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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 08.02.2023
Erdbeben in der Türkei und in Syrien
FRAGE: Zu den Hilfsleistungen in die Türkei und nach Syrien. Es gibt seitens des syrischen Regimes den Vorwurf, dass Hilfsleistungen in Syrien nicht ankämen, weil Sanktionen im Wege stünden. Ist das ein in irgendeiner Form berechtigter Vorwurf, oder laufen ungeachtet der Sanktionen auch Hilfslieferungen nach Syrien? Was ist da geplant und wo gibt es Hindernisse?
SASSE (AA): Ich fange einmal an, und vielleicht können die Kollegen aus den anderen Ressorts ergänzen.
Vielleicht erst einmal zu unseren grundsätzlichen Bemühungen, den Menschen in der Türkei und in Syrien in dieser sehr, sehr schwierigen Lage zu helfen: Die aktuelle Lage ist ‑ das können Sie ja selber den Bildern entnehmen ‑ verheerend, und zwar sowohl in Syrien als auch in der Türkei. Die Opferzahlen steigen quasi minütlich. Die Bedingungen der Überlebenden in der klirrenden Kälte und den winterlichen Bedingungen sind natürlich ebenfalls extrem schwierig und prekär. Wir sind ‑ das haben alle Beteiligten der Bundesregierung in den letzten zwei Tagen mehrfach zum Ausdruck gebracht ‑ sehr, sehr betroffen, zutiefst betroffen, und unsere Gedanken sind bei den Verletzten, den Angehörigen und auch den zahlreichen Helferinnen und Helfern, die häufig selbst betroffen sind und die alles geben, um noch möglichst viele Menschen vor Ort lebend aus den Trümmern zu retten und auch die Überlebenden zu versorgen. Ich verweise an dieser Stelle für das Außenministerium auch noch einmal auf die Äußerungen von Außenministerin Baerbock von gestern.
Jetzt geht es natürlich darum ‑ darauf waren wir am Montag schon eingegangen ‑, möglichst schnell und passend zu helfen. Diese Hilfsbemühungen sind sehr intensiv, sehr breit und umfassen natürlich die gesamte Bundesregierung. Wir stimmen uns hierzu eng ab. Es wird heute beispielsweise auch noch eine Sitzung des Krisenstabs geben.
Was die Hilfsbemühungen angeht, so richten diese sich natürlich sowohl an die Menschen in der Türkei als auch in Syrien; das muss man ganz klar sagen. Es geht konkret darum, Search-and-Rescue-Teams, auf die Herr Kall wahrscheinlich noch genauer eingehen wird, in die Türkei zu schicken. Es gibt einige Teams, die schon vor Ort sind und tatsächlich auch schon einige Erfolge erzielen konnten, Menschen lebend aus den Trümmern retten konnten. Das sind beispielsweise Search-and-Rescue-Teams der Organisation I.S.A.R. ‑ Herr Kall wird sicherlich noch darauf eingehen. Ich sollte noch hinzufügen: Da stimmen wir uns natürlich auch sehr, sehr eng innerhalb der EU ab. Die Türkei hat den EU-Katastrophenschutzmechanismus ausgelöst, der gewisse Abstimmungen und auch Hilfsleistungen, die dann in die Türkei gesendet werden, zur Folge hat.
Ganz konkret, weil Sie nach der Lage in Syrien gefragt haben ‑ das hatte ich am Montag auch schon ausgeführt ‑: Dort laufen seit Jahren, einfach weil der Konflikt schon so lange dauert, umfangreiche humanitäre Hilfslieferungen. Das heißt, wir arbeiten ganz konkret seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Partnern vor Ort zusammen, um den Menschen in der schwierigen Situation des Konfliktes Hilfe zu leisten. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir schon jetzt ein Netzwerk von Partnern vor Ort haben, mit denen wir eng zusammenarbeiten, um auch jetzt in der Situation nach dem Erdbeben möglichst schnell Hilfe leisten zu können und vor allem praktisch und bedarfsgerecht Hilfe zu leisten.
