nichtverbreitungsvertrag entstanden ist und in Kraft getreten ist.

US-Drohnenangriffe in Syrien

FRAGE: Zum Thema Syrien: Frau Sasse, US-Präsident Biden hat das Parlament in Washington informiert, dass die Amerikaner Luftangriffe per Drohneneinsatz durchgeführt haben. Hat sich die Bundesregierung daraufhin bei den Amerikanern erkundigt, ob das via Ramstein passiert ist?

SASSE (AA): Ihre Frage zu Ramstein ist sicherlich für das Publikum heute besonders interessant. Sie selber wissen aber, dass wir an dieser Stelle immer wieder dazu Stellung genommen haben, und unsere Position dazu hat sich nicht geändert, die kennen Sie; ich möchte sie an dieser Stelle auch nicht unbedingt für alle anderen Zuhörer wiederholen, weil sie sie bereits kennen.

Was die Luftschläge der Amerikaner in Ostsyrien angeht, stehen wir zum einen natürlich mit den Amerikanern in Kontakt. Das betrifft diese Entwicklung, das betrifft aber auch alle anderen Entwicklungen. Sie wissen, dass wir einen engen Draht zu den Amerikanern unterhalten und dass der sich selbstverständlich auch auf solche Entwicklungen bezieht. Wir haben dementsprechend auch die Verlautbarungen der US-Regierung zu diesen Schlägen zur Kenntnis genommen.

Ich kann an dieser Stelle auch nur noch einmal darauf verweisen, dass die Amerikaner selber sehr deutlich gemacht haben, dass das Luftschläge sind, die in Reaktion auf einen zuvor erfolgten Drohnenangriff auf eine Wartungseinrichtung von US-Truppen und deren Verbündeten erfolgt ist. Ich möchte hier also noch einmal ganz klar das reaktive Element betonen. Bei dem den Luftschlägen vorangegangen Drohnenangriff wurde unter anderem ein US-amerikanischer Auftragnehmer getötet und fünf US-Soldaten und ein weiterer Auftragnehmer verwundet. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich hervorheben. Die US-Regierung hat immer wieder klar gemacht, dass sie bei US-Personenschäden durch solche Angriffe reagieren wird und auch muss, auch um natürlich eine gewisse Abschreckungswirkung zu entfalten, was zukünftige Angriffe von derartigen Kräften angeht.

ZUSATZFRAGE: Ich hatte ja nicht nach Ihrer Position gefragt; die kennen wir. Es geht vielmehr um die völkerrechtliche Dimension, wenn über Ramstein Drohnenangriffe geflogen werden. Sie sprechen von Personenschäden, wie Sie das nennen, oder einem reaktiven Element der Amerikaner. Die Frage ist, ob es völkerrechtlich gedeckt ist, in Syrien Luftangriffe zu fliegen. Ist Ihnen das bekannt und haben Sie deswegen jetzt nachgefragt, weil Sie ja die offizielle Bestätigung bekommen haben?

SASSE: Ich bleibe bei meiner Antwort. Sie kennen unsere Position ‑ auch unsere völkerrechtliche Position ‑ zu Ramstein; die haben wir hier an dieser Stelle immer wieder deutlich gemacht. Diese Position kennen Sie nur zu gut; Sie schauen sich dazu am besten Ihre eigenen Videos an. Sie wissen auch, dass die Amerikaner uns immer wieder zugesichert haben, dass mit Blick auf ihr Handeln über Ramstein alles im Einklang mit dem NATO-Truppenstatut erfolgt, und wir haben keinen Anlass, an diesen Zusicherungen der US-Regierung zu zweifeln.

Haftstrafe für den indischen Oppositionspolitiker Rahul Gandhi

FRAGE: Frau Sasse, zu Indien: Ende letzter Woche wurde die führende Persönlichkeit der Oppositionspartei „Indian National Congress“ zu zwei Jahren Haft verurteilt und dann auch fast sofort aus dem Parlament ausgeschlossen. Es geht dabei um fragwürdige Vorwürfe der Rufschädigung wegen einer Äußerung aus 2019. Machen Sie sich Sorgen um die indische Rechtsstaatlichkeit, wenn ein wichtiger Oppositioneller so rasch von der politischen Bühne weggeräumt werden kann?

SASSE (AA): Vielen Dank‑ Sie spielen auf den Fall Gandhi an. Ich würde Ihnen dazu gerne eine Nachreichung ankündigen.

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