Zu den Zahlen hatte ich am Montag, glaube ich, schon erwähnt, dass wir als Bundesregierung insgesamt zweitgrößter Geber sind, was Unterstützung für die vom Konflikt in Syrien betroffenen Menschen angeht. Diese Unterstützung wird jetzt eben bedarfsgerecht aufgestockt und erweitert, was die Hilfe im Nordwesten Syriens für die Erdbebenopfer angeht. Ganz konkret bedeutet das: Wir stocken unsere humanitäre Hilfe um weitere 26 Millionen Euro auf. Davon gehen eine Million Euro an die Organisation Malteser International, das hatte ich am Montag schon erwähnt. Weitere 20 Millionen Euro gehen an den Syria Cross-border Humanitarian Fund, und 5 Millionen Euro gehen an den Syria Humanitarian Fund. Diese beiden Fonds, die ich zuletzt erwähnt habe, werden von den Vereinten Nationen bzw. der Vereinte-Nationen-Organisation OCHA verwaltet. Das heißt, dass diese Mittel sehr rasch und bedarfsorientiert weiter an internationale und syrische NGOs und auch an internationale Organisationen abfließen können. Außerdem haben die Vereinten Nationen angekündigt, dass sie einen Nothilfe-Appeal für Syrien veröffentlichen werden. Auf dieser Grundlage werden wir dann natürlich weitere Hilfe leisten können. Außerdem haben die Vereinten Nationen gestern selbst bekanntgegeben, dass 25 Millionen US-Dollar aus dem zentralen Nothilfefonds CERF für Syrien bereitgestellt werden. Nicht unterschlagen möchte ich auch Hilfsleistungen, die wir über das Deutsche Rote Kreuz leisten. Das sind jeweils 250 000 Euro für die Türkei und Syrien. Das geht an die beiden Schwestergesellschaften des Roten Halbmondes.
Zu Ihrer konkreten Frage, was die Sanktionen angeht: Ich möchte ausdrücklich davor warnen, auf Narrative von Akteuren hereinzufallen, die natürlich auch in diesen für die Menschen vor Ort sehr schwierigen Zeiten versuchen, dort sozusagen ihre eigenen Interessen einzufüttern. Es ist so, dass wir tatsächlich beobachten, dass die aktuelle katastrophale Situation ‑ das muss ich noch einmal erwähnen ‑ politisch ausgenutzt wird, um eine altbekannte Diskussion rund um die Sanktionen gegen das syrische Regime wieder aufzuwärmen. Gerade jetzt ist das aus unserer Sicht besonders zynisch, denn es geht um ein Narrativ, das gerade Russland und auch das syrische Regime von Assad hier sehr stark pushen und das wir bereits kennen.
Unsere Position dazu ist klar, und die hat sich auch nicht verändert: Die EU-Sanktionen richten sich ganz gezielt gegen das syrische Regime und dessen Unterstützer, also ganz konkret gegen Profiteure der Kriegswirtschaft und auch gegen Personen, die schwerste Menschenrechtsverletzungen vor Ort zu verantworten haben. Wir haben bei allen Sanktionspaketen, die verhängt wurden, als EU natürlich immer geprüft und auch genau berücksichtigt, dass negative Folgen in irgendeiner Art für die Zivilbevölkerung nach Möglichkeit vermieden werden. Das hatte und hat für uns auch weiterhin oberste Priorität; das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich betonen. Die Sanktionen verbieten deswegen nur die Einfuhr weniger genau definierter Güter nach Syrien. In der aktuellen Situation werden ja besonders Waren wie Lebensmittel, Medikamente und auch schweres Gerät für die Bergungen benötigt. Diese sind ausdrücklich von den Sanktionen ausgenommen. Das heißt, diesem Narrativ möchte ich hier ausdrücklich entgegentreten.
Vielleicht gebe ich jetzt aber erst einmal an die Kollegen ab.
KALL (BMI): Ich kann gerne an das anknüpfen, was Frau Sasse gesagt hat, und einen Überblick darüber geben, welche konkreten Hilfen aus Deutschland angelaufen und schon in der Türkei eingetroffen sind. Ich möchte auch noch einmal vorwegschicken, dass all das in der EU über das rescEU-Verfahren abgestimmt ist, also über den EU-Katastrophenschutzmechanismus, der auch in diesem Fall ausgesprochen gut funktioniert und dafür sorgt, dass diese Hilfe koordiniert erfolgt und dass genau das an Kräften, an Gerät, an Equipment, an Technik, an Spürhunden und vieles mehr in die Türkei gebracht wird, was dort auch dringend gebraucht wird. Wir sind dazu in sehr engem Kontakt mit dem türkischen Katastrophenschutz AFAD, der uns gesagt hat, dass inzwischen 16 150 Einsatzkräfte und 60 000 Helferinnen und Helfer in der Region seien ‑ das auch zur Dimension dieser Katastrophe.
Konkret zu dem, was aus Deutschland bisher geliefert wurde und auf dem Weg ist ‑ darüber hatte die Bundesinnenministerin ja auch gestern und vorgestern informiert ‑: Die Search-and-Rescue-Einheit, also die Rettungs-und-Bergungseinheit des THW, die auf genau solche Erdbebenkatastrophen spezialisiert ist und schon in vielen solcher Einsätze war, ist heute Früh eingetroffen und dürfte jetzt mit 50 Einsatzkräften ‑ wie gesagt, sehr auf Erdbebenkatastrophen spezialisierten Kräften ‑ und mit vier Hunden und der entsprechenden Technik dazu auf dem Weg in das Katastrophengebiet sein. Schon einen Tag vorher ist das Team von I.S.A.R. ‑ International Search-and-Rescue ‑ aus Duisburg, die ebenfalls auf solche Situationen spezialisiert sind, mit 43 Rettungskräften und sieben Hunden eingetroffen.
Vonseiten der Bundespolizei sind bereits 25 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, darunter drei Ärzte, 17 Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter und fünf Diensthundeführer jeweils mit den Hunden in der Türkei eingetroffen, um Menschen aus den Trümmern zu bergen. Wir sehen alle auf den Bildern, dass sehr viele Überlebende zum Glück noch gefunden werden können.
Der ganze Transport von Hilfsgütern läuft gerade an, einiges ist auch schon auf dem Weg. Das betrifft vor allen Dingen Zelte, Schlafsäcke, Decken, Feldbetten, Heizgeräte und Generatoren. Das wird über die THW-Logistikzentren bereitgestellt. Insgesamt werden derzeit etwa 82 Tonnen Material im Wert von ungefähr einer Million Euro unmittelbar bereitgestellt und sollen von der Bundeswehr verpackt, beladen und transportiert werden. Dazu kann Herr Collatz gegebenenfalls ergänzen.
Wir werden natürlich über die nächsten Stunden und Tage laufend darüber informieren, welche Hilfen anlaufen. THW, Rotes Kreuz, viele weitere Hilfsorganisationen und Feuerwehren aus ganz Deutschland bieten ihre Unterstützung an. Auch aus den Ländern sowie von Privaten kommt sehr viel Unterstützung. Das soll natürlich bestmöglich in der Türkei und möglichst auch in Syrien ankommen.
VORS. DETJEN: Herr Collatz, wollen Sie gleich ergänzen?
COLLATZ (BMVg): Sehr gerne, um das Bild vollständig zu machen. Es ist ja schon gesagt worden, dass die ressortübergreifende Kommunikation in diesen Krisensituationen sehr gut und sehr eng und leider auch erprobt ist. Die Bundeswehr trägt natürlich ihren Teil dazu bei. Wir stellen bereits seit gestern Flugkapazitäten im Stand-by bereit. Wir sind in enger Absprache mit dem THW, um die Güter zu verladen, die jetzt bei uns auf den Höfen ankommen. Es sieht so aus, dass wir bereits in der Nacht zu morgen den ersten Flug gewährleisten können.
Wie von Herrn Kall angesprochen, umfasst dieser etwa 82 Tonnen, und ein Teil davon wird mit einem A400M transportiert. Wir stellen, beginnend ab morgen, weitere Flugkapazitäten bereit. Das können dann bis zu drei Flüge pro Tag sein. Diese umfassen genau das, was Herr Kall auch gesagt hatte: Im Vordergrund stehen die Bedarfe des THW wie Zelte, Schlafsäcke, Feldbetten, Heizgeräte, Generatoren, auch Gefahrgut, fabrikneue Generatoren ohne Kraftstoff, Isomatten. Das ganze Material, das in der Krise vor Ort gebraucht wird, steht dann bereit und kann durch die Bundeswehr mitverflogen werden.
FRAGE: Es gibt verschiedene Berichte, wonach das türkische Militär kurdische Gebiete in Nordsyrien bombardiert haben soll, die auch vom Erdbeben betroffen sind. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dazu?
SASSE: Wir kennen diese Meldungen. Wir haben an dieser Stelle in der Vergangenheit immer deutlich gemacht, was unsere Position zu dem türkischen Vorgehen in Nordsyrien ist. Die Türkei, das wissen Sie, beruft sich dabei auf ihr Selbstverteidigungsrecht. Wir können in dieser Situation nur an alle Beteiligten appellieren, jetzt den Fokus komplett auf die Unterstützung der Menschen in der Region zu richten, die von dem Erdbeben betroffen sind. Wir machen das natürlich gegenüber unseren türkischen Gesprächspartnern auch sehr deutlich.
ZUSATZFRAGE: Sie sagen, Sie kennen die Berichte. Können Sie bestätigen, dass es Bombardements gegeben hat?
SASSE: Ich muss das präzisieren: Wir kennen die Meldungen. Wir haben keine eigenen Erkenntnisse darüber.
FRAGE: Ist es richtig, dass Hilfslieferungen nach Nordsyrien derzeit ausschließlich über die Türkei geliefert werden können? Ist dieser Zugang gewährleistet oder ist er behindert? Können Sie uns einen Überblick darüber geben?
SASSE: Das tue ich sehr gerne, denn Sie spielen auf ein Thema, das uns im Wesentlichen alle sechs Monate beschäftigt. Es geht darum, wie man überhaupt Hilfe zu den Menschen nach Nordsyrien bringen kann. Sie wissen, dass wir regelmäßig im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darum ringen, die sogenannte Cross-border Resolution zu verlängern bzw. die Zahl der Grenzübergänge in der Region zu erweitern. Im Moment ist es tatsächlich so, dass nur der eine Grenzübergang in Bab al-Hawa geöffnet ist. Die Außenministerin hat gestern in einer Pressekonferenz an alle Beteiligten appelliert, sich doch auch für die Öffnung weiterer Grenzübergänge und der Grenzen insgesamt einzusetzen. Denn es geht darum ‑ das haben Sie dargestellt ‑, dass man jetzt die Hilfen zu den Menschen bringt und das natürlich über alle möglichen Wege, die zur Verfügung stehen.
ZUSATZFRAGE: Das Assad-Regime hat die EU, glaube ich, offiziell um Hilfe gebeten. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn ich das richtig sehe. Die EU hat das wohl an die EU-Mitgliedstaaten weitergereicht, wenn die Meldungen stimmen. Was bedeutet das für die deutsche Hilfe? Was bedeutet das angesichts einer offiziellen Anfrage für möglicherweise erweiterte Kooperationen mit dem Assad-Regime?
SASSE: Die Meldungen dazu sind uns bekannt und sind kurz vor dieser Regierungspressekonferenz über die Agenturen gelaufen. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass im Moment aus Sicht der gesamten Bundesregierung das Ziel sein muss, den Menschen in den vom Erdbeben betroffenen Regionen sowohl in der Türkei als auch in Syrien zu helfen. Das betrifft natürlich auch Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert sind. Aber auch dort ‑ das möchte ich verdeutlichen ‑ gibt es Partner, mit denen wir zusammenarbeiten können. Das ist nicht das syrische Regime, sondern Partner, mit denen wir schon seit langer Zeit zusammenarbeiten, um den Menschen zu helfen, die vom Konflikt in Syrien betroffen sind. Der Unterstützungsbedarf ist seit Jahren riesig groß, das wissen Sie. Es geht dabei ganz konkret um eine Zusammenarbeit mit Partnern, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben, mit denen wir schon seit langem zusammenarbeiten und über die wir Hilfsleistungen für die Bevölkerung abwickeln können.
Es bleibt dabei, dass wir die Kontakte zum syrischen Regime auf ein zwingend erforderliches Minium heruntergefahren haben. Ich sage Minium, weil es natürlich in bestimmten Situationen bei Hilfslieferungen darauf ankommt, pragmatisch Infokanäle zu nutzen. Das wird auch so bleiben. Das heißt, wir werden in dieser Angelegenheit keine Zusammenarbeit mit dem syrischen Regime verfolgen, so lange Assad und seine Verbündeten keinerlei politische Zugeständnisse machen und so lange es in diesem Land auch ‑ das muss man ja sagen ‑ tagtäglich weiter zu schlimmsten Menschenrechtsverletzungen kommt.
FRAGE: Noch einmal zurück zu den türkischen Angriffen: Herr Hebestreit, ich habe das so verstanden, dass die Bundesregierung diese bestätigten türkischen Luftangriffe nicht verurteilt. Das sind Luftangriffe in einem Katastrophengebiet. Es gibt ja auch internationale Kommentare, die das als niederträchtig bewerten. Sie möchten das nicht?
HEBESTREIT (BMVg): Ich habe den Worten von Frau Sasse nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE: Warum nicht?
HEBESTREIT: Weil Frau Sasse das gesagt hat, was wir dazu sagen. Ich weiß auch nicht, ob sie die Berichte bestätigt hat. Sie hat gesagt: Wir nehmen solche Berichte zur Kenntnis, aber wir haben keine eigenen Erkenntnisse darüber, die wir hier bestätigen können.
ZUSATZ: Es ist ja von anderen Quellen von vor Ort bestätigt worden. Es bedarf ja jetzt nicht der Bundesregierung, das als Tatsache anzuerkennen. Das war der Punkt.
VORS. DETJEN: War das die Frage?
ZUSATZFRAGE: Ich wundere mich nur, warum es keine Verurteilung dieser Luftangriffe in einem Katastrophengebiet gibt. Frau Sasse, können Sie das vielleicht noch einmal erklären?
SASSE: Ich habe dem, was ich gerade gesagt habe, eigentlich nichts hinzuzufügen.
FRAGE: Herr Kall, Sie sprachen vorhin in Bezug auf die Hilfslieferungen ausschließlich von der Türkei, auch was die Search-and-Rescue-Teams anging. Frau Sasse hat ausgeführt, welche Hilfen für Syrien auf Grundlage der bestehenden Strukturen geleistet werden. Aber Erdbeben erfordern häufig doch etwas andere Hilfen, zum Beispiel eben Search-and-Rescue. Ist da irgendetwas in Richtung Syrien unterwegs?
Herr Collatz, wenn drei Flüge täglich reingehen, wird auch etwas mit zurückgebracht, zum Beispiel Verletzte?
KALL: Wir mobilisieren erst einmal alle Hilfen, die jetzt möglich sind, und entsenden diese in die Türkei, weil das eben möglich ist und dort unmittelbar helfen kann. Die Bundesinnenministerin hat aber auch gesagt: Wenn es möglich ist, darüber hinaus in Syrien zu helfen, werden wir das selbstverständlich tun. Zu den Möglichkeiten dazu hat sich Frau Sasse geäußert.
COLLATZ: Was die Bedarfe des Transports angeht, richten wir uns natürlich nach denen, die das am besten beurteilen können. Das sind die Hilfsorganisationen vor Ort, und wir stellen den Transportraum zur Verfügung. Deswegen kann ich zu eventuellen Rücknahmen von Gütern oder Menschen im Moment nichts sagen.
FRAGE: Herr Collatz, wie kann man sich das praktisch vorstellen? 82 Tonnen in einem Airbus werden in die Türkei gebracht und dort wird es der türkischen Regierung überlassen, wohin diese Güter gebracht werden? Werden sie den Hilfsorganisationen übergeben? Sind diese Güter letztendlich nur für die Türkei bestimmt?
COLLATZ: Wir arbeiten ressortübergreifend mit den Hilfsorganisationen zusammen. In diesem Fall ist das THW unser Partner. Das THW sagt auch, wo der Bedarf ist, was wir transportieren können und wohin das geliefert wird.
ZUSATZFRAGE: Frau Sasse, Sie haben die Organisationen aufgezählt, die Sie unterstützen. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung den kurdischen Roten Halbmond?
SASSE: Die Antwort müsste ich Ihnen nachreichen.
FRAGE: Sie sagten, dass Sie auch mit Hilfsorganisationen in Nordsyrien zusammenarbeiten. Ich vermute, die Weißhelme gehören dazu. Welche anderen Organisationen sind das noch? Sind sie bereits jetzt in der Region vor Ort oder müssten sie auch von außen hineinkommen?
Sie haben den Syria Cross-border Humanitarian Fund erwähnt. Was ist das für ein Fonds oder eine Organisation?
SASSE: Ich nehme Ihre letzte Frage vorweg: Die beiden Fonds, die ich erwähnt habe, sind Fonds von UN-OCHA. Das heißt, es sind Fonds, die sozusagen unter den Vereinten Nationen laufen.
Zu Ihrer Frage, mit welchen Partnern wir vor Ort in Syrien zusammenarbeiten, kann ich grundsätzlich sagen: Es sind natürlich Organisationen der Vereinten Nationen, die dort Hilfe leisten und mit denen wir im Kontakt sind. Das sind zum Beispiel das World Food Programme oder UNHCR sowie eine ganze Reihe weiterer Organisationen, die vor Ort tätig sind und die wir umfassend unterstützen. Ich will sie an dieser Stelle hier nicht aufzählen, weil ich dann möglicherweise nicht alle aufzählen würde und niemanden diskriminieren möchte. Das sind aber Organisationen, die Sie zum größten Teil kennen.
Ich kann bestätigen, dass zu den Partnern, mit denen wir auch zusammenarbeiten, auch die Weißhelme gehören.
ZUSATZFRAGE: Haben die Organisationen Zugang zu den Rebellengebieten, oder sind sie vor Ort? Das ist ja vor Ort eine sehr schwierige Gemengelage.
SASSE: Wir unterstützen all diese Partner und arbeiten mit ihnen mit dem Ziel zusammen, dass sie Hilfe an den Mann und an die Frau bringen und in den betroffenen Regionen und Gebieten Hilfe leisten können. Ob und auf welchen Wegen das ganz konkret passiert, ist diesen Partnern überlassen. Wir unterstützen sie natürlich mit genau diesem Ziel.
FRAGE: Die britische Regierung hat angekündigt, den Weißhelmen 800 000 Pfund zur Verfügung zu stellen. Gibt es vonseiten der Bundesregierung auch schon ein spezielles Paket für die Weißhelme? Nach meinem Stand und auch anderen Quellen sind nur die Weißhelme zum Beispiel vor Ort in Aleppo und können dort helfen.
SASSE: Was konkret die Weißhelme angeht, kann ich Ihnen sagen, dass es nichts Neues ist, dass wir mit dieser Organisation zusammenarbeiten. Wir unterstützen diese Zivilschutzorganisation bereits seit 2016, und zwar mit knapp 33 Millionen Euro. Sie wissen, dass die Weißhelme seit Jahren vor Ort unglaubliche Arbeit leisten, um Menschenleben in dem Konflikt zu retten, der dort immer noch insbesondere rund um Idlib tobt.
Was die Lage nach den Erdbeben angeht, befinden wir uns jetzt auch mit den Weißhelmen in engem und intensivem Austausch, damit wir ihnen möglichst rasch Unterstützung zukommen lassen können, die dann an die Menschen vor Ort weitergegeben wird.
ZUSATZFRAGE: Also so etwas, was die britische Regierung schon angekündigt hat, nämlich sofort 800 000 Pfund, können Sie noch nicht bestätigen?
SASSE: Ich kann Ihnen sagen, dass das eine Unterstützung ist, die ohnehin mit den Weißhelmen läuft und dass es jetzt gar nicht nur darum geht, Gelder zur Verfügung zu stellen, sondern dass man auch schauen muss, wo der Bedarf besteht und dann zielgerichtet vorgehen muss. Natürlich sind wir bereit, Gelder an alle Partner, die in der Region aktiv sind, zu geben. Aber es geht vielen natürlich in erster Linie darum, dass man nicht mit der Gießkanne vorgeht, sondern dass man ganz gezielt schaut: Was muss geleistet werden? Was brauchen die Menschen vor Ort? Wer kann das den Menschen wo geben? Genau so gehen wir innerhalb der Bundesregierung abgestimmt vor.
Iranisches Nuklearprogramm
FRAGE: Frau Sasse, ich habe eine Frage zum Thema des iranischen Nukleardossiers. Gestern hat sich der Chef der internationalen Atombehörde, Herr Rafael Grossi, für eine sofortige Reise in den Iran ausgesprochen, um Gespräche mit dem Teheraner Regime zu führen. Er hat auch gesagt, er könne nicht einschätzen, ob das JCPOA, das iranische Nuklearabkommen, überhaupt noch gerettet werden könne. Dazu hätte ich gern Ihre Einschätzung.
SASSE (AA): Vielen Dank. Zum einen stehen wir mit Herrn Grossi natürlich in engem Austausch, was diese Fragen angeht. Sie haben vielleicht auch gesehen, dass wir gemeinsam mit Partnern am 3. Februar ein Statement zu dem jüngsten IAEO-Sonderbericht veröffentlicht haben, in dem es unter anderem um die iranische Anreicherung auf 60 Prozent ging. Darauf will ich an dieser Stelle ausdrücklich verweisen.
Was das Atomabkommen, den Joint Comprehensive Plan of Action, angeht, habe ich hier über keinen neuen Stand zu berichten. Wir haben immer wieder gesagt, dass es vonseiten der E3 aktuell keine Gespräche zu diesem Thema gibt. Wir haben im vergangenen Jahr immer wieder darüber berichtet, dass es insbesondere in der ersten Jahreshälfte 2022 Gespräche gab und Iran verschiedene Angebote und Kompromissvorschläge, die auf dem Tisch lagen, nicht angenommen hat. Insofern kann ich hier nur die Worte von Herrn Burger ‑ ich meine, zuletzt war er es ‑ wiederholen und sagen, dass es aktuell keine Gespräche über den JCPOA gibt.
ZUSATZFRAGE: Dennoch schreitet das iranische Atomprogramm voran, was auch die Gespräche über ein Nuklearabkommen erschweren würde. Noch einmal: Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass das Abkommen noch gerettet werden kann?
SASSE: Zur Rettung dieses Abkommens kann ich an dieser Stelle wie gesagt nichts sagen, weil es im Moment schlicht und einfach keine Gespräche gibt. Unser Ziel in dem gesamten Spiel ‑ wenn ich es einmal so bezeichnen darf ‑ ist und bleibt, zu verhindern, dass sich Iran nuklear bewaffnet. Wir wollen auf keinen Fall einen Wettlauf um Kernwaffen im Nahen und Mittleren Osten haben. Den Ausdruck „Spiel“ habe ich jetzt allerdings nur als etwas flapsigen Ausdruck verwendet. Es geht natürlich um sehr ernste Fragen in dieser Hinsicht, ganz konkret darum, zu verhindern, dass sich Iran nuklear bewaffnet und Atomwaffen entwickeln kann.